Der US-Wahlkampf geht in den Endspurt. In den wackligen Bundesstaaten zählt jede Stimme. Für sehr viele überraschend kommt die Wahlempfehlung des muslimischen Bürgermeisters aus Hamtramck, eigentlich ein Democrat.
Die Schere im US-Präsidentschaftswahlkampf zwischen Trump und Harris hat sich mindestens wieder geschlossen, wenn Trump der Konkurrentin nicht schon wieder davonläuft. Und wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass den Democrats oder konkret der Kandidatin Kamala Harris die Integrationsfähigkeit fehlt, dann liefert ihn diese Nachricht: Letzten Freitag legte Donald Trump einen kurzen Stopp in Hamtramck ein, der vermutlich einzigen US-Gemeinde mit muslimischer Mehrheit, in der ein Jemenite zum Bürgermeister gewählt wurde.
Daneben leben auch viele Bangladescher, Pakistaner und Bosnier in der Mittelstadt von rund 28.000 Einwohnern, die fast ganz von Detroit umgeben ist. Der umgebende Bundesstaat Michigan ist im Rennen um die Präsidentschaft ziemlich unentschieden mit einem ganz kleinen Vorsprung von derzeit 0,4 Prozent für Trump (laut der Seite 270 to win).
Der Zwischenstopp war natürlich kein Zufall. Bürgermeister Amer Ghalib hat sich für die Wahl Trumps ausgesprochen und den Besuch des republikanischen Kandidaten als historisch bezeichnet. Noch brisanter wird die Angelegenheit, wenn man weiß, dass dieser Ghalib eigentlich ein Democrat ist. Im Hintergrund der Entscheidung steht die Enttäuschung über die Democrats im Weißen Haus, die sicher nicht fairer im Nahost-Krieg agieren, als es Trump tat. Trump hatte an mehreren Verständigungsabkommen zwischen Israel und arabischen Ländern mitgewirkt.
Kein Alkohol mehr im Umkreis der vier Moscheen
Linke Democrats aus Hamtranck geben sich zwar schockiert über die Trump-Unterstützung, sind aber nicht überrascht. 2015, bei Ghalibs Wahl, war die Freude im linken Lager groß gewesen: der erste jemenitischstämmige Bürgermeister in den USA, ein Signal der Vielfalt. Später lernte man, dass es damit nicht weit her ist. Die muslimischen Männer, die nun die Mehrheit im Stadtrat stellten, wollten keine Vielfalt, jedenfalls nicht die des Regenbogens. Aber auch darüber hinaus: Schon 2015 konnte man in der Nähe der vier Moscheen von Hamtramck keine Lizenz zum Verkauf von Alkohol mehr erhalten – bis zu einem Umkreis von 500 Fuß, schrieb die Washington Post mit leisem Entsetzen. Es gebe „Spannungen“ in der Bürgerschaft.
Sogar unter der Prohibition hatte es in Hamtramck offenen Alkoholausschank gegeben, ein seltenes Zeichen des Widerstands einer vorwiegend katholischen Stadt gegen die puritanischen Eiferer. Die Bürgermeisterin Karen Majewski sah schon 2015 die Wirtschaftsinteressen der Stadt in Gefahr: kein Alkoholausschank – kein Entertainmentsektor. Außerdem fühlte sich Majewski laut Guardian von der einstigen Minderheit der Muslime betrogen: „Wir haben euch unterstützt, als ihr bedroht wurdet, aber jetzt sind unsere Rechte bedroht, und ihr seid die, die uns bedrohen.“
Früher hatten sich vor allem katholische Polen und Ukrainer in Hamtramck angesiedelt, zuvor schon einige Deutsche. 1987 besuchte Papst Johannes Paul II. die Stadt. Dann kam der Abstieg der Fabriken, die dicht besiedelte Stadt versank in Armut. Inzwischen tragen die meisten Frauen im Zentrum der Stadt ein Kopftuch oder einen Hidschab, manche sogar den Niqab, bei dem nur ein Schlitz für die Augen bleibt. Laut dem Zensus von 2020 waren 30 bis 38 Prozent der Stadtbewohner jemenitischer Abstammung, plus 24 Prozent „asiatischer“ Abstammung – also hauptsächlich aus Bangladesch und Pakistan. Zusammen ergibt das die besagte Mehrheit.
Schnittmengen in Bewegung
Im Juni 2023 verbot der inzwischen rein muslimische Stadtrat Pride-Flaggen an öffentlichen Gebäuden, was auch schon viele Democrats empörte, während es Konservativen gleich welchen Glaubens wohl recht war. Denn in der Tat ist diese Entlassung des Regenbogens aus dem Staatsdienst gerechtfertigt. Die Frage ist nur, wie weit die Tendenz zur Re-Privatisierung der Sexualität gehen soll. Muslime werden am Ende noch anderes an dieser Stelle vorhaben als konservative Christen, die an der Gottesebenbildlichkeit des Menschen festhalten. Eines ist aber in Hamtramck klar geworden: Konservative Muslime sind eben doch keine Linken, auch wenn sie mit der SPD oder den US-Democrats anbandeln. Das fiel nun selbst dem britischen Guardian auf.
Auf der anderen Seite besitzt Trump – in religiösen Fragen eher unbeschlagen – einiges an Wendigkeit und war sich nicht zu schade, dem muslimischen Bürgermeister einen Besuch abzustatten. In seiner ersten Amtszeit als Präsident hatte er alle Einreisen aus dem Jemen verboten, ebenso die aus mehreren anderen muslimischen Ländern. Nun zeigt sich, dass er es nicht so genau nimmt, wenn sich noch ein paar Stimmen gewinnen lassen. Ist das schon politischer Zynismus? Vielleicht. In Michigan kommt es darauf an, einen Vorsprung zu halten oder auszubauen. In diesem Kampf ist Trump offenbar alles recht. Vielleicht zurecht. Lacht dem Kandidaten nach immer mehr Stimmen der Latinos und Schwarzen auch die Stimme der Muslime und Araber entgegen?
— snowflake.tears (@snowflaketearss) October 19, 2024
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Warum überraschend? Nur weil er Muslim ist? Oder bisher Demokrat? Der Sinn des Wortes Wahl besteht darin, dass man eine Wahl hat – zwischen Parteien, Kandidaten, Programmen, Meinungen. Der Vollständigkeit halber könnten Sie ja auch erwähnen, dass nicht wenige republikanische Gouverneure, Abgeordnete und ehemalige Regierungsmitglieder zur Wahl von Frau Harris aufrufen. Das Gute ist: Alle haben die Wahl. Noch, denn noch hat sich Herr Trump ja nicht zu einer Antwort bewegt auf die Frage, warum er mehrfach auf Wahlreden gesagt hat, die Bürger der USA müssten nur noch dieses eine Mal wählen zwischen Kandidaten. Und das explizit nicht, weil er… Mehr
WER WILL SCHON „WOKE“? Die Muslime, Arbeiter und Evangelicals wohl am wenigsten. Aus der Sicht der woken Stadtschickeria, die sich als einzige „Fangemeinde“ um K. Harris schart, sind Arbeiter doch nur „deplorables“, bedauernswerte Proleten, die die Frechheit besitzen, ein normales Leben haben zu wollen. Klar, wer eine knallharte 8-Stundenschicht in einem Stahlwerk hinter sich hat, der will, wenn er heim kommt, nicht über feministische Gleichstellung oder freie Geschlechterwahl diskutieren. Sein Geschlecht hat sich ihm wieder mal mitgeteilt, als er nach der Schicht unter der Dusche stand. Er will kein durchgezicktes Flintenweib zu Hause haben, sondern eine Frau, die sich (möglichst… Mehr
Doch, das wäre es.
Sollte Trump erneut wieder Präsident werden, dann deshalb, weil die Alternative in jeder Hinsicht eine schlechtere wäre.
Das potentielle machtstrategische Problem der sehr hohen Israelverbundenheit der Demokraten hatten diese sehr lange nicht auf dem Schirm. Nun fliegt es ihnen um die Ohren.
Ich möchte eine möglichst neutrale Analyse abgeben: Trump ist ein Showman. Er hat vermutlich die Ansichten des normalen Bürgers von der Straße, aber vor allem möchte er gewinnen. Er redet heute so und morgen so. Aber er hat ein Gespür dafür, was ankommt. Und als Geschäftsmann ist er pragmatisch. Sollte Trump gewählt werden, weiß keiner, was man bekommt. Möglicherweise erhebt er Zölle, eventuell aber auch nicht, weil das die Inflation antreibt. Er kann auf harten Kurs gegen China gehen, er kann aber auch einen Deal mit China machen. Vielleicht baut er den Staat stark zurück (wie Elon Musk das propagiert).… Mehr
Ja, weil ein überzeugender Gegenkandidat fehlt! Wer weder Trump noch Harris mag, geht vermutlich gar nicht wählen! Andere wählen dann das für sie kleinere Übel! Dort wird man ins Extreme gezwungen, hier ist zwar die Auswahl größer, aber das Niveau leider auch nicht!
Ich glaube das entscheidende Thema ist letztlich hier auch die Immigration Crisis. Interessanterweise wird da diesmal gar nicht so groß Brimborium drum gemacht. Aber Trump glaubt man zumindest, dass er das anpacken kann.
Harris wird es sicher nicht. Gleicher Grund wie auch hier: Die Parteibuchbesitzer, seien es Democrats oder CDU, verdienen sich eine goldene Nase mit illegaler Einwanderung. Und Harris ist komplett abhängig ohne irgendeinen originären Gedanken.
Trump glaubt man wenigstens einen gewissen Grad Unabhängigkeit von Corporate Interests.
> Schon 2015 konnte man in der Nähe der vier Moscheen von Hamtramck keine Lizenz zum Verkauf von Alkohol mehr erhalten – bis zu einem Umkreis von 500 Fuß, schrieb die Washington Post mit leisem Entsetzen.
Das sind gerade mal 150 Meter – in der Stadt gibt es sicherlich noch genug Orte, wo man saufen kann. Gibt es solche Einschränkungen um christliche Kirchen oder Schulen nicht?
Ich prophezeie am Wahlabend einen großen Vorsprung von Trump, der in der Nacht wegen der „Briefwahlen“, auf einen hauchdünnen Vorsprung für Harris dreht. Man hat Übung darin … 🙂
Die Linken werden wieder betrügen, das ist klar, denn es ist das einzige, was sie können. Allerdings ist es die Frage, ob es ihnen diesmal in der Form gelingen wird. Denn die GOP hat aus leidvoller Erfahrung auch ein wenig dazu gelernt. Bei der letzten Wahl gingen entscheidende swing states wie Georgia, wo Trump lange mit sattem Vorsprung vorn lag und am Ende hauchdünn verlor (wohl wegen Briefwahlen) an die Linken. Einer der Tricks bestand darin, Briefwahlunterlagen an Verstorbene zu schicken. Da in den USA nicht alles so genau überprüft wird, kamen sie in vielen Fällen damit durch. Sie haben… Mehr