Spanien: Erpressen und korrumpieren – Die Kunst über Bande zu spielen

Bei der vorgezogenen Neuwahl in Katalonien erreichten die Separatisten keine Mehrheit. Der Möchtegern-Präsident Carles Puigdemont pokert hoch und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez kontert korrumpierend. Von Thomas Punzmann

picture alliance / ZUMAPRESS.com | Jordi Boixareu
Carles Puigdemont während der Wahlnacht für die regionale Abstimmung in Katalonien, 12.05.2024

Am 12. Mai wurde in Katalonien gewählt. Die Wahl ist für die spanische Regierung aus sozialistischer PSOE und ihren kommunistischen Partnern von großer Bedeutung. Sie ist auf die Unterstützung der zwei katalanischen Unabhängigkeitsparteien angewiesen.

Zunächst gibt es zwei klare Ergebnisse. Das Erste: Wahlsieger ist die PSC, der katalanische Ableger der sozialistischen PSOE (42 Sitze, +9). Zur Mehrheit von 68 Stimmen fehlen allerdings 26 Stimmen.
Das Zweite: Es gibt keine Mehrheit für die Separatisten. Ein Zusammenschluss aller nach Unabhängigkeit von Spanien strebenden Parteien hätte, selbst für den auszuschließenden Fall, die rechtsgerichtete Aliança Catalana wäre mit dabei, gerade 67 Stimmen. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass nicht alle Stimmen denselben Wert haben. Junts benötigt für einen Sitz im katalanischen Parlament 19.282 Wählerstimmen. Die konservative PP braucht dafür 3.557 Stimmen mehr, also 22.839. Das sind etwas mehr als 18 Prozent.

tp für tichyseinblick.de © 2024

Den Sozialisten fehlen 26 Stimmen zur parlamentarischen Mehrheit. Zudem erklärte Pere Aragonés, der Führer der nach Unabhängigkeit strebenden ERC (20 Sitze, -12), nach dem Wahldebakel, dass seine Partei in die Opposition gehen würde. Damit ist die von der PSC bevorzugte Wiederauflage der Koalition PSC, ERC und CUP, die jetzt genau 68 von 68 nötigen Stimmen hätte, zumindest nach heutigem Stand, ausgeschlossen.

Carles Puigdemont, der Kandidat der separatistischen Junts (35 Sitze, +3), hat das Wahlziel, stärkste Partei zu werden, klar verfehlt. Er hatte, zumindest vor der Wahl, eine Koalition seiner Partei mit den Sozialisten kategorisch ausgeschlossen.

Die andere, nur rein theoretische Möglichkeit, der sozialistischen PSC, mit der konservativen PP, die sich von 3 auf 15 Sitze steigern konnte und der rechten Vox, die mit 11 Sitzen ihr früheres Ergebnis halten konnte, mit ebenfalls genau 68 Stimmen, wird es aus verschieden Gründen nicht geben. Puigdemont erklärte, dass jede, wie auch immer geartete Zusammenarbeit, von PSC und PP, das sofortige Ende der Unterstützung von Junts für die jetzige sozialistisch-kommunistische nationale Regierung zur Folge hätte.

Am Tag nach der Wahl brachte nun Carles Puigdemont eine mögliche weitere Option ins Spiel. Er würde sich zur Wahl als Präsident stellen. ERC und die Parteien der extremen Linken, COMUNS (6 Sitze, -2) und CUP (4 Sitze, -5) müssten ihn dabei unterstützen. Die PSC solle nun durch Stimmenthaltung im zweiten Wahlgang seine Wahl ermöglichen. Da im zweiten Wahlgang die Enthaltungen nicht mitgezählt werden, könne er so die relative Mehrheit erhalten und Präsident einer katalanischen Minderheitsregierung werden.

Die PSC hat diesen Vorschlag schon abgelehnt. Die Mutterpartei hatte sich zwar bisher, der Machterhaltung wegen, jeder Erpressung durch die nationalistischen Kleinparteien gebeugt. Der Preis der vollständigen Selbstentleibung ist aber nun offenbar selbst den Sozialisten zu hoch. Allerdings könnte auch das in ein paar Wochen schon wieder ganz anders sein.

Auch die Unterstützung der ERC ist nicht wirklich sicher. In einer Partei, die fast die Hälfte ihrer Sitze verloren hat, beginnen jetzt die Diadochenkämpfe und die Suche nach den Ursachen für das Desaster. Die bisherige Koalition mit der „spanisch gelenkten PSC“ gehört im Moment zu den populärsten Gründen für die Wahlniederlage.

Spannend wird nun, ob Carles Puigdemont, der verzweifelt beobachten muss, wie seine Handlungsoptionen mit jedem Tag enger werden, die spanische Regierung aus Sozialisten und Kommunisten tatsächlich scheitern lassen wird. Wahrscheinlicher ist aber, dass er nur ein für ihn möglichst gutes Ergebnis erpressen will.

Bei den Sozialisten scheint man das zumindest so zu sehen. Die ersten Angebote, die Zahlungen aus Madrid für Katalonien erheblich zu erhöhen, sind schon erfolgt. Korrumpierung, so weiß man bei der PSOE, hat bisher immer funktioniert. Und da es ja wie immer nicht ihr Geld ist, fällt ihnen das Geldausgeben ohnehin leicht. Sollte Puigdemont dabei ausmanövriert werden, wären die Sozialisten die Letzten, die das bedauerten.

Möglich wäre daher auch, dass Junts sich besinnt und ihr politisches Handeln nicht ausschließlich den irrationalen Motiven der persönlichen Rache ihres momentanen Chefs unterordnet, sondern versucht, es mehr von praktischen und lukrativen Interessen des politisch Möglichen bestimmen zu lassen.

Die spätere Einigung, natürlich nach medial inszenierten, scheinbar harten Verhandlungen, zwischen PSC und Junts ist also nicht vollkommen ausgeschlossen. Man kann sich die schönen Fotos und Filmaufnahmen der lachenden Vertreter beider Parteien bei den Interviews schon vorstellen, die dann schöne Worte wie Solidarität, Gerechtigkeit, und nicht zu vergessen, Europa in die Mikrophone sprechen werden.

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Kommentare ( 1 )

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Raul Gutmann
7 Monate her

Zweifelsohne hatte der aristokratische Feudalismus im – grob – 16. bis 18. Jahhundert seine Schwächen, doch war er weit, weit davon entfernt, die parlamentarische Korruption der Demokratie im 21. Jahrhundert auch nur an nähernd zu erreichen.
Und dafür wurde 1918 die Monarchie abgeschafft.
Alternativ in Oscar Wildes Worten: Demokratie ist nichts anders als das Niederknüppel des Volkes durch das Volk für das Volk