Wilders: Dann trete ich eben zurück – und werde selbst Premierminister

In den Niederlanden geht die Regierungsbildung weiter. In Deutschland wäre längst Panik ausgebrochen. Ausgerechnet Frans Timmermans warf Wilders vor, den demokratischen Rechtsstaat zu untergraben. Doch geplant ist das Gegenteil: mehr Unabhängigkeit von Regierung und Parlament.

picture alliance / ANP | Phil Nijhuis
Geert Wilders (PVV) und Frans Timmermans (PvdA/Groenlinks), Den Haag, Niederland, 22. Mai 2024

Sogar eine Wahrsagerin wurde nach dem Ausgang dieses Politkrimis befragt. Die national bekannte und anerkannte Liesbeth van Dijk hatte sich schon vor einiger Zeit geäußert und ein Expertenkabinett vorausgesagt, das sich aber nicht formieren werde. Nun sagte van Dijk zwar, dass sie ihre Glaskugel zu Hause gelassen habe, korrigierte aber ihre frühere Deutung dahin, dass diese Regierung nicht lange bestehen werde: „Ich gebe ihnen ein knappes Jahr.“ Außerdem werde es viel Streit geben, aber das sei eben unsere Zeit. Jeder denke nur noch an sich, sei permanent im Sendemodus, niemand hört mehr irgendjemandem zu. So sieht van Dijk die generellen Problemen.

Die Viererkoalition ist noch nicht von solchem Streit betroffen, auch wenn man einen Premier Ronald Plasterk nicht erreichen konnte. Es scheiterte anscheinend wirklich an der Patentgeschichte Plasterks, was vor Augen führt, wie genau Spitzenpolitiker in den Niederlanden unter die Lupe genommen werden. Plasterk hat sich nach eigenem Dafürhalten nichts zu Schulden kommen lassen.

Nun werden die abenteuerlichsten Varianten diskutiert, mit Kandidaten aus fast allen Parteien von der christdemokratischen CDA bis zur sozialdemokratischen PvdA (der auch Plasterk angehört), von der rechtsliberalen VVD bis zur rechtspopulären Neugründung JA21. Ein Plan besagt, dass das gesamte Kabinett Ende Juni feststehen soll. Die Parteivorsitzenden hüllen sich naturgemäß in Schweigen. Man hat Zeit.

In Deutschland wäre längst Panik ausgebrochen

Es sind Koalitionsvorbereitungen ohne Schaum vor dem Mund, ebenso in den Reihen der Koalitionspartner wie auch (meist) bei der Opposition. Eindeutige Ausnahmen gab es etwa, als der Volt-Abgeordnete Laurens Dassen – laut der ausführlichen Debattenmitschrift im Algemeen Dagblad – von der PVV als „rechtsextremer Partei“ sprach und der Parlamentspräsident Martin Bosma (PVV) genervt das Gesicht abwandte. Seit letztem Dezember ist Bosma Vorsitzender der Zweiten Kammer.

Rob Jetten (D66) befragte PVV-Chef Wilders dagegen mit großer Höflichkeit, gratulierte ihm zunächst zu einer Kette von Erfolgen – vom Wahlsieg angefangen über den Gewinn der VVD als Partner bis zum positiven Abschluss der Koalitionsgespräche –, um Wilders dann nach „Verbesserungsmöglichkeiten“ in der gegenwärtigen Lage zu fragen. Wilders fand am Ende auch Jetten einen „sauren Linken“, aber erwiderte (einstweilen) im Scherz, dass er ja selbst von seinem Parteiamt zurücktreten und Fleur Agema zur Vorsitzenden machen könne, um dann als Premierminister anzutreten. Die vier Parteivorsitzenden hatten vereinbart, dass sie selbst im Parlament verbleiben.

Und so würde wohl Pieter Omtzigt, Vorsitzender der Partei „Neuer Gesellschaftsvertrag“ (NSC), etwas dagegen haben, so Wilders weiter. Omtzigt sagte hier lachend etwas wie „Ich schaue jetzt nach vorne“, was Wilders seinerseits erfreut zur Kenntnis nahm: „Ich schaue noch zurück, Omtzigt schaut schon voran…“ So, könnte man sagen, geht pragmatisches Regieren im westlichen Nachbarland. In Deutschland wäre längst eine Massenpanik ausgebrochen: Eine Regierung ohne Regierungschef? Na, das fängt ja gut an und wird nicht lange weitergehen… In den Niederlanden gibt man sich dem Fluss der Dinge hin und scheint guten Muts, dass am Ende etwas Ordentliches dabei herauskommt.

Auch das EU-Dosenpfand soll fallen

Die Vorsitzende der rechtsliberalen VVD Dilan Yesilgöz verbat sich indirekt die Kritik ihrer französischen Schwesterpartei, der Macron-Partei Renaissance. Auf eine Frage von Laurens Dassen von der links-liberalen D66 antwortete sie: „Wir definieren uns nicht über die Personen, mit denen wir zusammenarbeiten. Unsere Grundprinzipien, die wir vom ersten Tag an kommuniziert haben, sind in der Rahmenvereinbarung festgehalten.“ Also im Koalitionsvertrag.

Es scheint übrigens vernünftig, dass die vier Parteien nur ein schlankes „Rahmenprogramm“ entworfen haben, keinen Spiegelstrich-Salat wie die deutsche Ampel, der dann doch nicht zum Tragen kommt. Die konkrete Regierungsführung wird in vielen Fällen ja doch spontan entschieden und sollte dann nicht von theoretischen Vorgaben belastet sein. Übrigens will man möglichst auch das Pfand auf Dosen und Flaschen wieder abschaffen, das erst letztes Jahr auf Dosen erweitert wurde – auch wenn das nicht im Rahmenabkommen steht und die niederländische Bürokratie schon vor Streit mit Brüssel warnt.

Hälfte des Kabinetts soll von außen kommen, auch der Premier

Über die kommende Regierung teilte Pieter Omtzigt im Parlament, auf Frage des Chefs der Einheitsfraktion von GroenLinks und PvdA Frans Timmermans, mit: „Die Hälfte der Minister kommt von außerhalb. Die vier Parteivorsitzenden bleiben im Repräsentantenhaus. Und es wird einen Premierminister von außen geben. Es gibt keine Koalition, die gebildet werden kann, wenn es keine Vereinbarungen über die Finanzen gibt.“ Eine Mehrheitskoalition bleibt es natürlich schon, auch wenn ein (halbes) Expertenkabinett in den Vordergrund gestellt wird. Omtzigts erst im letzten August gegründete NSC will sich vor allem für eine gute öffentliche Verwaltung, auch für soziale Belange einsetzen. Der Parteigründer war zuvor in der christdemokratischen CDA.

Laut Omtzigt werden Parteien und Abgeordnete aufgrund des „außerparlamentarischen Charakters“ der Regierung in ihrem politischen Handeln freier sein. Das zeigt, dass sich der NSC-Chef dann doch eine lockere Anordnung wünscht, in der er die Regierung als Parlamentarier kritisieren kann. In der Verfassung finde sich nichts zu „Oppositions- und Koalitionsabgeordneten“. Das Expertenkabinett unter Leitung eines Premiers, der „von außen“ kommt, könnte man also als Belebung der niederländischen Demokratie verstehen, die schon jetzt sehr viel lebendiger erscheint als zumindest ihr deutscher Gegenpart.

Außerdem kündigte Omtzigt an, dass es einen Minister für Migration geben wird, also einen Spezialisten für dieses anspruchsvolle Thema. Bei der Entwicklungshilfe sollen 2,5 Milliarden Euro eingespart werden. Frans Timmermans findet das „moralisch fragwürdig“.

Eigenständige Rolle des Parlaments wird gestärkt

Daneben entfährt Omtzigt irgendwann ein beiläufiges „Leider sind wir in der Europäischen Union“, was sofort von Jetten (D66) aufgespießt wird. Omtzigt erwidert, dass dies kein Versprecher war, aber dann eben doch, wenn man daraus verstehen wolle, dass er, seine Partei oder gar die Koalition den Nexit wolle. „Nein! Ich meine, ja!, wir wollen keinen Nexit.“

Omtzigt gab sich aber überzeugt, dass es möglich sein müsse, „Pläne mit Brüssel neu zu verhandeln“, etwa im Bereich der Agrarpolitik. Was den Asyl-Opt-out angeht, bemerkt auch Omtzigt, dass dieses Vorhaben am längsten dauern werde, weil es eine Vertragsänderung erfordere. Zuletzt will der NSC-Chef auch an den Nettozahler-Status der Niederlande ran und quasi die Thatcher-Handtasche auspacken: „Die Niederlande sind ein Nettozahler der EU, und wir glauben, dass man etwas dagegen tun kann. Ja, wir glauben, dass wir in Brüssel härter verhandeln können.“ Zehn Milliarden Euro waren die Einzahlung der Niederlande in die Gemeinschaftskasse im Jahr 2022 laut dem staatlichen Rechnungshof.

Am heftigsten attackiert Frans Timmermans den PVV-Chef Wilders, als er ihm vorwirft, er habe immer „die Institutionen angegriffen, die dieses Land unterstützen“, etwa auch die Zweite Kammer als „Scheinparlament“ bezeichnet. Wilders greife die „Grundlagen des demokratischen Rechtsstaats an“. Nur gut, dass Timmermans die letzten Jahre als EU-Kommissar für Klimaschutz verbracht hatte, in jenem vor Demokratie-Affinität und Rechtsstaatlichkeit strotzenden Gremium EU-Kommission. Auch Wilders sah diese Ausführungen eher als die Kritik eines „sauren Linken“, was eine seiner Standardformeln im Kampf mit dem politischen Gegner ist.

Aktuell ist von Timmermans’ „Analyse“ rein gar nicht erkennbar. Im Gegenteil: Durch das geplante Expertenkabinett wird das Parlament künftig wieder eine stärker eigenständige Rolle haben. Die Fraktionen werden weniger als Fortsatz der Regierung agieren, wie es auch in Deutschland längst gang und gäbe ist und die demokratische Gewaltenteilung untergräbt. Wilders aber stellte es dem Ex-EU-Kommissar Timmermans frei „Unsinn zu verbreiten“. So frei ist man im westlichen Nachbarland.

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Kommentare ( 16 )

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Ralf Poehling
7 Monate her

Die Niederländer sollen sich nicht verrückt machen lassen. Es ist nichts daran illiberal, sein eigenes liberales Land vor Zuwanderung durch illiberale Ausländer zu schützen. Im Gegenteil. Das ist der Kernpunkt der Sache. In ganz Europa. Wer Leute in rauen Mengen in seine Burg einlässt, deren Ansinnen nicht die Unterstützung, sondern die feindliche Übernahme ist, der ist wirklich illiberal. Wenn wir in die USA schauen, so sehen wir dort Massenzuwanderung von christlichen Hispanics. Das ist mit Europa aber gar nicht vergleichbar. Hier sehen wir Massenzuwanderung vom islamischen Proletariat. Und die haben mit Liberalismus noch viel weniger am Hut als christliche Hispanics.… Mehr

gmccar
7 Monate her
Antworten an  Ralf Poehling

Diese gelenkte Zuwanderung in den USA beinhaltet auch eine Vielzahl von hier bekannten Westasiaten. Wer ihnen das Geld für diesen Trip gegeben hat, erfahren Sie sicherlich vom Soros-Clan und den Damen und Herren um Klaus Schwab.

Manfred_Hbg
7 Monate her

Man darf gespannt sein ob und wie sehr Geert Wilders und seine Regierungsbildung das Bild in den Niederlanden und hoffentlich auch das Bild im undemokratischen grünwoken EU-Brüssel verändern wird können. Ich drücke jedenfalls der Wilders-Regierung die Daumen und hoffe das sich die niederländische Politik auch aufs grünwoke EU-Brüssel auswirken wird – – – – – ANBEI, hier auch noch ein interessanter Auszug aus einen Artikel über die Migration und deren negative Auswirkung und Kosten in den Niederlanden und Deutschland: ? „Migrationsstudien: Alarmierend hohe Kosten heutiger Einwanderung In den Niederlanden sorgen wissenschaftliche Studien für Aufsehen, in denen die finanziellen Folgen der… Mehr

Mausi
7 Monate her

D der „Vorreiter“. Fragt sich nur, in welche Richtung. Richtung Freiheit? D ist ein Regelungsfanatiker und Kontrollfreak. Daher glauben wir auch an die Planwirtschaft.

Sonny
7 Monate her

Die Gelassenheit, die diese Koalition nach außen ausstrahlt, hebt sich wohltuend ab von dem Unterdrückungsgehabe der EU und deren Abgesandten in den Mitgliedsländern.
Alles, was ich bisher über diesen Regierungswechsel gelesen habe, hört sich wirklich so an, dass die Ära der grünlinken Zerstörer in Holland ihr Ende erreicht hat.
Glückliche Niederländer.

gast
7 Monate her

Ach ja, die Holländer. Ich glaube, die sind so schlimm, da kann auch ein Wilder nichts mehr ausrichten. Ich war da mal und offiziell herzlich willkommen bei so einem Art von Gutsherrn. Meine Tochter und ich bekamen ein Bett, das so groß war, dass wenn wir alles ausstreckten, uns nicht berühren konnten. Dann wurde ich in einen Schweinestall geführt, auf den sie sehr stolz waren.12.000 Schweine, die unmenschlich gehalten wurden. Die Muttersau eingepfercht in Stahl konnte ihre Babies nur noch gebären, und danach waren sie weg. Ich bin dann auch weg und habe draussen eine geraucht. Dann mochten sie mich… Mehr

Last edited 7 Monate her by gast
Michael Palusch
7 Monate her
Antworten an  gast

Wer macht den auf einer Schweinefarm Urlaub?! Dazu hätten Sie nicht nach Holland reisen brauchen, das konnte (kann?) man auch in Deutschland erleben. Hier im Osten rissen sich nach der Wende die Holländer die Schweinemastbetriebe der ehemaligen LPGs unter den Nagel, mit dem Unterschied, dass sie auf gleicher Fläche noch mehr Tiere als früher stapelten. „Die Muttersau eingepfercht in Stahl konnte ihre Babies nur noch gebären, und danach waren sie weg.“ Das kann nur jemanden erschrecken, der noch eine bullerbüeske Vorstellung von Nutztierhaltung hat und „Urlaub auf dem Bauernhof“ für die Realität hält, die geeignet ist, mit immer weniger landwirtschaftlichen… Mehr

Last edited 7 Monate her by Michael Palusch
horrex
7 Monate her

Was Frans Timmermanns sagt und denkt ist sehr voraussehbar, bedarf eigentlich keinerlei Erwähnunung.
Anderherum:
Wenn Frans Timmermanns etwas passabel findet kann man sicher sein dass es aus stramm grün-linkem Garn gehäkelt wurde.

Th.F.Brommelcamp
7 Monate her

Ja, auch Deutschland hat Timmermans viel zu verdanken. Wie zuletzt noch den verbundenen Verschluss an PET Pfandflaschen.

Ohanse
7 Monate her
Antworten an  Th.F.Brommelcamp

Wobei es ja keinen großen Aufwand erfordert, den Verschluss trotzdem komplett zu entfernen. Die Idee ist dermaßen zwecklos, das konnte nur von der EU kommen.

Peter Pascht
7 Monate her

„Ausgerechnet Frans Timmermans warf Wilders vor, den demokratischen Rechtsstaat zu untergraben“
Ausgerechnet Frans Timmermans, der Merkel Dickdarmkriecher, der in ganz Europa unten durch ist.
Es herrscht nur noch inhaltloser verbaler Dummenfake überall in der Politik und politischen Ämtern, den uns lügende Scharlatane servieren.
Sie erzählen und dauernd, was sie „Gutes“, tun „willen“ und „wollen“, wofür sie riesige Summen Gelder stehlen, aber tun, tun sie nichts mit Ergebnis.
Eine menschenverachtende Scharlatanerie die sich in ganz Europa breit gemacht hat, ausgehend von 16 Jahren Deutschland.
Als Reaktion darauf hat als einziges Land, Großbritanien das einzig richtige getan und diesen Scharlatanerie-Betrieb verlassen.

Haba Orwell
7 Monate her

Das Böse Medium zitiert heute den Georgischen MP, dem einer der EUdSSR-Kommissare mit allerlei Sanktionen drohte, würde Georgien auf jene EUdSSR nicht hören. Dabei wurde erinnert, was Fico passierte – der Georgier solle aufpassen. Ich nehme an, in Brüssel ist Rechtsstaatlichkeit angesagt nach dem Chicago-Modell der 1920er Jahre? Bei Mario Puzo bezeichnet man es als „Angebote, die man nicht ablehnen kann“.

gmccar
7 Monate her
Antworten an  Haba Orwell

Der Ungarische EU-Abgeordnete hat den Georgischen Politiker lediglich gewarnt, zu was die EU-Mafia in Zusammenarbeit mit Überseeischen Diensten in der Lage ist, durchzuführen. Das Fico-Attentat führt offensichtlich in eine interessante Richtung. Die USA haben seit 1938 !!! ein solches „FAMA“-Gesetz, dass deutlich schärfer ist als das Russische oder Ungarische Gesetz.

Alan Smithee
7 Monate her

Ich erinnere mich über Frans Timmermans mal gelesen zu haben, dass der nur in die EU abgeschoben worden ist, weil er weder den Mitglieder noch Wähler seiner Partei noch vermittelbar, also wahres Umfragegift war.