Nach Ausschaltung der Hisbollah: Libanon verweigert Einflug von iranischer Boeing

Die Regierung des Libanon hat erstmals einem iranischen Flieger die Einreise verweigert. Voraus gingen ein Hacker-Angriff und ein diskreter Anruf der israelischen Armee. Kann sich der Libanon aus dem Griff der Hisbollah und damit Teherans befreien?

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Hussein Malla

In nur zwei Wochen hat Israel die Hisbollah, einen seit vier Jahrzehnten im Libanon schaltenden und waltenden Terror-Apparat, fast vollständig enthauptet. Am Sonntag fiel nach dem obersten Anführer Hassan Nasrallah ein weiteres Mitglied den israelischen Schlägen zum Opfer. Das ist ein harter Schlag auch für die iranische Führung, denn die Hisbollah war (oder ist) wohl der Diamant in der Krone der Mullahs und stand (oder steht) der Teheraner Führung noch näher als die Hamas im Gazastreifen.

Der deutschen Außenministerin fiel dazu nur ein, dass eine Destabilisierung des Libanon „in keinster Weise im Interesse der Sicherheit Israels“ liege. Ein Sprecher stellte später im Namen Baerbocks klar, dass Israel natürlich „bei der Bekämpfung terroristischer Strukturen in Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts handelt“, aber die Destabilisierung des Nachbarlandes trotzdem noch nicht im Interesse Israels sei. Das ist ein fast schon typisches Außenamts-Hü-und-Hott, bei dem es inzwischen immer öfter darum geht, Schaden vom Amt selbst abzuwenden.

Am Samstag ereignete sich ein weiterer und vielleicht bezeichnender Vorfall, bei dem es um eine vermutete Waffenlieferung des Iran in den Libanon ging. Wie das Branchenmagazin Aerotelegraph berichtet, haben sich israelische Hacker am Wochenende virtuellen Zugang zum Kontrollturm des Flughafens Beirut verschafft. Laut Focus rief in der Folge die israelische Armee (IDF) im Tower an und konnte direkt mit einer Boeing 747 aus dem Iran (Flug QFZ9964) kommunizieren, die auf dem Weg nach Beirut war.

Handelte das Beiruter Ministerium aus eigenem Antrieb?

Der Pilot wurde aufgefordert umzukehren, andernfalls werde man Gewalt anwenden. Am Ende schaltete sich das libanesische Transportministerium ein und verbot der Boeing den Eintritt in den libanesischen Luftraum. Ein Sprecher der israelischen Armee sagte, dass man „keine Waffenlieferungen an die Terrorgruppe Hisbollah zulassen“ werde. Die bekannten iranischen Waffentransfers werde man von nun an „vereiteln“. Der Beiruter Flughafen sei „ein ziviler Flughafen für zivile Zwecke, und so muss es auch bleiben“. Die veranstaltende Qeshm Fars Air gilt als direktes Werkzeug der iranischen Revolutionsgarden. Der Flieger stand folglich im Verdacht, Waffen und Munition in den Libanon zu bringen.

Nun kann man fragen, wie all das zu deuten ist. Hat das Beiruter Ministerium hier lediglich dem äußeren Druck der israelischen Streitkräfte nachgegeben oder handelte man auch aus eigener Überzeugung? Es ist mindestens plausibel, dass man sich auch in Beirut lieber heute als morgen aus der Umklammerung durch eine ihrerseits von außen gesteuerte Terrortruppe befreien will. Viele träumten schon von der Auferstehung von Beirut als „Paris des Orients“ und dem Libanon als multi-religiöser Enklave im Nahen Osten. Das ist vielleicht zu viel gehofft.

Sicher ist aber, dass der Konflikt die Region nicht unberührt lässt. Die EU-Kommission und die EU-Agentur für Flugsicherheit haben vor einer „Verschlechterung der Sicherheitslage“ im Libanon gewarnt und rieten offiziell dazu, den „Luftraum des Libanon und Israels auf allen Flughöhen nicht zu nutzen“. Das gelte vorerst bis zum 31. Oktober, so Aerotelegraph.

Der saudische Prinz ist in Sorge um sein Volk

Diesen Unbilden zum Trotz erweitert sich der militärisch unterfütterte Einfluss Israels auf die Region in diesen Tagen. Premier Benjamin Netanjahu hat das dieser Tage in die Worte gefasst: „Wir verändern die Realität im Nahen Osten. Indem wir die Machtverhältnisse verändern, erhalten wir die Möglichkeit, in unserer Region neue Bündnisse zu schließen.“

Aus Saudi-Arabien kommen immerhin gemischte Signale, wie seit dem 7. Oktober gewohnt. Im Gespräch mit US-Außenminister Blinken bekundete der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (kurz MBS), das „palästinensische Problem“ berühre ihn persönlich nicht – zitiert nach dem Middle East Eye und letztlich dem US-Magazin The Atlantic.

Besorgt war der Kronprinz allerdings um sein Volk, das zu 70 Prozent jünger als er selbst sei und also erst in diesen Wochen und Monaten mehr über die Welt lerne. Der Terror-Angriff vom 7. Oktober hatte letztlich auch die Fortschritte im saudisch-israelischen Verhältnis zu einem Halt gebracht. Israel solle in Gaza zumindest nicht kurz vor der Unterzeichnung wichtiger Abkommen mit Saudi-Arabien einmarschieren, so versicherte der flexible Prinz irgendwo nahe der Grenze zum staatsmännischen Zynismus.

Bomben auf den Jemen und die iranische Untätigkeit

Israel hat derweil auch die terroristischen Stützpunkte der Huthis im Jemen angegriffen. Auch von dort flogen regelmäßig Raketen in Richtung Israel. Laut dem Huthi-Sender Al-Masirah wurden zwei Häfen und Kraftwerke von der israelischen Luftwaffe bombardiert. Die IDF sprachen von mindestens einem Hafen, in dem iranische Waffen verschifft worden seien. Deutlich wird der Wille der Israelis, die iranisch geführte „Achse des Bösen“ zu brechen. Generalstabschef Herzi Halevi sprach von einem „Angriff mit einer Botschaft“. Die Huthis hatten nach der Tötung des Hisbollah-Führers mit Gegenschlägen, ja einer „Eskalation“ gedroht. Am Samstag hatte es einen neuen Raketenangriff der Huthis auf Tel Aviv gegeben.

Der Iran scheut aber den direkten Konflikt mit Israel, und darauf weist alles hin. Das fiel schon nach der Eliminierung des Hamas-Anführers Ismail Haniyeh auf. Eine Vermutung war, dass die iranische Führung eine Vergeltungsaktion vermied, um nicht Donald Trump im US-Wahlkampf zu helfen, weil man in Teheran glaubt, von einer Präsidentin Harris zu profitieren. Daneben ist zu bezweifeln, dass der Iran für einen wirklichen Krieg mit Israel gerüstet ist, der über das Entsenden von dutzenden Raketen hinausgeht.

Angeblich glaubt der Iran nicht an eine existentielle Bedrohung der Hisbollah. Da denkt man aus der Fernperspektive schon fast an Pfeifen im Walde. Aber sicher beruht die Stabilität von Organisationen wie der Hamas und Hisbollah nicht allein auf wirkungsmächtigen Anführern, sondern auch auf den stets nachwachsenden Jungen und dem – im wahrsten Sinne – Untergrundgeflecht von Basen, die auch im Südlibanon das Rückgrat der Hisbollah ausmachen sollen. Wenn Israel auch diese Terrorhöhlen ‚ausräuchern‘ will, dann könnte man das zumindest einen Zwei-Fronten-Konflikt nennen, mit dem Jemen sind es sogar drei.

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Kommentare ( 3 )

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Endlich Frei
2 Stunden her

Na bitte. Respekt wirkt. Und Israels Handeln flößte den Arabern offenbar den in diesem Kulturkreis unumgänglichen Respekt ab. Keiner weiß das besser als die Regierung in Israel.

Wir Deutschen hingegen meinen das mit „Sanftmut“, „Nachsicht“; Täterverteidigung und Tatverharmlosung (Reul, Paus) lösen zu können? Diese Politiker sind absolute Laien, sie verfügen über Null Wissen bzgl. der Gewaltkultur, sie haben in ihrem praktischen Leben niemals ihr Mündel kennengelernt. Jeder Türsteher, jeder Gastronom aber weiß, dass diese „jungen Männer“ nur eine Sprache verstehen: Konsequentes Durchgreifen und harte Strafen, Streichen von Geldleistungen, Abschiebungen und Gefängnis.

moselbaer
2 Stunden her

Was sich unserer Außenministerin den wohl nicht erschließt: dass die Eindämmung der schiitischen Gewalt und des schiitischen Einflusses in der Region von etlichen Sunniten mit einem gewissen stillschweigenden Wohlwollen betrachtet wird.

Ecke
2 Stunden her

Huthis? Das waren Iraner.
Zitat: Am Samstag hatte es einen neuen Raketenangriff der Huthis auf Tel Aviv gegeben