Anleitung zur Stornierung jeder demokratischen Wahl

Mit den Begründungen des rumänischen Verfassungsgerichtes zur Annullierung der Präsidentschaftswahl könnte man jede Wahl im digitalen Zeitalter rückgängig machen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andreea Alexandru

Am Nachmittag des 6. Dezember verfügte das rumänische Verfassungsgericht einstimmig, die Ergebnisse der am 24. November erfolgten ersten Runde der Präsidentschaftswahlen zu annullieren und den kompletten Wahlvorgang, samt Aufstellung der Kandidaten, zu einem späteren Zeitpunkt von vorne zu beginnen. Damit war auch die Stichwahl am 8. Dezember storniert. Zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung hatten in der Diaspora die Wahlokale bereits geöffnet, rund 40.000 Auslandsrumänen hatten ihre Stimmen bereits abgegeben. Auslöser der Gerichtsentscheidung waren mehrere Anträge, die Wahl zu annullieren.

Dabei hatte das Gericht gleich nach der ersten Wahlrunde die Stimmen neu auszählen lassen und war zu dem Schluß gelangt, dass alles regelgerecht abgelaufen war.

Und noch am 5. Dezember hatte das Gericht mitgeteilt, dass es Anträge auf Annullierung der ersten Runde vorerst nicht akzeptieren könne. Nur die beiden Kandidaten, die in die Stichwahl gelangten, könnten demnach zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang eine Überprüfung des ersten Wahlgangs beantragen. Erst nach der Stichwahl könnten auch andere beantragen, die Rechtmäßigkeit der Umstände in der ersten Runde zu überprüfen.

Aber weder der Favorit, Calin Georgescu, noch seine Gegenspielerin, die liberale Elena Lasconi, waren dazu bereit. Beide waren davon überzeugt, das sie die Stichwahl gewinnen würden.

Begründung der Verfassungsrichter wenig stichhaltig

Die – später nachgelieferte – Begründung der Verfassungsrichter für ihren Sinneswandel bezieht sich auf Geheimdienstdokumente, die zuvor am 4. Dezember entklassifiziert worden waren, sie unterlagen also nicht mehr der Geheimhaltung. Unter Bezug auf diese Dokumente listeten die neun Verfassungsrichter eine ganze Litanei von Problemen auf, die „jeden Aspekt” der Wahl so verzerrt hätten, dass das Ergebnis nicht mehr als Ausdruck des tatsächlichen Wählerwillens gelten könnte. Bei näherem Hinsehen scheinen aber nur zwei oder drei Punkte wirklich justiziabel.

Der erste: Indirekte und illegale Wahlkampf-Finanzierung. Der rechte unabhängige Kandidat Calin Georgescu, der die erste Runde überraschend mit 23 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, hatte behauptet, „Null Lei” (die rumänische Währung) für seinen Wahlkampf ausgegeben zu haben. Aus den Dokumenten des Geheimdienstes SRI geht aber hervor, dass ein „Geschäftsmann” namens Bogdan Peschir insgesamt eine Million Euro ausgegeben habe, um Georgescus Wahlkampf zu unterstützen.

Unter anderem soll er unter dem TikTok-Usernamen „bogpr” insgesamt 381.000 Dollar über eine App namens „FameUp” an Influencer ausgezahlt haben, damit sie Georgescus Botschaften auf TikTok amplifizieren oder für ihn werben. Laut SRI (zitiert von Aperpres) sollen diese Gelder illegaler Herkunft gewesen sein, also nicht nur die indirekte Wahlkampffinanzierung wäre zu verfolgen, sondern auch eine kriminelle Herkunft der dafür verwendeten Gelder.

Illegale Wahlkampffinanzierung?

Am 7. Dezember begann in drei Wohnungen Peschirs in Brasov (Kronstadt) eine Hausdurchsuchung, die bis in die Morgenstunden des 8. Dezember dauerte. Die Ermittler fanden den Gegenwert von sieben Millionen Dollar auf diversen Konten Peschirs. Diese Summe wurde umgehend beschlagnahmt.
In die TitTok-Transaktionen soll auch eine nicht näher genannte südafrikanische Firma verwickelt gewesen sein. Ob und wie diese mit Georgescu abgesprochen waren, ist bislang nicht bekannt.

Präsidentschaftswahl annulliert
Staatskrise in Rumänien
Auf jeden Fall wäre es strafrechtlich relevant, wenn er von diesen Vorgängen wusste und Falschaussagen zu seinen Wahlkampfkosten machte. Das müsste gerichtlich nachgewiesen werden in einem ordentlichen Verfahren, und könnte – falls der Kandidat die Wahl gewonnen hätte – die Grundlage für ein Absetzungsverfahren bilden.

Der zweite juristisch relevante Verdacht: Eine ausländische Macht soll die Wahlen beeinflusst haben, auch unter Verwendung finanzieller Mittel. Im Prinzip ist das in westlichen Demokratien nicht erlaubt, aber oft schwer nachzuweisen, wenn Geldmittel nicht direkt an Parteien oder Kandidaten fließen. Konkret ist in den Medien von Russland die Rede, allerdings wird im Geheimdienstbericht kein Land genannt, und der einizige erwähnte ausländische Akteur ist die südafrikanische Firma, die Influencern je 1000 Euro angeboten haben soll für das Verbreiten von Georgescu-Propaganda.

Derweil wurde am Montag ein Mann namens Horatiu Potra festgenommen, der laut Medienberichten für Georgescus Personenschutz zuständig war. Georgescu behauptet, ihn nie persönlich gesehen zu haben. Potra soll unter anderem eine Söldnertruppe in Afrika befehligt haben. Er wurde am Sonntag auf dem Weg nach Bukarest angehalten.

Dort war es – am theoretischen Wahltag, aber die Wahl war ja gestrichen – zu Protestaktionen von Georgescu-Anhängern gekommen. Die Behörden verdächtigen Potra, dass er dabei bewaffnete Provokationen plante. In seinem Auto wurden eine Pistole und mehrere Messer, sowie rund 10.000 Euro in verschiedenen Währungen gefunden. Am Montag wurde sein Haus durchsucht.

Potra und sein Umkreis gelten als extrem rechts, und es ist dieses Umfeld, das oft herangezogen wird, um auch Georgescu als rechtsextrem zu bezeichnen.

Soziale Medien: Was ist legitime, was unrechtmäßige Beeinflussung?

Aber nicht seine Gesinnung wurde wurde Georgescu vom Verfassungsgericht zur Last gelegt, sondern es wurde eine so umfassende Manipulation der Wahl behauptet, dass nur die komplette Annulierung der Wahl Abhilfe schaffen könne. Die Richter führten in ihrer ausführlichen Begründung auf 10 Seiten 23 Argumente auf, von denen die meisten aber nicht sehr ausführlich waren, wenig Konkretes enthielten und mehr Fragen aufwarfen, als sie beantworteten.

Auf einen Nenner gebracht befanden die Richter, dass die Wähler nur dann demokratisch entscheiden können, wenn sie „korrekt” informiert werden. „Genauer gesagt, die Freiheit der Wähler, sich eine Meinung zu bilden, setzt ein Recht auf korrekte Information über die Kandidaten voraus (…) auch online, sowie Schutz gegen ungerechtfertigte Beeinflussung”.

Das aber sei nicht möglich gewesen, da in den sozialen Medien ein Kandidat massiv bevorteilt worden sei, teilweise durch illegale verdeckte Finanzierung.

Halten wir fest: Ein Wahlkampf fand statt, in dem Soziale Medien als Wahlkampfmittel benutzt wurden, teilweise offenbar mit verdeckter Finanzierung. Das Verfassungsgericht vermutet ausländische Geldgeber dahinter.
Nichts davon ist in einem ordentlichen Gerichtsverfahren bewiesen, die einzige Grundlage sind Geheimdienstdokumente, die wenig Beweise liefern. Man hofft natürlich, dass Rumäniens SRI alles genau durchschaut hat, aber es soll in der Geschichte der Geheimdienste dieser Welt zuweilen vorgekommen sein, dass sie Geschichten in die Welt setzten, die so nicht genau stimmen. Denken wir an den Irak-Krieg und Saddam Husseins angebliche Massenvernichtungswaffen.

So kann jede Wahl im digitalen Zeitalter auf den Prüfstand kommen

Was bleibt, ist, dass mit solchen Argumenten jede moderne Wahl im digitalen Zeitalter annulliert werden könnte. Immer versuchen die Parteien und Kandidaten online die Wähler zu erreichen, sprich, sie zu beeinflussen, nie sind ihre Informationen vollständig korrekt und objektiv, immer versuchen sie, den Gegner schlecht zu machen und sich selbst in vorteilhaftem Licht zu zeigen.

Streng genommen war dies auch schon früher so: Komplette Chancengleichheit für alle im medialen Raum hat es noch nie gegeben.

Versuchen wir ein Gedankenspiel: Bei den Wahlen in Ungarn 2018 wurde die linke Opposition gegen Ministerpräsident Viktor Orbán indirekt mit Geldern einer amerikanischen NGO unterstützt. Hätte man deswegen die Wahl wiederholen sollen? Derzeit beherrscht ein neuer Herausforderer Orbáns die Sozialen Medien in Ungarn. Zieht da irgendjemand die Fäden? Was, wenn nach den Wahlen 2026 die Wahlkommission entscheidet, die Wahl deswegen wiederholen zu lassen?

Das ist natürlich undemokratischer Unsinn. Sollte es in einem Wahlkampf zu strafrechtlich relevanten Vergehen kommen, etwa illegale Wahlkampffinanzierung, dann ist das normalerweise eine Sache für die Staatsanwaltschaft. Die entscheidende Frage, die niemand stellt, ist folgende: Hätte das Verfassungsgericht Alternativen gehabt? Ja, natürlich. Es hätte die Wahl nach deren Abschluss überprüfen können. Es hätte Kandidaten, die die Regeln verletzten, disqualifizieren können.

Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis, dessen Amtszeit am 20. Dezember endet, der aber nun sicher für weitere drei Monate im Amt bleibt, telefonierte am Wochenende mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie seien völlig einverstanden gewesen, dass zum Schutz der Bürger die „Integrität der Sozialen Medien gestärkt werden müsse”.

Nicht auszudenken, wozu die Wahlbürger imstande wären, wenn man sie nicht davor schützt, nachdenken zu müssen.

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Kommentare ( 50 )

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Sonny
8 Stunden her

Da mußte das Verfassungsgericht in Rumänien aber nicht lange überlegen, wie man die rechte und liberale Seite der Politik, ganz ohne echte Beweise, unschädlich macht. (Wer die wohl beraten hat? Die EU?)
Ich bin wirklich gespannt, ob sich die rumänische Wahlbevölkerung das bieten läßt und gespannt, was bei der nächsten Wahl passiert.

DDRforever
21 Stunden her

Es kommt was ich schon vor Jahrzehnten prognostiziert habe, die DDR wird im Vergleich mit der EU und dem Wertewesten als Bastion von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erscheinen.

Johny
1 Tag her

Bin sowieso dafür, die Regierung mittels Losverfahren direkt aus dem Volk zu wählen. Das verhindert Klüngel und Netzwerkbildung. Gesetze werden sorgfältig geprüft, da später selbst betroffen. Und was die Eignung betrifft, kann es kaum schlimmer kommen.

Ali Mente
1 Tag her

Die in Rumänien machen das aber ziemlich kompliziert. In Deutschland sagt man oder besser Frau, das Ergebnis ist unverzeihlich und muß Rückgängig gemacht werden! Ganz ohne Gericht, ohne Beweise oder Fakten, nur weil es nicht gefällt. So geschehen in Thüringen. Danach wird eine Marionetten-Regierung eingesetzt, die einfach ungewählt an der Macht bleibt.

Nibelung
21 Stunden her
Antworten an  Ali Mente

Die Rückgängigmachung des Wahlergebnisses in Thüringen war eine rechtlose Schweinerei erster Güte und die Superdemokraten in der Ukraine lassen erst garkeine Wahl zu, damit sie ihren Krieg auf Geheiß weiterführen können und so ist Rumänien nur ein weiteres Beispiel europäischer Kultur, wo man sich in Grund und Boden schämen muß, daß die Verantwortlichen überhaupt noch frei herum laufen und nicht schon längst hinter Schloß und Riegel sitzen, wie es sich nach Rechtslage eigentlich gehört. Gerade wir sollten uns nicht echouffieren, wenn sich ander fehl verhalten, denn wir kommen aus zwei Systemen die wahrlich kein Musterbeispiel deutscher Demokratie darstellten und gerade… Mehr

swengoessouth
1 Tag her

Da kommen zwei Kandidaten in die Stichwahl, welche beide nicht klar US ausgerichtet sind. Diese unliebsamen Wahlsieger gehen gar nicht, denn Wackelkandidaten im Kampf gegen Russland kann der Westen nicht brauchen. Nun läuft das Merkelprogramm ab, die Wahl muß rückgängig gemacht werden. Die große Frage ist, wäre dies auch geschehen, wenn der genehme Kandidat die Vorwahl gewonnen hätte? Mit Sicherheit nicht. Dazu reicht ein Blick über die Grenze nach Moldawien. Die Wahl der gewünschten Favoritin wurde im Land klar verloren. Nur durch die Stimmen aus dem Ausland wurde diese noch gedreht, welch ein Zufall. Gab es hier Zweifel an der… Mehr

NochNicht2022
1 Tag her

Wenn das keine Steilvorlage für die Schwampel-Parteien-besetzten Obergerichte, wie das Bundesverfassungsgericht und die Landesverfassungsgerichtshöfe in der BRD, ist? Mit Begründungen wie z.B. die Wähler haben nicht die „richtigen“ und „objektiven“ Wahlinformationen (heißt: nur solche von ARDZDF & Co. und den Schwampel-Parteien) erhalten, kann man alle mißliebigen Wahlergebnisse suspendieren. Fakt ist, die Wahlen wurden z.B. seit der Existenz der AfD durch den ÖRR und deren Hetze – wie in Rumänien nunmehr interpretiert – durch und durch manipuliert. Da kann man gegenteilige Trolle usw., woher auch immer, zwangsweise nur begrüssen.

Ede Kowalski
1 Tag her

Wer das in Deutschland nicht für möglich hält, weiß nicht, wo er lebt.

Harry Hirsch
1 Tag her

Dann wird wohl die nächste Bundestagswahl wohl auch vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden müssen, weil ein rund 8 Milliarden Euro schwerer Propagandaapparat Namens ÖRR Beeinflussung zugunsten von rot-grüner Politik vornimmt.

bernstedter
1 Tag her

Man denke nur an all die jüdischen NGOs die gegen uns Europäer agieren und in die Wähler beeinflussen durch Propaganda etc.
AIPAC in den USA heißen sie z.b.

Querdenker_Techn
1 Tag her
Antworten an  bernstedter

Warum lässt es die EU nicht zu, dass ausländische Geldgeber öffentlich gemacht werden müssen?
Weil sie selbst über NGOs politische Einfluss nimmt?

Memphrite
1 Tag her

Georgien nicht vergessen. Obwohl dort die jetzige Partei klar gewonnen hat und selbst ausländische Beobachter keine Verstöße feststellen konnten und alles rechtmäßig vonstattenging, gibt es dort jetzt neue „Maidan 2.0“ Proteste angeführt von den üblichen gekauften NGOs.
Und die EU, na die hat die Wahl nicht anerkannt. Warum? Weil die nicht so ausgegangen ist wie geplant.
Westliche Demokratien (bis auf die Schweiz) sind nur Fassadendemokratien. Dahinter lauert die Oligarchie.

Cimice
1 Tag her
Antworten an  Memphrite

Georgien ist Ukraine reloaded. Wer’s 2013/14 versäumt hat, kann hier nochmal beiwohnen.
Die EU droht jetzt der rumänischen, EU-kritischen Regierung tatsächlich mit Sanktionen(!), weil sie sich gegen die Aufrührer dort wehrt.

LunaMystic
1 Tag her
Antworten an  Memphrite

Merkel hat, ohne gerichtliche Entscheidung, die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen rückgängig gemacht.

https://www.tagesspiegel.de/politik/das-ergebnis-muss-ruckgangig-gemacht-werden-4143196.html

Last edited 1 Tag her by LunaMystic