Kommunalwahlen in Polen: PiS stärkste Kraft, PO siegt in Großstädten

Die Oppositionspartei PiS wird bei den Kommunalwahlen in Polen stärkste Kraft. Das zeichnete sich bereits nach den ersten Auszählungen ab. Die Regierungspartei PO verbucht einige Siege in den Großstädten. In Kraków und Wrocław kommt es in zwei Wochen zu einer Stichwahl.

IMAGO / Eastnews

Die Ergebnisse der gestrigen Kommunalwahl in Polen werden wohl die bisherigen Mehrheitsverhältnisse in den 16 Woiwodschaften durcheinanderwirbeln. Vor allem aber beweisen sie, dass die konservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) noch lange nicht abgeschrieben ist. Sie liegt mit 33,7 Prozent der Stimmen vorne und gewinnt zum neunten Mal hintereinander die Wahlen. Die sogenannte „Bürgerkoalition“ des Premierministers Donald Tusk, ein Konglomerat aus mehreren sozialliberalen und linksradikalen Parteien, folgt mit 31,9 Prozent auf Platz zwei.

„Wie Mark Twain einstmals zu sagen pflegte: Die Nachricht von meinem Tode ist etwas verfrüht“, scherzte der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński nach den ersten Hochrechnungen am Wahlabend. Der erneute Wahlsieg sei für die Konservativen insbesondere ein Ansporn zur Arbeit und stärke die Hoffnung, dass das, was derzeit auf zentraler Ebene passiere, nur eine „vorübergehende Episode“ sei, so der Oppositionsführer mit Blick auf die Europawahl im Juni. Kaczyński erinnerte daran, dass die PiS auf nationaler Ebene nach wie vor die größte Partei im Sejm sei. Im Oktober letzten Jahres gewann sie zwar die Parlamentswahlen, musste jedoch ihre Macht an den Wahlverlierer Donald Tusk abgeben, weil er unter linksextremen EU-Befürwortern Verbündete fand, mit denen er eine Mehrheit gebildet hatte.

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In den Großstädten konnte die PO traditionell punkten und ihr politisches Gleichgewicht halten. Der linke Oberbürgermeister Warschaus und Parteivize Rafał Trzaskowski wurde gleich im ersten Wahlgang mit 59,8 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Dabei vermochte die PiS mit dem erst 36-jährigen (dafür aber schon sehr erfahrenen) Lokalpolitiker Tobiasz Bocheński einen sehr guten Gegenkandidaten aufzustellen. Nach der in den letzten Wochen vollzogenen Gleichschaltung der Polnischen Presse-Agentur sowie des staatlichen Rundfunks konnte allerdings kaum jemand die medialen Scheinwerfer auf ihn richten.

Ähnlichen Erdrutschsieg verbuchte die PO-Oberbürgermeisterin von Gdańsk Aleksandra Dulkiewicz. In der pommerschen Hauptstadt, die seit Jahrzehnten von mafiösen Strukturen durchzogen und mitunter als „Polens Palermo“ bezeichnet wird, stehen alle PiS-Kandidaten bereits im Vorfeld auf verlorenen Posten. In den Lokalparlamenten (den sogenannten „Sejmiks“) zeichnet sich indessen eine konservative Dominanz ab. Die auf nationaler Ebene mit Tusk regierenden Koalitionäre PSL, Polska 2050 und Die Linke schafften es teilweise gerade mal über die Fünf-Prozent-Hürde. Abgestraft wurde insbesondere die einst in ländlichen Gebieten erfolgreiche Bauernpartei PSL, die sich nun für die EU-freundliche Programmatik der PO hat einspannen lassen. „Für unsere Landwirte ist Donald Tusk das polnische Gesicht Brüssels. Die PiS hat bei den Kommunalwahlen zweifelsfrei davon profitiert“, glaubt der liberal-konservative Abgeordnete und wohl bekannteste Bierbrauer Polens Marek Jakubiak. Die polnischen Bauern protestieren seit Wochen, geben sich mit der unlängst angekündigten Wiedereinführung der EU-Zölle für ukrainische Agrarprodukte nicht zufrieden. Sie fordern ein generelles Importverbot und protestieren außerdem gegen den in Brüssel abgesegneten „Green Deal“, befürworten gar einen Austritt aus der Gemeinschaft.

Der abermalige Wahlerfolg der PiS irritiert einige regierungsnahe Journalisten. Der frühere „Newsweek“-Chefredakteur Tomasz Lis, der nach übereinstimmenden Medienberichten wegen wiederholten Mobbingvorwürfen gefeuert wurde, forderte nach den gestrigen Kommunalwahlen eine „entschiedenere Entnationalisierung“. Diese Haltung hat sich seit dem Herbst 2015 kaum verändert. Seitdem gewinnen die Konservativen jede Wahl. Das ist für die linksliberalen Kräfte in Polen und Europa offenbar immer noch ganz ungewöhnlich und legt den Gedanken nahe, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugehen könne. Donald Tusk, seit neun Jahren den Verfall seiner Macht erlebend, kränkt dies augenscheinlich so sehr, dass er sie nur dank programmlosem Aktivismus und rücksichtslosen Schlägen unter die Gürtellinie erhalten kann.

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Ab 24 Stunden vor dem Wahltag bis zur Schließung der Wahllokale um 21:00 Uhr herrscht in Polen die traditionelle „Wahlstille“ („cisza wyborcza“). Diese sieht das Verbot der politischen Agitation vor, die im Wahlgesetz definiert wird. Doch offensichtlich hat der aktuelle Premier kein Problem mit Gesetzesverstößen, denn er hat während der Wahlstille Präsident Andrzej Duda direkt angegriffen. Hintergrund des erneuten Streites an der Staatsspitze war das von der linken Regierung auf den Weg gebrachte Gesetz zum vereinfachten rezeptfreien Zugang zur „Pille danach“. Duda hatte zuvor sein Veto dagegen eingelegt. In einer Erklärung des Präsidialamtes hieß es, der Staatschef habe die Änderung des Arzneimittelgesetzes an das Parlament zurückverwiesen, mit der Bitte, „dieses grundlegend zu überdenken“. Er könne kein Gesetz akzeptieren, das den Zugang zur Pille danach für Kinder unter 18 Jahren ohne medizinische Aufsicht und unter Umgehung der Rolle und Verantwortung der Eltern ermögliche, hieß es weiter. Tusk hatte daraufhin Duda öffentlich vorgeworfen, er habe mit seiner Entscheidung „zahllosen jungen Patientinnen geschadet“. Diese populistische Ansage kam nur wenige Stunden vor der Wahl, wo eigentlich sämtliche Manifestationen oder Reden unterlassen werden sollen.

Demokratisches Regieren steht in Polen derzeit unter keinem allzu guten Stern. Voller Arroganz und ohne eine breite, die ganze Gesellschaft einbeziehende Debatte werden im Sejm rasch Beschlüsse gefasst, die im Handumdrehen zum Gesetz werden. Bei dem derzeit beobachtbaren gehäuften Rückgriff der PO auf Dekrete handelt es sich um einen Regierungsstil, der normale Gesetzgebungs- und Regierungskonstellationen überschreitet. Zudem nervt viele polnische Wähler Tusks durchsichtige Effekthascherei. Mit der von ihm angeordneten polizeilichen Hausdurchsuchung beim ehemaligen Justizminister Zbigniew Ziobro hat der Ministerpräsident sogar die politischen Geschmacksnerven seiner eigenen Wählerschaft überfordert.

Regierungsnahe Medien haben Ziobro vorher wiederholt vorgeworfen, er simuliere eine Krebserkrankung, um sich aus juristischer Verantwortung für mögliche Vergehen zu stehlen. Der kurz zuvor am Hals operierte und sichtlich geschwächte Ex-Minister erschien vor seiner Haustür, um für seine Rechte zu protestieren. Die Razzia hatte nichts ergeben, die demütigenden Bilder bleiben. Dies ist der aktuelle politische Führungsstil in Polen. Glücklicherweise bemüht sich zumindest die Europäische Union darum, dass Tusk die Regeln der Rechtsstaatlichkeit nicht nach Belieben bräche und sich dazu durchgerungen, die von ihm angeführte Regierung als „undemokratisch“ anzuerkennen. Sie ahnen es: Es war ein Aprilscherz.

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Kommentare ( 22 )

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Primavera
7 Monate her

Meine alte Heimat steckt noch zum großen Teil im XIX Jahrhundert. Dazu kommt noch, dass die PIS Milliarden in die katholische Kirche in Polen „investiert“ hat und Gehirnwäsche betrieben hat. Siehe: „moherowe berety“. Traurig aber war. Zum Teil kennt die Dummheit auch in Polen keine Grenzen.

Berlindiesel
7 Monate her

Polen vollzieht nun eine Entwicklung nach wie die westeuropäischen Nationen seit den 1980ern: Das Land wird aufgrund seines wirtschaftlichen Erfolges zu einer Wohlstandsgesellschaft, in der Folge wird die Gesellschaft linksliberal. Zumindest in den städtischen Zentren. Diese Entwicklung, die es überall im Westen, beginnend in den USA in den 1960er Jahren, gab, ist unvermeidlich und unumkehrbar, solange das Land eine Wohlstandsgesellschaft hat. Egal wie man dazu steht – der Linksliberalismus hat sich in der westlichen Welt als die einer situierten Wohlstandsgesellschaft passendste Politikrichtung durchgesetzt. Dafür gibt es objektive Gründe. Der Linksliberalismus führt zu negativen Geburtenraten und Feminismus, eine Folge davon ist… Mehr

Sonny
7 Monate her

Gut so.
Der Widerstand gegen die Rotgrünen wächst überall. Bald wird es nicht mehr reichen, dass sich die Wahlverlierer zusammen schließen.
Nirgendwo.

Haba Orwell
7 Monate her
Antworten an  Sonny

Man sollte schon etwas differenzierter und genauer hinschauen. Neulich rief ein Herr Duda vom PiS-Gnaden alle NATO-Staaten dazu auf, für Militärzeugs nicht nur 2%, sondern sogar 3% des BIP auszugeben – in Polen sind es in der Säbel-Schwing-Paranoia 3,9%. Wenn Deutschland das erreichen sollte, was der PiS-Herr vorschreibt – sollen dafür Renten gekürzt werden? Oder doch Schulden machen?

Wenn man nicht gerade linksgrün ist, bedeutet es nicht automatisch, dass man von jedem Unfug frei wäre.

Ich glaube, die AfD ist von der Waffen-Ausgabenspirale nicht so begeistert? Bisher sprach sie sich klar gegen Bellizismus aus.

Berlindiesel
7 Monate her
Antworten an  Haba Orwell

Wer die Bundeswehr wieder zu einer funktionierenden Armee machen will, wird dafür Mittel benötigen, die ohne echte Einschnitte in den Sozialetat nicht verfügbar gemacht werden können. Die Renten wird dabei nicht ausgenommen bleiben.

Teiresias
7 Monate her

Bei dem Versuch Tusks, die deutsche/europäische Transformation seit 2015 im Eiltempo nachzuholen, scheint der polnische Frosch zu schnell erhitzt zu werden und droht, aus dem Topf zu springen.

Es bleiben ihnen nur drastische Regelverstösse, um das Spiel zu gewinnen.

Haba Orwell
7 Monate her
Antworten an  Teiresias

Entgegen dem Artikel hat PiS verloren – früher in der Hälfte der Woiwodschaften am Ruder, fortan nur noch 5. Vielleicht müsste PiS was bei sich nachbessern? Konservativ zu sein, das alleine reicht nicht. Etwa in der Außenpolitik hat Orban in Ungarn einige Positionen, die PiS gerne übernehmen könnte – wenn die dazu nur fähig sind. Wie verheerend der „Green Deal“ wirkt, wird wohl unzureichend kommuniziert.

Brauer
7 Monate her

Tusk wird den Bürgern in Polen noch heftig zusetzen. WEF, Green Deal, zu links ist nie gut liebe Polen.

Johannes R. Brecher
7 Monate her

Wie ist man doch in der westlichen, „demokratischen“ Welt stolz auf dieses Polen, das nun endlich den richtigen Weg gefunden hat. Würden polnische Städte das selbe Straßenbild wie in Deutschland bieten, herrschte dort Bürgerkrieg und Tusk wäre im Exil in Grönland.

Last edited 7 Monate her by Johannes R. Brecher
Haba Orwell
7 Monate her
Antworten an  Johannes R. Brecher

Wie meinen mit dem Straßenbild? Ich gönnte mir vor zwei Jahren in Breslau einen Döner in Bahnhofsnähe – die halbe Stunde im Laden erlebte ich keinen, der Polnisch beherrscht, Dönernde inklusive. Und ich meine nicht Touristen aus Deutschland (wie ich im Prinzip). Vom Bürgerkrieg keine Spur – lediglich das banderistische Konsulat in der Altstadt wird schwer bewacht.

Zugegeben, die Stadt war schon immer kosmopolitisch, durch besondere Geschichte seit dem Krieg (weiß jemand zum Beispiel, dass es dort seit den späten 1940er Jahren eine große griechische Gemeinde gibt? Ich hatte sogar eine Studienkollegin, die einen Griechen geheiratet hat.)

Johannes R. Brecher
7 Monate her
Antworten an  Haba Orwell

Kosmopolitisch? Dann könnte ja Tusk seinen Wählern öffentlich sagen, der Islam gehört zu Polen. Dann geht sie aber los, die Jagdreise.

Haba Orwell
7 Monate her
Antworten an  Johannes R. Brecher

Anders als in Deutschland gibt es in Polen die muslimischen Tataren seit dem 14. Jahrhundert. Ältere Generationen haben noch Sienkiewicz gelesen mit der Figur von Tuhaj-Bej, die ständig die Seiten wechselte. Es ist aber ein winziger Anteil der Bevölkerung, heute gut integriert.

Eine kosmopolitische Stadt wie Breslau bot Vorteile, wenn man ganz zufällig deutsche Vorfahren hatte – in Breslau wurde es entspannter gesehen als woanders. Genau deswegen ist meine Mutter Ende der 1950er Jahre von Gleiwitz nach Breslau gezogen.

KorneliaJuliaKoehler
7 Monate her

Wie sich doch die Bilder gleichen. Be- zeichnend für die vereinten (inter- nationalen) Linken ist, dass sie keine rote Linien kennen. Es gilt nur ihre Meinung und ihre Ideologie. So werden bestehende Gesetze einfach übergangen und neue Gesetze, ohne Einhaltung von Recht und Ordnung, durchgepeitscht. – Irgendwie kommt mir das alles sehr bekannt vor. Wie überall in den Städten dieser Welt leben größere Schichten, die gerne und gut auf Kosten anderer leben, darunter auch Studenten und Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst. Diese Bevölkerungsschicht ist abgekoppelt von den Leistungsträgern in den ländlichen Gebieten und daher auch sehr empfänglich für (Öko)Sozialistische… Mehr

Haba Orwell
7 Monate her
Antworten an  KorneliaJuliaKoehler

In großen Städten leben auch Angestellte privater Firmen, die öfter was leisten. Zum Beispiel Webseiten wie diese wachsen nicht von Alleine. Grundsätzlich spricht nichts dafür, dass in Metropolen die Wokeness herrschen muss – würden sich Konservative nicht doof anstellen. In dieser Hinsicht macht sich PiS viel schlechter als die durchaus moderne AfD. So hat zum Beispiel „Rzeczpospolita“ gar nicht erwähnt, dass ein Herr Röttgen (CDU) Ungarn und die Slowakei aus der „EU“ für den Mangel an Banderas-Anhimmelung werfen möchte – ich erfuhr es aus einem deutschsprachigen Medium eines anderen slawischen Landes. Es müsste doch gefundenes Fressen sein – die Woken… Mehr

Wilhelm Rommel
7 Monate her

Ohne allzu tiefgehende Sympathien für zentrale Figuren der PiS: Was mich freut, ist schon die Tatsache, dass bei unseren östlichen Nachbarn offenbar genug ‚gesunder Hausverstand‘ vorhanden ist, um frühzeitig zu merken, dass der stets gefügige Ziehsohn der tückischen Tanten ‚Aniela‘ und ‚Urzula‘ im Begriff ist, sie nach allen Regeln der Kunst am Nasenring durch die Manege zu führen – und das ist, gemessen an der hiesigen Verschlafenheit, schon so Einiges…

alter weisser Mann
7 Monate her

Das übliche Bild vom Ländlichen und vom urbanen Milieu.
Tusk kann zwar mit EU-Beistand erstmal das Land auf links drehen, die Frage ist aber, ob das hält.

Ombudsmann Wohlgemut
7 Monate her

Der letzte Satz hat mich gekriegt. 😉

Die Linksextremen Mächte in Europa handeln alle gleich, heucheln bei jeder Kleinigkeit „Gutmenschen“-Empörung (nicht zu verwechseln mit guten Menschen!) und diffamieren und unterdrücken absolut radikal.

Gut, dass auch in Polen und vielen anderen Ländern die Leute immer häufiger diese große EU-Manipulation erkennen und sich auf die rechte Seite stellen.
Leider sieht man aber auch, dass sich trotz deutlicher Mehrheiten auf der Gegenseite immer alle anderen zusammentun und dass diese in so wenigen Jahren so viel zerstören können…