Polen: Fünf Präsidentschaftskandidaten von TV-Debatte im Staatsfernsehen ausgeschlossen

Polens Präsidentschaftswahl wird zur Farce: In einer TV-Debatte unter Staatsaufsicht wurden fünf Kandidaten ausgeschlossen – mitten im Wahlkampf und unter offensichtlicher Missachtung des Wahlrechts. Während Trzaskowski und Staatsfernsehen inszenieren, was sie als „Debatte“ verkaufen, wird die Demokratie zur Kulisse degradiert.

IMAGO

Der staatlich kontrollierte polnische Fernsehsender TVP sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, an einer Präsidentschaftsdebatte teilgenommen zu haben, bei der fünf registrierte Kandidaten ausgeschlossen wurden – was rechtliche Schritte nach sich ziehen könnte, die im Extremfall zur Annullierung der bevorstehenden Wahl führen könnten.

Die Debatte am 11. April war formal eine Wahlkampfveranstaltung in der Stadt Końskie, organisiert vom Präsidentschaftskandidaten der von Donald Tusk geführten Bürgerkoalition, Rafał Trzaskowski. Moderiert wurde sie von TVP sowie den beiden kommerziellen Sendern TVN und Polsat. Das polnische Wahlgesetz schreibt vor, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen allen registrierten Kandidaten gleichen Zugang zur Sendezeit garantieren muss – auch bei TV-Debatten.

Ursprünglich war die von Trzaskowski am 9. April gemeinsam mit TVP initiierte Idee, eine Debatte nur zwischen ihm und Karol Nawrocki, dem Kandidaten der größten Oppositionspartei (PiS), abzuhalten. Das Vorhaben wurde jedoch umgehend von anderen Kandidaten scharf kritisiert. Sie warfen dem öffentlich-rechtlichen Sender einen Verstoß gegen das Wahlrecht vor, da nicht allen Kandidaten Zugang gewährt wurde.

Einige dieser Kandidaten reisten nach Końskie im Süden Polens, um dort an einer Veranstaltung des konservativen Senders TV Republika teilzunehmen. Parlamentspräsident Szymon Hołownia, selbst Kandidat einer Regierungspartei, kündigte an, dennoch zur Debatte zu erscheinen. Nur zwei Stunden vor Beginn der Sendung kündigte Trzaskowski auf Druck von Nawrocki, der sich solidarisch mit den ausgeschlossenen Kandidaten zeigte, an, nun doch alle Kandidaten zur Teilnahme einzuladen. Das rief jedoch massiven Unmut bei jenen Kandidaten hervor, die an diesem Tag nicht in Końskie waren und keine Möglichkeit hatten, rechtzeitig anzureisen.

Der Kandidat der rechtsgerichteten Konfederacja, Sławomir Mentzen – laut Umfragen mit über 15 Prozent auf Platz drei – befand sich rund 200 Kilometer entfernt auf einer Wahlkampftour. Adrian Zandberg, ein linksgerichteter Kandidat mit etwa fünf Prozent Zustimmung, hatte ein Treffen mit Präsident Andrzej Duda angesetzt.

Mentzen bezeichnete die Situation als „Zirkus“ mit „belarussischen Debattenstandards“ und warf Trzaskowski und Nawrocki eine bewusste Inszenierung vor, bei der man nur einige weitere Kandidaten hinzuzog, um den Anschein von Fairness zu wahren.

Mentzens Parteikollege, Abgeordneter Przemysław Wipler, erklärte auf X, dass es einen rechtlichen Grund für eine Annullierung der Wahl darstelle, wenn eine von einem Kandidaten organisierte Debatte durch Staatsfernsehen finanziert werde und dabei die Hälfte der übrigen Kandidaten ausgeschlossen bliebe.

Zandberg kündigte an, Trzaskowskis Wahlkampagne wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Wahlgesetz bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen – wegen der Organisation einer Wahlkampfveranstaltung mit Unterstützung des Staatssenders.

Vor dem Veranstaltungsort kam es zu chaotischen Szenen, als Sicherheitskräfte von Trzaskowski Journalisten der unabhängigen konservativen Sender TV Republika und wPolsce24 gewaltsam entfernten. Auch Mitarbeitern von Nawrockis Kampagne wurde der Zutritt verweigert.

Marek Jakubiak, Kandidat der kleinen rechtsgerichteten Republikanischen Partei, sagte, er sei zunächst ebenfalls von Trzaskowskis Sicherheitspersonal abgewiesen worden, habe es aber schließlich geschafft, ins Gebäude zu gelangen.

Der unabhängige Kandidat Krzysztof Stanowski beklagte, dass ihm selbst am ihm zugewiesenen Rednerpult keinerlei Informationen über die Regeln der Debatte gegeben worden seien.

Der Zugang zur dreistündigen Debatte – an der acht der insgesamt 13 Kandidaten teilnahmen – wurde anderen TV-Sendern freigestellt. Jene, die es rechtzeitig nach Końskie geschafft hatten, erhielten so Sendezeit für ein Millionenpublikum.

Während der Debatte kam es zum kontroversesten Moment, als Nawrocki Trzaskowskis Rednerpult eine Regenbogenfahne überreichte – offenbar als Erinnerung an Trzaskowskis Unterstützung für LGBT-Anliegen.

Trzaskowski, der sich zuletzt als Hardliner bei Migration und Sicherheit zu profilieren versucht, reagierte verärgert und sagte, er identifiziere sich ausschließlich mit der polnischen Flagge.

Er entfernte die Regenbogenflagge von seinem Pult, woraufhin Magdalena Biejat von der Linkspartei demonstrativ nach vorn trat und erklärte, sie nehme die Fahne gerne an, da sie kein Problem damit habe, sich mit LGBT-Personen zu identifizieren.

Der erste Wahlgang zur Präsidentschaftswahl in Polen findet am 18. Mai statt. Die beiden bestplatzierten Kandidaten treten dann in einer Stichwahl am 1. Juni gegeneinander an.


Dieser übersetzte Beitrag ist zuerst bei Brussels Signal erschienen.

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Kommentare ( 2 )

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Manfred_Hbg
11 Tage her

Seit dortiger letzter Wahl mit den Regierungswechsel scheinen die Polen den „demokratischen“ Weg Deutschland’s eingeschlagen zu haben und gehen zu wollen.
Ein gewisser Typ an Menschen scheint tatsächlich nix (dazu)gelernt zu haben. Das ist scheinbar in Polen nicht viel anders als wie hier im Merkelischen „Schland“.

Wolfgang Richter
12 Tage her

Wenn ein System der (ggf. auch mit juristischen Mitteln durchgesetzten) Ausgrenzung von „unliebsamen“ Kandidaten unbeanstandet bleibt und funktioniert, warum dann davon abgehen? Es wird eher perfektioniert werden. Und daß das nichts mit Demokratie zu tun hat, geschenkt, scheint den meisten „Untertanen“ offenbar völlig wurscht, ansonsten würden sie ja merk- und hörbar „aufmucken“.