Die moldauische Präsidentin muss in der Stichwahl am 3. November um den Sieg bangen. Auf dem Spiel steht die EU-Integration der Moldau.
Die erste Glückwunsch-SMS kam von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er gratulierte der moldauischen Staatspräsidentin Maia Sandu zu deren gutem Abschneiden in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl, vor allem aber zum ihrem Sieg bei dem gleichzeitigen EU-Referendum am 20. Oktober.
Es war etwas knapp geworden – 50,4 Prozent Ja-Stimmen – aber viele „EU-Botschafter ermutigen uns, die Verfassungsänderung jetzt entschlossen zu implementieren”, sagt Ina Coseru, die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im moldauischen Parlament. Gerade traf sie den deutschen Botschafter zum Gespräch. „Wir sprachen über ein neues Programm, in dessen Rahmen moldauische Bürgermeister, Frauen und Jugendliche Deutschland besuchen könnten, um es kennen zu lernen.” Ein vergleichbares Projekt fand vor ein paar Monaten bereits in Ungarn statt.
Coseru glaubt an solche Initiativen. In die EU verliebte sie sich zuerst in Ungarn. „Es ist dort so schön, und geht den Menschen so gut”, erinnert sie sich an ihren ersten Besuch, als ganz junge Frau. „Da dachte ich, ich möchte das auch für uns, für die Menschen in der Moldau. Ich möchte, dass es uns so gut geht wie den Menschen in Ungarn.”
Ihre Leidenschaft ist mitreißend, aber im proeuropäischen Lager ist die Stimmung ansonsten derzeit etwas gedämpfter. „Das knappe Ergebnis des EU-Referendums müssen wir erstmal verdauen, wir und die meisten Experten hatten etwas anderes erwartet”, sagt Igor Zaharov, Ratgeber von Staatspräsidentin Maia Sandu für EU-Angelegenheiten. Viel Geld und Energie war in den Wahlkampf geflossen, die Meinungsumfragen sahen gut aus. „Wir erwarteten 55%, 60% Ja-Stimmen”, sagt er. Stattdessen wurden es 50,4 Prozent.
Bei der gleichzeitigen ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 20. Oktober kam Sandu auf 42,5 Prozent. Am 3. November hat sie daher eigentlich gute Aussichten, die Stichwahl gegen den prorussischen Sozialisten Alexandru Stoianoglo (26 Prozent) zu gewinnen. „Aber es kann eng werden”, sagt Zacharov. In der ersten Runde gab es neben Sandu und Stoianoglo neun weitere Kandidaten, die meisten von ihnen gegen eine forcierte EU-Integration der Moldau. Stoianoglo hat daher mehr Potential, seinen Stimmenanteil zu steigern.
Derweil gibt es im Hintergrund diskrete Debatten, ob das gewonnene EU-Referendum tatsächlich ein legitimes Mandat für eine Verfassungsänderung bedeutet.
„Am Wahlabend sah es noch nach einem Sieg des Nein-Lagers aus”, erzählt ein europäischer Diplomat in der moldauischen Hauptstadt Chisinau. „Erst am Montag, nachdem 200.000 Stimmen der Diaspora-Wähler ausgezählt waren, drehte sich das Ergebnis.” Seither, so sagt er, stehe die Frage im Raum, ob dieses Ergebnis wirklich eine Verfassungsänderung legitimiert.
Dafür ist eigentlich im Normalverfahren eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament erforderlich. Mit dem Referendum wurde das umgangen. Eine einfache Mehrheit genügte für den Sieg. Es wurde aber eine Mehrheit, die im Land selbst nicht existiert: Daheim stimmten die Moldauer deutlich gegen die vorgeschlagene Verfassungsänderung, nur 45% waren dafür.
Zaharov erwähnt nebenbei, dass die Daten zur Wahlbeteiligung irreführend seien. „Die Wählerlisten sind veraltet, sie gehen von einer Bevölkerung von 2,7 Millionen aus – aber mehrere Hunderttausend sind in den letzten zehn Jahren ausgewandert.” Deswegen glaubt er, dass die tatsächliche Wahlbeteiligung bei rund 60% lag, statt den offiziellen 51 Prozent.Im Referendum ging es um die Einfügung zweier neuer Sätze in das Grundgesetz. In der Präambel soll festgeschrieben werden, dass die EU-Integration strategisches Ziel der Republik Moldau ist. Im Verfassungstext selbst soll ein Satz eingefügt werden, wonach die Identität der Moldauer europäisch sei. Konkret ist es das Verfassungsgericht, das auf Grundlage des Referendums den Verfassungstext ändern soll. Auch das ist im internationalen Vergleich eher ungewöhnlich: Es obliegt normalerweise dem Parlament, Gesetzestexte zu ändern. Verfassungsgerichte beschränken sich üblicherweise darauf, die Verfassung auszulegen, nicht deren Text zu ändern.
Beide Seiten – das pro-EU-europäische und das pro-russische Lager – beschuldigen einander, das Wahlergebnis mit unlauteren Mitteln beeinflusst zu haben. Mit viel Geld aus Russland seien unzählige Stimmen buchstäblich gekauft worden, sagt Frau Coseru. Je nachdem, wen man in Chisinau fragt, sollen 130.000 bis 300.000 Moldauer dafür bezahlt worden sein, gegen die EU-Integration zu stimmen. Woher die vielen Millionen Dollar, die dafür nötig waren? Der Experte eines Think Tanks in Chisinau bittet, das Aufnahmegerät auszuschalten. Nicht aus dem russischen Staatshaushalt würden solche Operationen finanziert, heißt es dann. Für solche Dinge seien Russlands Oligarchen da, jeder habe einen Aufgabenbereich, in welchem er für den Staat diskrete Aufgaben finanziert, die die russische Regierung nicht direkt finanzieren kann oder will. Ein Oligarch wird namentlich genannt: Er sei es, der sich speziell um Einfluss-Operationen in der Republik Moldau kümmere.
Die Gegenseite wiederum beklagt, dass für die rund 300.000 Moldauer, die in Russland leben und überwiegend prorussisch eingestellt sind, nur zwei Wahllokale bereitgestellt wurden. Eigentlich nur eines, denn beide waren physisch in der moldauischen Botschaft in Moskau. So konnten nur wenige Tausend Wähler ihre Stimmen abgeben. Ursprünglich, so erzählt ein Diplomat, seien 17 Wahllokale geplant gewesen. Das sei aber mit der Begründung storniert worden, dass der Ukraine-Krieg nun auch auf russischem Staatsgebiet ausgetragen werde, die Sicherheit daher nicht garantiert werden könne.
Zudem mussten Wähler im russisch kontrollierten Separatistengebiet Transnistrien (460.000 Einwohner) in die Moldau reisen, wenn sie an der Wahl oder am Referendum teilnehmen wollten. Daran ist freilich nicht die Regierung in Chisinau schuld: Sie hat keine Kontrolle über das Separatistengebiet, konnte daher dort keine Wahllokale anbieten.
Frau Coseru weist auf einen Lichtblick hin: Ein Drittel jener transnistrischen Wähler, die ihre Stimmen abgaben, hätten für die EU-Integration gestimmt. Das bedeutet, dass auch auf der vorwiegend russisch bevölkerten Seite eine starke Minderheit zur EU gehören möchte.
Warum aber fiel das Ergebnis so knapp aus, im Gegensatz zu allen Prognosen? „Manche fürchten, ein EU-Beitritt bedeute das Ende der moldauischen Neutralität, eine Annährung auch an die Nato”, sagt Igor Zaharov. Das sei aber ein Irrglaube. „Es gibt keinen Plan, der Nato beizutreten”, betont er. Schon deswegen nicht, weil die Unterstützung für einen solchen Schritt laut Meinungsumfragen nur bei rund 25 Prozent liege. Diese geringe Unterstützung für einen Nato-Beitritt, gepaart mit einer Furcht, dass der EU-Beitritt genau dazu führen könne, mag erklären, warum viele Wähler zurückhaltend waren.
Falls Maia Sandu die Wiederwahl am 3. November schafft, ist damit noch nicht die letzte politische Hürde gemeistert. 2025 wird ein neues Parlament gewählt. Auch hier muss ihre „Partei für Aktion und Solidarität” (PAS), siegen, wenn die EU-Orientierung beibehalten werden soll.
Da aber wird eine ganz neue Rechnung aufgemacht: Ion Ceban, der recht populäre Bürgermeister von Chisinau, steigt mit einer neuen Partei (MAN) in den Ring. Er hat mit EU-Geldern viele Modernisierungsprojekte in der Stadt umsetzen können, die Wähler halten ihm das zugute. Bei den Kommunalwahlen 2023 schaffte Ceban auf Anhieb die absolute Mehrheit, nachdem er bereits 2019 zum Bürgermeister gewählt worden war.
Ceban positioniert sich als proeuropäisch und sozialdemokratisch, begann seine politische Karriere aber bei den prorussischen Sozialisten (PSRM). Auf jeden Fall ist er ein Gegner Sandus, der er vorwirft, schön zu reden, aber wenig zu tun. Beobachter glauben, dass er nach 2025 eine wichtige Rolle spielen wird in der moldauischen Innenpolitik.
„Niemand weiss wirklich, wofür er steht”, sagt Cornel Ciobanu, Chef des öffentlichen Senders „Radio Moldova”. Dass er aber nach der Macht strebt, sagt Ceban selbst: „Natürlich. Im allgemeinen gründet man deswegen eine Partei, weil man Wahlen gewinnen will”, sagt er im Gespräch. Er stehe für Kompetenz und Effizienz: „Wir wissen, wie es geht.”
Der PAS würde es helfen, kämen die versprochenen EU-Gelder auch an. Erst zwei Wochen vor der Wahl kam EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach Chisinau und versprach dem Land 1,8 Milliarden Euro, bereits früher hatte die EU der Moldau drei Milliarden Euro zugesagt.
„Von dem Geld ist aber nur sehr wenig tatsächlich bereits geflossen”, sagt Frau Coseru. Und auch der bereits erwähnte europäische Diplomat sieht darin ein Problem: „Viele Menschen leben eher schlechter als früher, auch hier sind die Preise gestiegen. Auch das mag einen Einfluß gehabt haben auf das knappe Ergebnis des Referendums.”
Um aber diese Gelder zu mobilisieren braucht die Moldau etwas, wovon sie nur wenig hat: kompetente Projektschreiber. Um EU-Gelder muss man sich mit Projekten bewerben, das ist aber ein höchst technischer und bürokratischer Vorgang. „Wir haben zu wenig Fachleute dafür”, sagt auch Olga Ursu, stellvertretende Bürgermeisterin in Chisinau.
An solchen Details kann die EU-Vision der Moldau noch scheitern.
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Der Ausschluss von über 300.000 Wählern zzgl. der Wähler in Transnistrien spricht eine überdeutliche Sprache, wie wenig Billigung die „EU-Vision“ tatsächlich in der Bevölkerung hat. Und man kann gesichert davon ausgehen, dass nach einem EU-Beitritt erheblicher (finanzieller) Druck auf Moldawien ausgeübt würde, um einen NATO-Beitritt zu erzielen. Angesichts der immensen Expansionsbestrebungen der NATO sollte mehr Menschen hierzulande und in der EU klar sein, dass die NATO schon sehr lange kein Verteidigungsbündnis ist, sondern tatsächlich den Weltfrieden stark gefährdet. Und das kostet sehr viel Geld, welches weitaus sinnvoller in den jeweiligen Volkswirtschaften verwendet werden sollte, anstatt die Taschen der Investoren der… Mehr
Von vielen Fragen zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in diesem Land abgesehen, ist mir das Interesse der „Imperialisten“ in Bruessel und anderswo durchaus klar. Altmodischerweise frage ich aber auch nach dem nationalen Interesse dieses Landes, Sch’land genannt, an einer Aufnahme. Vermutlich erfasse ich die Gruende dafuer wieder einmal nicht. Vermutlich ueber blicke ich auch die Folgeprobleme der ohnehin aufzuloesenden EU nicht. Dass man dort etwas neidisch auf andere alimentierte Laender blickt verstehe ich durchaus. Dieses Bedürfnis allein sollte doch eigentlich nicht der Grund fuer das nationale Interesse eines Zahlenden sein. Der Autor wird wissen, wer hier letztlich fuer was zur Kasse… Mehr
Hoppla, die Nummer kennen wir doch aus der Ukraine: Eine Wahl wird nicht anerkannt, danach gibt’s Demonstrationen mit dem Ziel der Ablösung der gewählten Regierung und deren Ersatz durch eine pro-westliche Regierung. Das alles mit dem Ziel, Russland einzuhegen, die betreffenden Länder erst in die EU und dann in die NATO einzuschleusen und sich die dortigen Ressourcen zu sichern. Vielleicht springt ja sogar noch ein Umsturz bei den Russen bei der ganzen Aktion heraus. Und die „Wirtschaftshilfe“ in Form westlicher Joint-Ventures stünde schneller auf der Matte, als man das Wort vermutlich aussprechen könnte. Womit der Zugriff auf die russischen Rohstoffvorkommen… Mehr
Wie furchtbar, nicht in die EU integriert zu werden.
Nicht von Energie und Rohstoffen abgeschnitten zu werden,
keine Klima-Gender-Gesundheits-Migrationsagenda aufgedrückt bekommen,
nicht in den Schuldenwahnsinn gezogen zu werden,
nicht die Stellvertreterkriege der USA mitfinanzieren zu müssen,
nicht zur Kriegspartei gemacht zu werden,
keinen Anteil am Niedergang Europas zu haben….
Wer einen Funken Verstand hat, hält sich von dieser Verlierergemeinschaft von Amerikas Gnaden fern.
Wirtschaftswachstum gibt es bei den BRICS+ Staaten.
Die EU bietet nichts als vorsätzlich herbeigeführten Niedergang.
Warum aber fiel das Ergebnis so knapp aus, im Gegensatz zu allen Prognosen? Man hat verhindert, dass bestimmte Gruppen wählen durften und dafür gesorgt dass die Auswanderer nach EU sehr gut mit Wahlurnen versorgt werden – da ist tatsächlich ein mageres Ergebnis. Ich würde sagen, hätte man nur der heutigen Einwohner des Landes entscheiden lassen, wäre das Ergebnis sehr klar. Die starken Minderheiten interessieren die EU nur dann wenn sie die guten Minderheiten sind. Die diskriminierte russische Minderheiten in Estonia und Litauen interessieren EU deswegen nicht. Ich denke es wird auch kein Thriller sein – der Fix ist schon da.… Mehr
Auch in Moldau waren bei der Abstimmung zum EU-Referendum die Briefwahlstimmen der im Ausland lebenden Moldauer ausschlaggebend. Die Einheimischen haben eindeutig und klar gegen einen geplanten EU-Beitritt gestimmt. Jetzt fast Fifty Fifty, das gibt Ärger im Land.
Moldau. Das Land, von dem in Deutschland keiner weiß, wieviele Einwohner es hat. Statista sagt: geschätzt 3,1 Millionen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sagt: Rund 2,5 Millionen. Die Landeszentrale für politische Bildung Ba-Wü sagt: 2,57 Millionen. Das ZDF sagt: 2,6 Millionen. Countrymeters sagt: Geschätzt (!) 4.026.160. Worin sich aber alle einig sind: Russland hat die Wahl mit 300.000 gekauften Stimmen beeinflussen wollen. Immer schön, wenn exakte Zahlen vorliegen.
Mir ist immer noch ein Rätsel warum Moldawien ( das rumänisch sprechende Cisnistrien) nicht schon vor 25 Jahren einen Anschluß an Rumänien – als autonome Provinz – verhandelt und, auch mit Hilfe der EU, erreicht hat. Man wäre in der EU und in der Nato, und man wäre Transnistrien, auf die Russen immer noch Hoheitsrechte beanspruchen, das aber eigentlich zur Ukraine gehört, los. Aus naheliegenden Gründen wollen gewisse Cliquen einen eigenen Staat, für den nicht nur genügend Fachleute zum Ausfüllen von Anträgen an die EU-Kommission fehlen.
Liebe Moldau, bleibt wo ihr seid. Das mit Geld zugeschüttet werden durch die EU, sprich Deutschland, bei EU Beitritt heißt völlige Unterwerfung und Neokolonialismus durch Woke und die Launen Rechtsstaat-Ferner Politiker. Außerdem eine gigantische Geldentwertung durch Geldmengenausweitung um wirtschaftlich schwache Länder für ein paar Jahrzehnte zu finanzieren. Der Euro ist mehr als angeschlagen
Für die EU heißt der Moldau Beitritt für noch ein wirtschaftlich schwaches Land zu zahlen bis die Fehlkonstruktion Euro auseinander fliegt.
Alle verlieren, bis auf diejenigen die sich an Gelddruckerei und Steuereinnahmen fürstlich bedienen.
> Das sei aber mit der Begründung storniert worden, dass der Ukraine-Krieg nun auch auf russischem Staatsgebiet ausgetragen werde, die Sicherheit daher nicht garantiert werden könne.
Lächerliche Ausrede – es ist nicht so, dass in St Petersburg oder Kasan heftige Kämpfe stattfinden würden. Fast zeitgleich war Kasan für das BRICS-Treffen mit zahlreichen Staatschefs sicher genug.
Die „westlichen Demokratiestandards“ – mogeln, was das Zeug hält. Mittlerweile mehren sich Berichte, dass Schergen von Frau Sandu Oppositionelle verprügeln.