Weil sich einige Regierende gegen die Ratifizierung des EU-Aufbaufonds stemmten, hat ihn die linke Opposition mit durchgepeitscht. Die überraschende Unterstützung hat in der konservativen Landschaft Polens gemischte Reaktionen hervorgerufen.
Der sogenannte „Aufbaufonds“, der den 27 EU-Mitgliedsstaaten dabei helfen soll, nach der Corona-Pandemie wieder auf die Beine zu kommen, hat in den letzten Monaten große mediale Aufmerksamkeit erregt. Nicht unzutreffend war von einem weiteren Schritt in Richtung Schuldenunion die Rede, der einen Verzicht auf nationale Souveränität zugunsten Brüssels signalisiere. Kurz vor seiner Ratifizierung wurde der „nationale Aufbauplan“ (KPO) daher zum Zankapfel im polnischen Regierungslager. Während sich der Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (PiS) fest entschlossen zeigte, ihn rasch durchzupeitschen, stemmte sich der Koalitionspartner Solidarna Polska (Solidarisches Polen) gegen die von den selbsterklärten „Gesetzeshütern“ aus Straßburg eingeforderten Rechtsstaatsmechanismen.
Der Anführer der kleinen konservativen Partei, Zbigniew Ziobro, verwies noch einmal darauf, dass die im neuen EU-Haushalt verankerten Regulationen die Souveränität schwächerer Staaten untergrüben. „Mit der Verabschiedung des EU-Aufbaufonds können dubiose Personen nicht nur Einfluss auf die längst überfällige Reform des polnischen Gerichtswesens nehmen, sondern obendrein mit weiterem ideologischen Ballast versorgen, der uns noch teuer zu stehen kommt“, so der polnische Justizminister. Sein Parteikollege Michał Wójcik schloss nicht aus, dass Polen irgendwann für die Schulden reicherer EU-Staaten aufkommen müsse. „Es gibt nichts umsonst, wobei die schönfärberisch als ‚Geschenke‘ verpackten Schulden wohl kaum den Schaden beheben werden, der durch den personellen Aderlass in unserem Land entstanden ist“, meint der Jurist. Eine ähnliche Auffassung vertritt die wirtschaftspragmatische Konfederacja (Konföderation). Als im März Polen und Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die nebulöse „Rechtsstaatsklausel“ geklagt hatten, fand Ziobro in der Fraktion von Robert Winnicki Unterstützung. „Obgleich wir am aktuellen Regierungsstil der PiS viel zu beanstanden haben, wäre es töricht, das Schicksal zukünftiger Generationen der Willkür einiger Kommissare zu überlassen, die in ihren Heimatländern politisch gescheitert sind“, sagte der Parteivorsitzende.
Mögen einige Politiker der konservativen Fraktion vom ungewöhnlichen Deal der PiS-Chefetage mit der Linken irritiert sein, so erscheint er beim näheren Hinschauen nicht ganz unschlüssig. Jarosław Kaczyńskis Partei hat es in den letzten Jahren geschafft, zahlreiche soziale Projekte anzustoßen, die vor ihrem Regierungsantritt im Herbst 2015 jahrelang in den Schubladen verblieben. Mit ihrem Angebot entzog die PiS den Sozialisten folglich auf unabsehbare Zeit den politischen Atem. Die ausgedienten Postkommunisten mussten plötzlich auf Themen wie „Gender-Sprache“ ausweichen, mit dem ein bankrotter Bauer nicht viel anzufangen weiß. Denn genau bei solchen Problemen sind die „links-konservativen“ Schnittmengen zu lokalisieren. Es ist jedenfalls ein Irrtum zu glauben, dass die Lewica dem Ministerpräsidenten Zugeständnisse in „feministischer Leitkultur“ abringen konnte.
Mindestens 30 Prozent der für Polen entfallenden knapp 60 Milliarden Euro werden über kommunale Selbstverwaltungen abgewickelt. In sozialen Brennpunkten sollen Tausende billige Mietwohnungen entstehen. Allein 800 Millionen Euro werden in den längst überfälligen Ausbau des polnischen Gesundheitssystems investiert. 300 Millionen werden an Branchen gehen, die besonders unter der Corona-Pandemie zu leiden hatten. Die Ausgabepraxis soll durch entsprechende Kontrollorgane überwacht werden.
In diesem singulären Fall scheint Kamiński vielleicht sogar den Nagel auf den sprichwörtlichen „Kopf“ getroffen zu haben. Durch den jüngsten Deal dürfte die Opposition weiteren Schaden genommen haben. Die Linke ist trotz ihrer medialen Muskelspiele so gut wie erledigt, deren „Gender-Nester“ haben in Polen keinerlei Konjunktur. Aus der Sicht der PiS waren die Gespräche mit der Linken wiederum viel taktischer geprägt, als es die Redakteure der PO-Bulletins wahrhaben wollen. Die Meinungsunterschiede zwischen Morawiecki und Ziobro wird die Regierungskoalition zweifelsfrei überdauern, weil die Solidarna Polska ohne die PiS-Basis auf verlorenem Posten stünde. Die schleichende Agonie der Bürgerplattform, die der nach „europäischen Früchten“ trachtende Donald Tusk vor einigen Jahren einleitete, dürfte sich indessen verstärken. Die größte oppositionelle Partei wird je nach Tagesform auch künftig „sozial“, „liberal“ oder „konservativ“ sein und dabei nicht mehr überzeugend erklären können, wofür sie verlässlich steht.
Hołownia selbst zeigte sich zuletzt überraschend pragmatisch. „Keine der Oppositionsparteien – unsere eingeschlossen – wäre heute auf den Regierungsauftrag hinlänglich vorbereitet. Wir müssen uns erst einmal sammeln“, erklärte der ehemalige Poland’s Got Talent-Moderator. Mit seiner treffsicheren Einschätzung folgt Hołownia den aktuellen Umfragetrends, die auf eine Erwartungsenttäuschung der PiS-Kritiker hindeuten. Nach dem Meinungsforschungsinstitut Ipsos glauben 62 Prozent der Polen, dass die Opposition mit den jetzigen Protagonisten nicht mit Regierungsaufgaben betraut werden könne. Das Etikett der „Unfähigkeit“ hat sie sich redlich verdient, indem sie ihre Politik nacheilend an dem ausrichtete, was die rot-grün gefärbten EU-Abgeordneten für richtig hielten.
Als die PO sich im Jahr 2005 anschickte, an die Hebel der Macht zu gelangen (für die jüngeren Leser: Tusk verlor damals sowohl bei den Parlamentswahlen als auch im Präsidentenduell gegen Lech Kaczyński), war sie noch ein konservativer Stabilitätsanker gewesen. Nun ist sie zum Spielball der linken Dompteure geworden. Ob ihrer programmatischen Verrenkungen und exotischen Bündnisse (z. B. mit der linksextremen Inicjatywa Polska) verlor die PO allmählich ihre Mehrheits- und Koalitionsfähigkeit. Die PiS muss deshalb keinen Machtverlust befürchten. Eine ganz andere Frage ist die, ob die Regierenden damit leben können, wenn sie ihren Enkelkindern eine Schuldenunion aufbürden.
Wojciech Osiński ist Deutschland-Korrespondent des Polnischen Rundfunks
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Es geht mal wieder ums liebe Geld und das nicht nur in Polen. Solange die deutsche Zahlfee noch bei Kasse ist, muss man das Eisen schieden solange es heiß ist.
Auf den alten Trick „Geld gegen Gesetze“ sind die Polen hereingefallen. Das Geld ist eines Tages weg – aber die Gesetze bleiben.
Willkommen im Moloch EU …
Es zeichnet sich doch ab, dass das Geld benötigt wird. Polen hat sich wirksam in die Gestaltung eingebracht und ob es 800 Milliarden Euro Reparationszahlungen von der Bundesrepublik Deutschland bekommt, steht meines Erachtens in den Sternen eher im Sinne von NICHT DIREKT. Polen hat einige Gebietserweiterungen nach dem Ende des 2. Weltkrieges zu verzeichnen? Irgendwo ist auch einmal mit etwas Schluss. Polen sollte daran gehen, ein wirtschaftsfreundliches Klima zu schaffen und das lebt sicher auch von Toleranz, nicht nur von Kirche und Staatsdoktrin. Ich sage nicht, dass Polen unvorsichtig werden soll, aber für mich geht die Entscheidung in Ordnung. Ich… Mehr
Diese 750 Milliarden Euro werden kein halbes Jahr reichen, bin gespannt mit welchem Schmäh uns dann die Schuldenunion in Brüssel kommt um uns das Geld aus der Tasche zu ziehen. Ich denke es wird irgendwas mit Klimasteuern sein, CO2 Steuern sind ja schon im Gespräch.
Die polnische Seite hat sich von den Bürokraten der EU auch in dieser Angelegenheit
über den Tisch ziehen lassen. Anstatt sich
ihre Bedingungen zur Akzeptanz des
„Wiederaufbaufonds“ formell hieb und stichfest absichern zu lassen, haben die polnischen Kommissare viel zu schnell zugestimmt. Um die Hilfen jetzt überhaupt zu
bekommen, wird die polnische Regierung
einen Teil der Souveränität abgeben müssen. Am Ende werden auch die Polen, die sich mit so viel Eigeninitiative und Fleiß ein bisschen Wohlstand erarbeitet und einigermaßen vernünftig gewirtschaftet haben, die über viele Jahrzehnte wegen überzogener Sozialausgaben angehäuften Schulden der Club-Med Länder bezahlen müssen.
Sollte die Inflation jetzt langsam an Fahrt gewinnen, werden die 60 Mrd. bald verpfuffen.
Wenn sich Bauholz, Beton etc. bis jetzt fast verdreifacht haben, so werden auch die Kosten für neuen „Miethäuser“ sich verdreifachen usw.
Vielleicht wir auch bald ein „Brötchen“ 60 Mrd € kosten?
Mal schauen ob wir jetzt den befürchteten „Trigger“-Punkt der Inflation erreicht haben.
Es gibt kaum etwas dümmeres, als die polnische Politelite. Sehenden Auges verkaufen sie ihre Heimat. Das schaffen nicht einmal die Grünen bei uns. Die wollen das Land verkaufen.
Warum machen sie dann die ganze Zeit so einen Blödsinn? Polen sollte sich lieber mal auf sich selbst konzentrieren, als die ganze Zeit in Richtung Ausland zu meckern und sich wahlweise von Deutschland (Geld), den USA (Militär), oder sonstwem abhängig zu machen. Dazu kommt das notorische Feindmachen natürlicher Verbündeter, Stichwort wäre Erika Steinbach. Aber mit der redet man ja nicht mehr, wie ein kleines beledigtes Kind. Obwohl Polen zB das größte der Visegrad Länder ist, steht es daher in der Bedeutung der vier Länder ganz hinten, da a la Palästinenser alles auf Abgreifen optimiert zu sein scheint. Obendrauf kommt der… Mehr