Man stelle sich vor: Eine sich selbst als wohltätig verstehende Organisation berät Vertreter der Regierung und Krankenkassen, spricht mit Ärzten in Krankenhäusern – immer mit dem Bestreben, jungen Menschen zu assistieren, die den Wunsch verspüren, ihr natürliches Geschlecht hinter sich zu lassen. Es wäre ein auf seinem Feld sehr machtvoller und einflussreicher Verein. In Großbritannien scheint es ihn zu geben – noch.
Eltern betroffener Kinder meinen, dass es eher die Ratschläge der wohltätigen Organisation waren, die ihre Kinder zu dem Glauben führten, sie seien „transgender“ und benötigten Therapien, um ihre Probleme zu überwinden. Seit dem Jahr 2000 ist die Mermaids-Organisation an der Tavistock-Transgender-Klinik aktiv und setzt sich dort laut Berichten für frühe „Therapiebeginne“ bei Jugendlichen und Kindern ein. Das könnte nun weitere Folgen nach sich ziehen. Denn der Skandal um die Tavistock-Klinik, in der über Jahrzehnte Kinder und Jugendliche mit Hormonblockern behandelt und zu weitergehenden Eingriffen ermutigt wurden, zieht immer weitere Kreise.
Brustbinder gratis – ein Fall von Kindesmissbrauch?
Die Ermutiger waren häufig NGOs wie ‚Mermaids‘ oder ‚Gendered Intelligence‘. Mermaids-Mitarbeiter vertraten in Beratungsgesprächen und Informationsblättern die Meinung, dass Hormonblocker „vollständig reversibel“ seien, wie der Telegraph berichtet. Daran bestehen ernste Zweifel, wie auch Detransitioner – Jugendliche, die zu ihrem natürlichen Geschlecht zurückkehrten – bestätigen. Im moderierten Online-Forum der Organisation wurden Kinder von zwölf bis 25 Jahren beraten, wie sie an Geld für die Medikamente kommen und wie man Testosteron am besten einnimmt. Einem dreizehnjährigen Teenager, der sich für Hormonblocker und „diese ganzen Operationen“ entschieden hatte, gratulierte der Moderator eines solchen Chats.
Einer der ersten Schritte für weibliche Jugendliche ist oftmals das Abbinden der Brüste. Dazu gibt es inzwischen extra-enge Tops oder Brustbinder. Der Mermaids-Verein verteilt derlei gratis an Mädchen ab 13 Jahren. Durch eine Undercover-Recherche der Daily Mail wurde klar, dass „Mermaids“ Brustbinder auch dann versendet, wenn die Eltern das Tragen nicht erlauben.
Als die Tageszeitung die Gruppe um ein Statement bat, sagte ein Mermaids-Sprecher, man nehme eine „Position der Schadensreduktion“ ein. Die Versorgung einer „jungen Person“ mit einem Brustbinder durch ein erfahrenes Charity-Mitglied sei der „wahrscheinlichen Alternative unsicherer Praktiken“ vorzuziehen. Eventuell sei sogar eine verstärkte „Dysphorie“ oder Missstimmung zu erwarten, wenn das junge Mädchen keinen Brustbinder erhält.
Hier etablieren selbstberufene Multiplikatoren eine Mode, die sie dann als erfolgreiche Abwehr eines mentalen Stresses ausgeben, der angeblich bei Nicht-Adhärenz an diese Mode eingetreten wäre. Besser lassen sich eine ideologische Gehirnwäsche und ihr Ergebnis kaum exemplifizieren. Daneben werden familiäre Bande zu Eltern und anderen Bezugspersonen gestört, vielleicht zerstört.
Laut Elterngruppen können Brustbinder zu Atemproblemen, anhaltenden Rückenschmerzen und Veränderungen an der Wirbelsäule führen, sogar zu Rippenbrüchen. Kinderärzte stimmen zu, die Binder seien schmerzhaft und potentiell schädlich. Die Londoner Polizei bestätigte, dass sie bei Feststellung eines solchen Kleidungsstücks gegebenenfalls wegen Kindesmissbrauchs ermitteln würde.
Wo Ideologie auf Leben trifft
Die transgender-kritische Aktivistin Stephanie Davies-Arai sagte: „Eltern sind die primären Bezugspersonen und tragen die Verantwortung für die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Kinder.“ Eltern von wichtigen Entscheidungen auszuschließen, sei das Gegenteil einer Schutzmaßnahme. Eine Untersuchung von „Mermaids“ sei seit Jahren nötig. Weitere Kritiker meinen, die NGO verhalte sich geradezu „missionarisch“ gegenüber den Heranwachsenden, die oft sehr leicht beeinflussbar seien. Schon 2018 hatte die Vergabe der 500.000 Pfund Lotterie-Gelder Kritik in der Times und bei dem Schriftsteller Robert Webb hervorgerufen, der unter anderem tweetete: „Mermaids sucks“.
Später gab es einige offene Skandale rund um die Transgender-Charity. So waren 2019 Briefwechsel von Kindern und ihren Eltern auf der Website mit Klarnamen und Kontaktdaten veröffentlicht worden. Man könnte schon das symptomatisch gefunden haben: Die Einzelschicksale, um die sich die Transgender-NGO eigentlich hätte kümmern sollen, dienten ihr zur Bewerbung der eigenen „guten Sache“. Darüber versank auch das Recht auf Privatheit, das jeder dieser Einzelfälle besaß. Aber trotz solcher Kritikpunkte konnte sich der Verein über die Jahre die Unterstützung von bekannten Personen wie der Schauspielerin Emma Watson und Prinz Harry sichern.
Mermaids im freien Fall?
Nun geriet zudem ein wichtiger Berater der Mermaids-NGO in die Schlagzeilen: Dr. Jacob Breslow, Gender-Forscher an der London School of Economics (LSE), hatte sich 2011 in einem Vortrag verständnisvoll über Pädophilie geäußert. Laut der Times sprach er von „Personen, die sich zu Kindern hingezogen fühlen“. Sein Vortrag sei eine Kritik des gesellschaftlichen Umgangs mit Pädophilen gewesen. Die gastgebende US-amerikanische Organisation B4U-ACT kann man als Interessenvertretung von Pädophilen charakterisieren, die unter dem Mantel der Prävention („before you act“) die Normalisierung anstrebt. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten mutmaßt Breslow auch über „queere“ Kinder und spricht von „Kindheit als Technologie der Macht“ und „gefährlichen Objekten des Begehrens“.
Als die Times sich mit Fragen in der Sache an „Mermaids“ wendete, trat Breslow von seinem Posten bei der NGO zurück. Hier steht die persönliche Integrität eines Kurators in Frage, damit aber auch die Integrität der ihn anstellenden und beherbergenden Organisation.
Für Kritiker der Trans-Bewegung oder -Ideologie wie Kathleen Stock, die ihren Universitätsjob wegen ihrer Ansichten zu der Thematik verlor, war schon nach dem Fall Tavistock klar: „Als nächstes muss Mermaids fallen.“ Nun scheint es so weit, weitere Enthüllungen könnten folgen.
Für J.K. Rowling hatte die Mermaids-Gruppe ihre Finger überall in der Tavistock-Klinik. Die Schriftstellerin reagierte mit einer Vielzahl von erfahrungsreichen Tweets, in denen sie unter anderem von der Verachtung für die Perspektive von Müttern schrieb, die ebenso wie andere, die vor der „Trans-Industrie“ warnten, bedroht wurden.