Spiel der Weltmacht

Auf Deutschland könnte unter der neuen Weltordnung des Donald J. Trump eine Schlüsselrolle zukommen, von der Deutschland profitieren kann, wenn seine Führung es zu nutzen weiß.

© Drew Angerer/Getty Images
Trump Holds Summit With Technology Industry Leaders, Dec 14th 2016, New York.

III. Amerikas Wiederaufstieg und Chinas Krise

Trumps Strategie für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg von Amerika (d.h. die Umkehrung der Aushöhlung der Industrie und Massenarbeitslosigkeit der Arbeiterklasse) kann als Protektionismus nach außen und Neo-Liberalismus nach innen zusammengefasst werden.

Dazu muss erwähnt werden, dass die ursprünglichen Wettbewerbsvorteile Chinas gegenüber Amerika bei den Herstellungskosten massiv erodiert sind. Auf der einen Seite sind die Löhne in China in den letzten Jahren massiv gestiegen. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Reallohns in China seit 1997 beträgt mehr als 10 Prozent, während die durchschnittliche Steigerungsrate der realen Arbeitsproduktivität lediglich 2,5 Prozent beträgt – in den letzten Jahren sogar bei Null liegt. In Amerika hingegen zeichnet sich ein anderes Bild ab: Dort sind die Reallöhne in den letzten Jahren kaum gestiegen, ja sogar gesunken, während  die Arbeitsproduktivität rasant gesteigert wurde. Darüber hinaus hat Chinas Abhängigkeit vom importierten Erdgas und Erdöl zugenommen. Zeitgleich steigen die USA aufgrund der Schiefergas-Revolution zum weltgrößten Energieproduzenten auf, sodass die auf Schiefergas basierten Energiekosten in den USA viel niedriger liegen als die konventionellen Erdgas- oder Erdölpreise auf dem internationalen Markt. Hinzu kommen die explodierenden Immobilienpreise in China aufgrund der seit Jahren schwebenden Immobilienblase (deren Einnahmen übrigens den Großteil der regionalen Regierungen in China ausmachen, da das Gros der Steuereinnahmen an die Zentralregierung geht: Daher staatlich gewollt und ein strukturelles Problem), sodass Wettbewerbsvorteile Chinas in den industriellen Herstellungskosten weiter verringert werden.

Damit zusammenhängend verliert die arbeitsintensive Industrie in China zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit auch gegenüber den südostasiatischen Ländern wie Vietnam, Thailand, Philippinen oder Myanmar. Darum setzt China derzeit auf die Transformation von den arbeitsintensiven Industrien hin zu kapitalintensiven und innovativen Industrien. Aber gerade dort haben die USA viel mehr Standortvorteile als China, da die USA  über mehr Rechtssicherheit und den damit zusammenhängenden Schutz des geistigen Eigentums, Innovationsfähigkeit und gut ausgebildete Facharbeiter verfügen.

Vor diesem Hintergrund kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Trump-Administration weitere protektionistische Maßnahmen gegen China verhängen wird. Zwar wird Trump wahrscheinlich nicht so drastische Maßnahmen einsetzen, wie er es im Wahlkampf angekündigt hat, etwa 45 Prozent Strafzoll gegen chinesische Güter zu verhängen oder China als einen „Währungsmanipulator“ zu brandmarken. Vor dem Hintergrund von Chinas dramatischen Verlust von Wettbewerbsvorteilen bei den Herstellungskosten von Industriegütern können aber auch kleinere protektionistische Maßnahmen Chinas Industrie sehr hart treffen.

Darüber hinaus wird Trump nach innen neo-liberale Maßnahmen einführen, die Chinas Industrie ebenfalls hart treffen würden. Zu diesen Maßnahmen gehören die radikale Senkung der Körperschaftssteuer für Unternehmen von 35 Prozent auf 15 Prozent, der Abbau von die Unternehmen belastender Bürokratie, Abschaffung der Restriktionen, die den Energie-Infrastrukturprojekten durch die Obama-Administration auferlegten wurden, und der Ausbau der Schiefergas-Förderung.

Zum Vergleich: Im Jahre 2013 betrug die gesamte Unternehmensbesteuerung in China 67,8 Prozent (Steuern + Zwangsabgaben), in den USA waren dies lediglich 43,9 Prozent. Eine weitere Steuererleichterung für Unternehmen, ein Abbau von Bürokratie sowie die Unterstützung der Schiefergas-Förderung unter der Trump-Administration werden die Wettbewerbsvorteile von Chinas Industriestandort weiterhin verringern. Eine massive Abwanderung von Industrieunternehmen aus China nach Amerika ist abzusehen.

Für China würde dies eine enorme Herausforderung darstellen. Chinas Wirtschaftswachstum basiert hauptsächlich auf dem Export und den staatlichen Anlageninvestitionen. Der chinesische Staat hat  nach der globalen Finanzkrise vier Billionen Yuan für die staatlichen Investitionen ausgegeben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dadurch waren eine riesige Immobilienblase, enorme Überkapazitäten der Industrien sowie unrentable Autobahnen, Brücken, Messezentren und Geisterstädte entstanden, die die zur Finanzierung ihrer Schulden nötigen Geldströme nicht erwirtschaften können. Staatliche Investitionen als wichtigster Wirtschaftswachstumsmotor sind in China nicht mehr lange durchführbar. Bricht zudem der Export aufgrund des neuen amerikanischen Protektionismus und der wachsenden Wettbewerbsnachteile weiter kontinuierlich ein, wird China ein hohes Wirtschaftswachstum kaum noch aufrechterhalten können. Ein hohes Wirtschaftswachstum ist aber für China unverzichtbar, damit große soziale Unruhen ausbleiben (jedes Jahr kommen 15 Millionen junge Chinesen in den Arbeitsmarkt neu hinzu, für die Arbeitsplätze geschaffen werden müssen). Derzeit muss deshalb laut chinesischen Regierungsvorgaben ein Wirtschaftswachstum von 6-7 Prozent unbedingt aufrecht erhalten werden, um Chinas Gesellschaft stabil zu halten.

Das Ziel der chinesischen Führung, Deutschland und Japan bis 2035 als die führenden innovativen verarbeitenden Industriemächte zu überholen, dürfte immer schwerer realisierbar werden, wenn weiter mehr westliche Unternehmen mit ihrem Know-how und Kapital das Land verlassen und der Westen immer restriktivere Regulierungen bei der Übernahme westlicher Technologiefirmen durch chinesische Unternehmen in Kraft setzt.

IV. Geopolitische Verschiebungen

Trumps russlandfreundliche Grundhaltung sowie die Ernennung des Geschäftsführers des Mineralölkonzerns ExxonMobil, Rex Tillerson, mit weitreichenden Kontakten nach Russland zum US-Außenminister deuten auf eine grundsätzliche außenpolitische Kursänderung unter der Trump-Administration hin: Einen Annäherungskurs an Russland.

Für Amerika ergeben sich durch eine Versöhnung mit Russland gleich mehrere geopolitische Vorteile: Zum einen kann Amerika mit Russland (das im Gegensatz zu China offen militärisch in der Region präsent ist und interveniert) in Nahost und in Nordafrika kooperieren und gemeinsam den ausbreitenden islamischen Terrorismus bekämpfen und eindämmen. Zum anderen hätte die amerikanisch-russische Annäherung zur Folge, dass sich das Verhältnis der EU (deren Mitgliedstaaten zumeist auch in der Nato sind) mit Russland ebenfalls entspannt. Dies wiederum bewirkte, dass sich die russische Wirtschaft rasch wieder bessert. Eine Verbesserung der russischen Wirtschaft würde die russische wirtschaftliche Abhängigkeit von China wesentlich verringern (welche insbesondere nach Verhängen der westlichen Sanktionen gegen Russland verstärkt wurde).

Die russisch-chinesische Partnerschaft ist seit jeher von gegenseitigen Interessen und vom Ausgleich gegenüber dem Westen geprägt. Gerät eines der beiden Länder unter den Druck des Westens, so wird die Partnerschaft zum anderen Land verstärkt. Weder China noch Russland wollen jedoch ein dominantes Gegenüber. Die Russen mögen sich erinnern, als das russisch-chinesische Kräfteverhältnis vor 44 Jahren noch genau umgekehrt war. Denn damals war China hinsichtlich der Wirtschaftskraft und Modernisierung Russland gegenüber absolut unterlegen. Die USA, welche damals die UdSSR als ihren Hauptgegner sahen, arrangierten sich daraufhin mit einem überraschenden Peking-Besuch des US-Präsidenten Nixon mit China, um die UdSSR einzudämmen. Heute ist es hingegen Russland, welches hinsichtlich der wirtschaftlichen Stärke China absolut hinterher hinkt. Schon lange betrachtet Russland Chinas zunehmenden Einfluss in Ostasien, auch in Russlands dünnbesiedeltem Sibirien, mit Unbehagen. In Chinas nationalistischen Kreisen ist unvergessen, dass das ehemalige Zarenreich den größten territorialen Verlust des letzten Kaiserreiches Qing zu verantworten hatte, nämlich die Annektierung einer Fläche von 1,5 Millionen qm² in der nördlichen Mandschurei und im Nordwesten durch das zaristische Russland. Das chinesisch-russische Grenzabkommen von 1999 zur endgültigen Anerkennung der geltenden Staatsgrenzen ist in jenen Kreisen bis heute umstritten. Obgleich eine offiziele chinesische Bestrebung zur Wiedergewinnung der an Russland verlorenen Gebiete nicht zu erkennen ist, so fürchtet Russland doch die wirtschaftliche Dominanz Chinas in Sibirien. Ein zu mächtig gewordenes China ist daher nicht im russischen Interesse. Daher ist es möglich, dass Russland nach der Beilegung des Streits mit den USA die Eindämmungsversuche der USA gegen China duldet, ja sogar unterstützt.

Eine amerikanisch-russische Annäherung hätte auch einen wesentlichen Einfluss auf das russisch-japanische Verhältnis. Russland und Japan scheitern bis heute am Abschluss eines Friedensvertrags. Neben territorialen Besitzansprüchen (etwa die Frage um die von Russland nach Ende des Zweiten Weltkriegs besetzten und annektierten vier japanischen Nord-Inseln) stellt die amerikanisch-russische Spannung die größte Ursache dar, dass Japan kein zu engeres Verhältnis mit Russland entwickeln konnte (da Amerika für Japan als Schutzmacht gilt). Die chinesische Regierung betrachtet schon immer jeden Schritt der japanisch-russischen Beziehungen mit Argusaugen. Eine japanisch-russische Annäherung oder gar eine strategische Kooperation wäre der Alptraum jedes chinesischen Staatsmannes, da  sich auf diese Weise zwei der drei regionalen Großmächte zum Nachteil Chinas zusammenschließen würden. Mit Russland, Japan, Taiwan und den südostasiatischen Ländern ließe sich ein Ring um China schließen, aus dem China nur schwer herauskommen könnte. Jede Destabilisierung des außenpolitischen Umfeldes indes würde weitere Investoren nach China abschrecken.

V. Deutschlands Chancen und Risiken

Auf Deutschland könnte unter der neuen Weltordnung des Donald J. Trump eine Schlüsselrolle zukommen, von der Deutschland profitieren kann, wenn seine Führung es zu nutzen weiß.

Zum einen könnten deutsche Industrieunternehmen jene hochwertige Vorleistungen liefern, die für die Erneuerung der US-Infrastruktur unverzichtbar sind. Zum anderen könnte Deutschland als Vermittler fungieren, um das Verhältnis der EU mit Russland im Sinne der Trump-Administration zu entspannen und eine Brücke zu Russland aufzubauen. Eine Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland würde insbesondere auch der deutschen Wirtschaft nützen, da deutsche Unternehmen traditionell in Russland sehr aktiv sind und dort auch gern gesehen werden.

Ein stabiles Europa könnte den USA helfen, mehr US-Ressourcen von Europa loszulösen und auf Asien zu fokussieren. Deutschland als die größte Nation der EU im Zentrum Europas könnte dabei helfen, Zentral-Europa einerseits und die Ukraine andererseits zu stabilisieren.

Die zunehmende Schwerpunktsetzung der USA auf Asien könnte auch eine einmalige Chance für Deutschland darstellen, seine Rolle in der Nato zu stärken und die Nato in Europa im Sinne der europäischen Interessen zu gestalten.

Eine deutsche Bundesregierung jedoch, die im Zeichen einer aufkommenden neuen Weltordnung immer noch ihre außenpolitischen Leitlinien von ihren ideologischen Maximen (Werte genannt) bestimmen lässt, sich aus ideologischen Gründenvon der Trumü-Administration distanziert und europäische Verwerfungen nicht in Griff bekommt, oder gar sehenden Auges verschärft – etwa indem man anderen EU-Ländern eine „Willkommenskultur“ gegenüber den irregulären Migranten aufzwingen oder weiterhin Anreize für illegale Masseneinwanderungen durch fehlende Grenzsicherung verursachen wollte – handelte offensichtlich nicht im deutschen Interesse, nicht im Interesse der USA und auch nicht im Interesse der westlichen Welt als Ganzes.

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