Italien eröffnet Abschiebezentren in Albanien: Wie sie funktionieren sollen

In Albanien eröffnen in diesen Tagen die italienischen Asylzentren. Alleinreisende Männer sollen dort Schnellverfahren durchmachen und nach der erwarteten Ablehnung abgeschoben werden. Ob der Plan wirkt, muss sich erweisen. Klar ist schon jetzt: Die Regierung in Rom will deutlich mehr abschieben.

Polizist im italienischen Ankunftslager für Flüchtlinge in der Hafenstadt Shengjin im nördlichen Albanien

Es war schon ein Balanceakt, als Giorgia Meloni vor der UN-Generalversammlung in New York sprach und an ihre Forderung von vor einem Jahr erinnerte, „den Menschenhändlern weltweit den Kampf anzusagen“. Diese „kriminellen Organisationen“ lassen laut Meloni „eine Sklaverei“ in neuer Gestalt aufleben, „verstanden als die Kommerzialisierung des Menschen“. Und eigentlich – so fand Meloni – müsse doch klar sein, dass gerade die UN gegen so etwas eintreten.

Manchmal stimmen Realität und Ideal aber einfach nicht überein. Meloni schlug die Methode „Folge dem Geld“ vor, um herauszubekommen, wer diese Migration zulässt und unterstützt. Die Methode führte sie auf jene italienischen Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino zurück, die der Mafia den Kampf angesagt hatten.

Migration als mafiöses Geschäft – das beschreibt die heutige Realität durchaus. Mit ihrer Methode müsste Meloni aber bald auch bei UN-unterstützten „Nichtregierungsorganisationen“ ankommen, die die Migration in Alter wie Neuer Welt erleichtern. Auch die G7 haben sich laut Meloni auch auf eine „internationale Koordinierung zur Zerschlagung dieser kriminellen Netze“ verständigt. Aber gefolgt ist daraus nicht viel.

Und auch die Folgen der Zuwanderung können wiederum mafiös sein, wie eine Krake, die sich allmählich immer weiter ausbreitet, etwa in Form von bisher nicht gesehener Kriminalität. So geschieht es derzeit in Skandinavien. Nach Dänemark meldet auch Norwegen Probleme mit „Kindersoldaten“ aus Schweden, die gezielt für Bombenanschläge und andere Verbrechen eingesetzt werden – nicht mehr nur in den schwedischen Vorstädten, sondern auch in den Nachbarländern. Die Parole ist damit nicht mehr: „Folge dem Geld“, sondern: „Folge der brennenden Lunte“. Schweden hieß die Migranten 2015 willkommen und beherbergte sie seitdem in Parallelgesellschaften. Die Folgen spüren nun auch die Nachbarn.

Melonis Zukunftsmusik wird Realität

Vor einem Jahr war es auch, dass Meloni eine Videoansprache veröffentlichte (geteilt etwa auch hier auf der Seite von Il Sole 24 ore), die in diesen Tagen wieder viel geteilt wurde. „Wir haben unsere Position nicht geändert“, sagte sie darin unter anderem. Soll heißen: Ihre Fratelli-Partei steht auch nach der Regierungsübernahme für eine deutliche Einschränkung der illegalen Zuwanderung und, wie sie in dem Video sagt, für die Zurückweisung und Abschiebung der meisten illegalen Zuwanderer.

Das war damals noch Zukunftsmusik. Gerade hatte Italien ein weiteres Katastrophenjahr in Lampedusa erlebt. Doch die damals eingeführten Maßnahmen – vor allem eine Ausweitung des Gewahrsams und erste Anstrengungen zu Rückführungen – haben spätestens in diesem Jahr Früchte getragen: An der italienisch-französischen Grenze werden inzwischen deutlich weniger illegale Grenzübertreter bemerkt als sonst üblich.

Vom Anfang des Jahres bis Mitte September sind die illegalen Einreisen nach Italien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 65,4 Prozent zurückgegangen – also um zwei Drittel. Auch im Vergleich zum Jahr 2022 ist das noch ein Rückgang um 33,8 Prozent oder ein Drittel. Der Erfolg wird vor allem auf einen neuen Umgang mit den Ländern Nordafrikas, aber auch des Nahen Ostens und Balkans zurückgeführt. In Tunesien hat man EU-Gelder auf den Weg geschickt, um den Präsidenten Kais Saied zum Grenzschutz zu ermutigen.

Im Mai diesen Jahres wurde ein Polizist im Mailänder Bahnhof Lambrate von einem Marokkaner lebensgefährlich mit einem Messer verletzt, nachdem der Täter zuvor Steine auf Passanten geworfen hatte. Der Polizist musste mehrfach operiert werden. Es war ein Fall vergleichbar mit dem Attentat im deutschen Mannheim, insofern auch hier ein öffentlicher Ordnungshüter in den Kampf des Marokkaners mit der ihm fremden Gesellschaft verwickelt wurde. Ein Wecksignal für jede Gesellschaft. Daraus folgte in Italien – hierzulande weitgehend unbemerkt – eine Diskussion um die Rückführungen illegaler Zuwanderer. Denn auch der Marokkaner hätte schon vor Zeiten ausreisen müssen.

Vom Drehkreuz-Schiff ins Abschiebungszentrum

Im Oktober sollen nun die beiden italienischen Asylzentren in Albanien in Betrieb genommen werden. Es geht um zwei Arten von Zentrum, von jeder Art eins: das in Shengjin, einem Küstenort mit kleinem Hafen, soll der Identifikation dienen. Im anderen, deutlich größeren Zentrum in Gjader werden die Schnellasylverfahren von 28 Tagen stattfinden. Außerdem gibt es hier Abschiebe- und Haftplätze (etwa für diejenigen Migranten, die ein Wiedereinreiseverbot missachtet haben; Strafe: ein bis vier Jahre). Die Lager werden in Deutschland als besonders spartanisch geschildert, aber für den italienischen Militärattaché der Botschaft in Tirana haben sie „alle notwendigen Annehmlichkeiten“. So unterscheiden sich manchmal die Ansichten im „einigen Europa“.

Mit Amüsement wurde bemerkt, dass in der Nähe der Einrichtung von Shengjin ein Restaurant mit einem sehr italienischen Thema eröffnet hat. Es ist die „Trattoria Meloni“, die durchweg mit Portraits der Premierministerin geschmückt ist – gezeigt wird Meloni von dem Künstler nicht immer mit vorteilhafter Mimik, aber doch mit Charakter. Der Wirt soll ein Fan sein, der Maler angeblich nicht; auch das wäre eine typische soziologische Verteilung. Die Einrichtung in Shengjin soll aber grundsätzlich beliebt sein, weil durch sie Arbeitsplätze in der Küstenregion ziemlich im Norden des Landes, nahe der Grenze zu Montenegro, entstehen. Gjader liegt ein paar Kilometer landeinwärts.

Bis vor kurzem war allerdings nicht klar, welche Migranten genau in die beiden Lager kommen sollen. Diesen Baustein des italienischen Albanien-Plans enthüllte die kommunistische Tageszeitung Il manifesto, inzwischen auch die britische Times (hinter Bezahlschranke). Geplant ist demnach, dass ein Drehkreuz-Schiff („nave hub“) südlich von Lampedusa in internationalen Gewässern liegen wird, die zugleich zur italienischen Such- und Rettungszone (SAR) zählen. Das Schiff dient dabei als erster Gewahrsam für illegale Migranten und entlässt nur Frauen, Kinder, „Vulnerable“ und Familien direkt nach Lampedusa. Auch junge Männer können dem Gewahrsam entgehen, wenn sie einen Pass besitzen.

Die meisten Verfahren sollen mit Ablehnung enden

Bei den allein reisenden, jungen Männern ohne Pass – das ist natürlich die Mehrheit der Rübermacher – muss als nächstes die Nationalität festgestellt werden. Letztlich ist nur für Bürger aus den 22 offiziellen „sicheren Herkunftsstaaten“ ein Schnellasylverfahren von 28 Tagen in den albanischen Lagern möglich.

Zu den sicheren Herkunftsländern gehören seit längerem Albanien, Algerien, Bosnien-Herzegowina, Kap Verde, die Elfenbeinküste, Gambia, Georgien, Ghana, Kosovo, Marokko, Montenegro, Nordmazedonien, Nigeria, Senegal, Serbien und Tunesien. Im Mai kamen Ägypten, Bangladesch, Kamerun, Kolumbien, Peru und Sri Lanka dazu. Kurz davor hatten sich die Ankünfte von Ägyptern und Bangladeschern gehäuft. Es wird erwartet, dass die meisten Verfahren mit einer Ablehnung enden werden, weil die Liste der sicheren Staaten so umfassend ist.

Daneben verfügt die Anlage von Gjader über eine Abschiebehaft. In einem anderen Teil soll der Strafvollzug möglich sein, etwa wegen Verletzung eines Wiedereinreiseverbots (ein bis vier Jahre Haft). Auf dem Drehkreuz-Schiff und in Albanien wird vermutlich auch der UNHCR sowie die Internationale Organisation für Migration (IOM) vertreten und beteiligt sein.

Interesse an diesem Modell hat merkwürdigerweise auch Keir Starmer gezeigt. Er beobachtet die italienischen Fortschritte in Albanien angeblich mit Argusaugen. Britische Beamten hatten viele Fragen dazu an die albanische Führung. Daneben ist Starmer aber vor allem wegen der starken Reduktion der Ankünfte in diesem Jahr interessiert, die Italien erreichen konnte. Und nun brachte sogar der linke Guardian ein halbwegs positives Stück über Meloni, stellte zumindest das ihr freundlich gesonnene Giornale fest.

Der neue Hang zu Abschiebungen

Daneben hat die Regierung verschiedene andere Maßnahmen ergriffen, um Rückführungen zu erleichtern. Anfang des Jahres musste sich der italienische Innenminister Matteo Piantedosi (parteilos, aber der Lega und Salvini nah) korrigieren: Auch Asylbewerber können unter den aktuell gültigen Einwanderungsgesetzen in Abschiebe- oder Rückführungszentren (Centri di permanenza per il rimpatrio, CPR) kommen, und zwar in Entscheidungen von Fall zu Fall, etwa wenn dem Migranten schwerwiegende Verbrechen vorgeworfen werden, wenn er „eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt“ oder es zumindest guten Grund gibt, ihn für gefährlich zu halten. Daneben gilt auch „Fluchtgefahr“ als hinreichender Grund für eine Gewahrsamsverhängung. Allerdings gibt es auch noch eine Obergrenze für die Dauer des Gewahrsams: 18 Monate. Was nach deren Ablauf passiert, ist unklar.

Diese Rechtsnormen aus dem gesetzesvertretenden Dekret Nr. 142 von 2015 zielen auf Straftäter und Gefährder ab. Erlassen wurden sie indes lange, bevor Matteo Salvini oder Giorgia Meloni an die Regierung vorrückten. Aber natürlich kann eine neue Regierung von solchen Regelungen intensiveren Gebrauch machen. Allerdings gab es im ersten Halbjahr 2024 wohl auch nur 9000 Abschiebungen in Italien, was keine wahnsinnig hohe Zahl ist. Nun fürchtet man die „toghe anti-rimpatri“, die „Richter gegen Abschiebungen“ – nicht anders als in Großbritannien oder Deutschland.

Die neue Regierung hat darüber hinaus einige Dekrete beschlossen, darunter das sogenannte Cutro-Dekret nach dem Küstenort, vor dem einige Migranten im Frühjahr 2023 Schiffbruch erlitten. Im März 2023 beschlossen, wurde das Dekret im Mai durch Parlamentsvotum Gesetz. Im Cutro-Dekret wird festgelegt, dass im Falle anhaltender Ankünfte in einer Region auch solche Migranten in Rückführungszentren untergebracht werden können, auf die ein „beschleunigtes Grenzverfahren“ angewandt wird, das in solchen krisenhaften Zeiten möglich ist. Zusammen mit der erhöhten Zahl an sicheren Herkunftsstaaten schnürt sich so langsam ein Paket wie von selbst, dass als negativer Anreiz gegen die illegale Migration dienen sollte. Zieht sich also das Netz zu? Gelingt es Italien vom Einfallstor für die Illegalen zur Festung zu werden? Darüber wird der Erfolg der verschiedenen Maßnahmen entscheiden.

Rimpatrio – Remigratio?

Seit letztem Jahr hat die Regierung angekündigt, in allen 20 Regionen des Landes Abschiebezentren zu errichten, vor allem auch für abzuschiebende Migranten aus sicheren Herkunftsstaaten. Neue Zentren sollen etwa in Kalabrien und Kampanien entstehen, zudem ein weiteres auf Sizilien, wo mit Pozzallo schon ein Zentrum arbeitet.

Die Zentren sollen abseits von Siedlungen, aber bevorzugt in der Nähe eine Flughafens entstehen. Außerdem arbeitet man an der Vereinfachung der entsprechenden Verfahren zur Rückführung oder Remigration, wie man das italienische „rimpatrio“ vielleicht auch übersetzen könnte. Die Worte sind jedenfalls nahe beieinander.

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Kommentare ( 16 )

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HansKarl70
1 Monat her

Das sind keine wirklichen Abschiebungen. Das soll nur mittlerweile hitzige Gemüter beruhigen. Auf so etwas sollte niemand hereinfallen.

Renegade1
1 Monat her

Wozu haben wir eine EU, wenn das nur für Italien gilt ?
Damit sie auf Umwegen letztendlich doch alle nach Deutschland kommen können ??

Wolfgang Schuckmann
1 Monat her
Antworten an  Renegade1

Beste Feststellung today.

Moses
1 Monat her

Was sehr entscheidend ist, dass sogar so einfache Maßnahme als ohne Vorlage des Reisepasses kein Eintritt und kein Asylverfahren möglich sind, das Problem schon deutlich gemindert hat. Mit unseren Nichtsnutzigen Schwätzer wird sowas noch einige Jahre brauchen.

Berlindiesel
1 Monat her

Warum und mit welchem Recht halst Meloni und die römische Polit-Schickeria Albanien das italienische Einwanderungsproblem auf? Gewiss: Die Italiener haben Albanien schon immer als ihre Kolonie angesehen. Nicht zu vergessen, daß jeder zweite Kellner in italienischen Restaurants in Deutschland, der den Akzent von Don Corleone imitieret, in Wirklichkeit ein Albaner ist. Doch nach mehr als drei Jahrzehnten Auswanderung nach Italien und Mitteleuropa ist das Land der Skipetaren leer, es gibt keinen Geburtenüberschuss mehr, der ins Ausland streben will, wie überall auf dem Balkan. Ein Einwanderungsland war Albanien aber noch nie. Selbst viele Albaner leben dort nur, weil sie es müssen.… Mehr

Innere Unruhe
1 Monat her

Wer geprüft werden will, soll Unterlagen vorlegen.
Der Rest spielt ein dunkles Spiel. Wer sich nicht identifizeren lässt, soll nicht rein dürfen. Die Welt außerhalb EU ist auch sicher. Es wir sich sicher ein anderer Staat finden, der einem jungen Mann ohne Papiere seine Menschenrechte garantiert. Dieser Staat muss nicht in der EU liegen.
Singapur ist viel näher an Sri Lanka als EU, dorthin sollen manche Asylanten geschickt werden.

Bambu
1 Monat her

Ich war vor Kurzem in Italien. Flüchtlinge sind dort kaum wahrnehmbar. Auch ist die Kriminalität in einigen Regionen zurückgegangen. Meloni hat nicht nur geredet, sondern auch einiges geleistet. Es geht, wenn der politische Wille da ist.

Astrid
1 Monat her

Für mich klingen solche Scheinlösungen immer wie eine Luftnummer. Es gilt den EU-Migrationspakt umzusetzen und solange die Ankommenden in bestimmten Ländern noch etwas abgreifen können, werden sie auch kommen. Von Italien nach Buntland ist es nicht so weit und DE will sie ja eh alle haben. Frau Baerbock hat gerade an die Frauen aus Afghanistan eine offene Einladung ausgesprochen und die kommen mit ihren Kindern im Schlepptau und in hoher Zahl. Wir haben Platz, Geld und Kapazitäten ohne Ende. Selbst wenn nichts mehr geht, werden halt ein paar ältere Menschen aus ihrem Altersdomizil rausgeschmissen, oder ein paar clevere Hotelbetreiber vermieten… Mehr

PaulKehl
1 Monat her

Deutschland wird in der Liste der sicheren Herkunftsländer nicht genannt.

Wilhelm Roepke
1 Monat her

Immerhin, besser als Deutschland. Okay, das ist nicht schwer…

JamesBond
1 Monat her

So geht es, Frau Meloni ist der perfekte MP und deshalb machen wir auch Urlaub in Italien und nicht im von Migranten überlaufenen Frankreich oder Deutschland.
Stabile Regierung und dazu noch preiswerter – einfach gut und nix zu heiß oder zu trocken wie uns manche Politclowns erzählen wollen, die extra die Siesta ausfallen lassen um sich im Deutschen Lügenfernsehen ablichten zu lassen.

Last edited 1 Monat her by JamesBond