Hurrikan Milton kommt

Es ist 4:00 Uhr morgens. Über ihr Handy bekommt Susanne Heger einen lauten Alarm. Hurrikan Milton zwingt sie, zu evakuieren. Was andere als Katastrophenberichterstattung im Fernsehen sehen, wird für TE-US-Korrespondentin Susanne Heger die nächsten 16 Stunden Realität.

IMAGO / ZUMA Press Wire

Gestern Abend hatte ich mich schon vorbereitet. Die Terrassenmöbel sind in der Garage. Mein Koffer ist gepackt, die Möbel im Haus übereinander gestapelt, alle Stecker aus den Steckdosen gezogen. Ich wohne 300 Meter von der schlimmsten Flutzone entfernt. Ich hatte damit gerechnet, das Haus verlassen zu müssen.

Hurrikan Milton wird wie eine Dampfwalze in einer breiten Schneise über Florida ziehen. Die Westküste am Golf von Mexiko, dort, wo ich lebe, wird am härtesten getroffen werden. Die Mandatory Evacuation, die angeordneten Evakuierungen, weiten sich immer weiter aus. Die Bürgermeisterin von Tampa sagte in einem Fernsehaufruf, jeder, der die bedrohten Zonen nicht verlässt, wird am Donnerstag nicht mehr leben.

Der Sheriff von Collier County, wo ich lebe, hat allen Bewohnern der Evakuierungszonen geraten, ihre Namen und die Nummer ihrer Social Security wasserfest auf den Arm zu schreiben, wenn sie nicht evakuieren. Damit ihre Leichen hinterher leichter identifiziert werden können. So schlimm die Situation auch ist, die Warnhinweise sind drastisch, kommen in kurzen, regelmäßigen Abständen und niemand kann hinterher sagen, er hätte es nicht gewusst.

Milton ist nicht mein erster Hurrikan. Den ersten habe ich oben im sogenannten Florida Panhandle verbracht. Am nächsten Morgen lag eine Yacht im Vorgarten. Dabei waren wir drei Querstraßen vom Strand entfernt. Damals habe ich gelernt, die Naturgewalten nicht zu unterschätzen.

Irma hat vor sieben Jahren bei uns die Dächer weggefegt. Ian, der vor zwei Jahren an der Westküste zwischen Fort Myers und Naples ähnlich wütete wie die Sturmflut im Ahrtal, hatte zwar wenig Wind im Gepäck, aber dafür sehr viel Wasser. Freunde von mir hatten die Drecksbrühe bis unters Dach im Haus. Hurrikan Milton droht mit beidem – Wind und Wasser.

Bis zu 12 Meter sollen die Wellen hoch werden, der Wind in Böen mit bis zu 250 Stundenkilometern wehen. On top kommt, dass erst vor zwei Wochen Hurrikan Helene in der gleichen Gegend einschlug. Die Straßen sind noch voll mit all dem Bauschutt und den entsorgten Möbeln. Das alles kann jetzt zu hochgefährlichen Geschossen werden, wenn der Wind wirbelt. Bereits jetzt wirbeln Tornados an Ost-und Westküste. Dabei sind wir noch 16 Stunden vom Eintreffen des Hurrikan entfernt.

Seit Sonntag regnet es nonstop. Die Straße sind vielerorts bereits durch den Regen geflutet, alle Böden aufgeweicht. Sollte die Flut wirklich so hart anrollen, wie es angedroht wird, steht ihr nichts im Weg. Kein Gulli kann mehr Wasser aufnehmen, kein Rasen sich zunächst vollsaugen.

Im Wetterkanal sagen sie, es wird gewaltig werden. Ist es nicht seltsam, dass man den Wettermännern im Fernsehen plötzlich mehr vertraut als den Journalisten der etablierten Medien? Die melden nämlich in Dauerschleife, dass Trump Falschmeldungen bezüglich der Verwendung der Katastrophengelder verbreiten würde. Anlass war die Rede von Verkehrsminister Pete Buttigieg, dass FEMA, der amerikanische Katastrophenschutz, nach Hurrikan Helene keine ausreichenden Gelder mehr hätte, sollte es zu weiteren Katastrophen kommen.

Trump und andere Republikaner zeigten auf, dass Milliarden Dollar aus FEMA-Mitteln für Migranten aufgebracht wurden. Unterkunft, Transport, Verpflegung, das kostet. Das Weiße Haus meldete umgehend, diese Gelder seien aus einem anderen Topf geflossen, die Republikaner würden Hass und Hetze verbreiten.

Fakt bleibt, dass Gelder für Migranten aus FEMA-Töpfen bezahlt wurden. Ob aus dem für Hurrikanhilfe oder einem anderen ist den Menschen und auch mir ehrlich gesagt gerade ziemlich egal. Sollte es meine Nachbarn und mich richtig hart treffen, werden wir von der Regierung wohl wenig Unterstützung erhalten. Den Opfern von Helene wurden 750 Dollar Nothilfe angekündigt. Als Kredit. Na dann…

Gouverneur DeSantis ist, seit vor zwei Wochen Hurrikan Helene einschlug, im Dauereinsatz. Er koordiniert, gibt Anweisungen und organisiert die Hilfstrupps. Auch die privaten, die gerade den Laden am Laufen halten. Vorausschauend, wie immer. Floridians sind froh, dass er in dieser Krisensituation an der Spitze des Landes steht.

Die Kandidatin der Democrats, Kamala Harris, wollte sich nun ebenfalls als Macherin und Krisenmanagerin hervortun, ließ bei DeSantis eine Stellungnahme anfragen. Als er nicht zurückrief beschuldigte sie ihn, das aus politischen Gründen zu tun, weil ihm die Menschen in Florida egal seien. Darauf in einer Pressekonferenz angesprochen war der Gouverneur kurz und knapp. Kamala Harris hätte sich in all den Jahren nie bei ihm gemeldet. Er würde jeden Tag mit Joe Biden und dem Chef des Katastrophenschutzes sprechen, das würde ihm reichen, seine Zeit sei gerade knapp. Eine Katastrophe für politische Kampagnen zu nutzen sei unwürdig. Das saß.

Wir können in Florida zwar jede Hilfe gebrauchen, aber aus politischen Gründen mit seinem Elend vorgeführt werden, mag niemand.

Ein letzter Blick in unser Haus. Schnell noch Fotos gemacht, damit wir Beweise für die Versicherung haben. Die Handtücher, die ich vor die Zimmertüren legte, habe ich wieder eingesammelt. Ein erfahrener Nachbar sagte mir, die würden nichts bringen, nur durchs Zimmer schwimmen. Jetzt abschließen, ins Auto und zu Freunden fahren, die weit außerhalb der Flutzone liegen. Peter Hahne schreibt mir gerade, er würde für mich und Florida beten. Das rührt mich tief. Wir können es gebrauchen.

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