Orbáns Masterplan für die EU

Die neue konservative Parteienfamilie „Patriots for Europe” soll die EU aufmischen. Dafür gibt es einen Masterplan, der sich um den Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs dreht.

picture alliance / Anadolu | Dursun Aydemir

Die Verkündung der neuen europäischen Parteienfamilie „Patriots for Europe” platzte am 30. Juni wie eine Bombe in den schläfrigen Sonntag. Waren sich nicht alle Medien und Experten eben noch einig gewesen, dass der bemitleidenswerte ungarische Regierungschef Viktor Orbán in der EU völlig isoliert war? Dass sogar die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni ihn nicht in ihrer EKR-Fraktion haben wollte? Und nun stand er plötzlich da, flankiert vom österreichischen FPÖ-Chef Kickl und dem tschechischen ANO-Chef Babiš, und verkündete die Entstehung einer neuen europäischen Parteiengruppe, mit dem Ehrgeiz, „sehr schnell” die drittgrößte Fraktion im Europaparlament zu werden, beziehungsweise die „größte konservative” Gruppe. Fußnote: Damit war nicht die EVP gemeint, sie betrachtet man in diesen Kreisen nicht mehr als konservativ.

Fidesz ist Ungarns Regierungspartei, die FPÖ und ANO könnten beide bald in ihren jeweiligen Ländern an die Macht kommen. Zusammen haben sie 24 Europa-Abgeordnete. In Budapest ist zu hören, dass auch Italiens Lega von Matteo Salvini sich anschließen wird (Lega regiert in Italien mit, als Koalitionspartei) sowie Frankreichs Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen. In Frankreich wird gerade gewählt, RN könnte die Regierung stellen. Wenn nicht, bleibt sie Frankreichs stärkste Partei, mit guten Aussichten, dann eben beim nächsten Versuch zu gewinnen. RN allein würde 30 Abgeordnete ins neue Bündnis mitbringen, die Lega acht. Portugals Chega (2 Abgeordnete) will dem Bündnis ebenfalls beitreten. Auch die holländische Regierungspartei PVV von Geert Wilders soll Interesse haben.

„Ich gehe davon aus, dass die PfE bis Ende des Sommers auf 70 bis 80 Abgeordnete kommen”, sagt Ágoston Mráz vom regierungsnahen Budapester Meinunsforschungsinstitut Nézőpont. Wenn es gleichzeitig zu Abgängen aus der EKR kommt (gegenwärtig 83 Abgeordnete), dann könnte die neue Gruppe größer werden als die EKR. Die spanische EKR-Partei Vox (8 Abgeordnete) hat bereits Interesse bekundet. Trost für EKR-Chefin Meloni in einem solchen Fall: „Sie hätte dann noch mehr Gewicht in ihrer Fraktion”, meint Mráz.

Das Wesentliche sind aber nicht diese Abgeordnetenzahlen. Im Poker um mehr Macht und Einfluss in Brüssel sind zwei Elemente wichtiger. Mit der EKR-Gruppe gibt es Pläne für eine strukturierte Kooperation. PfE und EKR würden in vielen europapolitischen Fragen also zusammenarbeiten.

Vor allem aber zielt die neue Fraktion – und auch die beabsichtigte Kooperation mit Melonis EKR – gar nicht auf Einfluss im Europaparlament, sondern im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs. Dort könnte man eine kritische Masse erreichen, um wie in den Glanzzeiten der Visegrád-Gruppe ein kollektives Veto gegen Mehrheitsentscheidungen in Brüssel einlegen zu können. Das würde auch den Lieblingsplan der EU-Föderalisten, das Veto-Recht abzuschaffen, potenziell inhaltslos machen. Kollektiv wäre das Veto de facto dann immer noch da, zumindest in jenen Fragen, in denen man sich auf eine gemeinsame Position einigen kann.

Was Orbán betrifft, der noch vor kurzem von der medialen Klasse schadenfroh als „angeschlagen” und „isoliert” belächelt wurde, er scheint in der Form seines Lebens zu sein. Er wird das größtmögliche politische Kapital aus Ungarns EU-Präsidentschaft ziehen, legte mit seinem Besuch in Kiew gleich einen sensationellen Auftakt hin, und erweist sich plötzlich wieder als echter Akteur im Ringen um die Macht in Brüssel.

Daheim wird es sein neuer innenpolitischer Herausforderer Péter Magyar mit seiner ebenso neuen „Tisza”-Partei schwer haben, bis zu den nächsten Wahlen 2026 vergleichbares Format zu zeigen. Er ist auch weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden, seit er in einer Budapester Bar randalierte, einem Mann dort sein Telefon entriss und es in die Donau warf. Immerhin, für die EVP, zu der Tisza seit kurzem gehört, dürfte das eine Premiere sein. Noch nie hat ein EVP-Parteichef mit fremden Telefonen um sich geschmissen.

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Kommentare ( 44 )

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Haba Orwell
5 Monate her

Unternehmen Orbán und die neue Fraktion was gegen den „Green Deal“? Das Böse Medium zitiert heute Tucker Carlson aus Australien:

> „Wer für diese hohen Energiekosten verantwortlich ist, hasst euch“

Ferner gibt Carlson den Tipp, die Verantwortlichen (Australien verkauft zwar viel Kohle, führt aber ähnliche Energiepolitik wie Westeuropa) alleine schon deswegen loszuwerden.

Biskaborn
5 Monate her

Wünschen wir Orbán viel Erfolg! Trotzdem bleibt unklar, warum er die AfD nicht dabei haben will ( wegen guter Beziehungen zur deutschen Regierung deren Geld er offensichtlich gerne nimmt ) und die linke Rolle Melonis!

Reinhard Schroeter
5 Monate her
Antworten an  Biskaborn

Sowohl Orbàn als auch die AfD sind clever genug, dieses Fass jetzt nicht aufzumachen.
Die „Brandmauer „ wird früher oder später fallen und nach einer Regierungbeteiligug der AfD ,braucht Orbàn auf links-grüne deutsche Befindlichkeiten keine Rücksicht mehr zu nehmen und die AfD ist dabei. Garantiert.

Bundesbuerger
5 Monate her

Dass Victor Orban besser dasteht, ist schön für ihn. Politik ist das allerdings noch keine, wohl eher Geltungsbedürfnis und Posing. Was könnte die europäische Rechte (Le Pen, Meloni, Wilders, Weidel, Orban, Kaczyński etc.etc.) nicht alles erreichen, für den Kontinent und für ihre Länder, wenn sie an einem Strang ziehen würden. Stattdessen Eifersüchteleien und Mackertum. Frage an den Autor: „Masterplan“ steht in der Überschrift. Was ist denn der Plan? Master Orban?

Ombudsmann Wohlgemut
5 Monate her

Damit war nicht die EVP gemeint, sie betrachtet man in diesen Kreisen nicht mehr als konservativ.

Ähm, wenn selbst Parteien der EVP sich selbst nicht mehr als konservativ sehen, wer soll es denn sonst? Die EVP ist links.

Hoffentlich werden möglichst viele Rechtsparteien die Regierungen übernehmen und zusammen mit Orbán einen guten Start hinlegen. Glücklicherweise wird als nächstes Italien übernehmen, sodass Erfolge nicht gleich wieder von den Linken zerstört werden und die Mühen vergebens wären

MalNachgefragt
5 Monate her

Ich verstehe ja die Sehnsucht vieler rechtskonservativer Autoren nach einem starken Mann à la Orban, der es denen da in Brüssel so richtig zeigt. Mal ganz abgesehen davon, wie sehr Orban das eigene Land polarisiert und gespalten hat, aber wie glaubwürdig ist ein Politiker, der keine Gelegenheit auslässt, auf die EU zu schimpfen und sie zu blockieren, dessen eigenes Land aber am Tropf von EU-Fördermitteln hängt ohne die es dem Land deutlich schlechter ging? Orban ist für mich ein Paradebeispiel eines Politikers vom Stamme Nimm, der sich nur die Rosinen aus dem Kuchen pickt sonst aber nichts dazu beiträgt. Regelrecht… Mehr

Peter Pascht
5 Monate her

Orban weiß sehr genau was er tut, denn er kennt die Geschichte Osteuropas und Südosteuropas seht genau. Er kennt auch sehr genau die imperialistische Geschichte von England, Frsnkreivh, Russland, Preußen, des Osmanischen(Islamischen) Reiches. Er kennt die Verlogenheit der faschistischen Ideologie des Islam, denn alle Völker Osteuropas und Russland haben Jahrhunderte lang unter dem Islamischen Faschismus Joch gelitten. Kann man in dere Geschichtenüchern nachlesen. Deswegen gibt es in der Geschichte aller Völker Südosteuropas und Russlands die „befreiungskrige vom islamischen Faschismus“ Die Türkei bestellt deutschen Botschafter ein, wegen Kritik am „Wolfsgruß“ der türkischen Nationalmannschaft während der Fussball EM. Unter anderem kam zu… Mehr

Last edited 5 Monate her by Peter Pascht
Sonny
5 Monate her

Während die Staats-Presse Orban schon fast für politisch tot erklärt hatte, formiert sich anscheinend im Hintergrund ein ganz anderes Bild. Wundert das noch jemanden? Ist doch mit fast allen Sachen so, die den grünlinken aus den Händen gleiten. Die Hofpresse soll es richten und in Wirklichkeit erzeugt es bei der Mehrheit nur höchsten Widerwillen. Man könnte auch sagen: Schreibt doch euren Sch… so viel ihr wollt, aber in der Wirklichkeit akzeptieren wir diesen Ausverkauf Europas nicht mehr. Die Menschen merken in der Mehrheit auch so, dass die grünen Sozialisten einfach gar nichts auf dem Kasten haben außer Zerstörung. Es werden… Mehr

Last edited 5 Monate her by Sonny
Ralf Poehling
5 Monate her

Was ich hier lese, klingt gut:
https://www.achgut.com/artikel/das_manifest_der_patrioten_fuer_europa

Müssen wir die AfD nur reinbekommen. Sehe ich aber unproblematisch.
Die „Nostalgiker“ werden auch bei uns bald erkennen, dass das der richtige Weg ist und man mit alten Pferden von gestern heute keine Rennen mehr gewinnt.

Haba Orwell
5 Monate her
Antworten an  Ralf Poehling

Zumindest ist dort von Klima nicht die Rede… auch wenn sonst allerlei Allgemeinplätze.

> der Nationen, die jede weitere Übertragung nationaler Souveränität an die europäischen Institutionen ablehnt;

> das das Vetorecht der Nationen respektiert;

Dann müsste weiterhin ein Land reichen, dem eine EUdSSR-Dysotopie nicht zusagt, um diese abzuwenden.

Ralf Poehling
5 Monate her
Antworten an  Haba Orwell

Nicht so kritisch, es geht ja gerade erst los.
Jede Software hat am Anfang Bugs. Die werden in der Entwicklung aber möglichst korrigiert. Der Anfang für ein patriotisches Europa ist damit aber eingeleitet. Das müssen wir jetzt mitgestalten.

RiverHH
5 Monate her

Präsident Orban ist einer der besten Politiker Europas. Unsere Lebensunerfahrenen, Ausbildungslosen, Studienabbrecher und Nichtskönner sind dagegen einfach nur peinlich und abstoßend.
Ich will mehr Orban und keinen Scholz!

Manfred_Hbg
5 Monate her

Zitat 1: „Die Verkündung der neuen europäischen Parteienfamilie „Patriots for Europe” platzte am 30. Juni wie eine Bombe in den schläfrigen Sonntag.“ > Dass diese „Bombe“ dann nun auch kurz vor Beginn der ungarischen EU-Präsidentschaft geplatzt ist, hier darf man wohl stark vermuten, dass dieser Zeitpunkt von den aus EU-Brüssel so oft als Rechtsextrem gescholteten V. Orban sehr bewußt und gewollt genommen wurde. Ich jedenfalls wünsche Orban mit seiner Fidesz und den anderen beiden Gründungsmitgliedern Kickl (FPÖ) und Babiš (ANO) viel Erfolg und das sie es mit vielen weiteren EUropäischen Mitgliedern schaffen werden nicht nur die grünwoken Marionetten wie v.d.… Mehr