Saudi-Arabien düpiert die USA – und könnte mit Ölsanktionen Trump zurück ins Amt bringen

Nach den Ölsanktionen gegen Russland suchen die USA neue Zulieferer – und stoßen im Nahen Osten auf taube Ohren. Offenbar wollen die trump-freundlichen Saudis Joe Biden bei den anstehenden Halbzeitwahlen auflaufen lassen. Amerikas neue Abhängigkeit ist selbstverschuldet.

IMAGO / Russian Look
Russlands Präsident Wladimir Putin und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman al Saud. Der Kronprinz gilt als die Graue Eminenz der saudischen Regierung.

Die USA haben sich mit ihren Sanktionen möglicherweise übernommen. Am Montag hatte Washington angekündigt, dass es sich den Maßnahmen gegen Russland anschließt – auch bei der Einfuhr von Öl. Doch die US-Diplomatie bei der Suche nach Alternativquellen entpuppt sich als Fiasko. Um die prekäre Situation der USA in einem Satz zusammenzufassen: Washington hat in Venezuela angefragt. Man sieht sich sogar dazu bereit, die Sanktionen gegen das Land zu entschärfen, wenn dafür der amerikanische Öldurst gestillt wird. Ob das bei einem Land gelingt, das eigentlich zu Russlands Verbündeten zählt, bleibt fraglich.

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Der Auslöser für Amerikas Verzweiflung: Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ließen die Bittsteller kalt auflaufen. In Riad soll niemand ans Telefon gegangen sein. Dafür hatten die Scheichs vorher ein Telefonat mit Wladimir Putin geführt. Während Donald Trump ein sehr gutes Verhältnis mit der Golfregion verband – die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen den Emiraten und Israel fällt nicht ohne Grund in seine Amtszeit –, hatte Biden die strategisch wichtigen Partner düpiert und vernachlässigt. Die Botschaft ist deutlich: Wer Alliierte nur dann konsultiert, weil er etwas von ihnen will, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Türe geschlossen bleibt.

Die USA waren fast in der energiepolitischen Autarkie angekommen – bis die Demokraten die Energiewende wollten

Energiepolitik ist Sicherheitspolitik. Für die USA hatte diese historische Prämisse Bedeutung beim Aufbau und Erhalt eines Imperiums. In Deutschland hat man in jüngster Zeit die Energiepolitik aus den Fängen der Sicherheitspolitik gerissen und sie der Klimapolitik untergeordnet. Über diesen verhängnisvollen Fehler ist genügend geschrieben worden. Doch manchmal genügen nicht elf Jahre, sondern ein einziges Jahr mit Joseph Biden, um die Energiesicherheit einer Nation zu gefährden.

Dass die USA in der Lage sind, Flüssiggas nach Europa zu verkaufen und in einigen Jahren – nach dem Aufbau von LNG-Hafenterminals – die Abhängigkeit vom russischen Gas lindern könnten, liegt vor allem in der Fracking-Strategie begründet. Diese hatte besonderen Aufschwung in den Jahren der Obama- und Trump-Administration erfahren. 2015 träumten einige sogar von einer Autarkie der Weltmacht. Das Land, das seinen Ressourcenhunger stillte, indem es aus Krisenländern importierte, schien auf einem guten Weg, sich nicht länger mit diesen geopolitisch brisanten Regionen beschäftigen zu müssen.

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Dabei war das unkonventionelle Förderverfahren auch in den USA nicht unumstritten. Filme wie „Promised Land“ (2012) mit Matt Damon hatten erheblichen Anteil an einer kritischen Haltung in Teilen der US-Bevölkerung. In zwei US-Bundesstaaten ist Fracking mittlerweile verboten. Die zunehmende Aversion gegen die Fördermethode – insbesondere im demokratischen Lager – hat dazu geführt, dass nach der Amtseinführung des 46. US-Präsidenten der vermeintlich ökologische Gedanke siegte.

Biden düpierte Saudi-Arabien als Paria-Staat“ 

Biden machte bereits im ersten Amtsjahr klar, dass er ähnlich wie Deutschland auf „Erneuerbare Energien“ setzen wollte. Auf Bundesgebiet sollten keine neuen Öl- oder Gasbohrungen stattfinden. Große Teile des Landes sollten in Zukunft zu Naturschutzgebieten umgewandelt werden, um auch zukünftige Bohrprojekte zu verhindern. Stattdessen sah der Demokrat in der Solarenergie und Offshore-Windanlagen die Zukunft. Bereits damals gab es zahlreiche mahnende Stimmen: Das alles bedeute wieder größere Abhängigkeit von Übersee-Öl.

Doch auch, wenn ein großer Teil dieser Projekte mittlerweile auf Eis liegt, weil die Maßnahmen selbst in der eigenen Partei unpopulär sind, hat Biden Entscheidungen getroffen, die bereits Auswirkungen auf die US-Energiepolitik hatten und sich als verheerend erweisen. Er stoppte den Ausbau der Keystone-Pipeline (Keystone XL), die eine bessere Versorgung aus Kanada ermöglicht hätte. Er vergrößerte Naturschutzgebiete, um Bohrungen zu verhindern. Und er zerrüttete die Beziehungen mit den Ölstaaten des Nahen Ostens, namentlich mit Saudi-Arabien, das er als „Paria-Staat“ bezeichnete. Es waren allesamt Kontramaßnahmen zu Gesetzen und Strategien der vorherigen Trump-Administration – so, als ginge es bei allen Aktionen nur noch ums Anti-Trump-Prinzip.

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Die arabische Verstimmung hat jedoch für Biden einen doppelt bitteren Beigeschmack. Denn nicht nur, dass die Saudis das dringend benötigte Öl vorenthalten, sie scheinen dabei auch noch einer weitergehenden Logik zu folgen, die weit über verletzten Stolz hinausgeht. Ein hochrangiger demokratischer Politiker der Biden-Administration soll gesagt haben, dass Saudi-Arabien das Öl als „ökonomische Waffe“ gegen die USA einsetze, insbesondere im Wissen um die anstehenden Halbzeitwahlen.

Die Saudis beraumen einen Regime Change“ durch Ölsanktionen an

Das klingt wie eine Verschwörung – soll es auch. Denn bis heute hat Trumps Schwiegersohn Jared Kushner exzellente Beziehungen in Riad. Kushner ist nur wenige Tage zuvor nach Saudi-Arabien gereist, um sich mit hohen Vertretern der saudischen Elite zu treffen. Grund? Unbekannt. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass man in den Golfstaaten die Republikaner und Trump der jetzigen Administration gegenüber bevorzugt. Der eigentliche Chef im Staat, Kronprinz Mohammed bin Salman, hat seine Verachtung für Biden offen kundgetan und gilt als Freund des Ex-Präsidenten.

Auch das ist eine neue Erfahrung für die Amerikaner: Sanktionen mit der Absicht eines Regime Change. Retourkutschen kann der Orient. Was dies indes für Europa bedeutet, sollten die USA gezwungen sein, in Zukunft vermehrt von Öl auf Gas umzustellen, ist kein Geheimnis. Dann hätte Deutschland zwar endlich ein LNG-Terminal in Brunsbüttel, aber vermutlich kein Gas, das es mehr importieren kann.

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Kommentare ( 53 )

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Johannes S. Herbst
2 Jahre her

Asien formiert sich: China, Russland und Indien arbeiten wirtschaftlich zusammen; keine Sanktionen. Iran sowieso gegen Amerika. Und nun auch Saudi-Arabien. Gute Nacht, lieber Westen…

bfwied
2 Jahre her

Es ist wirklich erstaunlich, dass vernetztes Denken so wenig vorkommt, dass eine derart große Regierungsmannschaft in den USA auf denselben Quatsch hereinfällt wie in Deutschl. und nicht für allfällige Eventualitäten vorbeugt, obwohl die Geschichte voll von Wendungen aller Art ist. Es kann sich jeder leicht ausrechnen, wenn er zuvor einfache physikalische Fakten recherchiert, ob diese Art der „Energiewende“ funktionieren kann oder nicht. Aber ich denke, dass es gar nicht um eine Energiewende geht, sondern einerseits um Dummheit und Machtkampf innerhalb der Länder und andererseits um eine Disziplinierung, um ein Niederhalten des zu erfolgreichen Westens, insbesondere der Weißen. Selbstverständlich provozieren solche… Mehr

Schwabenwilli
2 Jahre her

Das andere kommen müssen um die Scherben welche die jeweilige deutsche Führung angerichtet hat zu beseitigen hat doch mittlerweile Tradition in diesem Land.

Teiresias
2 Jahre her

Deutsche fahren im Schnitt ca.11000 km/Jahr, Amerikaner 20000.

Wobei Ärmere deutlich weitere Distanzen zurücklegen müssen, weil zentrale Wohnlagen überproportional teuer sind. Öffentliche Verkehrsmittel sind meist schlecht ausgebaut.

Deshalb ist die Spritpreisfrage weitaus brisanter als in Deutschland. Geringverdiener geraten bei diesen Preisen schnell in existentielle Not.

Aufstände sind potentiell bewaffnete Aufstände.

Biden muss die Preise in den Griff bekommen, wenn seine Regierung bis zu den nächsten Wahlen durchhalten soll.

Mausi
2 Jahre her

Ich finde es immer wieder nett, mal Vergleiche anzustellen: All diese Artikel führen vor Augen, was eigentlich jedem klar sein sollte, nämlich das das politische Geflecht kompliziert ist. Und dass es dem „Westen“ nicht gelungen ist, an der Europagrenze zu Russland Frieden zu halten bzw. zum Frieden zurückzukehren. Klima dagegen ist natürlich furchtbar einfach. CO2 ist „der“ Feind. Bestätigt von „der Wissenschaft“. Alles, was der Mensch ausstösst, muss weg. Welche Wirkung dann das, was wir statt dessen „ausstossen“, hat, darum müssen wir uns nicht kümmern. Was im Fall Ukraine nicht klappt, soll beim Klima besser laufen? Alles spricht für das… Mehr

Biskaborn
2 Jahre her

Danke für diesen aufschlussreichen Artikel. Für Amerika darf man auf einen Regime Change hoffen, der Biden hinwegfegt!

Michael Palusch
2 Jahre her

Geht die Zeit der Dollardominanz ihrem Ende entgegen?
Russland hat ja bereits angekündigt, Öl- und Gas nur noch gegen Rubel verkaufen zu wollen. Ein solches Ansinnen hatte in der Vergangenheit so Manchen in Nahost den Kopf gekostet, für Putin ist das wohl nicht zu erwarten.
Wer macht sich eigentlich Gedanken darüber, wohin die gigantische Auslandsverschuldung der USA (2021 ~860MRD $) fließt? Wo sind die 50 Mrd € Exportüberschuss des Jahres 2021 Deutschlands hin? 50 Mrd an Waren und Gütern ohne eine entsprechende Gegenleistung. Und nein, diese Greenbacks legen sich die Firmen nicht unters Kopfkissen.

Last edited 2 Jahre her by Michael Palusch
Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  Michael Palusch

Für einen Käufer von Öl ist es interessant dies in einer weichen Währung zu bezahlen.
Und der Verzicht auf Swift ist vermutlich ein weiterer Vorteil: die USA durchleuchten nämlich alle Zahlungen.

Exilant99
2 Jahre her

Das ist sehr gut von den Saudis. Endlich muss der Westen so richtig bluten. Aber so richtig!
Die Dekadenz des Westens wird auch der Untergang des Westens.

Andreas aus E.
2 Jahre her

Es wird Zeit, daß der freie Westen endlich Venezuela befreit und demokratisiert. Dann könnte man endlich von den Saudis unabhängig sein und sogar Erdöl per unterseeischer Pipeline (West-Stream I) unter dem Atlanik hindurch nach Buntland pumpen.
Mit den Gewinnen aus dem Geschäft ließen sich problemlos auch CO2-Zertifikate finanzieren und den dadurch verarmenden Saudis bei Bau und Unterhaltung von Moscheen in Europa unter die Arme greifen, dann wären sogar die Grünen glücklich.

Rob Roy
2 Jahre her

Zu den Benzinpreisen in Deutschland. Noch wurde ja gar kein Boykott gegen Russland und das Öl und Gas von dort verhängt, und wir erhalten dies weiterhin geliefert. Trotzdem gehen die Tankstellenpreise durch die Decke. Heizöl noch mehr. Weihnachten haben wir 70 Cents bezahlt, heute 1,80 Euro. Netto. Ohne Mehrwertsteuer versteht sich. Damit kann es nur an den Ölkonzernen liegen. Eventuell liegt eine unerlaubte Preisabspache vor. Unseren Staat interessiert das nicht. Er bekämpft ja ohnehin das Autofahren und fossiles Heizen. Und kassiert jetzt über die Mehrwertsteuer kräftig mit. In anderen Länder senkt man in einer Krise Steuern und Abgaben auf Treibstoffe… Mehr