Ungarn schließt sich der gemeinsamen Front der EU und der Nato gegen Russland an – aber versucht dabei, Russland nicht zu provozieren. Es dürfte schwer werden, diesen Kurs durchzuhalten. Von Boris Kálnoky
Am 27. Februar gab Ungarns Außenminister Péter Szijjártó bekannt, dass Ungarn keine Waffentransporte in die Ukraine über sein Staatsgebiet erlauben werde. Später bestätigte Ministerpräsidnent Viktor Orbán diese Position.
Bei Ungarns Partnern in der EU und in der Nato gab es dafür wenig Verständnis. EVP-Fraktionschef Manfred Weber wurde auf Twitter vom ungarischen Journalisten Sándor Zsiros mit den Worten zitiert, Orbán müsse entscheiden, „auf welcher Seite er steht – wie es der Rest der Welt tut“.
— Sándor Zsíros (@EuroSandor) March 1, 2022
Die meisten Bündnis-Mitglieder – aber ausdrücklich nicht Ungarn – haben mittlerweile zugesagt, der Ukraine Waffen liefern zu wollen, bis hin zu Kampfflugzeugen. Die EU als solche traf eine diesbezügliche Entscheidung am 27. Februar – der Tag an dem Ungarn verkündete, keine Waffentransporte in die Ukraine durchzulassen.
Am 28. Februar folgte eine Erklärung des russischen Außenministeriums, verbreitet von der Nachrichtenagentur Interfax: EU-Bürger und Institutionen, die sich an der Lieferung von tödlichen Waffen, Treibstoff oder Schmierstoffen an die Ukraine beteiligen, werden die Verantwortung für die Folgen solcher Handlungen tragen. Sie müssen verstehen, wie gefährlich diese Folgen sind.“ Und weiter: Die Entscheidung der EU vom 27. Februar, Waffen an die Ukraine zu liefern, bedeute „das Ende der europäischen Integration als pazifistisches Projekt“. Die EU stehe jetzt militärisch „ganz auf der Seite Kiews“.
Denkbar, dass die ungarische Regierung sich dieser Drohungen bewusst war, noch bevor sie publik wurden, und sie auch durchaus ernst nimmt. Von Anfang an hat Orbán es als zentralen Punkt seiner Ukraine-Strategie bezeichnet, Ungarn dürfe sich „nicht in diesen Konflikt hineinziehen lassen“. Keine andere Regierung der EU oder der Nato sagt dergleichen. Vielleicht denkt man auch gar nicht, dass man am Ende selbst im Krieg stehen könnte. Orbán scheint das für eine sehr reale Möglichkeit zu halten.
Oder drückt er heimlich Putin die Daumen? Das war sofort der Reflex seiner Kritiker, als in der EU über Wirtschaftssanktionen diskutiert wurde und es von einigen Ländern Widerstand dagegen gab, Russlands Banken vom SWIFT-System abzuschneiden. Da hieß es in einigen Medien, Ungarn stelle sich dagegen. Falsch – Ungarn hat sich gegen keine EU-Sanktion gestellt. Ungarn schließt sich auch der Initiative der acht EU-Länder für Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine an.
Selbst die regierungskritische ungarische Journalistin Katalin Halmai hielt angesichts der Falschmeldungen es für nötig, das auf Twitter klarzustellen:
In Wahrheit war es Deutschland, das sich lange quer stellte. Aus ungarischen Regierungskreisen erfuhr Tichys Einblick, dass die Regierung entschieden habe, grundsätzlich jede EU-Sanktion zu unterstützen: „Es ist Krieg, jetzt geht es darum, die Einheit zu wahren. Über Sinn oder Unsinn einzelner Maßnahmen können wir dann später diskutieren.“ Waffenlieferungen oder der Transit von Waffen in die Ukraine sind freilich keine Sanktionen.
Verbal verhält sich Ungarn etwas anders als die meisten EU-Länder. Wo andere im eigenen Namen sagen, Russland müsse mit den schärfsten Sanktionen belegt werden, oder Russlands „Invasion“ verurteilen, sagt die ungarische Regierung so etwas nie als unilaterale Aussage, sondern immer nur mit der Formel: „Gemeinsam mit unseren Verbündeten verurteilen wir Russland“, beziehungsweise „unterstützen wir die Sanktionen.“ Statt der russischen „Invasion“ verurteile Orbán „Russlands militärisches Auftreten“ – wie gesagt „gemeinsam mit unseren Verbündeten“.
Andere Länder sprechen davon, die Ukraine verteidigen zu wollen. Orbán verkündete, auch in dieser Krise die „nationalen Interessen Ungarns“ verteidigen zu wollen. Ungarn stehe freilich auf der „Seite der Ukraine“ und trete für deren „territoriale Integrität“ ein. An deren Zukunft scheint man in der ungarischen Regierung derzeit aber nicht so recht zu glauben.
Ungarn ist in einer heiklen Lage: In der Ukraine lebt eine beträchtliche ungarische Minderheit. Provoziert man Russland (etwa durch Waffentransporte), kann es durchaus zu Luftangriffen auf die ungarische Region der Ukraine kommen. Provoziert man die Ukraine, kann es zu Racheakten ukrainischer Nationalisten kommen (die gibt es unabhängig davon, dass sie derzeit heldenhaft ihr Land verteidigen).
Auch andere große ungarische Unternehmen sind in Russland sehr präsent, und auch deren Börsennotierungen fallen. Die Bankenaufsicht hat die russische Sberbank in Ungarn für zwei Tage geschlossen (28. Februar und 1. März) und die Summen beschränkt, die Kunden abheben dürfen (maximal ca 20.000 Euro).
Und dann ist da das Atomkraftwerk Paks II, dass von der russischen Firma Rosatom und mit russischen Krediten ausgebaut werden soll. Derzeit ist das Projekt nicht von den EU-Sanktionen betroffen, aber das kann noch kommen. Das EU-Parlament fordert es bereits. Sollte es zu schweren wirtschaftlichen Folgen für Ungarn kommen, kann sich das auf das Wahlergebnis im April auswirken.
Orbáns Russlandpolitik vor der Krise war ein Teil seiner außenpolitischen Grundstrategie: jeder Großmacht etwas geben, was sie will, aber nie alles. Deutschland gibt er industrielle Kooperation, den USA militärische Zusammenarbeit, Putin gab er eine Bühne in der EU und das Paks-II-Projekt.
Nun scheint er weiter einen Kurs pragmatischer Balance zu suchen. Im Sturm der Leidenschaften, den die Krise entfacht hat, dürfte das schwer werden.
Kálnoky Borisz, Média Iskola, Iskolavezető, Mathias Corvinus Collegium Alapítvány
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Danke! So wird es wahrscheinlich kommen.
Orban ist ein kluger Mann.
Waffenlieferungen an die Ukraine sind Wahnsinn. Sie machen die Lieferanten und Transitländer zu Kriegsparteien gegenüber einer Atommacht wie Russland. Das gleiche gilt für das derzeitige Sanktionsfeuerwerk, dass Dummköpfe wie Deutschland mittragen. Und das alles wegen der Ukraine, die selbst nicht so genau weiß wohin sie eigentlich gehört. Hier zeigt sich deutlich, dass die westliche „Staatengemeinschaft“ mehr in der Liga einer mobbenden Schulklasse, als in der einer von verantwortungsvoller Politik getragener Gemeinschaft spielt. Es gibt eben doch keine Schwarmintelligenz, nur die Dummheit des Gruppendrucks.
„… Orbán müsse entscheiden, ‚auf welcher Seite er steht – wie es der Rest der Welt tut'“.
Das zeigt die ganze Niedertracht dieses EU-Halunken und CDU-Bonzen Weber!!! Unfassbar, das ist Kriegsrhetorik der besonderen Art!!!
Viktor Orbán versucht einen vernünftigen Weg zu gehen, und diese Brüsseler Mischpoke wirft ihm wieder mal (!!!) Knüppel zwischen die Beine. Ich bin geneigt, dem russischen Außenminister beizupflichten, dass der Arroganz des Westens ein Ende bereitet werden muss!
Premierminister Orban tut das, was die Mehrheit der deutschen Bevölkerung bei deren eigenen Politikern vermisst, sich vorrangig für die eigenen Interessen des Landes und seiner Bevölkerung einzusetzen, für sichere und leistbare Energieversorgung, eigenständige Nahrungsversorgung und bodenständige Industrie zu sorgen, anstatt insbesondere starke amerikanische Interessen zu verfolgen, was ebenso vertretbar, aber nicht vorrangig sein sollte. Insbesondere seit dem Wechsel der Präsidentschaft in den USA fühlt sich eine linke „woke“ Klasse ermächtigt, den Ton insbesondere in der EU anzugeben, ohne zur Kenntnis zu nehmen, daß es nicht das erstemal ist, das seit Ende des WK II insbesondere Mitteleuropa Zentrum eines (gottbehüte!) auch… Mehr
Meine Sympathie gehört jenen, die jetzt noch ihren Verstand behalten und nutzen. Ungarn verhält sich richtig. Mit all den aufgeblasenen Hysterikern nach Unterstützung in einem derartigen Konflikt ins gleiche irre Horn zu blasen ist struntzdumm. Ich habe, mit all den Widerwärtigkeiten die „Abtrünnigen“ drohten, trotzdem in der DDR den Wehrdienst verweigert. Jetzt für das korrupteste Regim medial und militärisch einen Krieg (vielleicht den letzten?) in Kauf zu nehmen ist ungeheuerlich. Geschichte wiederholt sich, Leid auch. Wir haben nichts, aber auch garnichts dazugelernt. Nicht nur die Menschen in der Ukraine sondern auch die in Russland haben ein Recht auf Frieden. Nur,… Mehr
News, keine Fakes! : Die ung. MEPs haben zugestimmt, dass Ungarn, als EU-Mitglied jegliche Zusammenarbeit mit Russland im Nuklearbereich, insbesondere mit Rosat und seinen Tochtergesellschaften beendet und setzen die Betriebsgenehmigungen aller Rosat-Tochtergesellschaften aus. Die Zusammenarbeit mit Russland im Rahmen der Internationalen Atomenergiebehörde wird auch beendet. Kinga Gál, Vorsitzende der Fidesz-Abgeordnetengruppe im Europäischen Parlament, sprach bei der Sitzung im EU-Parlament „Die Menschen wollen keinen Krieg. Wir können nicht zulassen, dass wir in den Krieg in der Nachbarschaft hineingezogen werden. Wir brauchen jetzt strategische Pause und Ruhe, um die Parteien aus dem Raum der Gewalt und der Waffen zurück zu den Verhandlungen,… Mehr
Offenbar hat niemand hier Ihren Kommentar verstanden. ES IST DER KNALLER – WENN DAS STIMMT, was Sie hier schreiben. Es würde das AUS bedeuten für das russische Atomkraftprojekt PAKS 2 in Ungarn.
Ich fand keine solchen Nachrichten in den ungarischen Medien. Meldungen von gestern reden noch davon, dass Paks weitergeht. Was Kinga Gál im Europäischen Parlament gesagt haben soll, weiß ich nicht, im Zitat ist keine Rede von Paks. Es ist allerdings auch nicht die Aufgabe der „ung. MEPs“ (die ja die ganze linkslib Opposition auch umfassen) in Brüssel, über ein solches Projekt einen Entschluss zu fassen oder „Betriebsgenehmigungen auszusetzen“. Auch wenn Sie gleich am Anfang es mit Ausrufezeichen verneinen, was an und für sich schon komisch vorkommt, tendiere ich eher zu der Annahme, dass Ihre Behauptungen Fake News sind.
WICHTIG:
Liebe Anna, ich nehme an, dass Sie auch Ungarisch können: Habe gerade hier den Tipp bekommen. Dominiks Kommentar basiert wohl darauf und ist kein Fake, es sei denn, der Orbán-kritische 24.hu hat Unsinn geschrieben:
https://24.hu/belfold/2022/03/01/fidesz-paks-orosz-befektetesi-bank-ep-tiltas/?fbclid=IwAR3ftMxEvgpdRcpfPvcrFzhq7_bhJmtsFKqv6ChP8E9TVwc4riex9qaq8SI
In so fern nicht Fake, dass einige Fidesz MEPs anscheinend dafür gestimmt haben. Sie, Herr Kohlbass haben es aber auch so missverstanden, als ob es schon eine beschlossene Sache sei, was nicht der Fall ist und ich persönlich für schier unmöglich halte. Darüber entscheidet doch letztendlich Orbán und nicht diese Demokratie-Simulation in Strassburg/Brüssel.
Habe nichts missverstanden und D. auch nicht. Deutsch Tamás gibt ja unten im Text von 24.hu eine Antwort. Bei der Lektüre wird klar, dass es noch keine Regierungserklärung oder so ist. Vielleicht wurde die Vorgehensweise sogar innerhalb des Fidesz so abgesprochen – oder sie offenbar einen internen Konflikt. Nur Geduld! Nochmal: die EU-Parlamentarier haben so zugestimmt, also kein Fake, sondern Mitteilung. Ende.
ich denke,Herr Orban ist einer der klügsten Politiker, die in der EU zu finden st. Immer auf seine Aufgabe(die Souveränität und Prosperität) seine Landes und seiner Bevölkerung zu stärken,ohne unsinnige politisch motivierte Fehler,die auf der Hand liegen,aus ideologischen Gründen trotzdem zu begehen. Er hat,ganz zu recht,auch die ungarische Minderheit in der Ukraine(übrigens annektiertes Land,ebenso wie Ostpreussen) im Sinne und will sein Land und deren Verwandte aus diesem Konflkt herraus halten,so gut es geht. Der „Hurra-Gratispatriotismus“,der jetzt bei so vielen,auch hier auf TE auftaucht,k…t mich an,denn die Ukraine sollte man SEHR kritisch analysieren,bevor man auch nur we UvdL daran denkt,etwas zu… Mehr
Mich wundert dieser Hurra-Gratispatriotismus auch. Jetzt wird einem schon bei alternativen Medien unterstellt, dass man ein bezahlter Schreiberling des KGB sei, wenn man nicht der allgemeinen Putinhetze beiwohnt. Nun, Russen im Bekanntenkreis, die zudem übersetzen können und die wissen, was seit 8 Jahren in der Ukraine geschehen ist, sind da eine Hilfe, aber auch ohne kann man sich umfassender informieren, als durch die katastrophale Berichterstattung der MSM. Es verging noch kein Tag, an dem nicht FAKE-Bilder, – Videos und – Berichte aufgedeckt wurden. Unsere Medien machen genau da weiter, wo sie bei Corona aufgehört haben. Und das ist wirklich zum… Mehr
Das Verhalten hiesiger MSM ist – wie leider schon lange üblich – besonnders widerwärtig. Heute beispielsweise ein (angeblicher) „O-Ton“ aus Ukraine, eine dortige Deutschlehrerin: Ihre Einlassung endete unter schluchzender Befürchtung, Russen könnten Atomanlagen in Ukraine sprengen. Also, Herrschaftszeiten: Daß es derlei Befürchtungen gibt, ist doch klar. Man hat Krieg im Land, man hat Atomanlagen im Land, man erinnert noch Tschernobyl. Völlig klar, daß es da Befürchtungen gibt. Aber das ist dann kein nachrichtentauglicher O-Ton, das ist bloße Propaganda (so ähnlich wie Kulleraugenkinder bei „Flüchtlingen“). Und das war nicht einmalige Entgleisung im Eifer des Gefechts, das wurde in der Morgenstrecke (5… Mehr
Warum soll Orban damit nicht durchkommen?
Schaffen andere doch auch.
„Die USA wollen Russische ÖL/Gas Lieferungen nicht sanktionieren, da es die eigene Bevölkerung treffen werde.“ (Biden)
https://twitter.com/Konrad7Konrad/status/1498396274579681286
Orban soll sich entscheiden, so Manfred Weber. Der war schon immer ein Windbeutel. Er hat auch damals nicht verstanden, dass man sich dem linkgrünen Mainstream besser nicht ausliefert, um gewählt zu werden. Vor dem linksgrünen Scherbenhaufen stehen wir gerade. Der Krieg längt ein Weilchen die deutsche Bevölkerung davor ab, darüber zu grübeln, während gerade die deutsche Regierung gezwungen ist, umzudenken, sie Kernkraft und Gas. Das dicke Ende kommt, Herr Weber!
Die links-grün-roten Orban-Hasser können es kaum erwarten, ihm – ganz gleich, wie er handelt – einen Strick daraus zu drehen. Das ist ebenso widerlich, wie die Häme, die diese Leute über Polens großartige Flüchtlingshilfe ergießen. Den tatsächlichen Unterschied zwischen Flüchtlingen aus einem direkten Nachbarstaat (mit gleichem kulturellen und religiösen Fundament) und einer Überschwemmung mit muslimischen oder afrikanischen Armutsflüchtlingen wollen sie natürlich nach wie vor nicht erkennen. Verlogen bleibt verlogen, daran ändern halt auch echte Katastrophen scheinbar nichts. Apropos verlogen: das plötzliche mediale „Verschwinden“ jeder Corona-Gefahr angesichts hunderttausendfach dicht gedrängter Friedensdemonstranten sagt doch wohl alles…
Selbstverständlich sagt das alles, ebenso wie die fristlose Entlassung des BKK ProVita Vorstands Schöfbeck, der sich erlaubt hat, Impfnebenwirkungen als wichtiges Untersuchungskriterium zu nennen.