In den Niederlanden protestiert das Land gegen die rotgrünen Politiker

Beim Bauernprotest in den Niederlanden geht es um mehr als Agrarpolitik: Die ländlichen, konservativen Regionen wehren sich gegen die rotgrüne Regierung der Städter. Einwanderungspolitik und Abschaffung von Traditionen durch die woke Regierung ärgern die bürgerlichen Niederländer.

IMAGO / ANP

Am Abend des 5. Juli feuerte die niederländische Polizei in der Kleinstadt Heerenveen Pistolenschüsse auf Bauern ab, die gegen die Stickstoffpolitik der Regierung Rutte demonstrierten. Es war der vorläufige Tiefpunkt in einer Reihe von Auseinandersetzungen zwischen demonstrierenden Bauern und der niederländischen Regierung.

In den vergangenen Wochen blockierten die Landwirte Autobahnen und Verteilungszentren und demonstrierten auch vor dem Wohnsitz des zuständigen Ministers. Eine weitere Eskalation wird befürchtet. Der Vorsitzende einer der Koalitionsparteien sagte, er befürchte einen „Bürgerkrieg“, wenn auch „auf zivilisierte Weise“. Letzteres ist nicht mehr so sicher.

Bauernproteste Niederlande
Zehntausende Bauern blockieren Straßen in den Niederlanden
Zehntausende von niederländischen Landwirten befürchten, ihre Höfe aufgeben zu müssen, weil sie nach Ansicht der Regierung für zu viel Stickstoff in den nahegelegenen Naturschutzgebieten verantwortlich sind. In den kleinen Niederlanden – dem am dichtesten besiedelten Land des europäischen Kontinents – gibt es sowohl eine relativ große Zahl von Landwirten als auch viele, oft winzige, Naturschutzgebiete. Außerdem sind diese zahlreichen Naturgebiete von der niederländischen Regierung in der europäischen Gesetzgebung verankert worden.

Obwohl die niederländischen Landwirte bereits viel weniger Stickstoff ausstoßen als vor dreißig Jahren, reicht dies nach Ansicht des niederländischen Verwaltungsgerichts nicht aus, um die europäischen Vorschriften zu erfüllen. Die Regierung Rutte will jedoch sowohl an den zahlreichen (kleinen) Naturschutzgebieten als auch an den europäischen Vorschriften festhalten. Die Forderung der Gesellschaft an Ministerpräsident Mark Rutte, die für die Niederlande sehr hinderlichen Natur- und Stickstoffvorschriften in Brüssel neu zu verhandeln, wird von Rutte ignoriert.

Die Wut und Verzweiflung der Landwirte scheint jedoch mehrere Seiten zu haben: Der Regierung in Den Haag wird vorgeworfen, dass sie kein Auge und Ohr für das Land, die ländliche Kultur und die Traditionen hat, im Gegensatz zum Lebensumfeld in Städten wie Amsterdam, Rotterdam und Den Haag.

Diese Verärgerung wird dadurch verstärkt, dass in den Regionen der Niederlande die Vorstellung vorherrscht, dass die politischen Wünsche der „Randstad“ – der großen Städte im Westen des Landes – in die Regierungspolitik einfließen. Derweil muss das Land für die Folgen zahlen: Windparks und Solarwiesen für die Klimapolitik. Die Bären müssen der Naturpolitik weichen. Auch die großen Aufnahmezentren für Asylbewerber befinden sich in der Region. Dieses Bild wird durch das Schicksal von Zehntausenden von Einwohnern der ländlichen Provinz Groningen verstärkt, die infolge der groß angelegten Erdgasförderung von Erdbeben heimgesucht wurden und lange auf die Reparatur ihrer Häuser warten müssen.

TE-Video-Dokumentation
Niederlande: Landwirte protestieren gegen Green Deal
In der Zwischenzeit wurde in den Zentren der Regierung und des Rundfunks beschlossen, beliebte Traditionen wie den „Zwarte Piet“ – den Diener von Sinterklaas – als „rassistisch“ abzuschaffen. Auch das in den Niederlanden beliebte Silvesterfeuerwerk und die Osterfeuer in den östlichen Regionen werden eingeschränkt.

Es ist bezeichnend, dass vor fünf Jahren Landwirte und ihre Sympathisanten auch die Autobahn bei Heerenveen blockierten – wo die Polizei diese Woche auf demonstrierende Landwirte schoss -, um zwei Busse mit Aktivisten aus Amsterdam an der Weiterfahrt in die kleine Stadt Dokkum zu hindern, wo in jenem Jahr der im Fernsehen übertragene Einzug von Sinterklaas (mit „Zwarte Piet“) stattfand. Am Ende wurden die „Blocker-Friesen“ – Heerenveen und Dokkum liegen in der Provinz Friesland – zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Die Behauptung, der „Zwarte Piet“ sei eine rassistische Figur, sorgte in den Niederlanden für große Irritationen.

Die Landwirte haben in den Niederlanden traditionell einen großen Einfluss, unter anderem durch die Christlich-Demokratische Partei (CDA), die lange Zeit die größte Partei des Landes war. Aber diese Zeiten sind vorbei. Die Landwirte setzen ihre Traktoren zunehmend als Mittel zur Einschüchterung bei Demonstrationen ein.
Die Christdemokraten der CDA wurden an den Rand gedrängt, und die liberale Partei von Mark Rutte – seit 2010 Ministerpräsident – scheint sich eher mit progressiven, urbanen Ideen wie „Nachhaltigkeit“ und „Vielfalt“ zu identifizieren, die früher als linke Themen galten.

Eine Schlüsselrolle spielt die linksliberale Partei D66, eine Partei von meist hochgebildeten, großstädtischen Progressiven, die sich ihre Wählerschaft mit den Grünen und den Sozialdemokraten teilt. D66 unterstützt seit zehn Jahren die Koalitionen von Mark Rutte und hat dadurch eine Machtposition erlangt.
In der jüngsten Koalitionsvereinbarung von vor sechs Monaten wurde die Machtposition von D66 deutlicher denn je. Die D66-Vorsitzende Sigrid Kaag, die auch Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin ist, möchte, dass die Niederlande zu einem „Spitzenreiter“ auf dem Gebiet des Klimaschutzes werden. Ihr Stellvertreter, Klimaminister Rob Jetten, plädierte dafür, dass die Niederlande wie „Berlin am Rhein“ werden sollten: eine einzige große Stadt, voller Baukräne und umgeben von Windrädern. Die Stadtpartei D66 forderte außerdem, dass der niederländische Rinderbestand halbiert werden sollte. Dieser Forderung wurde im Koalitionsvertrag der vierten Regierung Rutte weitgehend entsprochen.

Gegen die Stadtpartei D66 richtet sich der größte Unmut der verärgerten Landwirte und anderer Einwohner der Region, aber seit einigen Wochen richtet sich der Zorn auch gegen die liberale Regierungspartei von Ministerpräsident Rutte und die ebenfalls regierenden Christdemokraten. Eine Mehrheit von Ruttes eigenem Parteitag wandte sich gegen Ruttes Stickstoffpolitik: die schwerste Konfrontation mit seinen Anhängern seit vierzehn Jahren. Auch der Vorsitzende der Christdemokraten, Außenminister Wopke Hoekstra, wurde von seinen eigenen Anhängern heftig angegriffen. Die politische Zukunft sowohl von Hoekstra als auch seiner Partei ist höchst ungewiss.

Der Gewinner des „zivilisierten Bürgerkriegs“ – in dem tatsächlich Schüsse fielen – ist bisher vor allem eine neue ländliche Partei, die BoerBurgerBeweging, die sich zum Interpreten des ländlichen Widerstands gemacht hat. Ihre Vorsitzende, Caroline van der Plas, ist zwar noch allein im Parlament, aber ihre Partei könnte zu einer der größten im Land werden.

In den Niederlanden waren bereits Unterschiede zwischen hohem und niedrigem Bildungsniveau, zwischen konservativen und progressiven, zwischen städtischen und ländlichen Gebieten sichtbar geworden. Obwohl sich mindestens die Hälfte der Bevölkerung als „rechts“ bezeichnet, ist der Kurs der Regierung oft sehr viel linker, wobei der Schwerpunkt auf den Großstädten liegt.

Grenzübergreifend
Bauernproteste in den Niederlanden
Es scheint, dass dieser Außenseiter sich nun rächt. Im Hintergrund spielt die anhaltende Zuwanderung eine Rolle, sowohl durch Arbeits- als auch durch Asylzuwanderung. Die Landwirte beschuldigen die Regierung, unter falschen Vorwänden – „Stickstoff“, „Natur“ – Platz für Asylbewerberzentren und neue Stadtviertel zu schaffen.

Die niederländischen Landwirte gehören zwar zu den produktivsten – aber auch zu den tierfreundlichsten – der Welt, aber ihre Zahl ist relativ gering. Obwohl es viel Unmut über Traktoren – „Bauernpanzer“ – gibt, die Autobahnen blockieren, herrscht in der Bevölkerung immer noch Sympathie.

Dies führt zu großen Spannungen in der Koalition von Premierminister Rutte. Viele seiner eigenen Parteimitglieder sind der Meinung, dass er den „elitären Linken“ von D66 zu viel zugestanden hat. Innerhalb der CDA gibt es eine offene Revolte. Möglicherweise wird der „Bürgerkrieg“ der Landwirte und ihrer Sympathisanten gegen das räumliche und ideologische Vordringen der Grünen, der Linken, der Linksliberalen und anderer städtischer Parteien mit „Weckreflexen“ zu neuen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in den Niederlanden führen. Die Tradition und die Region haben sich auf jeden Fall aus ihrem Schutzbereich herausgeschlichen. Die Folgen sind zwar ungewiss, könnten aber erheblich sein.
Die drei Landwirte – darunter ein 16-jähriger Junge -, die nach den Polizeischüssen in Heerenveen festgenommen worden waren, wurden nach einem Tag wieder freigelassen. Sie sind nicht angeklagt worden. Derzeit läuft eine Untersuchung über die Gewalt der Polizei gegen die Bauern.

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Kommentare ( 48 )

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doktorcharlyspechtgesicht
2 Jahre her

Man könnte als Regierung ja auch einmal auf die Idee kommen, zu verhandeln. Wenn ein möglicherweise übergroßer, umweltschädlicher Stickstoffausstoß gebremst werden soll, gibt es sicher Mittel und Wege, mit den betroffenen Bauern gemeinsam eine Lösung zu finden, die ihnen Höfe und Einkommen belässt. Die Agrarwissenschaft schläft ja nicht. Mit etwas gutem Willen und Forschung lassen sich Umwelt- und Agrarthemen wohl unter einen Hut bringen. Darum scheint die Regierung Rutte sich aber gar nicht zu bemühen. Man gewinnt den Eindruck, dass wie schon zu Corona-Zeiten eher um das Durchsetzen von Machtansprüchen geht. Es wird weder debattiert, noch verhandelt, noch ein gesellschaftlich… Mehr

bani
2 Jahre her

Man kann sich das Video mit den Schüssen der Polizei im Internet ansehen. Unfassbar wie dieser Polizist einfach ohne jden Grund auf den Traktor losschießt. Das ist ein Verbrechen, dieser Politist gehört entlassen und in ein Gefängnis. Der linksgrüne Terror wird immer schlimmer.

Autour
2 Jahre her

„in den Niederlanden geht es um mehr als Agrarpolitik“ Ich weiss nicht ob ich es genau so „positiv“ sehen kann wie der Autor hier und wie auch viele Kommentatoren. Ich denke was wir in den Niederlanden sehen ist die blanke Existenzangst der Bauern die nun um sich greift! Man muss bedenken, es geht um Enteignung ect. das sind keine Lapalien und die Soziale Hängematte gibt es dort auch nicht so wie in Deutschland! Zum anderen sind die Niederländer so gut wie alle sehr verschuldet, da Vermögen dort drakonisch bestraft wird. Nein wir sehen hier mit nichten einen Aufstand vom Land… Mehr

Ananda
2 Jahre her

Ich hatte den Konflikt über Interviews befragter Holländer auf YouTube derart verstanden, dass die Bauern die „Wahl“ haben entweder ihre Höfe „freiwillig aufzugeben“, oder dafür bezahlt zu werden oder von den herrschenden Sonnenkönigen einfach enteignet zu werden.
Überall in Europa wird das Recht auf dem Müll entsorgt um rot grüne Willkür in Beton zu gießen. Die entsprechende dafür geschaffene „Rechtsprechung“ hat mMn nur den Zweck, die Gelackmeierten hilflos zu machen und den Wahnsinn unumkehrbar zu machen.
Bei uns fordern Politiker nord stream 2 abzureißen, damit keine vernünftige Lösung mehr möglich ist.

ketzerlehrling
2 Jahre her

Richtig, in den Niederlanden. So etwas wäre in DE undenkbar. Da wird nicht gegen die Obrigkeit aufbegehrt.

Richy
2 Jahre her

Endlich wird es mal offen ausgesprochen, es ist ein Krieg zwischen den Städtern (links-grünen) und der Landbevölkerung (eher konservativ). Genauso wie in der BRD. Links-grün fordern die Umweltzerstörung zugunsten von WKAs und Sonnenfeldern, aber in den Städten passiert nichts. In vielen Wäldern mit gutem Baumbestand werden die Bäume gefällt, damit dort WKAs entstehen können. Neben den Bäumen werden dann im Betrieb auch noch die Greifvögel und Insekten zerstört/zerschreddert. Wo ist der BUND, der müsste doch eigentlich Sturm laufen gegen seine links-grünen Artgenossen aus der Stadt. In den Städten wird auch viel Strom verbraucht. Wo stehen dort die Windräder. In Hannover… Mehr

Edwin
2 Jahre her
Antworten an  Richy

So ist es. Es ist ein Konflikt zwischen Stadt und Land, zwischen nicht wertschöpfenden („Labersäcken“) und wertschöpfenden Bevölkerungsschichten.
Man braucht sich ja nur die Wahlergebnisse der letzten Wahlen anschauen. Die Grünen haben überwiegend Zuspruch in Universitätsstädten und im Universitätsumfeld.

Cubus
2 Jahre her

Hungerkatastrophen voraus und ein Drittel der niederländischen Bauern werden gezwungen, ihre Höfe aufzugeben?

bani
2 Jahre her
Antworten an  Cubus

Dafür steht die EU, neben sinnlosen selstmörderischen Sanktionen, Megainflation, Bevormundung, Niedergang und Gängelung.

Okko tom Brok
2 Jahre her

Welche Kraft oder welche Einsicht kann die europäischen Völker aus ihrem gedanklichen Verlies befreien? Ein paar Treckerproteste werden ja nur der Anfang sein…

Endlich Frei
2 Jahre her

Man parke ein Auto außerhalb eines Parkhauses in Amsterdam und sage sich: ‚Ich freu mich drauf‘ auf das, was nun geschieht. In den Niederlanden – ein top modernes und WEGEN seiner Kutlur, Tradition und verantwortungsvollen Menschen wunderschönes Land – ist der Zorn besonders gut zu verstehen. Anders als in Deutschland, welches infolge seines Selbstverständnisses als Zenrum der Weltenrettung vielerort heruntergewirtschaftet ist, dessen Infratstruktur im Vergleich zu den NL völlig marode und veraltet wirkt, dessen Städte grau, trist ja verfallen wirken und Behören/Gesetze weitgehend dysfunktional sind und sich vermutlich gerade deshalb als weltweites Flüchtlingsrefugium anbietet (…und sich dabei gefällt), lohnt es… Mehr

Sonny
2 Jahre her

Die Niederlande kann von Glück reden, dass ihr Bauernvolk sich nicht zurückzieht, sondern sich wehrt. Bei genügend ordentlicher Berichterstattung hat auch der Rest der niederländischen Bevölkerung die Möglichkeit, die Notlage wahrzunehmen und zu erkennen, was dieser von der EU forcierte Great Reset, erdacht von einem unfassbar reichen 84-Jährigen, für einen Schaden anrichtet. In einer Schwab-Welt gibt es keine Menschen, die sich seinen Vorstellungen nicht um ihrer selbst Willen beugen dürfen, auch wenn das ihr eigenes wirtschaftliches Überleben kostet. Ein Schwab, der mit goldenem Löffel im Mund geboren wurde und sein Leben lang jegliche Fantasien ausleben konnte, weil sein Vermögen unvorstellbar… Mehr