Orbán: „Dann würden bei uns Nato-Truppen intervenieren“

Ein Nato-Beitritt der Ukraine komme nicht in Frage, weitere gemeinsame Kreditaufnahmen mit der EU auch nicht. – Kurz vor Weihnachten hielt Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán eine mehr als zweistündige Pressekonferenz.

IMAGO
Viktor Orban (Aufnahme vom 14.12.23 in Brüssel)

Einmal im Jahr tritt Ungarns Regierungschef Viktor Orbán vor die Presse. Er lässt sich dafür immer viel Zeit, und das Frage-Antwort-Spiel fällt immer scharf und unterhaltsam aus. So auch am Donnerstag (21. Dezember), als die wichtigsten regierungskritischen und viele internationale Medien pointierte Fragen in Richtung Orbán abschossen, der aber routiniert konterte.

Nebenbei prophezeite er, nur halb scherzhaft, Nato-Truppen würden in Ungarn intervenieren – dann nämlich, wenn in Ungarn Dinge passierten, wie sie derzeit in den USA und in Polen passieren. Wenn also wie in den USA ein Spitzenkandidat der Opposition (Donald Trump) vor den anstehenden Wahlen per Gerichtsentscheid im Bundesstaat Colorado aus dem Wettbewerb gezogen würde, oder wenn, wie in Polen, die öffentlich-rechtlichen Medien mit Polizeigewalt von einem Tag auf den anderen geschlossen würden.

„Etwas nagt am Grundgefüge der westlichen Demokratien“, sagte er dazu. Es gehe Ungarn zwar nichts an, wie das amerikanische Rechtssystem funktioniere, aber die Amerikaner sollten dringend damit aufhören, Ungarn in puncto Rechtsstaatlichkeit zu belehren.

Belehrung gab es dennoch: US-Botschafter David Pressman rügte auf X (vormals Twitter) Ungarns neues „Souveränitätsgesetz“ als antidemokratisch.

Das Gesetz schafft eine neue „Souveränitätsbehörde“, die unabhängig gegen Organisationen und Individuen ermitteln kann, wenn der Verdacht besteht, sie könnten mittels ausländischer Finanzierung die ungarische Politik beeinflussen.

Das war auch ein wesentliches Thema auf der Pressekonferenz: Würde das Gesetz dazu benutzt werden, gegen kritische Medien vorzugehen?

Das seien doch alles nur „Ängste“, nicht Fakten, meinte Orbán. Tatsache sei, dass Oppositionsparteien Geld aus dem Ausland erhalten hätten, um so die letzten Wahlen (2022) zu beeinflussen, obwohl das illegal sei. „Wir dachten, die Regeln seien wasserdicht, das waren sie aber nicht“, meinte Orbán. Daher das neue Gesetz. Nur darum gehe es.

Es dominierten innenpolitische Themen wie Lehrergehälter (sie sollen in den kommenden Jahren stark steigen, falls die EU wirklich, wie zuletzt zugesagt, einen Teil der Ungarn zustehenden EU-Mittel überweist), das Gesundheitswesen (es soll nicht in Richtung Privatsektor reformiert werden, sondern überwiegend staatlich bleiben) und der geplante Bau eines Geschäftsviertels in Budapest durch arabische Investoren. Wieso soll das „Maxi-Dubai” heißen? Weil, „wenn Ungarn etwas machen, dann soll das nicht mit „Mini” anfangen”, meinte Orbán.

Internationale Medien wie die BBC, die Financial Times, die FAZ und AP interessierten sich vor allem für Geopolitik und Ungarns Bündnistreue. Warum nannte Orbán den Konflikt in der Ukraine eine „militärische Operation“, wie auch Putin es formuliert, statt es einen Krieg zu nennen? „Weil es eine militärische Operaion ist“, sagte Orbán. Zu einem Krieg gehörten Kriegserklärung und Mobilmachung der Bevölkerung, beides sei nicht der Fall – man solle froh sein, dass es noch kein voller Krieg sei. Warum traf Orbán, als einziger Regierungschef der EU, in China den russischen Präsidenten Wladimir Putin? Weil es davor aus früherer Zeit eine beiderseitige Absichtserklärung diesbezüglich gegeben habe, meinte Orbán, das müsse man einhalten. Für die „nahe Zukunft“ gebe es aber keine Pläne für ein weiteres bilaterales Treffen.

Und Orbáns Vision für die Ukraine nach dem Krieg? Das wollte die BBC wissen, mit zusätzlicher Fangfrage, wo es Gemeinsamkeiten, und wo Differenzen gebe zwischen Orbán und Putin, der bekanntlich statt Nato-Beitritt eine neutrale Ukraine fordere. Warum verweigere auch Orbán den Ukrainern den souveränen Willen ihres Volkes, den Nato-Beitritt?

Er habe „keine Vision für die Ukraine, nur für Ungarn“, schlug Orbán zurück. Seine Aufgabe sei es nicht, die Interessen der Ukraine zu fördern, sondern die Ungarns. Es sei in diesem Sinne im Interesse Ungarns, keine gemeinsame Grenze mit Russland zu haben. Es sei aber nicht im Interesse Ungarns, die Ukraine in der Nato zu haben, denn das Land befinde sich im Krieg (also doch ein Krieg, er verwendete beide Begriffe abwechselnd in der Pressekonferenz), und das könne bedeuten, dass auch Ungarn in den Konflikt hineingezogen werde. „Es ist nicht in unserem Interesse, verbündet zu sein mit einem Land, dass sich einer kriegerischen Auseinandersetzung mit einem anderen Land befindet.“

Was die Zeit nach dem Konflikt betreffe – so sei die Frage des Journalisten wohl zu verstehen –, da sei der Fragesteller Orbán zwei Schritte voraus: Wie Friedensverhandlungen ausgehen könnten, darüber mache er sich noch keine Gedanken, das sei Sache der Verhandlungspartner. Erst einmal müsse es einen Waffenstillstand geben, so schnell wie möglich, danach müsse man in Ruhe über Verhandlungen und deren Inhalt nachdenken. Hier riskiere die EU allerdings, zur Seite gedrängt zu werden, meinte Orbán, weil sie sich keine eigenen Gedanken über eine Beendigung des Konflikts mache. Infolgedessen würden am Ende womöglich Russen und Amerikaner „über den Kopf der EU hinweg entscheiden“, wie die Zukunft aussehe.

Natürlich wurde Orbán zum jüngsten EU-Gipfel befragt. Warum habe er den Verhandlungsraum verlassen, und damit die „einstimmige“ Entscheidung ermöglicht, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zu beginnen? Warum habe er das nicht auch bei der Abstimmung über die finanzielle Unterstützung der Ukraine getan, statt sein Veto einzulegen?

Nun ja, „wenn 26 Mitgliedsländer darauf bestehen, eine schlechte Entscheidung treffen zu wollen“, dann könne Ungarn sich nicht anmaßen, diese Länder im Alleingang „vor sich selbst schützen zu wollen“. Er habe diese schlechte Entscheidung aber auch nicht aktiv mittragen wollen. Daher sei er Bundeskanzler Olaf Scholz „dankbar“ für dessen Idee gewesen, bei der Abstimmung einfach den Raum zu verlassen. Sowieso sei aber ein Beitritt der Ukraine ohne Ungarns Einwilligung auch weiterhin unmöglich.

Anders verhalte es sich bei der Frage der finanziellen Unterstützung. Da gehe es nicht nur um Geld für die Ukraine, sondern darum, dass die EU auf vier, fünf Jahre hinaus 50 Milliiarden Euro an gemeinsamen Krediten aufnehmen wolle, diese sollten dann in den EU-Haushalt fließen, und von dort aus an die Ukraine gegeben werden. „Ungarn will mit niemandem gemeinsame Kredite aufnehmen“, sagte Orbán, schon gar nicht nach der Erfahruung mit den Covid-Geldern. Da habe Ungarn in eine gemeinsame Kreditaufnahme eingewilligt, dann aber keinen Cent aus diesen Geldern erhalten. Man könne die Ukraine gern finanzell unterstützen, meinte er, aber ohne gemeinsame Kreditaufnahme und außerhalb des EU-Budgets. Außerdem sei es ein Fehler, sich auf vier, fünf Jahre hinaus festzulegen, niemand könne so weit in die Zukunft sehen.

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Kommentare ( 22 )

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Ein Mensch
1 Jahr her

Können wir Ungarn beitreten? Ich hätte auch gerne einen Regierungschef der sich zu aller erst für die Belange seines Volkes einsetzt.

Rosalinde
1 Jahr her

Der chinesische Autokonzern BYD hat jetzt bekannt gegeben in Ungarn eine Fabrik für Elektroautos errichten zu wollen.
Das stützt die ungarische Wirtschaft mit Sicherheit und an Strom mangelt es weder in Ungarn noch in China.

Ralf Poehling
1 Jahr her

Guter Mann, der die Situation ziemlich genau erkannt hat. Die USA kippeln seit Jahren total. Waren die USA im Kalten Krieg der Bewahrer der Freiheit, hat sich das insbesondere seit 9/11 ins Gegenteil verwandelt. Die Annahme, dass alle in Europa schon immer so sein wollten wie die USA, ist schlicht falsch. In Europa wollen alle so sein, wie sie eigentlich ursprünglich sind. Sie wollen weder von den Russen noch von den Amerikanern eingemeindet und gegängelt werden. Bisher ist das nie so aufgefallen weil die USA sich in Europa vorher nie so sehr hier ins Private eingemischt haben, wie sie das… Mehr

gmccar
1 Jahr her
Antworten an  Ralf Poehling

„Eine Schutzmacht, die nicht ganz bei Trost ist, ist keine Schutzmacht.“
 Ist wohl auch auf die EU-Vasallen anzuwenden.
Sie haben vollkommen Recht.

Alrik
1 Jahr her

Na Ja, falls Russland die Ukraine komplett besetzt und dann russische Truppen an der Grenze zu Ungarn stehen sollte man das mit der NATO Mitgliedschaft von Ungarn noch einmal überdenken.
Ungarn hat mehr als 45 Jahre zur russischen Interessenssphäre gehört, und wenn die NATO Mitgliedschaft der ehemaligen Ostblockstaaten Preis für einen dauerhaften Frieden in Europa ist dann wäre es sinnvoll diese Staaten aus der NATO zu werfen oder die NATO aufzulösen.

gmccar
1 Jahr her
Antworten an  Alrik

Beim Letzten Halbsatz stimme ich Ihnen zu.
oder die NATO aufzulösen.“

Ein Mensch
1 Jahr her
Antworten an  Alrik

Wie kommen Sie darauf die NATO als Garant für den Frieden zu benennen? Gäbe es die Absprachen brechende Osterweiterung nicht, es gäbe den Ukraine Konflikt nicht.

teujur52
1 Jahr her

Man merkt überdeutlich, Orbán spielt in der ersten Liga. Resteuropa, mit wenigen Ausnahmen, und natürlich Deutschland, dagegen in der 4. Kreisklasse. Und diesen Unterschied sieht und spürt man. Niemand hat die Absicht, die 4. Kreisklasse zu beleidigen.

Radikaler Demokrat
1 Jahr her

Putin erpresst nicht mit Gas, es war die „Bundesregierung“, die vollkommen einseitig einen bestehenden Vertrag gekündigt hat, womit sie wieder einmal bewiesen hat, wie egal ihr bestehende Gesetze und Regelungen sind.

Edwin
1 Jahr her

Einer der wenigen Politiker in Europa, der noch bei klarem Verstand ist.

Rolfo
1 Jahr her

Für unsere Politiker undenkbar, die Interessen ihres Landes zu vertreten wie Orban das macht. Unsere Politiker wollen die Welt retten und scheitern am Ahrtal.

Last edited 1 Jahr her by Rolfo
Freigeistiger
1 Jahr her

Orban ist ein kluger, erfahrener Regierungschef, für den das Wohl seines Landes an erster Stelle steht. In Deutschland ist das leider anders.

Juergen P. Schneider
1 Jahr her

Ein Mann wie Orban bringt zwangsläufig die EU-Bürokratendiktatur und die links-grünen Pseudoeliten Westeuropas gegen sich auf. Ein Regierungschef, der es wagt, die Interessen seiner Bürger in den Mittelpunkt der eigenen Politik zu stellen, ist für viele europäische Regierungen ein rotes Tuch. Von allen Regierungschefs in der EU ist er der mit Abstand vernünftigste.