Niederlande: Kippt die nationale Notlage das Asylrecht?

Die neue Regierung hat ihre Pläne vorgestellt. Neben Energie und Wohnen geht es dabei vor allem um die Asylkrise, die man zur nationalen Notlage erklären will, um keine Anträge mehr annehmen zu müssen. Daneben sucht man ein Opt-out in Brüssel und will umgehend viele Verfahren verschärfen.

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Asylministerin Marjolein Faber, Den Haag, Niederlande, 12.09.2024

Die Leiche der 18-jährigen Ryan aus Friesland wurde am 28. Mai 2024 in Lelystad gefunden. Die junge Frau hatte angeblich die Familienehre schwer verletzt, woraufhin sie von ihren beiden Brüdern Muhanad und Mohammed (24 und 22) entführt wurde. Wenig später war sie tot, ermordet von ihren Brüdern, wie der Vater Khaled in einem Brief an die Tageszeitung De Telegraaf offen zugab. Er hatte seinen Söhnen den Auftrag dazu gegeben: „Die Fische sollen sie fressen, damit keine Spur von ihr zu finden sein wird.“ Kurz darauf reiste Khaled zurück in seine syrische Heimat, wo er am besten bleiben wird.

In diesen Tagen begann die Verhandlung in dem Fall, der in niederländischen Medien breit diskutiert wird. Das Land will etwas aus diesen rechtlosen Zuständen lernen, ja, es hat seine Lektion schon gelernt, wie sich bei den letzten Wahlen zeigte, die ein neues Regierungsbündnis an die Macht brachten. Und diese neue Regierung will nun in der Tat Grundsätzliches ändern am niederländischen Asyl- und Einwanderungsrecht.

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Die Niederlande sind damit nach Dänemark und Schweden schon das dritte Land vor den Toren Deutschlands (Belgien könnte man hier auch teilweise nennen), das zu einer gründlichen Asylwende ansetzt. Am Freitag stellte Premierminister Dick Schoof die Pläne der Koalition für den Regierungsstart vor.

Die unmittelbar umzusetzenden Vorschläge zum Asylrecht drehen sich dabei um die Unterbringung der Asylbewerber, die Befristung von Asylbescheiden und die Verschärfung vieler Verfahren. Daneben will man ärmere Haushalte durch einen Energiefonds unterstützen und im Jahr 100.000 Wohnungen bauen (darunter 290.000 Seniorenwohnungen bis 2030), kostenloses Schulessen beibehalten und 600 Millionen Euro für die Altenpflege ausgeben. Die Außenpolitik soll weitgehend unverändert bleiben.

Spiritus rector des Ganzen ist ohne Zweifel Geert Wilders, dessen Partei für die Freiheit (PVV) der stärkste der Koalitionspartner ist und seit langem über die Themen Asyl und Islamisierung spricht. Die Spitzenkandidaten aller vier Partner sind aufgrund einer gemeinsamen Verständigung nicht selbst in die Regierung eingetreten.

„Die ganze Kette ist festgefahren“ – Regierung will rasch Asylkrise ausrufen

Asyl- und Migrationsministerin Marjolein Faber von der PVV will nun so bald wie möglich eine nationale Notlage ausrufen, um – wie während der Regierungsbildung versprochen – das „strengste Asylsystem aller Zeiten“ einführen zu können. Die Ausrufung eines nationalen Notstands ist dabei nur ein Teil der Strategie und für sich schon ungewöhnlich. Eine rechtliche Prüfung ist im Gange und laut der Ministerin auch schon abgeschlossen. Der Premierminister hielt am Freitag fest: „Ich denke, dass unser Vorschlag der Kritik standhalten kann.“

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Man wird vor allem das höchste Gericht, den Staatsrat (Raad van State), überzeugen müssen, dass die Krise real ist und dass sie gewisse Voraussetzungen erfüllt. Unter einer solchen Notlage verstand man bisher vor allem Kriege und Naturkatastrophen. Die Asylkrise ist anderer Art, auch wenn sie Charakteristika von Kriegen und Naturkatastrophen teilen mag. Noch 2022 hatte der Asyl-Staatssekretär Eric van der Burg von der rechtsliberalen VVD ein schon damals von einem Parteifreund gefordertes Asyl-Krisengesetz abgelehnt, weil das Außergewöhnliche der Situation seiner Meinung nach noch nicht erreicht war. Das kann sich in der Zeit ändern. Ebenso können sich die Maßstäbe ändern, weil der Bürgerblickwinkel sich verändert hat oder weil er vermehrt in Regierungshandeln einfließt.

Faber macht die Krise mit den folgenden Sätzen anschaulich: „Die Menschen sind überlastet, die ganze Kette ist festgefahren, es gibt keine Häuser mehr. Wir müssen etwas gegen den Zustrom tun – und zwar sehr schnell.“ Die Ausrufung einer Asylkrise war Teil des Koalitionsrahmenvertrags gewesen. Die dann ergriffenen Maßnahmen sollen auch mittelfristig für eine Dauer von bis zu zwei Jahren gelten.

Wäre die nationale Asyl-Notlage einmal eingeführt, dann hätte die Regierung viele Möglichkeiten. Das Ausländergesetz könnte zeitweilig aufgehoben werden. Dem Staat stünde es frei, vorerst keine weiteren Asylanträge anzunehmen. Das könnte dank Notstandsrecht auch durch königlichen Erlass, ohne Parlamentsdebatte, beschlossen werden. Im Unterhaus hätten die vorgeschlagenen Maßnahmen derzeit aber zudem eine klare Mehrheit, wie der Telegraaf anmerkt. Nur die linke Opposition, vor allem die sozialdemokratische Arbeitspartei (PvdA), GroenLinks (GL) und die linksliberale D66, führe hier ein „fanatisches Nachhutgefecht“, in dem sie die neue Regierung als „kalt“ und „rechtsextrem“ darstellt.

Linke sieht nur Krise bei der Unterbringung

Für die Linken gibt es nur eine Krise bei der Unterbringung von Asylbewerbern, vor allem seit Faber einem Teil von ihnen das staatlich bezahlte Bett, Bad und Brot strich (TE berichtete). Aber die Wohnungsnot ist auch in den Niederlanden kein neues Phänomen. Die Linken meinen, es gebe kein Problem, die Zahl der Migranten liege stabil bei jährlich etwa 40.000 Asylbewerbern. Welche Logik!

Ihren Kritikern entgegnet die Fachministerin Faber: „Die Ausrufung einer rechtlichen Asylkrise ist ein normaler Teil des Einwanderungsgesetzes.“ Daneben wird die Regierung das Asylsystem so oder so grundlegend reformieren, und dies ab sofort. So will sie zeitlich unbegrenzte Asylgenehmigungen abschaffen und die Dauer der befristeten Erlaubnisse anpassen. Die Verfahren sollen allgemein sehr viel strenger werden, der Familiennachzug eingeschränkt werden. So werden volljährige Kinder nicht mehr nachreisen können. Es soll mehr abgeschoben werden, Einspruchsmöglichkeiten gegen Gerichtsurteile entfallen.

Man ergreife „Maßnahmen, um die Niederlande für Asylsuchende so unattraktiv wie möglich zu machen“. Das – kurz vor Regierungsbildung noch beschlossene – Zwangsverteilungsgesetz wird abgeschafft, und über Asylanträge wird vorerst nicht entschieden. Erwartet werden außerdem Grenzkontrollen, die im Zweifel über das deutsche „Vorbild“ hinausgehen werden.

Und in Brüssel: Entweder Opt-out oder Ausgleichszahlungen

Daneben will die Regierung schon nächste Woche in Brüssel einen Antrag auf ein sogenanntes „Opt-out“ aus der EU-Asylpolitik einreichen. Die teils erst im Dezember von der Regierung Rutte mitbeschlossenen Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) sollen dann nicht mehr für die Niederlande gelten. Wird dem Antrag nicht stattgegeben, will die Regierung die Regelung nutzen, nach der ein Mitgliedsstaat 20.000 Euro zahlen kann, um die Übernahme eines EU-Asylbewerbers zu vermeiden. Sicher ist man sich in Den Haag offenbar nur über eins: Man wird in der gleichen Weise wie Ungarn keinen einzigen „umverteilten“ Asylbewerber aus Brüsseler Händen annehmen. Dazu ist der Platz am Deich zu knapp und teuer.

Kurzfristig werden sich Asylbewerber auch darauf einstellen müssen, nicht mehr in Mietwohnungen untergebracht zu werden, sondern in Zimmern mit gemeinsamen Küchen und „Waschgelegenheiten“. Der Vorrang auf dem Wohnungsmarkt für sogenannte Statusinhaber wird abgeschafft. Wenn es mit der ungezügelten Zuwanderung so weitergehe, würden „im Jahr 2050 zwischen 21 und 23 Millionen Menschen in den Niederlanden leben. Viel, viel zu viele auf diesem kleinen Fleckchen Erde“, meinte die Abgeordnete der Bauern-und-Bürger-Bewegung (BBB) Claudia van Zanten.

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Kommentare ( 36 )

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Caracalla
2 Tage her

Sie werden jetzt einfach alle nach Deutschland kommen. Und wenn Deutschland sie zurückschicken will werden sie einfach Nein sagen oder es so sabotieren das eine Abschiebung scheitern wird. Praktisch alle EU-Staaten machen sich so unattraktiv das die Migranten keine Wahl mehr haben außer nach Deutschland zu gehen. Und hier diskuttiert man immer noch.

Monostatos
2 Tage her

Unser Regime kennt diese Entwicklungen
und weiß, dass die Migranten in noch größerer Zahl über Deutschland herfallen werden. Aus diesem Grunde sollen jetzt noch ganz schnell auf hinterhältige Weise Fakten geschaffen werden. So verstehe ich zumindest das Abkommen mit Kenya (Masseneinwanderung von 250000 Kenyanern) und ähnliche Vorhaben mit Usbekistan. Kasachstan und weiteren Ländern. Es ist der erklärte Wille der Ampelpartrien UND DER UNION, die autochthone deutsche Bevölkerung mittels dieser skrupellos betriebenen Massenmigration aus dem Land zu treiben. Das ist schwerster Landesverrat.

Wilhelm Rommel
3 Tage her

Die Niederländer machen es vor: Man kann, wenn man nur will! Ohne den politischen ‚Schandfleck‘ namens Brandmauer und nach gründlicher Säuberung der Union von den geistigen Hinterlassenschaften einer gewissen Dame aus der Uckermark, die leider bis dato auf sich warten lässt, wären wir hierzulande vielleicht auch schon auf einem entsprechenden Kurs.
Einstweilen wird man also in rot-grün-gelb-schwarzer One-World-Besoffenheit weiterwurschteln, komme, was da wolle.
Eines Tages wird die Welt ein neues Synonym für selbstmörderischen Irrsinn kennen: German Verblendung

Last edited 3 Tage her by Wilhelm Rommel
imapact
3 Tage her

Wer vernünftig wählt, hä zumindest die Chance, vernünftige Politik zu bekommen. Davon sind wir in Deutschland noch 80% weit weg. Würde mich nicht wundern, wenn der ein oder andere Migrant dann von den Niederlanden nach Deutschland umzieht.

Boris G
3 Tage her

„Man wird vor allem das höchste Gericht, den Staatsrat (Raad van State), überzeugen müssen…“ – mir schwant Böses. Eine Etage darüber lauern wahrscheinlich schon Straßburger Richter. Nichteinmal UK hätte sein Ruanda-Modell außerhalb der EU gegen den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durchpauken können. Wenn die Niederländer erkennen sollten, dass sie gegen ein migrantophiles „Europa“ machtlos sind, könnte das eine vergessen geglaubte Ader in diesem einst stolzen Volk zu neuem Leben erwecken?

joly
2 Tage her
Antworten an  Boris G

Gerichte müssen sich am geschriebenen Recht=Gesetz orientieren. Man muss nur das Gesetz ändern und schon sprechen die Richter entsprechend ihr urteil.

Audix
3 Tage her

Na, dann kommen halt alle zu uns. Wir haben noch Platz (Baerbock)

jwe
3 Tage her

Oh Oh, da wird VdL und ihre Schergen aber richtig zurück schlagen. So gehts ja nicht, gegen EU-Willkommenskultur agieren. Und dann auch noch weitere EU-Sondervermögen blockieren wollen. Die NL werden wohl den Status von Ungarn, Schweden und Dänemark bekommen und besonders beobachtet werden müssen.

horrex
3 Tage her

Je mehr Dänemak, Schweden un die NL … es werden immer mehr Länder … das Richtige tun, desto mehr wird D. unter Druck geraten … was bedeutet M E H R und leichter „aufnehmen“ müssen.
Wird eine Faeser das „kratzen“???
Ich sehe das nicht.

Index
3 Tage her

“ … will die Regierung die Regelung nutzen, nach der ein Mitgliedsstaat
20.000 Euro zahlen kann, um die Übernahme eines EU-Asylbewerbers zu
vermeiden.“

Das ist ja wohl der absloute Hammer!
DAS IST DOCH MAFIA PUR !!!
Bei einem theoretischen „Ringtausch“ würde sich die Brüsseler Mafia dann also 27 x 20.000 € = 540.000 € pro Asylant einstreichen können?
Aus meiner Sicht sind solche Regelungen schlagende Beweise eines politischen Verbrechertums.
Wie auch die Asylantenindustrie in Deutschland:
Eine einzige gigantische Abzocke von Steuergeldern.

maru
3 Tage her

Ich bin neidisch auf die Vernunft der Niederländer und der Dänen.
Ich will auch so eine Regierung haben.