Deutschlands Nahostpolitik ist ein Trümmerhaufen

Der Iran droht Israel. China verurteilt den Hamas-Terror nicht. Der neu aufgeflammte Nahostkonflikt ist nur Bestandteil eines neuen Großkonfliktes, dessen Fronten in der Ukraine wie in Westafrika zu sehen sind. Deutschland schlafwandelt immer noch.

IMAGO / Xinhua
Luftangriff der israelischen Luftwaffe am 12. Oktober 2023 auf Gaza-Stadt

Trump hatte Recht. Deutschland hatte Unrecht. Mal wieder. Nicht nur bei der UN hatte Deutschland in der Gestalt des damaligen Außenministers Heiko Maas den US-Präsidenten ausgelacht, weil dieser die Abhängigkeit vom russischen Gas als Problem anprangerte. Trotzig hatte es etwa die Förderung für die Palästinenser erhöht, als die USA ankündigten, diese einzustellen. Und während Trump den Iran-Deal als nutzlos geißelte, verteidigte ihn Deutschland mit allen Mitteln.

Steckte moralisches Traumtänzertum dahinter? Der Anspruch Angela Merkels, das Gegengewicht zu Donald Trump bilden zu wollen? Im Falle des Iran mag man über deutsche Wirtschaftsinteressen spekulieren. Doch im Nachhinein betrachtet zeigt sich eher die typische außenpolitische Linie der Merkel-Ära, zugunsten eines „guten Eindrucks“ symbolträchtige Handlungen zu tätigen, die „Signale“ senden sollen, und die Folgen für Andere zu verdrängen. In der Hoffnung, dass man dann nicht mehr jene Probleme lösen muss, die man selbst verursacht hat. Siehe Euro-Politik. Siehe Energie-Politik. Siehe Migrationspolitik.

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Der klassische Nahostkonflikt hat sich über Jahrzehnte zu einem undurchdringlichen Knäuel gewandelt, gegen das der Gordische Knoten wie eine Anfängeraufgabe wirkt. Jahrzehntelang hat man darauf beharrt, dass Gewalt keine Lösung sei. Unerfreulicherweise ist aber der historische Knoten mit eben jener Gewalt zerschlagen worden. Und es scheint, dass immer mehr Beteiligte am Ränkespiel im Nahen Osten genau zu dieser Einsicht gelangen. Die Stimmung riecht nach der Luft vor dem reinigenden Gewitter, das so mancher sich ersehnt. Zwischentöne, Neutralität und Differenzierung gelten nunmehr als Defaitismus.

Realpolitisch gesehen haben sich die verschiedenen Parteien nunmehr in Zwänge begeben. Kein Staat der Welt kann zusehen, wie mehr als 1.000 seiner Staatsbürger in kürzester Zeit niedergemetzelt werden. Bereits jetzt kursieren Zahlen, die auf mehr israelische Todesopfer in diesen wenigen Tagen schließen lassen als im gesamten Zeitraum der zweiten Intifada. Wenn Israel seine Autorität verliert, wird es zwangsläufig untergehen. Der Existenzkampf ist für dieses Land keine bloße Parole. Die Hamas wird diesen Krieg in seiner Totalität mit Freuden annehmen. Und die Unterstützer der Hamas, ob im Libanon, ob im Iran oder anderswo werden das einkalkuliert haben.

Der iranische Außenminister Hussein Amirabdollahian hat Israel vor einer möglichen Ausweitung des Konflikts mit der islamistischen Hamas gewarnt. Sollte das Bombardement auf den Gazastreifen anhalten, dann könnten sich „andere Fronten“ öffnen. Amirabdollahian sagte das bei einem Besuch in Beirut. Die Hamas, der Islamische Dschihad und libanesische Regierungsvertreter empfingen ihn.

Wie muss man in diesem Zusammenhang die deutsche Iran-Israel-Politik bewerten? Hat die De-Eskalationsstrategie der Bundesregierung in den letzten Jahren gewirkt? Oder hat man nur das Krokodil gefüttert? Das Resümee fällt blamabel aus. Schaukelpolitik zwischen zwei Mächten ist unmöglich, wenn das eine Land das andere auslöschen will. Die vorgebrachte Behauptung, ein ehrlicher Makler im Bismarck’schen Sinne sein zu wollen, ist in Wirklichkeit ein wilhelminischer Hasardeurritt: Man kann hier ebenso wenig eine Mittelposition finden, wie man auch nicht nur ein bisschen schwanger sein kann.

Man sollte historische Konflikte nicht überspitzen. In der historischen Rückschau wird jedoch klar, dass überregionale und globale Großkonflikte als einheitliches Kriegsereignis wahrgenommen werden. Das gilt für den Peloponnesischen Krieg wie auch den Dreißigjährigen Krieg. Deutschland und Europa erleben als Angehörige des westlichen Bündnisses derzeit ein ähnliches Phänomen. Der Ukraine-Krieg, die Unruhe in Westafrika und der neu aufflammende Nahostkonflikt stehen nicht bezugslos nebeneinander. Dasselbe gilt für die Destabilisierung der südlichen Mittelmeerküste.

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Der Iran ist nicht isoliert: Er pflegt gute Beziehungen zu Russland und China. Erst Ende September haben Russland und der Iran angekündigt, ihre militärische Zusammenarbeit auszubauen. Man sollte dabei nicht zu sehr in das Blockdenken des Kalten Krieges verfallen. Zugleich sollte man diese Zusammenhänge nicht unterschätzen. Dass der Iran sehr offen provoziert, indem er Truppen an die Grenze zum Irak verlegt, zeigt, dass man sich des Rückhalts großer Brüder sicher ist.

Und wie ist die Position Chinas zu deuten, dem eigentlichen Gegenpol in dieser neuen Weltordnung? „Der Kern der Angelegenheit ist, dass dem palästinensischen Volk keine Gerechtigkeit widerfahren ist“, sagte Außenminister Wang Yi. China sprach von den „legitimen Rechten“ der Palästinenser. Die Volksrepublik hat den Hamas-Terror bis dato nicht verurteilt. Peking rief stattdessen beide Parteien zur Zurückhaltung auf. Das mag diplomatisch, neutral und abwartend klingen. In Wirklichkeit geben die roten Mandarine Israel zu verstehen, dass es an dem Blutzoll selbst schuld sei. Das ist ein Bekenntnis zu einer bestimmten Gruppe von Verbündeten im Nahen Osten – und darüber hinaus. Wie auch bei der Ukraine wartet der Westen vergeblich auf einen Wink des Drachen. Überraschung!

Von Peter Scholl-Latour stammt ein bemerkenswertes Buch aus dem Jahr 2006. Der Titel lautet: „Russland im Zangengriff“. Politik und Medien wollen heute diese Situation immer noch so sehen. Doch in weiten Teilen Südamerikas, Afrikas und Asiens zeigt sich immer wieder, dass weder Peking noch Moskau isoliert sind. Trifft die Definition wirklich noch auf Russland zu – oder ist es nicht vielmehr der Westen, zu dem auch Israel zählt, der sich isoliert hat und umzingelt sieht? Und wenn dem so ist – welche Konsequenzen zieht der Westen daraus, die über die üblichen Attitüden oder auch die romantische Verklärung möglicher Wirtschaftspartner hinausgeht?

Deutschland hat sich auch nach der angeblichen „Zeitenwende“ in Schlafwandlerei geübt. Bei einer Bundesregierung, die nicht einmal in der Lage ist, die eigenen Leute zu evakuieren oder den Schutz israelischer Einrichtungen in die Verantwortung der Mitbürger stellt, wird es wohl noch lange dauern, bis es aufwacht.


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Kommentare ( 41 )

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EinBuerger
1 Jahr her

Ich glaube immer noch, dass Europa außerhalb Europas kaum Macht hat. D.h. ich glaube, ganz egal, welche Außenpolitik die BRD betreibt, es wirkt sich kaum aus. Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn die BRD die Zahlung an die Palästinenser-Organisationen beendet, aber ich denke, dass ändert gar nichts im Nahen Osten. Auch bezüglich des Irans habe ich nichts dagegen, wenn die BRD eine andere Politik betreibt. Ich glaube aber, dass auch das nichts ändert. Wenn selbst die USA, die in einer komplett anderen Liga spielen, wenig bewirken, bewirkt der Amateurverein BRD gar nichts. Sollte eines Tages doch wieder eine vernünftige Regierung… Mehr

Timur Andre
1 Jahr her
Antworten an  EinBuerger

EU, ist international zweitrangig und wird auch so gehalten. Die USA haben kein Interesse an einer zweiten westlichen Macht. Die Wirtschaft hat ein potential (gehabt), nun steigen Deutschland, Frankreich und Italien ab. Damit ist selbst die Wirtschaftsmacht schwächer.
Der Euro als Reservewährung bei Zentralbanken ist von 36% auf 24% gefallen! Das ist ein Warnsignal.
Mit den wokem Unsinn, Massenmigration ohne Sinn und Verstand, Net Zero, werden wir in einem Jahrzehnt in die zweite Liga abfallen. Dann ist aus die Maus mit Geld verteilen, auch Verschulden muss man sich können.

Waldorf
1 Jahr her

Vielleicht ist 2023 viel näher an 1913 als uns lieb sein könnte? Unsere Regierung schlafwandelt jedenfalls seit Jahren durch 1001 Probleme und dass es bis heute relativ friedlich und halbwegs geregelt geblieben ist, ist eher Glück als Verdienst. Die Toten vom Breitscheidplatz waren ein klares Zeichen, was passieren konnte und dann halt passierte. Die Reaktion Merkels darauf war so beschämend ignorant (und schuldbewußt) wie heutiges Geschwafel zu zahllosen Großbaustellen. Alles mögliche wird geleugnet, anderen in die Schuhe geschoben, schöngeredet, geframt, verzerrt, mit Staatsgeld zugekleistert oder ignoriert, bis es einfach nicht mehr geht. Dabei weiß jeder Erwachsener, dass alles seinen Preis,… Mehr

Reuber
1 Jahr her

Deutsche Politik ist in allen Belangen – unfähig ! Bei dem daran beteiligten Personal muss sich darüber auch niemand wirklich wundern.

Timur Andre
1 Jahr her
Antworten an  Reuber

Ja, ein Trümmerhaufen. Nur der Wähler lässt es ja seit Jahrzehnten durchgehen. Die Anspruchshaltung ist nun mal gering.
Politisch eben Infantil.

Orlando M.
1 Jahr her

Wir brauchen dringend Regeln, dass Politiker haftbar gemacht werden, wenn Steuergelder an radikale Gruppen wie die Hamas verschwendet werden. Unser schönes Steuergeld wird in Gaza gerade dem Erdboden gleichgemacht und wurde davor für Raketen gegen Israel verwendet. Die verantwortlichen Politiker in Deutschland müssen sich auf harte Strafen dafür gefasst machen! Dann überlegen die es sich in Zukunft wesentlich gründlicher, unser hart erarbeitetes Geld zu verschwenden! Wenn die Politiker schon überwiegend zu dumm zum strategischen Denken sind, die drohenden, langjährigen Haftstrafen bei Missbrauch oder Verschwendung verstehen sie sicher.

Kassandra
1 Jahr her
Antworten an  Orlando M.

Ebensolche aus aller Welt werden in Deutschland alimentiert – dauerhaft und fürstlich – für mich vollkommen ohne erkennbaren Grund. Außer: sie hätten uns schon 2015 unterworfen: Tribut (lateinischtributum „Abgabe“, „Steuer“; wörtlich „Zugeteiltes“, zu tribuere „zuteilen“) bezeichnet historisch eine Abgabe oder Steuer. Der Tribut wurde zum Zeichen der Unterwerfung oder der Vasallentreue geleistet. In der Regel handelte es sich um regelmäßige Geld- oder Sachleistungen, die nicht nur ökonomisch bedeutsam waren, sondern auch die Machtverhältnisse zum Ausdruck brachten. Dschizya (arabisch جزية, DMG ǧizya ‚Kopfsteuer, Tribut‘, osmanischجزيهcizye) ist die Bezeichnung für die den nichtmuslimischen Schutzbefohlenen (Dhimmi) unter islamischer Herrschaft auferlegte Steuer. – beides… Mehr

pcn
1 Jahr her

Noch eine Ergänzung zu meinem Post: Ich halte es für dringend erforderlich, dass Geldzuwendungen an die Palästina Hilfen sofort eingestellt werden. Wenn humanitäre Leistungen, dann bitte schön nur in Sachleistungen wie Medikamente, medizinische Versorgung und Nahrungsmittel für die Zivilisten. Keinerlei Bargeld! Außerdem: Besuch bei Abbas hat keine Zukunft mehr. Jeder Kontakt zur palästinensischen Autonomiebehörde ist sofort ein Tabu! Der Mann muss nach Möglichkeit von den Israelis lebend gefasst werden und lebenslänglich hinter Gittern!
Es ist schon ein veritabler Skandal, dass mit unseren Steuern möglicherweise die Familien von getöteten Terroristen der Hamas finanziell unterstützt werden. Sogenannte „Martyrerrenten“ für Selbstmordattentäter gezahlt werden.

alex0130
1 Jahr her

Ich habe leider schon lange festgestellt, die Deutschen wählen unter allen Alternativen immer die Dümmste.

H. Hoffmeister
1 Jahr her

Der Westen ist klar isoliert und zerlegt sich noch dazu mit Klimaschwachsinn, Wokeismus und Wirtschaftsmigrantenüberfrachtung gerade selbst. Dazu wird leistungsloser Wohlstand versprochen, die Industrie demoliert und Andersdenkende ausgegrenzt. Wenn der Wohlstandsvorsprung gegenüber dem Rest der Welt aufgebraucht ist, wird der Westen auch keine Finanzierer mehr finden.

Timur Andre
1 Jahr her
Antworten an  H. Hoffmeister

Davos liegt im Westen, wer führt dort an, alles Leute aus dem Westen.

Anglesachse
1 Jahr her

ein gut gefasster Artikel. Ich hatte auf anderer Seite schon auf die aktuelle Stellungnahme „uncle Donald,s“ hingewiesen. Ob allerdings nach der Clinton-Aera der pellezistische Werdegang noch aufzuhalten gewesen wäre, ist eine andere Frage. Eines scheint sich abzuzeichnen: Wäre die Nato im alten Interessenbereich geblieben und die Minsker Vertäge fertigverhandelt worden, würde es die Achse Russland-China-Iran nicht so geben… „Hätte, hätte, Panzerkette“ Aber der Westen ist auch in der Urschuld, da er mit dem Globalismus durch Auslagerung der Industrie nach China und dem intensiven Import (90%) den chin.Regime ein satten Patzen Finanzkraft zugeschanzt und damit ein „rotes Imperium“ gezeugt hat. Katar?… Mehr

Thomas
1 Jahr her

Das für Deutschland sehr lukrative geschäftlich auf allen Hochzeiten tanzen und sich politisch raushalten ist leider vorbei.
Deutschland/Europa kann zwischen den Blöcken nicht alleine bestehen als dritter Block und muss sich nun entscheiden.
In Erwartung einer Trump Präsidentschaft 2024 und ein baldiges Ende des woken Spukes in den USA würde ich, hätte ich zu entscheiden, bei den USA/Westen bleiben.
Es ist mE das kleinere Übel.

Gunter Zimmermann
1 Jahr her
Antworten an  Thomas

Das ist dieses ewige Schaukelspiel, das Deutschland permanent ins Unglück gebracht hat. Für dieses Jahrhundert ist „der Westen“ schlichtweg die stärkste Kraft, der die Bundesrepublik sich deshalb ohne Wenn und Aber anschließen sollte.

bkkopp
1 Jahr her

Am Beispiel Iran zeigt sich seit mehr als 40 Jahren wie sinnlos die US-inspirierten Sanktionen sind. Die Beispiele von Sinnlosigkeit sind bei Nordkorea und Kuba noch älter. Auch die aktuellen Sanktionen gegen Russland sind in hohem Maße fragwürdig. Handelssanktionen, mit Interessen auf Gegenseitigkeit, sind es immer. Die USA als kontinentale Macht mit einem sehr geringen Aussenhandelsanteil schadet sich nie selbst. Sie nützen den Amerikanern aber auch nicht. Sie nützen auch nie den Völkern in den Ländern. Sanktionen haben noch nie unterdrückte Völker von repressiven Regimen befreit.

Thorsten
1 Jahr her
Antworten an  bkkopp

Die Sanktionen „nutzen“ der USA, da es seinen Mitbewerbern (wie Deutschland und Japan) deutlicher schaden.
Das weiß die USA genau und beschliesst nur Sanktionen, die sie selber nicht so hart trifft wie die Anderen.
So ist Uran aus Russland nicht auf der Sanktionsliste. Für manche verwunderlich.

bkkopp
1 Jahr her
Antworten an  Thorsten

Mir scheint dies sehr weitgehend ein Irrtum zu sein. Bei Nordkorea und Kuba, bei denen die Sanktionitis vor 60 und mehr Jahren begonnen hat, haben die USA keinem Wettbewerber geschadet. Beim Iran waren die Wirtschaftsinteressen Europas, und damit auch die Schäden, in den 80er Jahren schon größer, aber der Impetus für die Sanktionen war nicht, den Europäern zu schaden. Der Impetus ist moralisch-emotional, rechthaberisch und im amerikanischen Sinn kleinbürgerlich-konservativ, republikanisch eben. Dies trifft auch bei Russland zu. Wenn Europa, alle europäischen Mitglieder der Nato, sich nicht sicherheitspolitisch und militärtechnisch so abhängig von den USA gemacht hätten – Friedensdividende – dann… Mehr

alter weisser Mann
1 Jahr her
Antworten an  bkkopp

In Sachen Iran wäre es mir tatsächlich lieber gewesen, wenn dem Iran überlassen worden wäre, den Atomdeal zu brechen. Dann hätte man klare Verhältnisse gehabt. Anders zu verfahren ist echt nichts, wofür ich Trump lobe.