Beim Raketen- und Drohnenangriff der Hisbollah auf Israel kam offenbar auch ein deutsches Bauteil zum Einsatz. Ein israelischer Experte zeigt sich gegenüber TE wenig überrascht. Es gebe verbreiteten Gebrauch deutscher Teile in Waffen, die vom Iran und seinen Stellvertretern genutzt werden.
Als der irakische Diktator Saddam Hussein Israel Anfang der 1990er Jahre im Kontext des Golfkrieges mit einem Angriff durch chemische Waffen drohte, belastete das auch die deutsch-israelischen Beziehungen. Denn an der Produktion von Saddams C-Waffen waren deutsche Firmen beteiligt gewesen. Ein Giftgasangriff gegen den jüdischen Staat, ausgerechnet mit deutscher Unterstützung? Das war eine unerträgliche Vorstellung.
Ein aktueller Zwischenfall ist damit aus verschiedenen Gründen nicht zu vergleichen. Ähnlich ist bloß: In beiden Fällen geht es darum, dass israelische Todfeinde mithilfe deutscher Baukomponenten die israelische Bevölkerung terrorisieren und dadurch ein ungutes Gefühl entsteht. Konkret: Als die schiitisch-libanesische Terrormiliz Hisbollah am frühen Sonntagmorgen einen groß angelegten Raketen- und Drohnenangriff auf Israel startete, kam dabei offenbar mindestens auch ein deutsches Teil zum Einsatz.
„Made in Germany“
Bekannt wurde das, weil ein Mitglied des Kibbutz Dan, der an der Grenze zum Libanon liegt, ein Foto von einer der Drohnen machte, die vom Himmel gekommen war. Israelische Journalisten griffen es schnell auf. Darauf zu sehen: ein Zünder mit der Aufschrift „Made in Germany“, hergestellt von der Firma „3W-Professional GmbH“ mit Sitz im hessischen Hanau.
„3W-Professional“ versorgt nach eigenen Angaben seit mehr als 35 Jahren Modellflieger mit Motoren und Ersatzteilen: eben „Made in Germany“, wie das Unternehmen auf seiner Website stolz verkündet, und „für den ambitionierten Wettkampf- und Hobbypiloten“. Es ist kein großes Unternehmen. 2020 hat es sich umbenannt: Der Zünder an der Hisbollah-Drohne trägt bereits den neuen Namen, was auf eine Beschaffung in jüngster Zeit hindeutet.
Dass Teile von „3W“ militärisch zweckentfremdet werden, gerade auch von der iranischen Achse im Nahen Osten, ist keine neue Erkenntnis. 2019 und 2020 identifizierte ein auf Veranlassung des UN-Sicherheitsrats eingesetztes Expertengremium einen 3W-Motor vom Typ 3-110i B2 unter den Trümmern zweier sogenannter Samad-Drohnen der jemenitischen und vom Iran geförderten Huthi-Milizionäre. Sie fanden heraus, dass „3W“ das Objekt nach Griechenland verkauft hatte, von wo es offenbar an den Iran weiterexportiert wurde.
Erst Mitte Juli wurde ein Hisbollah-Mann festgenommen
2021 stellte das Expertengremium noch einmal die Verwendung des gleichen Motors in mindestens einer Huthi-Drohne fest. In dem Fall war das Teil erst an ein Modelltechnik-Unternehmen im nordrhein-westfälischen Löhne, dann an eine GmbH mit chinesischem Geschäftsführer in Darmstadt weitergeliefert worden, bevor sich die Spur verlor. Die GmbH existiert auch heute noch. Offenbar kauft sie deutsche Produkte an, um sie dann weiterzuvertreiben.
Es ist auch bekannt, dass die Hisbollah in der Vergangenheit versucht hat, an Teile von „3W“ zu gelangen. Die Süddeutsche Zeitung berichtete 2021 in einer umfassenden Recherche, dass sich das Zollkriminalamt 2012 an das Unternehmen wandte. Die Zöllner hatten demnach von der CIA erfahren, dass eine Motorenbestellung für China in Wahrheit im Iran und dann wohl in den Händen der Hisbollah landen sollte.
Der jetzige Vorfall passt noch in weiterer Hinsicht ins Bild: Mitte Juli ließ die Bundesanwaltschaft einen libanesischen Staatsbürger in Salzgitter festnehmen. Er soll spätestens seit 2016 Mitglied der Hisbollah gewesen sein und in deren Auftrag in Deutschland „Komponenten zum Bau militärischer Drohnen, insbesondere Motoren“, beschafft haben: „Diese sollten in den Libanon ausgeführt und dort bei terroristischen Angriffen auf Israel eingesetzt werden“, hieß es von der Bundesanwaltschaft.
Israelischer Experte nicht überrascht
Über weitere Details und auch einen möglichen Zusammenhang mit dem Angriff am Sonntag gibt die Behörde auf Nachfrage keine Auskunft. Auch der Zoll will nichts dazu sagen, welche Erkenntnisse ihm zur Nutzung von 3W-Motoren durch Terrororganisationen im Ausland vorliegen. Ein Sprecher teilt nur allgemein mit, „dass der Zoll ein besonderes Augenmerk auf Lieferungen von Antrieben für Drohnen hat und in der Ausfuhrüberwachung allen Hinweisen auf potenzielle militärische Endbestimmungen konsequent nachgeht“.
Boaz Shapira, Experte am israelischen Alma-Zentrum, das sich mit der Erforschung des israelischen Nordens befasst, zeigt sich gegenüber TE wenig überrascht über den Vorfall: „Wir beobachten einen verbreiteten Gebrauch deutscher Teile in Waffen, die vom Iran und seinen Stellvertretern genutzt werden.“ Er verweist darauf, dass einige iranische Drohnen nicht nur 3W-Motoren enthielten, sondern auch solche des Flugmotorenherstellers Limbach mit Sitz im nordrhein-westfälischen Königswinter.
Auch aus vielen anderen Ländern würden Teile beschafft, etwa aus Österreich oder England: „Die Teile werden oft von Firmen in Griechenland, Zypern oder einem anderen Land gekauft und dann in den Iran geschickt. Bezahlt wird entweder durch die kaufende Firma oder ein drittes Unternehmen, häufig über Banken in China, Hong Kong und so weiter.“ Shapira kann allerdings nicht sagen, ob schon vor dem aktuellen Fund seit Beginn der Hisbollah-Attacken am 8. Oktober Drohnen mit deutschen Teilen in Israel gefunden wurden. Die Armee sperre die Einschlagsorte schnell ab und untersuche die Teile dann selbst.
Unternehmen können nichts dafür
Die deutschen Unternehmen können für den Missbrauch ihrer Artikel wohl am wenigsten, da sie nicht kontrollieren können, in welchen Händen ihre Ware letztendlich landet. 3W zeigte sich in israelischen Medien denn auch „schockiert über die Terrortat“ der Hisbollah am Sonntag: Man habe bereits die Polizei kontaktiert.
Im September 2022 hatte die Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage erklärt, Modellmotoren unterlägen im Allgemeinen „keiner Genehmigungspflicht bei Ausfuhren“. Hintergrund war seinerzeit ein Bericht, wonach auch eine 2017 über der Ukraine abgeschossene Drohne von einem 3W-Modellmotor angetrieben worden war.
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Man sollte da differenzieren. Die Firma „3W“ betreibt 2 Linien, eine für Modellbauer und eine andere für Industriekunden, bei der es nicht mehr um Modellmotoren geht sondern um Antriebe für UAV, also unbemannte Flugobjekte. Ich schätze mal das diese Antriebe durchaus Exportbeschränkungen unterliegen.
Modellbau:
https://3w-modellmotoren.de/
Für UAV:
https://3wprofessionalline.com/
Was bitte soll man in einer durchglobalisierten Welt gegen den Mißbrauch von solchen dual-use-Produkten tun? Den Stiefel „kam offenbar auch ein deutsches Bauteil zum Einsatz“ kann sich keiner ernsthaft anziehen wollen. Sonst endet doch jeder freie Warenverkehr, wie hier für den Flugzeugmodellbau (die Dinge die da gebaut werden können sind ja quasi eh fast Drohnen).
Der angebliche „Zünder“ ist eben kein Zünder für militärische Komponenten, etwa den Gefechtskopf, sondern dürfte eher das „Objekt“, eben den 3W-Verbrennngsmotor vom Typ 3-110i B2 mit Zündfunken versorgen.
„Zünder“ klingt jetzt sehr dramatisch. Es handelt sich konkret um ein (digitales) Zündsystem für Modellmotoren. Diese Geräte werden z.B. in benzingetriebenen Modelflugzeugen verbaut.
Dass man solche Komponenten zweckentfremdet, um daraus Angriffdrohnen zu konstruieren, liegt nicht in der Verantwortung des Herstellers.
Allerdings sollte dieser bei größeren Bestellungen drauf achten, wohin die Ware geht.