Das Ergebnis stand von vornherein fest: Die von Manipulationsvorwürfen begleitete Präsidentschaftswahl in Russland musste mit einem Rekordergebnis für Wladimir Putin enden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wirft den russischen Behörden Wahlfälschung vor und warnt vor einer „blutigen“ fünften Amtszeit des Kremlchefs.
„Ich habe von vielen Quellen getrunken und bin ewig durstig“, heißt es bei Stanisław Jerzy Lec. Vielleicht passt aber in diesem Fall ein anderer Aphorismus des polnischen Autors besser, mag er noch so banal klingen: „In Wirklichkeit sieht alles anders aus, als es wirklich ist“. Der Machtdurst Wladimir Putins ist ungebrochen und die Manipulation der politischen Wirklichkeit gehörte schon zum russischen Alltag, als paranoide Zaren und zweifelhafte Ochrana-Strategen die Legitimität ihrer Herrschaft durch die Einsetzung von Spitzeln und Zuträgern absicherten.
Nach einer abermals zur Posse geratenen Präsidentschaftswahl in Russland feiern kremltreue Propagandisten Putin als haushohen Sieger. Laut der Wahlkommission kann der seit einem Vierteljahrhundert regierende Politiker mit rund 88 Prozent der Stimmen rechnen. Die Beteiligung bei der von einer beachtlichen Protestwelle begleiteten Wahl wurde mit über 74 Prozent angegeben. Die Gegenkandidaten des 71-Jährigen waren nicht nur politische Leichtgewichte, sondern auch schlechte Komparsen in einem schauderhaften Schauspiel. Bezeichnend war in diesem Zusammenhang die Reaktion des Präsidentschaftskandidaten der kommunistischen Partei KPdRF Nikolai Charitonov, der bereits in den letzten Jahren gegenüber Putin vorauseilenden Gehorsam praktizierte. „Das russische Volk ist wie niemals zuvor zusammengerückt und glaubt an unseren Sieg, deshalb fiel das Wahlergebnis so deutlich aus“, so Charitonov.
Putins Wahlhelfer bemühten sich erst gar nicht, den trügerischen Schein einer demokratischen Abstimmung zu wahren: Noch bevor am Sonntagabend die Wahllokale gänzlich geschlossen wurden, veröffentlichten sie die ersten Stimmauszählungen. Vor allem aus den im Osten besetzten Gebieten der Ukraine musste rasch ein Signal gesendet werden. Dort konnte der amtierende Kremlchef angeblich über 95 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Vor und während der Präsidentschaftswahl war es im russisch-ukrainischen Grenzgebiet zu diversen Störaktionen und Sabotageakten gekommen. Russlands Flugabwehr musste am Wochenende mehrere Raketen und Drohnen abfangen. Einige Dörfer in der Nähe von Belgorod und Kursk mussten nach dem Beschuss stundenlang ohne Strom auskommen. Schon in den letzten Monaten war die russische Grenzregion immer wieder Ziel größerer ukrainischer Angriffe geworden.
Indes hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seinem ärgsten Widersacher den Wahlerfolg abgesprochen. „Diese Wahl hat keine Legitimität und wird keine haben. Diese Kreatur gehört auf die Anklagebank in Den Haag“, sagte er nach dem Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen. Mit Hinblick auf den nun seit über zwei Jahren dauernden russischen Angriffskrieg in seiner Heimat forderte Selenskyj Gerechtigkeit, denn dies sei das Einzige, wovor Putin „so etwas wie Angst“ verspüre. Es müsse eine „gerechte Vergeltung“ für alles geben, was „russische Mörder“ im Interesse von „Putins lebenslanger Macht“ angerichtet hätten, meinte Selenskyj. Er erinnerte daran, dass vor ungefähr einem Jahr der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen den russischen Amtsinhaber erlassen hat. Das Gericht wirft Putin u.a. vor, für die Verschleppung von unzähligen ukrainischen Kindern verantwortlich zu sein. Selenskyj prophezeit, dass die fünfte Amtszeit Putins die „blutigste“ sein werde.
Auch im Westen fragen sich viele Beobachter, wozu der (zunächst noch bis zum Jahr 2030) amtierende russische Diktator fähig sein wird. In seiner Siegesrede bezeichnete er den Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny als einen „traurigen Vorfall“. Ähnlich äußerte sich Putin schon zuvor nach den Ermordungen anderer Kremlkritiker und Journalisten. Es sei stets „traurig, jedoch nicht zu ändern“. In Wahrheit hat sich die Lage der Pressefreiheit in Russland in den vergangenen Jahren dramatisch zugespitzt. Nach übereinstimmender Beurteilung durch polnische Medien haben sich seit dem Beginn der Invasion in der Ukraine die Arbeitsbedingungen russischer Journalisten noch einmal „alarmierend verschlechtert“. Russland belegt derweil in den diesbezüglichen Welt-Rankings die hinteren Plätze. Danach folgen nur noch wenige Länder der Güteklasse „Diktatur“ wie Syrien oder Nordkorea.
Wird es nun die „blutigste“ Amtszeit Putins? Russlands Staatschef hat sich kürzlich in einem Interview selbst dazu geäußert und es wäre sicherlich zu kurz gesprungen, seine Aussagen allein als Wahlkampfmanöver zu beurteilen. Im Gespräch mit den russischen Propagandasendern Rossiya 1 und RIA Novosti versicherte er, Moskau sei auf einen Atomkrieg „technisch“ vorbereitet und die Fähigkeiten der russischen Streitkräfte seien „moderner als alle anderen“. „Unser nuklearer Dreiklang, also Raketen in Silos an Land und auf strategischen Bombern sowie Atom-U-Booten, ist nur mit dem Arsenal der USA vergleichbar. Unseres ist aber viel moderner“, beteuerte der Kremlchef.
Indem er die „technische Bereitschaft“ Russlands zum nuklearen Gegenschlag betonte, versuchte Putin offenbar zugleich zu deeskalieren und einigen jüngst um sich greifenden Horrorszenarien zu trotzen. Er sprach vom „Fehlen der roten Linien“ und spielte auf die Position des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an, der eine Stationierung westlicher Truppen in der Ukraine für möglich hält. Putin hat zwar selbst schon unzählige „rote Linien“ überschritten, treibt in diesem Fall aber ein hochraffiniertes Spiel und führt den Westen vor. Die geopolitische Schacheröffnung fasziniert die Russen nicht erst seit gestern. Der russische Präsident, der zu diesem Zeitpunkt schon wusste, dass er in einigen Tagen über ein stärkeres Mandat verfügen wird, stellte den „alten und vernünftigen“ Joe Biden dem „jungen und hitzköpfigen“ Macron entgegen. Nicht nur auf diese Weise beeinflusst Putin die aktuelle Debatte unter den westlichen Ländern über die Unterstützung der Ukraine.
Darüber hinaus glauben Experten, dass Putin seiner letztjährigen Ankündigung, taktische Atomwaffen in Belarus stationieren zu wollen, Taten folgen ließ. In den Gebieten um Osipowicze und Prudok, wo sich belarussische Luftwaffenstützpunkte befinden, sollen solche Waffen gesichtet worden sein. Die politische Bedeutung dieses Schrittes ist jedoch weitaus bedeutender als die militärische. „Die Russen könnten alle NATO-Länder problemlos vom eigenen Territorium aus angreifen“, versichert die frühere stellvertretende NATO-Generalsekretärin Rose Gottemoeller.
Es drängt sich daher die berechtigte Frage auf, weshalb Putin der Stationierung taktischer Nuklearwaffen in einem Nachbarland zustimmt, obschon dies bei einer tatsächlichen Betätigung des „roten Knopfs“ keinerlei Bedeutung hätte. Litauens Verteidigungsminister Arvydas Anušauskas glaubt, die Russen würden auf diese Weise die Reaktion der NATO-Staaten testen wollen. Je nachdem, wie unentschlossen sie ausfiele, würde der nächste Schritt darin bestehen, russische Atomwaffen auch nach Kaliningrad zu verlegen, folglich in die westlichste Oblast der Russischen Föderation, ganz in der Nähe der polnischen und litauischen Grenze. Der Kreml ist also eher daran interessiert, Spannungen aufrechtzuerhalten, als einen nuklearen Krieg loszutreten. Damit erschwert und verlängert Putin militärische Entscheidungsfindungen westlicher Regierungen, die nie so richtig wissen, ob er gerade „eskaliert“ oder „deeskaliert“. Diese Form der Druckausübung bewährt sich aus russischer Sicht ebenfalls in Deutschland. Die dabei auftauchende Frage, ob der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich den Krieg im Osten „einfrieren“ möchte oder damit die Koalitionspartner und Opposition gegen sich aufbringt, ist allerdings weniger belangreich.
Bedeutsamer erschiene eine sinnvolle Debatte über nukleare Gefahren, denn diese können wir nie gänzlich „einfrieren“. Noch betreibt Putin Abschreckungspolitik. Atomwaffen werden jedoch künftig eine immer wichtigere Rolle in der Politik Moskaus spielen. Dabei geht es nicht nur um die steigende Intensität aggressiver Rhetorik, sondern beispielsweise auch darum, dass Russland in einer nicht allzu fernen Zukunft wieder Atomtests durchführen und sein Kernwaffenarsenal erneuern bzw. verdoppeln wird. In Europa sollte endlich ernsthaft über nukleare Abschreckung diskutiert werden, weniger über den Sinn realitätsferner Postulate in der SPD-Fraktion. Derart ertraglose Diskussionen in den europäischen Parlamenten verschaffen Moskau lediglich mehr Zeit. Denn auch wenn Rolf Mützenich es seit 25 Jahren nicht wahrhaben möchte: Putin bleibt ein Despot.
Von der in den 1990er Jahren von Boris Jelzin proklamierten „Wiedergeburt Russlands“, die nach der Auflösung zentraler Institutionen der UdSSR ein neues Gefühl staatlicher Identität wecken sollte, ist jedenfalls nichts mehr geblieben. Besonders anschaulich wird das in der Veränderung des visuellen Raums in Moskau und St. Petersburg, der wieder von einem synkretistischen Stil geprägt ist und unreflektiert Zitate aus der Sowjetzeit verwendet. Nach einer kurzen Phase der sozialen und politischen Mobilisierung übergab eben jener Boris Jelzin im Dezember 1999 dem von ihm als Interims-Nachfolger (!) eingesetzten Putin seinen Atomkoffer. Dann ergriff eine Gruppe persönlicher Freunde die Macht über Russland, die ein mit ehemaligen KGB-Agenten gespicktes Finanz- und Medienimperium aufgebaut haben. Um dies formal zu ermöglichen, wurden Bestimmungen über erforderliche Qualifikationen und Ausschlussgründe verändert sowie Amtszeiten staatlicher Schlüsselpositionen willkürlich verlängert. Das Schicksal derer, die seither in Russland eine politische Karriere anstreben, hat weniger mit der bisherigen Leistung oder mitgebrachten Begabung zu tun als mit dem Stand der persönlichen Beziehung zum Kremlchef oder dem Grad der ihm erwiesenen Loyalität. Seit einem Vierteljahrhundert beeinflusst Putin sämtliche Positionen in Wirtschaft und Staat wie ein unangefochtener Feudalherrscher. Gelegentlich könnte man den Eindruck gewinnen, dass er dies nicht nur im „lupenrein“ demokratischen Russland tut.
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Die Russen sitzen mitten in der NATO, im Oblast Kaliningrad. Wenn die Berliner wollen, dann pulverisiert der Russe das Kaff innert 30 Minuten. Wohlan. Warschau gleich mit. Die Agonie der Russen! Herrlich. Und Wladimir Friedensherrscher Putin ist ein typischer Russe: Völlig undurchsichtig, verlogen bis ins Mark. Typisch Underdog. Schmiert der doch den gesamten Bundestag an samt dem Gasgerd Schröder. Standing ovations. Eine Meisterleistung, in der Tat. Frage: Was hat er davon, der Russe? Was nützt ihm seine Westphobie? Vergessen wir nicht: Auch die UA war mal sowjetisch bis in die Knochen. Jetzt kämpfen sie gegen eine Mentalität, die der ihrigen… Mehr
Was bedeutet Putin’s WIederwahl für Rußland ? Putin ist Überbleibsel der Sovietunion und sieht es als seine „große Aufgabe“, diese wiederherzustellen. Mental ist er in dieser Zeit stehen geblieben. Also wird es laufen wie damals: den Krieg a la Afghanistan hat er bereits vom Zaun gebrochen, in zwei Jahren in der Ukraine hat Rußland mehr Soldaten und Gerät verloren als in zehn Jahren in Afghanistan. Und das Rußland von heute ist mit der Sovietunion nicht vergleichbar, nach 20 Jahren „Putin“ ist das Land am Ende, die Wirtschaft liegt am Boden, das Benzin ist knapp, Millionen Russen sind seit Beginn des… Mehr
Putins Wiederwahl war ganz eindeutig eine Fake-Wahl weil das „Ergebnis der Abstimmung“ schon vor der Wahl festand, so der Herr Bundeskanzler. Da hat er natürlich Recht. Man fragt sich blos, wo hat Putin das gelernt ? Nur den Dorn im eigenen Auge den sieht man nicht. In Deutschland wird das Wahlvolk zur Wahl des Bundespräsidenten erst gar nicht befragt. Wer Bundespräsident wird, das wird vorab in den Hinterzimmer der Parteien ausgeschnapselt. So konnte man das „Ergebnis der Abstimmung“ bei der letzten deutschen Fak-Wahl zum Präsidenten, schon bereits 3 Tage vor der Absimmung in der Presse lesen. Als Beweis, dass das… Mehr
Verstehe: An der „Fake-Wahl“ ist der Westen schuld, weil Vorbild dafür. Respekt. Mannomann.
Ganz einfach: dass 87 Prozent der Wähler für einen Kandidaten sind, ist absolut unglaubwürdig. Also packen Sie ihre RT-Aussagen ein. Wenn Sie Russland so dolle finden, dann rate ich zur Emigration dorthin.
Selenskji hat die Opposition in seinem Land abgeschafft und verfolgt, gewählt wird dort gar nicht mehr. DAS ist Wahlmanipulation. DA hätten sie ein Fass aufmachen können und mal wirklich etwas für die Demokratie tun können. Das Selenskji die Legitimität von Wahlen anzweifelt, ist ein schlechter Witz. Die Reaktion des Westens auf die Wahlen in Russland war übrigens genauso vorhersehbar wie das Wahlergebnis. Egal, wie und wo in Russland gewählt wird, der Westen verbreitet immer dasselbe Bild. Wir tun so, als wären wir der Hort der Demokratie, dabei zerstört unsere Regierung gerade im Rekordtempo eben diese, während eine demokratisch nicht legitimierte… Mehr
Putins „hinterhältige Weise “ sich um die eigenen Menschen zu kümmern, hat Früchte getragen. Ob giftig oder nicht, werden wir noch sehen. In dieser Phase der Auseinandersetzung bleibt festzustellen, dass nicht wer das Gift spritzt auch der Nutznießer dieser Maßnahmen ist. Man muss den Wind berücksichtigen, damit einem das Zeug nicht ins eigene Gesicht fliegt. Der weht zur Zeit aus Ost, wenn ich mich nicht irre. Aber sicher hat der Westen noch‘ Wunderwaffen von denen wir, das Publikum, noch nichts wissen. Und dann ist endlich Frieden!?
Nie werde ich den Tag vergessen, als Uschi vom europäischen Volk zur Präsidentin der EU-Kommission gewählt wurde.
Bundespräsident Steinmeier gratuliert Putin nicht zur Wahl, da die Wahl eine Farce, ohne ernsthafte oppositionelle Gegenkandidaten war, so gerade RTL Direkt im Fernseh.
Ich ruf mir grad die letzte Wahl unseres Bundespräsidenten in Erinnerung und muss wirklich lachen…
Dem iranischen Regierungschef hat er zu verschiedenen Gelegenheiten gratuliert (Wahlen, Revolutionsjubiläum) –
Aber das ist natürlich etwas ganz Anderes.
Wo wurden eigentlich Wahlen rückgängig gemacht? Ich komm nicht drauf.
Und wer hat mit dem Zündeln angefangen. Wir schicken Panzer und bald auch Taurus, obwohl uns der Krieg im Donbass nichts angeht.
Aber wenn der Putin dann droht ist was los.
Ich vermute, dass Putins Atomdrohungen auch deshalb schlimmer werden, weil Russland einen nicht-atomaren Rüstungswettlauf verlieren würde.
Weil wir ja „so viele Rohstoffe“ und Geld „ohne Ende“ haben ? So ganz ohne Industrie aber mit ganz „vielen Fachkräften“ sind wir voll „überlegen“.
Russland ist doch im Grunde ein „zweites Saudi Arabien“ mit seinen unendlichen Rohstoffen, die die ganze Welt haben will.
Kürzlich gelesen – das BIP der Krim sei in den letzten 10 Jahren 4,5mal gewachsen – obwohl es gar nicht die reichste Region Russlands ist. Die Leute sind aber aus der chaotischen korrupten Kleptokratie raus, die immer noch im Westen Bejubler findet. Glaubt jemand, dass die gerne zurück möchten?