Die britische Königin Elizabeth II. ist im Alter von 96 Jahren gestorben. Ihr Tod ist nicht nur eine Zäsur für das Vereinigte Königreich, sondern für den ganzen Kontinent: Im Angesicht der aktuellen Krisen symbolisiert er das Ende des alten Europas.
Europa besitzt nur noch zwei Relikte einer Sehnsuchtszeit: Benedikt XVI. und Elizabeth II. Beide stehen für eine Generation, die der Zweite Weltkrieg gezeichnet hat, und welche die Nachkriegsordnung nicht nur erlebten und repräsentierten, sondern auch bestimmten – jeder auf seine Weise. Sie sind die letzten Überlebenden jener Jahrgänge, die man in den USA als „Greatest Generation“ bezeichnet. Es ist der Menschenschlag, der Europa in Trümmern gesehen und Europa wieder aufgebaut hat; der die Umbrüche der 1960er gesehen hat, aber dennoch bis in die 1980er als Garant der Stabilität und Kontinuität galt.
Seit heute ist Benedikt allein. Mit Elizabeth verliert Europa mehr als nur ein weiteres Staatsoberhaupt, das mehr vergangene, denn gegenwärtige Zeiten repräsentiert. Sie steht für das ultimative Ende der einst bekannten Welt der 1980er und 1990er Jahre, wie wir sie einst kannten. Ihre Regierungszeit umspannte ein Zeitalter. So gut wie niemand kennt einen anderen britischen Monarchen als sie. Die Frau, die mehr als alle anderen für das gesittete „keep calm and carry on“ (Ruhe bewahren und weitermachen) steht, verstirbt in der krisenreichsten Zeit der europäischen Geschichte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Elizabeth ist das Gegenstück zur Königin Victoria. In der langen Regierungszeit Victorias avancierte das Königreich zum Empire, bis es auf seinem Höhepunkt rund ein Viertel der Weltbevölkerung beherrschte und die unangefochtene Weltmacht auf diesem Planeten war. Blickt man auf die Epoche Elizabeths, dann geschah in dieser Zeit das genaue Gegenteil: ein Zeitalter der Abwicklung. Großbritannien verlor nicht nur seinen Weltmachtstatus, sondern auch den Großteil seiner Kolonien. Doch es gehört nicht nur Größe dazu, einem wachsenden Reich vorzustehen; es gehört auch einiges an Souveränität dazu, ein Reich würdevoll rückzubauen.
„Es war schon immer leicht zu hassen und zu zerstören. Etwas zu bauen und zu pflegen ist viel schwieriger“
Die Monarchie als Institution, die nach Überzeugung vieler spätestens nach dem Krieg ausgedient hatte, erwies sich als beneidenswerte Einrichtung, die über Parteiinteressen und ideologischen Auseinandersetzungen hinweg ein Volk vereinen und durch die Stürme der Zeit führen konnte. Es gab Höhen und Tiefen der Monarchie in ihrer Amtszeit; doch sie hat ihr mehr Stabilität denn je gegeben. Sechzehn Premierminister erlebte die Königin, angefangen mit Winston Churchill bis hin zu Liz Truss, die sie erst vor wenigen Tagen ernannte. Dabei hat sie einen konservativen Standpunkt zu einer Devise ihrer Amtszeit erhoben: „Es war schon immer leicht zu hassen und zu zerstören. Etwas zu bauen und zu pflegen ist viel schwieriger.“
Darin liegt auch der manchmal belächelte Sinn vieler Deutscher für die britische Monarchie: Elizabeth war immer Staatsfrau, nie Politikerin. Sie war immer da, ohne sich aufzudrängen. Wenn die Queen lächelte, war dies umso bedeutender, weil sie ihr Amt in würdevollem Ernst führte. Sie moralisierte nie, behielt Charme und Eleganz. Wer mit der Regierung haderte, konnte stets auf das Zeremoniell, den Buckingham Palace und die altehrwürdigen Traditionen eines Landes schauen. Elizabeth konservierte eine Institution, die älter als alle Nationalstaaten Europas ist, in einer Zeit, die Hierarchie, Religion und Aristokratie zutiefst verachtet und jeden „gesellschaftlichen Wandel“ freudig begrüßt.
Queen Elizabeth II.: Eine der letzten Vertreterinnen der „Greatest Generation“
Für die Briten war klar: Gleich was passierte, die Queen war das einigende Band, weil sie nicht auf Wahlen blickte, sondern auf historische, übergeordnete Ideale. Vielleicht hätten sich deutlich mehr Ländern vom Commonwealth getrennt, hätte Elizabeth mit ihrem Beispiel der britischen Idee nicht so viel Faszination verliehen. Obwohl sie über der Regierung schwebte, versuchte die königliche Familie trotz aller Skandale mehr denn je wieder mit dem normalen Bürger auf Tuchfühlung zu gehen. Dabei hat sie sich nie angebiedert: Obwohl sich die Welt außerhalb der Palastmauern änderte, behielt sie ihre inneren Überzeugungen bei.
Der Tod der britischen Monarchin ist damit nicht nur eine Zäsur für das Vereinigte Königreich, sondern für den ganzen Kontinent. In alten Zeiten herrschte die Idee des Königsheils vor, demnach der Monarch auf mythische Weise mit seinem Land verbunden ist: Geht es dem König schlecht, dann faulen die Äpfel und die Dürre sucht die Felder heim. Was bleibt, ist das tiefgründige Symbol, dass eine Frau, der man ein methusalemisches Alter voraussagte, ausgerechnet in diesem Spätherbst Europas ihre letzte Ruhe findet. Mit ihr endet das 20. Jahrhundert endgültig. Es bleibt die Nostalgie nach dem Vergangenen und die Sorge vor dem Zukünftigen.
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Die Queen hatte keine Macht. Sie wurde als oberste moralische Instanz einer zutiefst verkommenen Welt benutzt als Schaufensterfigur. Die Schaufensterfigur ist jetzt weg. Es bleibt zum Beispiel eine dumme neue Premierministerin, von der Europas Bevölkerung fürchten muss, dass sie Russland noch mehr, als die Briten das bisher schon taten, herausfordert.
Es ist für mich ein Rätsel, wie viele Leute hier eine gesellschaftliche Klasse hofieren, die im Grunde genommen nur durch Luxus, Reichtum und Skandale auffällt- und am liebsten unter sich bleibt! Was machen all die Aristokraten den ganzen Tag in ihren Schössern und Palästen? Arbeiten? Würde die Menschheit wirklich ärmer, wenn es keine Königshäuser mehr gäbe? Und: Was ist das für eine Mutter, die mit 96 Jahren noch immer nicht abgedankt hat, um ihrem 73-jährigen Sohn auf den Thron zu helfen?
Seit beinahe drei Jahren gibt es Corona, um nur ein Problem an zu sprechen! Ich will nicht bestreiten, dass es dieses Virus gibt. Aber in diesem Sinne habe ich Sie sehr gut verstanden, dass Sie kritisieren, dass es noch Menschen gibt, die in diesen Zeiten noch nostalgisch werden, ohne zu erröten! Es stirbt eine Frau, die den Zenit des Lebens erreicht hat und all‘ die Drangsalierungen der letzten Jahre werden weg gewischt… Wäre die Queen übrigens so vernünftig, klug und dem Menschen zugewandt gewesen, hätte sie nicht nur bei Corona ein Machtwort gesprochen. Gerne hätte ich übrigens gewusst, was sie… Mehr
Können Sie mir die Anzahl der zurück getretenen Päpste sagen? Es waren seit 230 nach Christus inkl. Benedikt gerade mal 14! Und 1449 (!) tat das der vorletzte Papst. Übrigens allesamt aus „politischen Gründen! Mithin kann ich schon nachvollziehen, dass Herr Bosch hier nach der „Logik“ einer Nachfolgerung fragt, wenn der Nachfolger möglicherweise gar keine Zeit mehr hat, seinem Amt Genüge zu tun! Insofern ist die vermeintliche Frage begründet, warum man solche „Jobs“ nicht auch nach Altersermessen vergibt? Immerhin soll das ansonsten „anhimmelnde“ Proletariat ja demnächst zumindest in Deutschland bis zum siebzigsten Geburtstag arbeiten gehen… Sie ahnen, wohin mein Kommentar… Mehr
Mich irritieren hier einge der Kommentare deren „negativer Ton“ an der mir bei Betrachtung der untadeligen Lebensleistung – Militärdienst der Army in WK II und als Staatsoberhaupt des schrumpfenden Commonwealth – völlig unangemessen scheint. Hinsichtlich Kririk an der Monarchie, ein Labour-Vorstoss mit Abschaffungsdiskussion nach dem Tod von Diana Spencer ist letzlich, kläglich gescheitert – weil moralisierend die durchaus zu kritisierende Trauerzurückhaltung von E II R als Panier der Sozialistenfraktion und Monarchiegegner vergebens geschwenkt wurde. Nun ja, König Charles III, der Öko-Spinner, woke und WEF-Symphatisant, offensichtlich korruptionsanfällig mit Koffern nach Art des Schäuble- allerdings praller gefüllt – müsste an und für… Mehr
Man kann mal in Wiki nachlesen „Elisabeth II. war in Personalunion das Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreichs sowie folgender Commonwealth Realms: Antigua und Barbuda, Australien, Bahamas, Belize, Grenada, Jamaika, Kanada, Neuseeland, Papua-Neuguinea, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Salomonen und Tuvalu“
So richtig nach „altes Europa“ klingt das nicht, eher nach Kolonialzeit.
Dank für diesen lesenswerten Beitrag, der auch historische Aspekte in Erinnerung ruft. Mit dieser Dame stirbt mehr, sie hatte eben auch einen sehr intelligenten Mann an ihrer Seite, der als nicht „gelernter Brite“ auf Grund seines Lebenswegs so Einiges an Witz und Humor auf den Weg brachte. Dank an dieses Paar, das nie mit öffentlichen Skandalen glänzte und dennoch zeitgemäß stets für sein Land unterwegs war. Ich erinnere kurz an den Besuch vom Enkel William und Kate in Hamburg, möglicherweise war das Paar nicht ganz so angetan?
Der Bildvergleich Elisabeth mit La Garde gibt Hoffnung.
Ihre Majestät spendet Trost auch noch im Tode
Ich verstehe das Theater, welches in der BRD um die Queen gemacht wird, nicht. Die modernen Deutschen hassen doch jegliche Fürsten, Könige und Kaiser, die ihre eigene Geschichte geprägt haben. Man denke nur an den, laut Schulbuch. „ verbrecherisch aggressiven“ Preußenkönig Friederich den Großen, dessen Gebeine unter strengster Geheimhaltung seinerzeit nach Sanssouci überführt wurde, weil die Deutschen sich seiner schämen. Oder an den „brutalen Kolonialisten“ Wilhelm II. Wie schön für die Deutschen, daß es da ein Vorbild in Europa gibt. Welch einen Segen hat die Dynastie der Queen über die Welt gebracht. Einem Viertel der Welt hat diese Dynastie Moral,… Mehr
Genau richtig. Weil die Mehrheit keine Ahnung hat von Vornehmheit, haben wir nun diesen unwesentlichen Parteischranzen Steinmeier als sogenannten Präsidenten und hatten wir die minderwertige SED-Merkel als Kanzlerin und haben wir nun ScholzHabeck und Konsorten. Müssen wir?
Sie war mehr, als nur die Königin der Briten. Sie war die Königin aller wahren Europäer!
Wenn jemand im zunehmend verkommenen und verlotterten Shithole EU-ropa noch wahre europäische Werte ausstrahlte, dann sie – Ihre Majestät Königin Elizabeth II.
Da wir Deutschen mit unserem letzten Kaiserreich ganz schlechte Erfahrungen gemacht haben, wundert es mich sehr, wie viele Jubelarien hier auf die britische Monarchie ausgestoßen werden! Wilhelm II hat unser Land in den Untergang geführt und sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in die Niederlande abgesetzt. Sein Sohn war eifriger Bewunderer der Nazis und hat mit diesen immer wieder Kontakt gesucht! Der Wunsch, zur Monarchie zurückzukehren, war einer der Antriebskräfte für das Scheitern der Weimarer Republik! Danach waren die Adeligen in Deutschland nur noch im Fernsehen und bei Hochzeiten zu sehen! Warum das gemeine Volk auch heute noch in… Mehr
„Jubelarien auf die britische Monarchie“ kann ich auf TE keine finden.
Dann sollten Sie vielleicht einmal die übrigen Kommentare lesen! Was steht da?
Ich wußte garnicht, das die Gala jetzt auch schon Redakteure bei Tichy Einblick stellt – man lernt ja nie aus…….;-)
Dann haben Sie den Text nicht gelesen.
Also ich wurde erst durch den Tod der Queen wieder an sie erinnert.
Vielleicht haben Sie also die Ironie von Herrn Mallm nicht
verstanden 😉
Dass wird es sein …