Im Iran setzen sich die Straßenkämpfe fort. Nun mobilisieren auch die Religionsführer ihre Unterstützer. Im Ausland machen Dissidenten und Youtuber gegen das Regime mobil. Derweil fordern 19 CDU-Frauen – teils etwas unbehende – mehr feministische Politik von Außenministerin Baerbock.
Im Iran muss man klar sehen: Das autoritäre Regime ist noch immer in der Lage, große Menschenmengen zu mobilisieren. Ob es sich um eine Mehrheit handelt, wie die vergangenen Wahlen zu belegen scheinen, bleibt aber unsicher. Sicher ist, dass die Mehrheit der erwachsenen Iraner keine Zeit und vielleicht nicht die Courage, vielleicht auch keine Veranlassung hat, auf einen Umsturz hinzuarbeiten. Die konservativen Religiösen sind vielleicht gar nicht unzufrieden mit einer Theokratie, die sie ihrer Rechte beraubt, aber für die Durchsetzung eines strikten Islams sorgt.
Es sind – wie in anderen Protestbewegungen, etwa den uns bekannten in der westlichen Welt – meist die jungen Menschen, die auf die Straße gehen und radikale Veränderungen verlangen. Daneben sind die politisch bewussten Menschen in allen Generationen wenige. Im Fall des Irans leben sie zudem in vielen Fällen im Ausland. Von New York aus beobachtet die Dissidentin Masih Alinejad die Szenen.
— Masih Alinejad ?️ (@AlinejadMasih) September 25, 2022
Der radikale Protest gegen das Bestehende ist das Vorrecht der Jugend. Die ältere Generation kann darauf besänftigend reagieren oder mit Härte. Die beiden Arten der Reaktion zeigen sich in verschiedenen Videos, etwa wenn die Schwester eines im Protest getöteten Mannes sich bei dessen Begräbnis die eigenen Haare abschneidet, obwohl ältere verschleierte Verwandte sie daran zu hindern versuchen. Es ist eine Szene von ungeheurer moralischer Wucht.
Da das Internet weitgehend ausgeschaltet wurde, ist die Lage im Land immer schwerer einzuschätzen. Die gemeldeten Todesopfer, meist junge Frauen, sind aber über verschiedene Regionen verteilt, so dass man von landesweiten Unruhen ausgehen kann. Das neueste Opfer ist laut Berichten die 18 Jahre alt gewordene Mahsa Mogoi aus Isfahan im Zentrum des Landes.
Für einen Umsturz setzen sich auch die sogenannten „Volksmudschaheddin“ ein, die gleichermaßen einem doktrinären Stalinismus und dem schiitischen Islam nahestehen. Sie streben einen säkularen Iran mit einer strikten Trennung zwischen Staat und Kirche an. Maryam Rajavi wurde durch die Vereinigung zur iranischen Exilpräsidentin ernannt. Das die „Mudschaheddin“ noch irgendeinen Rückhalt im Iran haben, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Aber die Opposition, die an die Stelle der Mullahs träte, wäre vermutlich vielgesichtig. Auf einen Umsturz könnte auch der nächste Bürgerkrieg in der muslimischen Welt folgen – mit allen bekannten Folgen für das nähere und weitere Umfeld.
Von London aus, versucht der politische Youtuber Mahyar Tousi den Funken der Revolution zu versprühen. Für ihn ist das Regime bereits im Fallen begriffen. Markig schreibt er: „Wir sehen die letzten Tage der islamischen Besetzung, die 1979 begann.“ Eine Reihe großer und kleinerer Städte sei bereits in den Händen der Protestler, während das Regime langsam verzweifele. Aber sicher sagen kann man das nicht.
Es ist kein Wunder, dass die herrschenden Religionsgelehrten die Aktionen der Jugend für gesetzlos erklären und Verfolgung sowie harsche Antworten androhen. Die Taten jeder Revolution sind ja gesetzlos, weil sie ein neues Gesetz etablieren wollen. Angesichts der Willkürherrschaft der Teheraner Theokraten, die sich bisher kaum freien und gleichen Wahlen gestellt haben, kann man die Aufständischen allerdings verstehen.
Auf anderen Videos sieht man, wie die Empörung der Bürger – über einen hier unbekannten Anlass – sich zwar Bahn bricht, aber am Ende in Gewalt erstickt werden kann. „Ihr seid in mein Land gekommen, um mit mir zu kämpfen“, wirft die Frau im weißen Kopftuch den Spezialkräften vor.
Andernorts versprechen sich die Dissidenten zähes Durchhalten auf den Straßen, bis die Revolution erreicht sei.
Londoner Exil-Iraner findet kritische Worte zur Immigration
In Großbritannien wird der Emigrant Mahyar Tousi derweil in Diskussionen über Immigration und deren Folgen verwickelt. Einige Twitter-Nutzer stören sich daran, dass Iraner vor ihrer Botschaft in London protestieren. Bei Protesten gab es auch bereits Spannungen zwischen regimetreuen Iranern und Regimegegnern.
Erstaunlich, aber wahr: Der Exil-Iraner Tousi unterschreibt die Feststellungen von Enoch Powell, der einst Unheil vorhergesehen hatte, falls das Vereinigte Königreich mit der Zuwanderung weitermachen sollte wie im Jahr 1968. Eine „jährliche Zuwanderung von etwa 50.000 Angehörigen“ erschien Powell damals schon problematisch. Er sollte bis zu seinem Tod der populärste Politiker des Königreichs bleiben, obwohl er die konservative Partei 1974 im Streit über den gemeinsamen europäischen Markt verließ und sogar für die Labour-Partei warb, weil die für ein neues Referendum eintraten. Heute gibt ihm der Iraner Tousi recht: „Wir haben zu viele Menschen aus zu vielen Kulturen ins Land gelassen – das umfasst auch Iraner. … Integration ist unmöglich geworden, und deshalb herrscht Chaos auf den Straßen … Wo sind die Politiker?!“
CDU-Frauen: Baerbock soll ihrer Politik Taten folgen lassen
Derweil haben 19 Frauen aus der CDU, darunter Julia Kloeckner und Serap Güler, Außenministerin Baerbock in einem offenen Brief aufgefordert, die „feministische Außenpolitik in konkrete Maßnahmen münden“ zu lassen. In etwas seltsamer Weise ist in einem Tweet der Unionsfraktion vom wünschenswerten „Einsatz für die iranischen Frauen wie #MahsaAmini“ die Rede. Im Fall von Mahsa (Jina) Amini kommt das schon zu spät.
Die Bundestagsabgeordnete Serap Güler schreibt auf Twitter: „Liebe Annalena Baerbock, Sie wissen wie wir, dass die gewalttätigen Ausschreitungen im Iran nur der Anfang sind. Immer mehr mutige Frauen werden in den nächsten Tagen & Wochen den Kampf für ihre Freiheit mit dem Leben bezahlen. Lassen Sie Ihrer feministischen Außenpolitik Taten folgen.“
Auch der Brief selbst scheint dabei in etwas zweifelhafter Diktion gehalten. Man begrüßt das Bekentnnis Baerbocks zu einer „feministischen Außenpolitik“. „Gewalt gegen Frauen“ sei, so die CDU-Mitglieder, ein „strukturelles Problem“ in Friedenszeiten wie in Kriegen. Das gilt so sicher nicht für alle Kulturen in gleicher Weise und klingt außerdem fatal nach dem neuesten Abklatsch intersektioneller Unterdrückungsphantasien aus dem Gepäck von BLM- und Antifa-Gruppen an. Man möchte den konservativen Frauen eine bessere Theoriebildung für ihre feministischen Bemühungen wünschen. In einem ist den Briefautorinnen allerdings recht zu geben: Im Verhältnis zum Iran besteht für deutsche Außenpolitiker, nicht nur für die Außenministerin, heute eindeutig „dringender Handlungsbedarf“.
Verteidiger Baerbocks erwiderten auf die Vorwürfe, dass die Außenministerin am Montag den iranischen Botschafter einbestellt habe. Auch bei EU-Sanktionen gegen den Iran will die Bundesregierung „alle Optionen“ prüfen. Aber solche Drohungen bleiben vage. Nachdem Kanadas Premier Justin Trudeau Sanktionen gegen „dutzende Personen und Entitäten“ verhängt hat, will auch Baerbock „Sanktionen gegen Verantwortliche“.
Schweigen herrscht auch bei den islamischen Verbänden in Deutschland laut dem Ex-Abgeordneten Volker Beck.
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Und wieder: doppelte Standards. Ich nutze in einem Ballungsraum regelmäßig den ÖPNV. Somit sehe ich jeden Tag: eine wachsende Zahl von muslimischen Frauen hierzulande trägt FREIWILLIG religiös induzierte Kopfbedeckung.
Was soll ich also bitteschön damit anfangen, wenn ARD und ZDF mir jeden Tag Protestbilder aus dem Iran zeigen? Da sieht man offenbar den Balken im eigenen Auge nicht. Warum wehren sich die Frauen hierzulande nicht gegen das Kopftuch, im Gegenteil? Weshalb ist das Kopftuch der länger dort Lebenden schlecht, das Kopftuch der hiesigen Kulturinvasoren nicht? Das ist doch alles so verlogen…
Frau Baerbock ist eine „Schönwetter“-Feministin. Große Klappe nichts dahinter. Aber das zieht sich ja stringent durch ihr Leben(slauf)…
Ohne das Mullahregime zu entschuldigen oder es gar gut zu finden, ist der Zeitpunkt für die Aufstände – weitere Annäherung Russland <-> Iran, iranische Drohnen bei den Russen – doch etwas, das mich zum Grübeln bringt. Sind hier Agents Provocateurs tätig und werden die Protestierenden verheizt um zumindest das Ansehen des Regimes zu schädigen (gerade die deutschen Grünen kommen traditionell immer sehr iranfreundlich rüber) oder ist die Koinzidenz zufällig.
A. Baerbock ist A u ß e n ministerin und nicht für die inneren Zustände in 200 Ländern zuständig, andernfalls wäre sie Welt-Innenministerin. Und was schwebt den CDU-Damen eigentlich als „konkrete Maßnahmen“ so im Detail vor? Den „fundamentalistischen Islam und dessen Frauenbild“ in aller Welt zu bekämpfen, dann auch in Deutschland, wo das Kopftuchtragen und islamische Kleidervorschriften ja als normal akzeptiert sind? Klar wünscht man sich oft, sich in fremde Kulturen maßgeblich einmischen zu können und aus der eigenen Sicht die Welt zu verbessern; nur ist fraglich, ob man’s genauso nett fände, wenn die Anderen sich in die eigenen Angelegenheiten einmischen würden.
Tja, dumm nur: sie (die anderen) tun es, und keiner unserer Politiker wehrt sich… das fängt bei Biden (Nord Stream 2) an, geht weiter über Erdogan („Baut die größeren Häuser…“) und hört bei Selenskyj auf („Mehr Waffen“ „Kein russisches Gas“).
Die letzte Aktionen von ihr, nett formuliert, waren undiplomatisch und nicht zielführend, ja geradzu schädlich.
Jetzt hat sie was gefunden mit dem man etwas herumpimpern kann. Doch wie gesagt, wer im Glashaus sitzt….
Solange CDU Frauen nicht vor der eigen Haustür kehren, wollen sie nur mal ihr Gesicht in die Presse halten.Die Doppelmoral ist scheinbar ein mächtiges Werkzeug.
Beschneidungen, Zwangsheirat, und der Zwang zum Kopftuchtragen ist bei uns zwar nicht gesetzlich geregelt, aber kulurell bei den Opfern erzwungen worden. Und es wird damit weitergehen, wenn mutige CDU Frauen für die Rechte von Frauen in anderen Ländern kämpfen aber ihren Blick von der eigen Haustür abwenden.
Der Iran ist wie Afghanistan: Das Volk will in großer Mehrheit den unverfälschten Islam.
Die Kopftuchrebellen werden wir bald in Deutschland begrüßen und mit ihnen eine wesentlich größere Menge ihrer Kontrahenten.
Meine ganze Symphathie gilt den jungen Leuten im Iran, die endlich für Freiheit auf die Straße gehen. Selbst die Bedrohung für Leib und Leben hält sie nicht mehr auf und das bedeutet, dass auch Außenstehende erkennen können, wie unerträglich es in diesem Scharia-Gottesstaat zugeht. Das sie es trotzdem schaffen sich zu organisieren, obwohl das Internet weitestgehend abgeschaltet wurde, zeigt, wie entschlossen sie sind. Ich hoffe sehr, dass die jungen Menschen im Iran eines Tages frei sein werden und damit meine ich nicht nur die Frauen. Es geht nicht um Feminismus, sondern um Freiheit! Meine Gedanken und guten Wünsche sind bei… Mehr
Das nächste Shit hole wird vorbereitet.
Bisher war der Iran ein ziemlich normaler Staat, wie es auch Irak und Libyen waren. Das wird sich bald ändern. Wie im Irak und in Libyen.
Die Iraner wollen ihren Iran ohne Mullahs. Aber sonst soll er so bleiben. Locker, wie Jordanien. Wer in die Moschee gehen will, der soll das tun. Wer vermummt sein will, der soll das tun. Aber die anderen, die all das nicht wollen, gefälligst in Ruhe lassen. Wie in Jordanien. Der liberalste muslimische Staat weltweit.
„…ein ziemlich normaler Staat“.
Wie bitte? Ist das Ihr Ernst?
Einen Gottesstaat halten Sie für ziemlich normal?
Bis zum Umsturz 1979 und den damit einhergehenden, massenhaften Verbrechen an Menschen, die sich nicht der Islamdiktatur und Scharia unterwerfen wollten, war Persien noch ein Land aus Tausendundeiner Nacht. Danach, 1979, kam das Grauen.
Feministische Ausssenpolitik versus
Humanistische Außenpolitik
Wenn wir uns ständig in die Politik und Sitten anderer Länder einmischen, sollten wir auch akzeptieren, dass sich andere Länder in unsere Politik einmischen.
Beispiel:
Der Iran (den ich hier absolut nicht verteidigen will), weist auch dem ungeborenen Menschen ein Menschenrecht zu und lehnt deshalb Abtreibungen kategorisch ab.
Was würde passieren, wenn die iranischen Politiker Deutschland als einen Terrorstaat verurteilen würden, der ungeborene Menschen jährlich hunderttausendfach als unwertes Leben im medizinischen Sondermüll entsorgt.