Teflon-Trump im Endspurt unantastbar

Eine Binsenweisheit rund um Treibsand besagt, dass man umso tiefer sinkt, je mehr man dagegen ankämpft. Genauso scheint es Kamala Harris und ihrer Kampagne im US-Wahlkampf zu ergehen, während Trump ohne großes Zutun auf einer Welle des Erfolgs reitet. Den Wettbewerb um die besseren Bilder hat er jetzt schon für sich entschieden.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Julia Demaree Nikhinson

Die Zeit der Inhalte im US-Wahlkampf ist, wenn es sie jemals gab, vorbei. Im Endspurt gilt es vor allem den Staffelstab nicht fallen zu lassen, positive Stimmung zu generieren und womöglich den einen oder anderen Prozentpunkt noch mitzunehmen. Das Wahlkampfteam von Donald Trump hat aber erkannt, dass sein bester Wahlkampfhelfer momentan die Kampagne von Kamala Harris ist, die im Treibsand gefangen wild um sich schlägt und sich damit nur immer tiefer in die Bredouille bringt.

Der absolute Höhepunkt der Entgleisungen wurde nun damit erreicht, dass der amtierende Präsident Joe Biden in einem CNN-Interview Wähler von Trump als „Garbage“, also als „Abfall“ bezeichnete. Es ist eine Entgleisung, die selbst den im 2016er Wahlkampf von Hillary Clinton angeführten „basket of deplorables“ („Korb der Erbärmlichen“) übertrifft. Trump selbst erfuhr live im Rahmen einer Wahlveranstaltung von dieser Bezeichnung und ordnete sie sogleich als „schlimmer als der Korb der Erbärmlichen“ ein. Doch anstatt zu geifern, bediente er sich biblischer Sprache, als er mit ausgestreckten Armen aufrief: „Vergebt ihm, denn er weiß nicht, was er gesagt hat.“

This is Orwellian pic.twitter.com/hukbccmExj

— Libs of TikTok (@libsoftiktok) October 30, 2024

Tags darauf übertraf Trump sich selbst, als er bei seiner nächsten Wahlkampfstation in Green Bay mit orangener Schutzweste sich in einem Müllwagen ablichten ließ und dabei innerhalb kürzester Zeit, nach seinem kürzlichen Auftritt als Drive-In-Mitarbeiter bei McDonald’s, wieder einmal seine ungezwungen anmutende Volksnähe unter Beweis stellte.

Als er dann selbst mit dieser orangenen Weste die Bühne betrat, betonte er, dass „250 Millionen Amerikaner kein Abfall sind“ und inkludierte dabei geschickt alle wahlberechtigten US-Bürger und nicht nur jene 74 Millionen, die das letzte Mal für ihn gestimmt hatten. Trump präsentierte sich gelassen und stellte dabei wieder einmal sein natürliches komödiantisches Talent unter Beweis, als er nacherzählte, wie sein Wahlkampfteam auf die Idee kam, ihn in einen Müllwagen mit orangener Schutzweste zu setzen. Als diese ihm rieten, er solle so auf die Bühne gehen, so erzählte Trump, wollte er erst nicht ohne sein Sakko auftreten. Doch als ihm seine Mitarbeiter sagten, die orange Weste mache ihn schlank, war Trump überzeugt und behauptete, zukünftig nur noch in dieser Schutzweste auftreten zu wollen.

Volksnähe versus Abgehobenheit

Es mag lächerlich erscheinen, dass der Wahlkampf der weltweiten Hegemonialmacht in der Schlussphase solche Blüten treibt, und doch gelingt es Trump dabei, einen entscheidenden Konflikt zuzuspitzen. Denn der Hochmut der demokratischen Kampagne, die ihre politische und ideologische Geringschätzung für Dienstleister und die untere Mittelschicht kaum verhehlen können, steht in krassem Gegensatz zur bewusst zelebrierten Volksnähe von Donald Trump und kommt in den Entgleisungen der letzten Wochen immer wieder zum Vorschein. Trump reitet momentan auf einer Welle, die vor allem von der demokratischen Kampagne vorangetrieben wird, die mit ihren regelmäßigen Angriffen auf die Anhängerschaft Trumps ihn in die beneidenswerte Situation bringt, wenige Angriffe fahren zu müssen, um sich zu profilieren. Erschien Trump beim TV-Duell im September noch einigen Zuschauern als zu aggressiv, präsentiert er sich seitdem wieder jovialer und humorvoller.

Seine Fähigkeit, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, stellte er nicht erst mit dem Auftritt in orangener Schutzweste unter Beweis, sondern auch einige Tage zuvor bei seinem Auftritt im Podcast von Joe Rogan. Das ungescriptete 3-stündige Gespräch erreichte innerhalb von 24 Stunden – trotz Unterdrückung durch Youtube – mehr als 30 Millionen Zuschauer und stellte damit die Verschiebungen innerhalb der Medienlandschaft noch einmal unter Beweis, denn es handelte sich dabei wohl um das letzte große Interview vor der Wahl, das eben nicht bei einem der etablierten Vertreter der Medien wie CNN, NBC oder Fox News stattfand, sondern bei DEM Aushängeschild neuer Medienkultur.

Auch hier stellte Trump seine Furchtlosigkeit unter Beweis, denn die stundenlangen Gespräche Rogans sind bewusst so lange gehalten, da der erfahrene Podcaster weiß, dass nach einiger Zeit die Müdigkeit bei seinen Gesprächspartnern einsetzt und er ihnen dann ehrlichere Antworten entlocken kann als innerhalb der ersten Stunde. Ironischerweise kursierte in den Wochen vor Trumps Auftritt bei Rogan das Gerücht, Kamala Harris, der man nachsagt, auf unvorbereitete Fragen nur schlecht reagieren zu können, beabsichtige, im Podcast von Rogan aufzutreten. Stattdessen erschien nur wenige Tage später ein Auftritt von Kamala Harris im Podcast des ehemaligen Football-Spielers und nunmehrigen Sportanalysten bei ESPN, Shannon Sharpe. Das Gespräch in dessen „Club Shay Shay“ war allerdings von einem bemerkenswert handzahmen Interviewer geprägt, der seine Bewunderung für die Kandidatin der Demokraten nicht erst zu verstecken suchte und sie mit Fragen darüber, wo sie war, als sie von ihrer Nominierung erfuhr, nicht wirklich aus der Reserve lockte. Das wohlwollende 1-stündige Gespräch wurde innerhalb der ersten 24 Stunden rund eine Million Mal auf Youtube aufgerufen.

Umfragewerte trotz Fettnäpfchen stabil?

Und während Trump bei seinen Wahlkampfveranstaltungen mittlerweile mühelos den Wechsel zwischen Euphorie und der Betonung seiner Inhalte schafft, gelang es Harris in den letzten Tagen selbst ihre eigene Anhängerschaft zum Schweigen zu bringen, als sie einer Menge, die ihren Namen skandierte, zurief, jeder solle nun seinen eigenen Namen rufen, was die Masse prompt verdutzt zurückließ. Harris lachte nervös angesichts ihrer Fähigkeit als Stimmungstöter und probierte den befremdlichen Aufruf dadurch zu erklären, dass es in einer Demokratie um jeden Einzelnen ginge, bevor sie versuchte, wieder zur Ernsthaftigkeit zurückzufinden.

Für die Harris-Kampagne wird die Luft langsam dünn. Denn nicht erst mit dem „Abfall“-Kommentar von Joe Biden verprellt man weite Teile der Wählerschaft. Erst kurz zuvor hatte Harris mit einem Hitler-Vergleich der Wahlkampfveranstaltung von Donald Trump im New Yorker Madison Square Garden für viele übers Ziel hinaus geschossen. Und während Trump in den letzten Wochen vor der Wahl bewusst versucht, das gesamte amerikanische Volk anzusprechen, versuchte Harris mit ihrem Auftritt bei Shannon Sharpe schwarze Wähler zurückzuholen und veröffentlichte nun sogar einen Wahlkampfspot, in dem Frauen nahegelegt wird, sie sollen ihre Männer belügen und in der Wahlkabine ihre Stimme in einem Akt geschlechtlicher Loyalität doch Harris geben.

Ob all das jedoch genügt, dürfte unter normalen Umständen bezweifelt werden. Doch bleibt es schwierig, das wahre Stimmungsbild der USA einzufangen. Während Polymarket mittlerweile einen Vorsprung von 65 zu 35 für Trump sieht, sehen Umfrageinstitute wie TIPP und YouGov nach wie vor ein Kopf-an-Kopf Rennen mit leichten Vorteilen für Harris. Erschwert wird diese explosive Situation zusätzlich durch die vielen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl, die nun in den Tagen vor der Wahl an die Öffentlichkeit gelangen. Die Gefahr, dass bei einem knappen Ergebnis eine Seite die jeweils andere des Wahlbetrugs beschuldigt, hängt wie ein Damoklesschwert über der Wahl, und tatsächlich erscheinen die Modalitäten der Wahl beschämenswert ungenau und für Manipulation anfällig. Einen genaueren Blick auf diese Situation wird TE in einem Nachfolgeartikel werfen.


 

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