Vor dem zweiten Wahlgang

Beim ersten Wahlgang am 30. Juni der französischen Parlamentswahlen erhielt in 76 der 577 Wahlkreise ein Kandidat die absolute Mehrheit und war damit direkt gewählt. In den übrigen kommt es am 7. Juli zur Stichwahl zwischen den bestplatzierten Kandidaten, wo die relative Mehrheit genügt. Eine Zwischenbilanz.

picture alliance / Hans Lucas | Henrique Campos

Den ersten Wahlgang gewann der Rassemblement National (RN), der – zusammen mit verbündeten Parteien – ein Drittel der Stimmen erhielt und knapp über die Hälfte der 76 direkt Gewählten stellt. Es folgen die „Volksfront“ (amtlicher Name: Union de la gauche „Linksunion“) mit 28 Prozent Stimmenanteil und 32 direkt Gewählten und das Parteienbündnis ENSEMBLE! „Zusammen!“ des Staatspräsidenten Macron (20 Prozent, 2 direkt Gewählte), das gegenüber der letzten Wahl (2022: 26 Prozent) der Verlierer ist.

Nach dem französischen Wahlrecht kommen diejenigen Kandidaten in den zweiten Wahlgang die im ersten nicht die absolute Mehrheit erhielten, aber die meisten und zweitmeisten Stimmen, sowie alle nächstplatzierten Kandidaten, wenn deren Stimmenzahl mehr als 12,5 Prozent der Wahlberechtigten betrug. Letzteres war dieses Mal wegen der hohen Wahlbeteiligung (67 Prozent) oft der Fall: Nach dem Ergebnis des ersten Wahlganges hätte es von den 501 Wahlkreisen des zweiten in 306 eine Stichwahl zwischen drei Kandidaten geben müssen und in 5 sogar zwischen vier Kandidaten.

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Sofort nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses erklärte die Führung der Volksfront, dass sie für die Stichwahl ihre drittplatzierten Kandidaten zurückziehen werde und ihren Wählern empfehle, den Gegenkandidaten (gleichgültig welcher Partei) des RN zu unterstützen. Einige Stunden später gab ENSEMBLE eine ähnliche Empfehlung ab. Bis Dienstag, 2. Juli, 18:00 Uhr, mussten die Kandidaten für die Stichwahl erklären, ob sie daran teilnehmen: 134 Drittplatzierte der Volksfront (und verbündeter Parteien) verzichteten, ebenso 82 von ENSEMBLE.

An der Stichwahl am 6. Juli werden nun in 409 Wahlkreisen nur zwei Kandidaten antreten, in 89 drei und in 2 vier; in 1 Wahlkreis (von Französisch-Guyana) gibt es aufgrund besonderer Umstände nur noch einen Kandidaten. Der RN stellt in den meisten der Wahlkreise (genau: 446) einen Kandidaten und müsste, um in der Nationalversammlung (Assemblée nationale) die absolute Mehrheit der Sitze zu erreichen, in 250 die Stichwahl gewinnen.

Das Ergebnis des ersten Wahlganges wurde von den Umfrageinstituten ziemlich genau vorausgesagt. Für den zweiten Wahlgang ist eine verlässliche Prognose unmöglich, weil nicht abzuschätzen ist, wie die Wähler der Volksfront und von ENSEMBLE auf den Rücktritt ihrer Kandidaten von der Stichwahl reagieren: durch Stimmenthaltung, Wahl der jeweils anderen Partei oder Wahl des RN?

Der große Verlierer der Wahl steht aber schon fest: Staatspräsident Macron. Falls der RN die absolute Mehrheit gewinnt, muss er einen Premierminister dieser Partei ernennen; falls nicht, eine Regierung aus Volksfront und ENSEMBLE bilden: zwei Parteien, die politisch fast nichts eint – außer der „Kampf gegen Rechts“.

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Kommentare ( 10 )

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fatherted
1 Tag her

Das ÖRR schließt einen Wahlsieg von RN aus….eigentlich kann man sich die Wahlen in Frankreich ja jetzt sparen….schließlich hatten die ÖRR ja auch damals den Sieg von Hillary Clinton vorausgesagt….die Amis mussten trotzdem wählen gehen…..so geht das ja eigentlich nicht…denn wenn das ÖRR sagt, das kommt so….dann kommt das auch so.

Nobody
2 Tage her

Die dummen Deutschen wählen Studienabbrecher, nonbinäre Männer ohne Testikel, dekadente Hüpftussen die hunderttausende für Fotografen und Visagisten ausgeben, Dissertationsbetrüger, Cum-Ex Demenz-Olaf, einen Märchenbuch-Autor, der nicht weiß was eine Insolvenz ist, Messerstecher relativer, kurz unfähige Politiker, welche unser Land an die Wand fahren.
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Brauer
2 Tage her

Die linke Volksfront steht auf gegen demokratische Wahlen…wie in Deutschland.

Resultant
2 Tage her

War das deutsche Wahlrecht bis 1918 nicht genau wie das französische Wahlrecht heute?

Helmut Berschin
1 Tag her
Antworten an  Resultant

In puncto Wahlberechtigung nicht (kein Frauenwahlrecht, preußisches Dreiklassen-Wahlrecht u. Ä.), aber das Wahlverfahren ist – wie Sie andeuten – durchaus ähnlich: Die 397 Abgeordneten des Deutschen Reichstags wurden im Kaiserreich nach dem absoluten Mehrheitswahlrecht gewählt. Erreichte ein Kandidat nicht 50 Prozent der Stimmen, fand eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen statt. Hierfür gingen die Parteien Wahlbündnisse ein, vor allem die konservativen Parteien, um einen sozialdemokratischen Kandidaten (der häufig im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhielt, aber nicht die absolute Mehrheit) zu verhindern. H. B.

Gerd Garstig
2 Tage her

Die übliche linke Volksfront Wahlmanipulation, bin gespannt wie die Franzosen reagieren.

Klaus D
2 Tage her

Was wird es bringen oder sich ändern wenn denn die rechten (politisch rechten) mal europa (die EU) regieren bzw die EU länder. Wird dann alles besser?

Michael M.
2 Tage her
Antworten an  Klaus D

Keine Ahnung, aber es kann ja eigentlich eh nur noch besser werden, denn noch schlechter als jetzt geht ja wohl nicht oder?!

h.milde
2 Tage her

Eine Kollaboration der „Bobos“ – Borgeois bohéme- mit den „Gauches“ bringt Frankreich bestimmt weiter. An den Abgrund, genauso wie bei uns, den „Boches“. Es sei denn, die Teile der Bevölkerung die mit harter & ehrlicher Arbeit Nahrung & Waren herstellen und die Gewerbe stellen und mit ihren Steuren diese Party bezahlen, boykottieren diese selbstzufriednenen „Bobo´s“ & „Gauches“ in ihren Städten, indem sie die nicht mehr beliefern, und Arbeiten für die nicht mehr erledigen, oder verzögern. Man stelle sich mal vor, „Rungis“ -der weltgrößte Lebensmittelmarkt- hätte, vllt. nur für ein paar Tage, leere Regale, und dabei ist doch der Fisch aus… Mehr

Mausi
2 Tage her

Und bei uns ist die Liste das Maß der Dinge. Und das WahlR entspricht immer noch nicht der Verfassung.