Der Ton ändert sich in der Meloni-Berichterstattung

In Deutschland und im europäischen Ausland liest man immer seltener von der „faschistischen“ Gesinnung Giorgia Melonis. Vielleicht, weil man sich auf das Unvermeidliche einstellt – und die europäischen Auswirkungen eines konservativ regierten Italiens.

IMAGO / NurPhoto

Es sind minimale, aber doch spürbare Veränderungen – und sie kommen nicht überraschend. Noch in den wenigen Tagen nach dem Rücktritt von Premierminister Mario Draghi schossen sich die internationalen Medien auf Giorgia Meloni ein. Die im Ausland kaum bekannte Anführerin der Fratelli d’Italia (FdI) musste zum Schreckgespenst aufgebaut werden: Das Manko, dass bis dato kaum jemand etwas über ihren Aufstieg in den Umfragen seit Beginn der Corona-Krise geschrieben hatte, musste damit getilgt werden, sie nun möglichst schnell als mussolinihaftes Wesen aus dem Nichts hervorzuzaubern, das die Demokratie bedrohte. Die internationale Presse – nicht nur in Deutschland – bediente sich dabei zuvorderst der Narrative des linken Partito Democratico (PD) und ihres Vorsitzenden Enrico Letta.

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Vermutlich bestand Ende Juli noch die Hoffnung in den Redakteursstuben, die schon immer zur Politik unfähigen und zur Wahl unmündigen Italiener würden sich nach genügend Propaganda besinnen, wenn nicht nur das Inland, sondern auch das Ausland zeigte, wie unannehmbar Meloni sein sollte. Auch in Italien hatten die linken Parteien nicht nur einmal den Ball gespielt, dass jemand von Rechtsaußen wie Meloni dem Ansehen schaden könnte. Meloni hat es aber geschafft, diesem Eindruck durch klare transatlantische Bekenntnisse in der Vergangenheit so zu begegnen, dass auch unentschiedene Wähler diesen Mythos offenbar nicht mehr glauben.

Die Aufholjagd der Linken erscheint selbst sympathisierenden Journalisten unwahrscheinlich

Knapp einen Monat vor der italienischen Parlamentswahl am 25. September steht das Mitte-Rechts-Lager mit Meloni an der Spitze unverändert vorne. Nichts deutet auf eine Trendwende hin, im Gegenteil: Aufgrund der Streitereien bei den Wahlbündnissen verlieren die Meloni-Gegner sogar. Und aufgrund des „toten Monats“ August dürfte sich vor der ersten Septemberwoche daran wenig ändern. Vermutlich hoffen PD und Co. noch auf Schützenhilfe von EU und EZB, um bei den unentschiedenen Wählern Ängste vor einem rechts regierten Italien zu schüren; und so mancher Staatsanwalt könnte noch einmal einen Salvini- oder Berlusconi-Fall aufrollen.

Doch offenbar wächst in den europäischen Redaktionen die Resignation (oder Einsicht) heran, dass Giorgia Meloni als Italiens erste Premierministerin gesetzt ist. Anders als beim Rennen zwischen Hillary Clinton und Donald Trump oder beim Brexit sind die Umfragen so klar, dass eine Aufholjagd Lettas als unwahrscheinlich erscheint. Wenn selbst ein ehemaliger PD-Politiker wie Matteo Renzi einsieht, dass „Dämonisierungen“ des politischen Gegners nicht weiterhelfen, sondern im Gegensatz erst recht Widerstände und tiefe Gräben erzeugen, dann sagt das einiges über die Lehren der letzten Jahre aus; es zeigt aber auch, dass zumindest in Italien die Warnrufe vor dem Wolf im Nichts verpuffen. Wer immer wieder vor dem neuen Marsch auf Rom warnt, wird spätestens beim dritten Mal nicht mehr für voll genommen.

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Beispielhaft ist dafür ein Interview in der FAZ, in dem Meloni ungewöhnlich neutral angefasst wird und genügend Raum für ihre eigene Darstellung bekommt. Auch in einem Nachfolge-Artikel zur Flamme als Parteisymbol geht es zwar viel um Faschismus, aber kein einziges Mal werden FdI oder Meloni als faschistisch betitelt. Das ZDF spricht nicht von einer Post- oder Neofaschistin, sondern benennt lediglich die Fratelli d’Italia als eine Partei, die „neofaschistische Wurzeln“ hat. Ähnlich handhabt es die Tagesschau, die nur von einer „neofaschistischen Vergangenheit“ der Partei spricht. Es dominiert der Begriff der „rechtsaußen“ stehenden Politikerin. Der näherliegende Begriff „rechtsextremistisch“ wird umschifft. Der britische Spectator hat zudem ein Interview mit Meloni geführt, das eine beinahe „entfaschistisierende“ Wirkung entfaltet.

Nicht jedes Medium hat bisher eine solche Wende vollzogen – doch das Beispiel macht Schule. Denn Melonis Wahl ist kein bloßes nationales Ereignis, sondern ein europäisches. Sie wird für Brüssel Fluch wie Segen sein. Denn auch, wenn die EU die harte Migrationslinie Italiens in der Vergangenheit scharf kritisierte, käme sie ihr nicht ungelegen. In der Ukraine-Frage ist die Römerin ganz auf Linie. Die Vorgängerpartei, die Alleanza Nazionale, stellte bereits in einer Berlusconi-Regierung den Außenminister, die Partei war schon zu Zeiten des Movimento Sociale Italiano israelfreundlich ausgerichtet – als Schreckgespenst können die Fratelli d’Italia daher kaum dienen.

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Doch es gibt eine viel gefährlichere Option, die auf dem Tisch liegt, und von der bisher unbekannt ist, inwiefern Meloni diese nutzt. Europa steht Ende September womöglich vor der historisch einmaligen Situation, dass Italien eine stabile rechte Regierung hat, die fünf Jahre lang durchregieren könnte – während in Frankreich Staatspräsident Emmanuel Macron mit einem unregierbaren Parlament kooperieren muss, Großbritannien seit dem Abgang von Boris Johnson in Unruhe ist und Deutschlands Ampel bisher keine Befähigung zeigt, eine starke europäische Politik zu betreiben. Der transatlantische Patron ist derweil mit sich selbst beschäftigt.

Italien wäre damit in der singulären Position, die nächsten Jahre die Staatenunion deutlicher als vorher zu prägen. Meloni wie Salvini verbindet eine Freundschaft zu Viktor Orbán, die Fratelli d’Italia haben sich jahrelang eine Fraktion mit der polnischen PiS im EU-Parlament geteilt. Würde Meloni tatsächlich die Karte spielen, dass Rom sich nicht Richtung Paris oder Berlin ausrichtet, dann bedeutete das eine Veränderung in der Europäischen Union, die weit über die Frage von Kiew-Unterstützung und Schuldenunion hinausgeht. Die einstigen Parias sind dann nicht mehr Außenseiter, sondern ein Gegengewicht zu den Kräften von Wokeness, Gender und familienfeindlicher LGBT-Politik. Und Meloni die ungekrönte Anführerin dieser neuen Brüder Europas.

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Kommentare ( 51 )

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Manfred_Hbg
2 Jahre her

Zitat 1: „Wenn selbst ein ehemaliger PD-Politiker wie Matteo Renzi einsieht, dass „Dämonisierungen“ des politischen Gegners nicht weiterhelfen, sondern im Gegensatz erst recht Widerstände und tiefe Gräben erzeugen, dann sagt das einiges über die Lehren der letzten Jahre aus“ > Mhh, und vor allem sagt dies wohl auch aus, dass die hohe „Politelite“ scheinbar zu wissen scheint was sie mit ihrer „Dämonisierungen“ beim (Wahl-)Volk anrichten und doch TROTZDEM SO (auch) mit ihren Gehetze, Gespalte und Denunzieren weiter machen. – – – – – Zitat 2: „Italien wäre damit in der singulären Position, die nächsten Jahre die Staatenunion deutlicher als vorher… Mehr

Helene Walther
2 Jahre her

Je mehr sich abzeichnet, dass konservative Kräfte immer mehr an Einfluß gewinnen könnten, um so mehr werden die Daumenschrauben, in Bezug auf die Meinungsfreiheit angezogen. (Delegitimierung des Staates!) Gut so, denn es ist ein Zeichen, dass genau diese Kräfte auf dem Vormarsch sind!

Petra Horn
2 Jahre her

So sympathisch mir die Mutter, Christin, Italienerin usw. ist. Besonders erhellend und beeindruckend finde ich auch, wenn sie unverkrampft auf ihr Gegenüber von z.B der Presse losgeht und stolz zu ihrer Programm steht und sich keinen keinen rechten Stempel oder Aussätzigen-Kainsmal aufdrücken läßt. Aber am Ende stellt sich die Frage, was sie ändern kann, da Italien doch am Tropf hängt. Die Erfahrung zeigt auch, wie man klamme Störenfriede in der EU am schnellsten zum Schweigen bringt: Einfach Geld von Deutschland nach Italien transferieren fürs Stillhalten oder wenigstens nicht so laut Schreien. Auch die Visegrad-Staaten lassen sich immer wieder auseinanderdividieren. Jetzt… Mehr

Pe Ro
2 Jahre her

Hoffen darf man, aber selbst wenn es zu einer Veränderung der Politik kommen sollte wird das für D zu spät sein.

Sonny
2 Jahre her

In Deutschland könnte es die gleiche Kehrtwende geben, wenn Alice Weidel endlich als das dargestellt würde, was sie ist: Eine ausgezeichnete Wirtschafts- und Volkswirtschaftsexpertin. „Sie studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und schloss 2004 als eine der Jahrgangsbesten ab.[1] Von Juli 2005 bis Juni 2006 arbeitete sie als Analystin im Bereich Vermögensverwaltung bei Goldman Sachs in Frankfurt am Main.[2][3] Anschließend schrieb Weidel eine Doktorarbeit beim Gesundheitsökonomen Peter Oberender an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Bayreuth über die Zukunft des chinesischen Rentensystems; 2011 wurde sie summa cum laude promoviert.[4][3][5][6][7] Die Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung hatte ihre Promotion gefördert.[8] Für… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Sonny
Guzzi_Cali_2
2 Jahre her

Mir ist es relativ egal, wer nun in dem von mir geliebten Italien die Führung übernimmt, Hauptsache ist: NICHT links, NICHT woke, NICHT grün, NICHT für die EU und vor allem FÜR die Selbstbestimmung der Europäischen Völker.

Donostia
2 Jahre her
Antworten an  Guzzi_Cali_2

Mir ist es auch egal wer in Italien regiert. Mir wäre wichtig, dass Italien kein Geld mehr von der EU sprich Deutschland bekommt.
Laut Wikipedia ist das Netto-Median-Vermögen (Das Vermögen wo die Hälfte der Bevölkerung drunter bzw. drüber sind (50% der Bevölkerung)) bei 118.885 $. Das von Deutschland liegt bei 65.374$. Soll heißen der reiche deutsche Staat mit armer Bevölkerung rettet den armen italienischen Staat mit reichen Bürgern. Sollen die Italiener (118.885$), Spanier (105.831$), Franzosen (133.559$) mit höherem Medianvermögen bitte selbst ihre Staaten retten.
Quelle hier: Mittleres Vermögen – Wikipedia

Last edited 2 Jahre her by Donostia
Manfred_Hbg
2 Jahre her

„Die einstigen Parias sind dann nicht mehr Außenseiter, sondern
ein Gegengewicht zu den Kräften von Wokeness, Gender und familienfeindlicher LGBT-Politik. Und Meloni die ungekrönte Anführerin dieser neuen Brüder Europas.“

> Ja, möge es doch bitte nur so kommen – Amen!

Maja Schneider
2 Jahre her

Kann es nicht sein, dass immer mehr Menschen den links-grün-sozialistischen und woken Wahn und Terror leid sind, sowie die dauernde Einmischung der Sonnenkönigin in Brüssel, die ständigen Intrigen und Angriffe auf die Souveränität der einzelnen Länder? Kann es sein, dass sie eine deutliche Wende sehen wollen? M.E. befürchten genau das unsere selbst ernannten und um ihre Pfründe bangenden Eliten.

doncorleone46
2 Jahre her
Antworten an  Maja Schneider

Das Schlimme ist, viele haben das ja noch nicht einmal das Links-Grün-sozialistische und woke, realisiert. Das ist wie in der Weimarer Republik. Wir tanzen in den Untergang.

askja
2 Jahre her

Mal schauen, wie sich die Ministerpräsidentin Meloni zu Südtirol verhält. Dass sie von der ohnehin bescheidenen Südtiroler Selbstverwaltung wenig hält, hat sie ja schon öfters kundgetan. Einem Südtiroler Abgeordneten hat sie noch 2015 erklärt, wenn er sich als Österreicher fühle, solle er doch auswandern.

JuergenR
2 Jahre her
Antworten an  askja

Das ist richtig. Aber ich bin der Ansicht, dass in diesem Fall Südtirol zweitrangig ist, bevor man Italien noch einmal einer Mitte-Links-Regierung anvertraut. Außerdem wäre eine totale Abspaltung Südtirols von Italien mit der EU ohnehin nicht machbar. Denken Sie daran, was Spanien mit Katalonien macht. Auch dort steht die EU vollkommen hinter Spanien.

Anstaltsdirektor
2 Jahre her

Der Ton ändert sich ? Das halte ich eher für ein Gerücht. Der Ton vor allem der deutschen Gesinnungspresse gegenüber den “ Rechten“ in anderen Ländern ist und bleibt verhetzend, beleidigend und verlogen. Das hat sich in den letzen Jahren nicht vermindert, eher verstärkt.

Hieronymus Bosch
2 Jahre her
Antworten an  Anstaltsdirektor

Ja, weil die deutschen Gesinnungsmedien ein Monopol auf die Rechtsstaatlichkeit erheben! Wie alle Monopolisten lassen sie keinen Wettbewerb zu; sie haben schlichtweg immer recht!