Der Wahlsieg des schillernden Argentiniers Javier Milei weckte vielerorts Hoffnungen, dass ein radikaler Kurswechsel weg von den Zwängen des woken Klimawahns möglich sei. Doch die ersten Wahlversprechen wurden schon gebrochen, Argentinien ist im Tagesgeschäft der Realpolitik angekommen.
Als Javier Milei vor wenigen Wochen die Präsidentschaftswahlen in Argentinien gewann, wurde er mit einem Schlag der ganzen Welt bekannt. Seine libertär-anarchistische Ader machte ihn über Nacht zum globalen Phänomen, ob man ihn nun dafür liebte, oder hasste. Selten hatte ein Kandidat vollmundigere Versprechungen gemacht als Milei, sein Sieg war somit auch Ausdruck eines weit verbreiteten gesellschaftlichen Wunsches nach einer drastischen Veränderung der politischen Ausrichtung.
Solche und ähnliche Hoffnungen setzen Konservative und Rechte aller Couleur seit Jahren in unterschiedlichste Kandidaten. Ob nun Trump, der den Washingtoner Sumpf trockenlegen wollte, oder Meloni, die der Schlepperei über das Mittelmeer und der woken Agenda ein Ende bereiten sollte – die Erwartungen an diese schillernden Charismatiker sind angesichts ihrer Auftritte im Wahlkampf schon fast unrealistisch hoch.
Denn immer wieder treffen diese Erwartungen dann auf die Zwänge der Realpolitik, was unweigerlich zu Enttäuschungen führt. Und so darf es auch nicht verwundern, dass bereits die ersten Tage von Javier Milei im Amt zumindest zu einer teilweisen Ernüchterung führten.
Eingelöste und gebrochene Versprechen
Als der frischgebackene Präsident die Zahl der Ministerien – wie in seinem mittlerweile legendären „Afuera“-Video angekündigt – von 21 auf 9 reduzierte, tat Milei genau das, wofür er vor der Wahl geworben hatte. Seine Ankündigung, dass eine Besserung der Verhältnisse nicht von einem Tag auf den anderen gelingen würde, sodass erst einmal eine Zeit der Entbehrungen bevorstehe, war auch in dieser Form zu erwarten und dürfte nur die naivsten Anhänger überrascht haben.
Seine Solidaritätsbekundungen zu Israel, sowie sein Stelldichein mit Selenskyj, dem er sogar eine große Menora schenkte, waren ebenso wenig überraschend, wenngleich vor allem sein Auftritt mit dem ukrainischen Präsidenten fast schon wie eine leicht unangenehme Pflichterfüllung für den ansonsten so extrovertiert auftretenden Argentinier wirkte.
Doch dann fiel Milei – als hätte er es von Großmeister Lindner höchstpersönlich gelernt – doch gleich zweimal entscheidend um. Eine seiner zentralen Forderungen im Wahlkampf war nämlich die Schließung der Zentralbank, die er in seiner pittoresken Rhetorik gar „in die Luft sprengen“ wollte. Mileis Berater Emilio Ocampo galt dabei lange Zeit als designierter Kandidat, um die Leitung der Zentralbank zu übernehmen und diesen Schritt auf dem Weg zur Dollarisierung Argentiniens voranzutreiben.
Aber bereits wenige Tage vor der offiziellen Amtseinführung Mileis wurde bekannt, dass stattdessen nun der eher dem konservativen Mainstream zuzurechnende Santiago Bausili die Leitung der Zentralbank übernehmen wird, was ein deutliches Zeichen dafür ist, dass die radikalen Forderungen Mileis zumindest erst einmal zugunsten eines „Pragmatismus“ gewichen sind. Pragmatismus bedeutet in diesem Fall erst einmal, dass altbekannte Kräfte weiter das Zepter schwingen.
Der ehemalige Zentralbankchef wurde zum Wirtschaftsminister ernannt, der neue Chef Bausili blickt auf eine Karriere bei unter anderem der Deutschen Bank und JP Morgan zurück. Ob dieser Pragmatismus sich als gute Wahl entpuppt, wird sich in einigen Jahren an den Resultaten für das argentinische Volk messen lassen müssen. Aber so viel ist wohl nur wenige Tage nach der Amtseinführung deutlich: Eine Sprengung der Zentralbank sähe anders aus.
Der zweite große Umfaller Mileis innerhalb nur weniger Tage könnte sich allerdings als noch gravierender herausstellen. Noch am Tag vor seiner Amtseinführung berichtete der britische Guardian besorgt von Mileis Ablehnung der Agenda 2030, sowie des Pariser Klimaabkommens, aus dem der als „Leugner des Klimawandels“ bezeichnete Milei aussteigen wollte, da „Auferlegungen von außen“ für ihn inakzeptabel wären.
Zwischen Realpolitik und dem Wunsch nach Kursänderung
Nur zwei Tage später, jedoch, wurde darüber berichtet, dass Milei nun doch beabsichtige, Teil des Pariser Klimaabkommens zu bleiben. Die argentinische Klimadiplomatin Marcia Levaggi gab am Rande des Klimagipfels in Dubai zu Protokoll, dass Milei „ein Liberaler, ein Libertärer“ sei und an die „Marktkräfte“ glaube. „Und der Markt verlangt, dass Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels einbezogen werden“, so Levaggi.
— rabbit research (@real___rabbit) December 11, 2023
Das mag sogar stimmen, denn wie bereits die TE-Recherche zu den „wahren Preisen“ bei Penny zeigte, unterliegen fast alle Konzerne weltweit diversen überstaatlichen Öko-Regularien, die unter anderem den Zugang zu Krediten und Märkten regulieren. Allerdings handelt es sich dabei natürlich um alles andere als einen freien Markt. Einem libertären Ökonomen wie Milei kann dies auch vor der Wahl nicht verborgen geblieben sein, sodass weniger der Eindruck entsteht, Milei müsste seinen Kurs nun redigieren, sondern vielmehr, dass es sich tatsächlich um eine leere Versprechung, die auf Stimmenfang dem Volk nach dem Maul sprach, handelte.
All diese Entscheidungen mag man realpolitisch nachvollziehen können, Politik bleibt nunmal die Kunst des Machbaren. Dass Politiker ihre Versprechen nicht halten, ist nichts Neues. Doch wenn eine zunehmend radikale Rhetorik ohne Anspruch auf Erfüllung der Versprechen notwendig wird, um Wahlen zu gewinnen, dann verliert die Demokratie die letzten Reste ihrer Legitimität.
Wahlen wie jene von Milei sind von großer Bedeutung, denn viele Menschen verbinden mit ihnen die Hoffnung, dass ein politischer Kurswechsel überhaupt möglich sei. Wenn sich aber selbst bei Kettensägen-Milei dieser Kurswechsel höchstens als geringfügige Nachjustierung bestehender Verhältnisse entpuppt, wächst die Verzweiflung all jener, die auf Veränderung hoffen, immer mehr, bis womöglich eines Tages die Einsicht erwächst, dass wirkliche Veränderung nur mit einem gravierenden Systemwechsel möglich wäre. Es ist ein Szenario, das man vermeiden möchte. Aber die Geschichte lehrt uns, dass es ein unumgängliches Szenario ist, wo schwache politische Führer den Volkswillen zu lange beugen.
Es ist aber noch früh in Mileis Amtszeit, und so bleibt zu hoffen, dass mit jedem Kompromiss gegenüber seinen Wahlversprechen auch greifbare Resultate sichtbar werden. Die Ernennung von Victoria Villarruel zur Vizepräsidentin ist zumindest ein starkes kulturelles Zeichen, da die Besucherin der traditionellen katholischen Messe dem liberalen Papst Franziskus, einem Feindbild von Javier Milei, ein Dorn im Auge sein dürfte. Doch auch hier gilt, dass sich die symbolischen Zeichen vor allem an ihren realen Auswirkungen messen lassen müssen. Der Wahlkampf ist vorbei, willkommen in der Realpolitik, Javier Milei.
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Javier Milei hat einen wilden und verrückten Wahlkampf geführt und gewonnen.
In seiner Ansprache zur Amtseinführung war er dagegen ganz Staatsmann. Seine Ausführungen waren realistisch und aus meiner Sicht das best mögliche das derzeit getan werden kann.
Wie man schon im Wahlkampf erkennen konnte wird er mit dem Sozialismus aufräumen. Jetzt hat er klar gestellt wie. Nicht in einem Amoklauf sondern fachmännisch, diszipliniert, so wie es sich für einen gelernten Ökonomen gehört.
Ihm hier ‚Wortbruch‘ vor zu halten ist aus meiner Sicht völlig daneben; oder mächte man lieber das Argentinien noch weiter ruiniert wird?
Für mich sind das keine Wortbrüche. Es ist egal wo auf der Welt Betrug am Wähler, ein bewusstes hinters Licht führen, eine Täuschung und gehört unter Strafe gestellt. Bei Kai Wegner in Berlin würde ich gleich damit anfangen.
Es ist noch viel zu früh um erkennen zu können, ob Milei „die Meloni macht“. Er hat den großen Vorteil, dass Libertarismus auch in kleinen Dosen heilsam ist, im Gegensatz zum Sozialismus, der nur in perfekter Umsetzung zur Himmel auf Erden führt. Würde Milei das gebeutelte Land endgültig ins Chaos stürzen, wäre erstens niemandem geholfen, und zweitens die linken Populisten schneller wieder am Drücker als man afuera sagen kann.
Die Dosis macht das Gift , das gilt sowohl für den Liberalismus sowie für den Kapitalismus als auch für den Sozialismus , alle Ismen gehören auf ein gesundes Maß eingehegt , diese Herausforderung gegen die natürliche Triebhaftigkeit zu bewältigen , ist eine politisch Höchstleistung . Ich drücke allen die sich daran versuchen die Daumen auch Herrn Milei . Mein Modell wäre national- demokratisch , basissozial , korridorliberal , kapitalverpflichtend , die Dosis ist Verhandlungssache , und sie entscheidet über Wohlergehen und Niedergang .
Das Mileis nicht gleich am ersten Tag alle seine Versprechen einlöst, war natürlich nicht zu erwarten. Das zunächst Entscheidende ist, dass er mit seinen „populistischen“ Forderungen die Wahl gewonnen hat, und damit diese Forderungen noch populärer gemacht hat. Der Wille des Volkes also dadurch sichtbar wird. Gleichzeitig ist es ja so, dass zum einen Politiker die Wahrheit nicht sagen können, weil wissen, dass sie ihre Versprechen nicht alle einlösen können, oder nach und nach erfahren, dass sie es nicht können, oder in Wahrheit etwas ganz anderes wollen. Aber die Menschen wollen belogen werden. Das war immer so und bleibt immer… Mehr
Da geht man mit Javier Milei ein bisschen zu streng ins Gericht. Argentinien ist pleite und hängt am Tropf des IWF. Und „Klima“ ist die heilige Kuh derer, die darüber bestimmen können, ob man von dieser Kuh Milch bekommt oder leer ausgeht. Argentinien ist aber vorerst nicht in der Lage, ohne diese Milch (sprich: Kredite) auszukommen. Also muss man sich den Realitäten ein Stück weit beugen und das Spiel vorerst mitspielen. In Bezug auf den Klimablödsinn hat Argentinien ohnehin keine Nachteile zu erwarten, da von diesem nahezu bankrotten Land keine kostspielige „Transformation“ zu erwarten ist. Also ist es klug, erstmal… Mehr
Und wie hatte man gejubelt und frohlockt. Markus Krall jedenfalls wird jetzt schwer enttäuscht sein.
Tja. Ich bin eigentlich nur noch neugierig, wie man, sollten sie jemals in Verantwortung kommen, alternative Politiker und deren Vorhaben zurechtstutzen wird.
Wenn das dann vor unser aller Augen geschähe wüssten wir mit großer Sicherheit, was uns die Stunde geschlagen hat – und dass große Mächte bestimmend Einfluss nehmen.
Aber uns bleibt noch die Hoffnung.
Röper hat übrigens die Jahrespressekonferenz (4 Stunden!) des Russen in deutscher Übersetzung – wens interessiert.
Hatte etwa Jemand was Anderes erwartet? Man erinnere sich an Meloni. Sollten die „Blauen“ irgendwie an die Macht kommen oder beteiligt werden, wird das Gleiche geschehen. Genauso in Frankreich. Trump wird auf maroden Gleisen fahren und durch die Lande eiern. Manchmal mehr, manchmal weniger.
Alles ist relativ. Gekocht wird immer noch mit Wasser. Oder auch, Jacke ist näher wie Hose.
Willkommen in der globalen „Geschwätzokratie“.
Korrektomundo – man muss erkennen, dass die Probleme die unsere westliche Gesellschaften haben, nicht von draußen sondern von drinnen kommen. Das sind die Wähler die das wollen. Natürlich ohne Konsequenzen aber wenn sie auch kommen, dann sind die Leute die diese ansprechen, direkt Nazis und das passt in die Grundstimmung der Leute. Man will auch die Ursachen nicht erkennen. Das gilt nicht nur für die linke, woke und grüne Seite sondern auch für die sogenannten Konservativen. Keiner erkennt den Balken in eigenem Auge nicht. Kein Wunder – sie stört beim Sehen, nicht wahr? Dazu kommt auch den Einfluss des Hegemons… Mehr
Es bewahrheitet sich immer wieder: „Traue keinem Politiker!!“ So bald diese den Mund aufmachen, muß du was aus dem Munde entspringt mißtrauen.
Milei hofft auf amerikanische Investoren, die zur Gesundung seiner Wirtschaft helfen. Diese Investoren folgen jedoch der „Klimareligion“. Also muß er ihnen gegenüber einen Kotau machen.!
Das Trockenlegen eines Sumpfes mit seinen tausend uralten Rinnsalen und Kanälen, eines uralten dicht verwobenen „Filzes“ ist keine Sache die in Tagen geschafft wird.
Jedenfalls dann, wenn man elementare Regeln einer Demokratie (samt deren Fundamenten) nicht „schleifen“ will.
Ist eine dermaßen schnelle u. harte Kritik (ausgeprägte Skepsis) nicht ein wenig voreilig???
Siehe „die Kunst des Machbaren“!
Die Anbindung an den Dollar hätte genau dieselben Folgen gehabt wie der Euro für Griechenland.
Mit dem Rückbau des Sozialstaates wird er eine Landeswährung schaffen, die mit dem Dollar mithalten kann. In vier bis fünf Jahren werden die Erfolge sichtbar werden, wenn er mit seiner Regierung durchhält.