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Erstmals Akten veröffentlicht

Britische Klinik: Trans-NGO setzte Pubertätsblocker für immer jüngere Kinder durch

Die Londoner Transgender-Klinik für Minderjährige war seit vielen Jahren im Gerede und soll kommendes Jahr definitiv schließen. Nun zeigt sich, wie eng die NGO „Mermaids“ mit der Klinikleitung zusammenarbeitete. Die Mutter eines betroffenen Kindes stand jahrelang an der Spitze der NGO und forderte Expertenstatus für sich ein.

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Die Verteidigungslinien in „woke Twitter“ laufen ähnlich wie im Skandal um Ex-Staatssekretär Patrick Graichen: Was konnte falsch daran sein, „Experten“ heranzuziehen? Und das galt sicher zumal bei einem so neuen, kastanienheißen Thema wie der „Geschlechtsangleichung“ für Jugendliche und Kinder. Das Problem, hier wie da: In diesen neu entwickelten Bereichen des menschlichen Lebens sind die vorgeblichen ‚Experten‘ oft eher heftig interessierte Laien, die das Thema politisch perfekt spielen mögen, es aber in seiner Tiefe keineswegs durchdrungen haben.

So war es jedenfalls in Falle der britischen Transgender-Klinik GIDS (Gender Identity Development Service), die oft und gerne auf den Rat einer besorgten Mutter zurückgriff, wo es um fachliche Fragen ging, die eigentlich nur von Psychologen und Medizinern zu beantworten waren. Susie Green, die ihrem Sohn Jack früh erlaubte, sich in Jackie zu verwandeln, war lange Vorsitzende des „wohltätigen“ Vereins Mermaids und als solche tief in die Transgender-Behandlung des NHS eingebunden, wie jetzt der Telegraph enthüllt. Sie selbst bezeichnet Mermaids als die „größte Charity für die Unterstützung von Transgender-Kindern, Transgender-Jugendlichen und ihren Familien im UK (vermutlich in Europa)“. Ihren Sohn brachte sie in die USA, als er noch unter 16 war, damit er dort Pubertätsblocker nehmen konnte. An seinem 16. Geburtstag flog sie mit ihm nach Thailand für seine erste Operation mit dem Ziel der „Geschlechtsangleichung“.

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Als Vertreterin der Mermaids-Charity war Green daneben im Jahre 2016 an der Erarbeitung von Behandlungsrichtlinien für den staatlichen Gesundheitsdienst Großbritanniens beteiligt. Konkret heißt das: Green griff in die Behandlung von jungen Patienten ein, gab Anregungen, wann welche Präparate (vor allem Pubertätsblocker und Transitionshormone) gegeben werden konnten.

2014 senkte die Gender-Klinik die Altersgrenze für Pubertätsblocker von 16 auf elf Jahre, was wesentlich auf das Lobbying von Mermaids zurückzuführen sein dürfte. 2016 sollten die Hormonblocker gar für alle Kinder unter zwölf Jahren erlaubt werden. Allgemein erkennt der Telegraph, dass in dem Dokument ein größerer Schwerpunkt auf die „medizinische Behandlung“ von Kindern gelegt wurde. Psychologische Bilder, die bei Kindern häufig vorkommen und verschiedenste Ursachen haben können, wurden einseitig medikalisiert und damit implizit pathologisiert.

Ein bestimmtes Alter als Voraussetzung für irgendeine Behandlung sollte es nicht mehr geben. „Informed consent“ (informierte Zustimmung) sei auch in jüngerem Alter möglich. Die Mermaids-Gruppe forderte die Senkung des Mindestalters für Cross-Sex-Hormone auf 14 Jahre. Cross-Sex-Hormone sind der nächste Schritt nach Pubertätsblockern, sie sollen den biologischen Körper aktiv verändern. Mermaids warb dafür, dass der Übergang von einer Hormonart zur anderen schneller möglich würde.

Aufbau neuer Gender-Zentren verspätet sich

Die Transgender-Abteilung für Kinder und Jugendliche an der Londoner Tavistock-Klinik sollte eigentlich schon in diesem Jahr aufgelöst werden, nachdem vielfache Missstände öffentlich geworden waren. Nun wurde die Schließung auf den März 2024 verlegt. Bis dahin darf die Klinik keine neuen Patienten annehmen. Ersetzt werden soll sie durch zwei regionale Zentren im Süden und Norden des Landes.

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Zugleich werden die Details dieses Falls von Behördenversagen durch staatliche Regulierer aufgeklärt – leider erst im Nachhinein. Doch die prüfenden Beamten stoßen auch noch immer auf Intransparenz in der Tavistock-Klinik: So weigerte sich die Klinikleitung, Akten zur Zusammenarbeit mit Susie Green an die staatlichen Prüfer herauszugeben. Erst als die Regulierer mit einer Gerichtsklage drohten, lieferte die Klinik mehr als 300 Seiten aus.

Susie Green, die nicht weiter als die Mutter eines vermeintlichen Transgender-Kindes war, hatte laut den Akten einen direkten Draht zur Abteilungsleiterin Dr. Polly Carmichael. Im Austausch mit der Ärztin forderte sie ein, als professioneller Gesprächspartner anerkannt zu werden, etwa um Kinder auch dann in die Gender-Klinik einzuweisen, wenn sich Hausärzte weigerten. Seit 2004 hatte es Eingaben zumindest von einzelnen Mitarbeitern gegeben, wonach die Überweisung von Kindern zum Zweck der Geschlechtsangleichung oft „voreilig“ war – wie man sich bei Kindern ohne weiteres denken kann.

Es ging konkret um die Umgehung normaler Kontrollen im System

In einer E-Mail von Susie Green klingt es so, dass es eine Abmachung zwischen Tavistock und Mermaids gab, gemäß der die NGO berechtigt war, Kinder in die Klinik zu überweisen. Als die Klinik in einem Fall schrieb, dass die Überweisung nicht ordnungsgemäß „von einem Fachmann bestätigt und einer Risikobewertung unterzogen wurde“, beschwerte sich Green bitterlich, nicht als „professional“ (Profi, Fachfrau) anerkannt zu werden. Es ging Susie Green ganz konkret um junge Menschen, die keine Unterstützung von ihrem Hausarzt hatten, also um eine Umgehung der normalen Kontrollelemente im medizinischen System.

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Dr. Carmichael antwortete, dass Mermaids in der Tat „hilfreicher Weise“ Kinder an die Klinik überwiesen habe und das ja auch weiterhin tun könne. Drittgruppen wie die Mermaids-NGO, die weder dem staatlich-medizinischen Umfeld zugehören noch dem familiären, spielen laut Carmichael häufig „eine lebenswichtige Rolle bei der Unterstützung junger Menschen und ihrer Familien“. Aber diese Einschätzung balancierte schon damals auf Messers Schneide.

Inzwischen ist dieses Gedankenkonstrukt eingestürzt, zumindest für die, die Augen haben, um zu sehen: Die NGOs dürfen als Versager bei der „Unterstützung“ junger Menschen und ihrer Familien gelten, indem sie alle Sicherungsplanken aus dem System zu entfernen suchten. Der Weg zur „Geschlechtsangleichung“ sollte, ging es nach den NGOs, eine Einbahnstraße sein.

NGOs kamen der Gender-Klinik „hilfreich“ entgegen

Und hier muss man auch nach der tieferen Motivation der diversen Gruppen und Organisationen fragen. Sicher muss bei betroffenen Müttern wie Susie Green auch von einer Ideologisierung gesprochen werden. Aber der Verdacht ist nicht vom Tisch, dass die NGOs von Geschäftsinteressen nicht zuletzt der medizinischen Industrie in den Dienst genommen wurden und diesem Bedarf entgegenkamen. Das ist beinahe mit Händen zu greifen, wo die Klinikleitung das NGO-Wirken als „hilfreich“ beschreibt.

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Noch 2018 – der Tavistock-Psychiater David Bell hatte bereits einen Stopp aller experimentellen Hormonbehandlungen für Kinder gefordert – schlug Klinikchefin Dr. Carmichael vor, dass Susie Green an einer Studie zu „jüngeren Servicenutzern“ mit ihrer Mermaids-NGO teilnähme. Green sagte hocherfreut zu. In der Studie sollte es um Kinder von drei bis 14 Jahren gehen. Ein Antrag auf Förderung wurde beim nationalen Institut für Gesundheitsforschung gestellt.

Man sieht relativ genau, worin der Sinn der Kooperation der Tavistock-Klinik mit Mermaids bestand: Die in der NGO organisierten ‚besorgten‘ Mütter und anderen Laien – sowie einige hinzugezogene, fragwürdige Experten – waren Bündnispartner für eine Ausweitung des medizinischen Leistungsangebots des NHS, speziell der Travistock-Klinik für Gender-Identitäts-Entwicklung bei Minderjährigen. Eine Chimäre gebiert die nächste. Das neue britische Verfahren für den Umgang mit Kindern, die scheinbar an Geschlechtsdysphorie leiden, soll wieder von der medizinischen Profession dominiert werden und auch andere, etwa psychische Ursachen (etwa Autismus, Depression) in Betracht ziehen. Pubertätsblocker sollen im Regelfall nicht verschrieben werden, wenn nicht zu Forschungszwecken. Allerdings arbeitet Susie Green, die Mermaids verlassen hat, derzeit wohl in einer Online-Praxis, die sich auf die Verschreibung von Pubertätsblockern spezialisiert hat. Ein Schlupfloch findet sich also immer für die, die es suchen.

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