Orbáns geheimer Bericht vom Putin-Besuch an Charles Michel

Eine ukrainische Zeitung hat Passagen aus einem Brief Viktor Orbáns an EU-Ratspräsident Charles Michel veröffentlicht. Darin berichtet er von seinem Gespräch mit Putin und regt eine europäische Friedensinitiative an.

IMAGO
RUSSIA, MOSCOW - JULY 5, 2024: Hungary s Prime Minister Viktor Orban during a meeting with Russia s President Vladimir Putin at the Moscow Kremlin. Valery Sharifulin/TASS PUBLICATIONxINxGERxAUTxONLY 71792093

Die ukrainische Zeitung Jevropejska Pravda hat Passagen aus einem angeblichen Brief des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán an EU-Ratspräsident Charles Michel veröffentlicht. Die Zeitung gibt an, dass der vom 5. Juli datierte Brief ihr vorliegt. Der Bericht wurde am Morgen des 9. Juli vom ungarischen Nachrichtenportal Index.hu mehr oder minder komplett übernommen. In dem Brief berichtet Orbán von seinem Gespräch mit Russlands Präsident Wladimir Putin, analysiert die Gesamtlage und regt an, möglichst schnell eine europäische Friedensinitiative anzustoßen, da die USA derzeit nicht in der Lage seien, eine weltpolitische Führungsrolle zu spielen.

Zunächst betont Orbán in dem Brief (alle Zitate sind der ukrainischen Zeitung entnommen), er habe gegenüber Putin „keinerlei Vorschlag unterbreitet und keinerlei Meinung geäußert im Namen des Europäischen Rates oder der Europäischen Union. Anderslautende Medienberichte seien „gegenstandslos”.

Dann stellt er fest, dass Putins Sicht auf den Krieg „beträchtlich von Zelensky’s Analyse abweicht”.

„Putin hat in keiner Weise die russischen Verluste erwähnt. Was die ukrainischen Verluste betrifft, so schätzt die russische Seite die monatlichen Verluste der ukrainischen Streitkräfte auf 40.000 – 50.000 Soldaten, welche in den letzten Wochen noch gestiegen seien. Deswegen war (Putin) überrascht, dass der ukrainische Präsident den Vorschlag bezüglich eines vorübergehenden Waffenstillstands ablehnte”, heisst es der Zeitung zufolge in dem Brief.

Der erwähnte Waffenstillstand dürfte sich auf Orbáns eigenen Vorschlag beziehen, den er am 2. Juli während seines Gesprächs mit Zelensky in Kiew unterbreitet hatte.
In dem angeblichen Brief soll Orbán die Auffassung äußern, dass Putin zu einem Waffenstillstand bereit sei, wenn dieser so beschlossen werde, dass er der Ukraine nicht zur „heimlichen Umgruppierung und Umorganisierung ihrer Kräfte diene”.

Dann folgt laut der ukrainischen Zeitung eine Passage, wonach Russland nur das 2022 in Istanbul ausgehandelte Dokument für einen Friedensschluss als Ausgangspunkt akzeptiere, „insbesondere der fünfte Punkt” besagten Dokumentes, „welcher die internationalen Sicherheitsgarantien für die Ukraine definiert”. (Die ukrainische Zeitung führt hierzu aus, dass es darin um die Garantiemächte für eine Friedenseinigung geht, und dass Russland forderte, zu diesen Garantiemächten zu zählen).

Des weiteren heißt es in dem angeblichen Brief, Russland sei „bereit zu einem Meinungsaustausch” über den gemeinsam von China und Brasilien vorgelegten Friedensvorschlag, in dem zwar von Friedensverhandlungen die Rede ist, nicht aber von einer territorialen Integrität der Ukraine.

Nach dieser inhaltlichen Zusammenfassung des Gesprächs fügt Orbán eine Analyse der Lage an und drängt auf eine möglichst baldige europäische Friedensinitiative. Europa brauche Frieden, aber die Chancen dafür würden immer geringer, weil „die diplomatischen Kanäle abgeschnitten sind und es keinen direkten Dialog zwischen den Akteuren gibt”.

„Angesichts der Eskalation der Feindseligkeiten und der Zunahme der Opfer schwindet die Zeit”, heißt es der Zeitung zufolge in dem Brief. „Wenn wir diesen Prozess nicht stoppen können, dann werden wir in den nächsten zwei Monaten Zeugen noch viel dramatischerer Ereignisse und Verluste an der Front sein.”

Zum Schluss meint er, die USA seien derzeit wegen des dortigen Wahlkampfs nicht in der Lage, in dieser Frage eine „führende politische Rolle” zu spielen. Insofern sei es ratsam, eine „europäische Initiative” zu erwägen, im Sinne einer „europäischen Autonomie” in der Weltpolitik.

Soweit der Zeitungsbericht. Wenn er inhaltlich stimmt, dann ergeben sich daraus zwei interessante Einsichten: Russland ist bereit zum Waffenstillstand, und Orbán versucht tatsächlich, wenn auch informell, die europäische Außenpolitik aktiv zu gestalten.

Der Brief wirft zudem die Frage auf, ob Michel nicht doch eingeweiht war in Orbáns Reisepläne.


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Kommentare ( 49 )

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schwarzseher
5 Monate her

Die USA wollen keinen Frieden in der Ukraine, sonst hätten sie doch erst gar nicht Rußland durch massive Aufrüstung der Ukraine provoziert und durch einen Staatsstreich ihren Kandidaten Selensky an die Macht geputscht. Jetzt haben sie alles erreicht, was sie wollten: Eine Kooperation Europa – Rußland langfristig verhindert und Europa als Konkurrenten wirtschaftlich und finanziell geschwächt und gleichzeitig die meist amerikanische Rüstungsindustrie massiv unterstützt. So werden Billionen statt für Infrastruktur, Technologie, Forschung und Bildung in der Ukraine buchstäblich verpulvert. Der Konflikt wird Jahrzehnte weiter bestehen, wie in Palestina. Interessant wird es aber wirklich, wenn China tatsächlich in Taiwan militärisch tätig… Mehr

William Munny
5 Monate her
Antworten an  schwarzseher

Eine sehr naheliegende Einschätzung.

A.G.
5 Monate her

warum erst jetzt? In Istanbul war 2022 schon alles klar…..jetzt merkt der Westen halt das man 2 Jahre auf dem Holzweg war….zehntausende von Menschen könnten noch leben…am Ende gehts doch eh nur ums Geld…der Westen (insbesondere Deutschland) will an die Lithium Vorkommen in der Ukraine ran…..die braucht man ja für die abwerwitzige Idee der „Energiewende“…“In der Ukraine befindet sich eines der größten Lithiumvorkommen Europas. Es liegt in der seit Jahren umkämpften Oblast Donezk und gehört der australischen Firma European Lithium mit Europazentrale im österreichischen Kärnten. European Lithium hat sich noch im Jahr 2021 Lagerstätten für Lithium gesichert.“ Zufälle gibts…..2021 sichert… Mehr

ESC-Gast
5 Monate her

Dass Orban für seine Initiative vom Rest Europas gescholten wird, zeigt eindeutig, dass man gar nicht an einem Ende des Kriegs interessiert ist. Genau wie die Vorgeschichte zeigt, dass die Eskalation billigend in Kauf genommen wurde. Man kann nur hoffen, dass die USA dem Treiben ein Ende bereitet, wenn Biden Geschichte sein wird.

Astrid
5 Monate her

Aus meiner Sicht sollte Viktor Orban den Friedensnobelpreis erhalten. Ach, nee geht ja nicht, den bekommen Präsidenten, die die meisten Kriege geführt haben, siehe Barack Obama!

Kuno.2
5 Monate her

In Wahrheit vertritt Orban die Interessen der USA und aller anderen Natoländer. Während Strack- Zimmermann und Andere ständig der Auslöschung der USA als Staatswesen das Wort reden. Das sagt die natürlich nicht so, sondern die sagt (wie die noch beschränktere Baerbock) dass Russland den Krieg verlieren müsse. Aber da die größte Atommacht der Erde einen konventionell geführten Krieg nicht verlieren kann und derzeit in Moskau die eigene Atomdoktrin überprüft wird, bedeutet dies eben die Auslöschung der USA als erstem Staat dieser Welt. Die gültige Atomdoktrin in Moskau lautet: kein Ersteinsatz von Atomwaffen. Wenn diese Doktrin geändert werden sollte, wäre auch… Mehr

Last edited 5 Monate her by Kuno.2
Stefan Ries
5 Monate her
Antworten an  Kuno.2

Eine Atommacht kann sehr wohl einen konventionellen Krieg verlieren: Die Russen in Afghanistan und die USA in Vietnam sollten doch als Beispiele genügen, oder? Wenn eine Atommacht der Meinung ist, die Verluste seien im Vergleich zum potentiellen Gewinn zu hoch, zieht sie sich zurück. Hoffentlich ist Russland bald so weit, dies zu verstehen. Russland ist auf Jahrzehnte moralisch und politisch diskreditiert und wird außerdem gerade zum Vasallen Chinas. Putin hat Russland gewaltig heruntergewirtschaftet!

Rosalinde
5 Monate her
Antworten an  Stefan Ries

Die USA haben den Krieg in Vietnam und Afghanistan keineswegs verloren! Wo ist denn deren Kapitulationsurkunde? Die USA hätten Vietnam auslöschen können, taten dies aber aus moralischen Gründen nicht.
Ein Abzug und Rückzug ist etwas ganz anderes deres wie eine Kapitulation.

Stefan Ries
5 Monate her
Antworten an  Rosalinde

Natürlich haben sie ihn verloren, denn sie konnten ihre Ziele nicht durchsetzen und sind abgezogen. Vielleicht hätten sie ihn gewinnen können, wenn die Umstände (internationaler Druck, Kriegsmüdigkeit im Inneren, Proteste, etc) anders gewesen wären, diese waren aber nun einmal anders. Und eine Kapitulation ist natürlich nicht die Voraussetzung, um von einem verlorenen Krieg zu sprechen. Frankreich hat den Algerienkrieg verloren – keine Kapitulation, Argentinien hat den Falkland-Krieg verloren – keine Kapitulation. Und Russland könnte einfach aus der Ukraine abziehen – ohne Kapitulation, aber dann hätten es den Krieg trotzdem verloren. Es wird so kommen, wenn der Westen stark bleibt. Und… Mehr

Memphrite
5 Monate her
Antworten an  Stefan Ries

Tja das mit der politischen Diskreditierung sehen ca. 85% der Menscheit anders.
Dort sieht man die USA mit ihren Plünderungskriegen eher als weltweite Gefahr.

Memphrite
5 Monate her
Antworten an  Kuno.2

Schon mitbekommen das die USA ihre Nukleardoktien schon vor Jahren geändert hat??
Jetzt kann man Atomwaffen auch schon präventiv einsetzten?!
Schon mitbekommen das der ABM Vertrag und vor allem der INF Vertrag einseitig von den USA gekündigt wurden?!
Schon mitbekommen das die USA anfangen neue nukleare Mittelstreckenraketen in Europa
Zu stationieren? Das sind die waffensystem die nur die EU zum nuklearen Schlachtfeld machen?
Aber die USA sind doch so freundlich und unsere Freunde 🙂 😂
Kein Wunder das jeder vernünftige Staat diese modernen Barbaren nicht an seiner Grenze haben möchte.

MarcusPorciusCato
5 Monate her

Allein seine Initiative mit beiden Seiten zu sprechen muss einem Respekt abringen, da ihm die Beschimpfung als Verräter von vorn herein sicher war.
Dieses sinnlose Abschlachten muss sofort beendet werden!
Selenskis Wahn, die Krim zu erobern, würde in einer nuklearen Eskalation enden. Selbst, wenn es möglich wäre, wäre das Ergebnis, dass aufgrund des dann 3. Referendums die Krim an die Russische Föderation fällt. Es sei denn, die Türkei meldet alte Ansprüche aus dem Osmanischen Reich an.

AndreasH
5 Monate her
Antworten an  MarcusPorciusCato

Russland kann das Töten sofort beenden, indem es sich auf die Kontaktlinie vom 21. Februar 2022 zurückzieht. Jederzeit.

Lafevre
5 Monate her

Ob Herr Orban sich vor den 6 Ukrainern mit dem Segelboot in Acht nehmen muss wegen dem, was er gerade tut?

Kassandra
5 Monate her
Antworten an  Lafevre

Ob auf dem Balaton die Wassertiefe ausreicht, solches zu nutzen? Fico erklärt, er hätte ihn gerne unterstützt, hätten sie ihn nicht für Wochen „aus dem Spiel“ genommen.

Lafevre
5 Monate her
Antworten an  Kassandra

Wenn man annimmt, dass die 6 Ukrainer mit dem Kontrabass zu Wasser, zu Land und in der Luft handlungsfähig sind, ist man vermutlich Verschwörungstheoretiker.

LM978
5 Monate her

Das problematische ist doch, dass „der Westen“ seit 2 Jahren eine gigantische Fehleinschätzung begeht, was einen „Sieg über Russland“ angeht, und damit zeigt, dass strategisches Denken und auch militärischer Sachverstand hier in Deutschland (trotz der ach so kriegerisch auftretenden Generäle) arg beschränkt ist. Man hat den völlig fehlgeschlagenen „Semi-Bluff“ Russlands und dessen „Dresche“ die es zu Recht bekommen hatte, für einen ernsthaften militärischen Ansatz gehalten und gedacht, die Russen seien komplett unfähig. Als die Russen sich bei Isjum und Kiev zurückziehen mussten , da war der Zeitpunkt, diesen Erfolg diplomatisch zu nutzen und daraus einen Sieg der Ukraine zu machen.… Mehr

ManfredM
5 Monate her
Antworten an  LM978

Ich wette, die russische Diktatur bricht wesentlich früher zusammen als der Westen. Also feste drauf, auch um den Russen zu helfen sich von dieser Diktatur zu befreien. Eine bessere Chance wird so schnell nicht kommen.

AndreasH
5 Monate her
Antworten an  LM978

Russland wurde im Laufe der letzten 120 Jahre von folgenden Mächten militärisch besiegt: Japanisches Reich (1905), Deutsches Reich (Frühjahr 1918), Finnland (1918), Lettland (1920), Estland (1920), Litauen (1919), Polen (1921), Japan (1937), Spanischer Bürgerkrieg (1939), Finnland (1940), Vereinte Nationen (Koreakrieg 1953), Afghanistan (1989), Tschetschenien (1996). Und das ist nur ein Auszug.
Jedenfalls fragt man sich, wie die Russen-Propagandisten überhaupt die Vorstellung haben könnten, dass Russland unbesiegbar sei. Auch der sowjetische Sieg über das nationalsozialistische Deutschland war nur durch massivste US-Unterstützung möglich. Russland ist Ober-Volta mit (äußerst minderwertigen) Atomraketen. Darin hat sich seit Helmut Schmidt nichts geändert.

Kuno.2
5 Monate her
Antworten an  AndreasH

Geschichte null. Setzen.
1939/40 griff die Sowjetunion Finnland an, welches damals zur deutschen Einflußzone gehörte. Die sowjetischen Soldaten hatten bei großer Kälte und hohem Schnee anfangs Probleme. Doch dann kapitulierte Finnland schnell.

Kassandra
5 Monate her
Antworten an  LM978

Es wäre an der Zeit, all die „strategischen“ und vor unseren Augen ins Wirken gebrachten Denkweisen unter „einem Hut“ zu betrachten – und was Krieg, Energie, Migration und steigende Schulden durch all das insgesamt zu bedeuten haben. Gewesene und folgende „Pandemien“ wie die offene „Benachteiligung“ der Indigenen, die für all das aufzukommen haben, nicht zu vergessen!

Konservativer2
5 Monate her

Die USA werden zu verhindern wissen, dass Russland die ukrainischen Rohstoffe nutzen kann. Warum wohl drängt der Westen seit Jahrzehnten darauf, sich diesen Failed State einzuverleiben? Putin wollte lediglich auf eine etwas weniger charmante Art Fakten schaffen.

Last edited 5 Monate her by Konservativer2
Stefan Ries
5 Monate her
Antworten an  Konservativer2

Der Westen versucht, sich die Ukraine „einzuverleiben“? Können Sie das irgendwie begründen? Versucht nicht eher Russland, sich die Ukraine einzuverleiben?

Retlapsneklow
5 Monate her

Um die Aussichten EU-geführter Friedensverhandlungen einschätzen zu können, muss man wissen, wessen Mündel der EU-Ratspräsident Charles Michel als auch Ursula v.d.Leyen als wohl auch künftige Präsidentin der Europäischen Kommission sind oder wer immer das sonst wird.

Leute von dieser benutzten und benutzbaren Sorte gibt es auch in unseren Parteien und den Parlamenten. Sie machen Politik weder im Interesse Deutschlands noch Europas.