Anti-Kopftuchproteste dauern an – Armee droht mit Kampf gegen „Feinde“ des Regimes

Im Iran dauern die Proteste gegen die Willkürakte der Religionspolizei und das hinter ihr stehende Regime an. Internet-Ausfälle lassen nichts Gutes erwarten. Die Armee kündigt bereits Gegenmaßnahmen an. Ein Land steht auf der Kippe: zwischen terroririsierendem Mullah-Staat und individueller Freiheit.

Screenprint: via Twitter

Die Proteste gegen das iranische Regime gehen weiter. Laut der Menschenrechtsgruppe Hengaw fand am Freitag ein Generalstreik in den kurdischen Landesteilen statt. Am selben Tag wurde das mobile Internet zum dritten Mal eingeschränkt. Daneben sind auch Plattformen wie Instagram und Whatsapp nur teilweise nutzbar. Es sind die gravierendsten Einschränkungen seit den Protesten vom November 2019. Damals dauerte die Sperrung des Internets eine Woche.

Nachdem US-Außenminister Antony Blinken eine Generallizenz für die Ermöglichung digitaler Kommunikationsdienste im Iran ankündigte, hat Elon Musk laut Presseberichten sein satellitengestütztes Starlink-System aktiviert, um den Iranern auch weiterhin Internetzugang zu gewähren. Daneben verkündete Blinken Sanktionen gegen die iranische Sittenpolizei.

Als nächstes wird eine gewaltsame Niederschlagung der Proteste befürchtet. Die Armee ließ verlauten, die Demonstrationen seien Teil „der teuflischen Strategie des Feindes, um die Islamische Republik zu schwächen“. Man wolle „die Feinde“ hinter den Protesten bekämpfen. Schon jetzt gehen die Festnahmen laut iranischen Medien in die Hunderte, mit 280 Festnahmen nur am Donnerstag. Journalisten, die über die Proteste berichteten, und politische Aktivisten wurden festgenommen und im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran inhaftiert.

Die Proteste hatten sich am Wochenende vor allem in den kurdisch besiedelten Gebieten entwickelt, sich dann aber rasch in alle Landesteile ausgebreitet. Die Kurdin Mahsa (eigentlich Jina) Amini war vermutlich nach Misshandlungen durch die Sitten- und Religionspolizei in einem Teheraner Krankenhaus gestorben. Inzwischen sind weitere Todesopfer zu beklagen – wie viele genau, ist unklar. Das Staatsfernsehen spricht von 17 Toten, die Menschenrechtsorganisation „Iran Human Rights“ mit Sitz in Oslo von 36 Toten. Auch ein Polizist und ein Mitglied einer regierungsnahen Miliz sollen zu Tode gekommen sein.

Brennende Mullah-Portraits in Teheran – Gegendemonstrationen in U-Bahn-Schächten

Am Donnerstag kam ein weiteres Todesopfer hinzu: die 23-jährige Hananeh Kian wurde laut Berichten im nordiranischen Nouschahr erschossen. Auch J.K. Rowling meldete sich daraufhin zu Wort: „Das iranische Regime tötet junge Frauen, die gegen seine Frauenfeindlichkeit kämpfen.“

Die Demonstrationen und Aktionen der Regimegegner setzten sich aber trotz alledem auch am Donnerstag und Freitag fort. Am Freitag ging nach Berichten das größte Bild von Revolutionsführer Ali Chamenei im Zentrum von Teheran in Flammen auf. Die Rede ist gar von Teheran als „befreiter Zone“. Das dürfte verfrüht sein, aber die Präsenz der Demonstranten auf den Straßen der großen Städte hält an.

Der Widerstand der jungen Iraner scheint ungebrochen. Noch immer entledigen sich Frauen auf offener Straße ihrer Kopftücher, egal ob allein oder mit Unterstützung. Auch ältere Bürger beteiligen sich an den Protesten.

Daneben gab es mehrere Gegendemonstrationen. Bezeichnenderweise fanden einige in der Teheraner U-Bahn statt. In manchen Videos sieht man die Einpeitscher für Allahu-akbar-Chöre, was eher wie Agitprop auf dem Heimweg nach der Arbeit wirkt. Auf anderen Demonstrationen wurde die Bestrafung derer gefordert, die den Koran angreifen.

Auch die Überwachungsinstrumente der Teheraner Führung – angeblich „made in China“ – werden zum Thema auf Twitter.

Omid Nouripour, Co-Chef der Grünen und selbst in Teheran geboren, findet die Situation in seinem Herkunftsland „mehr als schmerzhaft“, spricht von einem „rücksichtslosen Regime“ und „grotesken Regeln“: „Die Leute wollen nicht mehr gegängelt werden.“ Den Einsatz der Sicherheitskräfte gegen die regierungskritischen Demonstranten findet Nouripour „völlig unverhältnismäßig“. An Reformen aus dem Regime heraus glaubt er nicht. Wohl hat er sich aber in der Vergangenheit für die Anwendung der Scharia in Deutschland ausgesprochen.

Iranischer Präsident forderte CNN-Journalistin auf, Kopftuch zu tragen

Inzwischen ist Präsident Ebrahim Raisi aus New York nach Teheran zurückgekehrt. Am Rande der UNO-Vollversammlung hatte er gesagt, im Iran herrsche Meinungsfreiheit, aber „Akte des Chaos“ seien inakzeptabel. Ist das ein Angebot an die Demonstranten? Wenn ja, dann ist es sicher vergiftet. Noch in New York hatte Raisi von der CNN-Journalistin Christiane Amanpour erwartet, dass sie für ein Interview mit ihm ein Kopftuch trägt. Das sei „eine Frage des Respekts“, vor allem angesichts der Situation im Iran und zweier heiliger Monate. Für Amanpour, die in Afghanistan und im Iran ein Kopftuch trägt, ging Raisis Forderung zu weit. Sie sagte das Interview ab.

Vor dem UNO-Gebäude hielt die iranische Frauenrechtsaktivistin Masih Alinejad eine flammende Rede gegen die Biden-Administration, die die „Mörder des iranischen Volkes“ mit Visa versorge: „Wir verlangen nicht von Biden, dass er uns die Demokratie bringt. Die Menschen im Iran sind selbst mutig genug. Wir wollen nicht von ihm gerettet werden, wir wollen, dass er damit aufhört, das Regime zu retten.“

Auch in Deutschland protestierten Exil-Iraner für die Sache ihrer Landsleute und skandierten ihre Botschaft: „Obwohl wir weit weg von Zuhause sind, stehen wir hinter euch“.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 16 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

16 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Teiresias
2 Jahre her

Frauen aus muslimischen Ländern wollen das Kopftuch loswerden?

Ist das nicht „kulturelle Aneignung“?

Nicht lange her, da hat die Multimedia-Redaktion des ZDF noch einen User, der den Iran mit seinem Kopftuchzwang kritisierte, des „antimuslimischen Rassismus“ beschuldigt. Das Kopftuch sei ein Zeichen von „Freiheit und Diversity und Teil der Selbstbestimmung der muslimischen Frau.“

Ob die woken Kopftuchfans oder die Werbefuzzies, die das Kopftuch als Accessoirs in ihre Spots eingebaut hatten wenigstens merken, wie beschämt sie jetzt dastehen? Ich habe meine Zweifel.

Last edited 2 Jahre her by Teiresias
Michael Palusch
2 Jahre her

Irgendwie hat der Autor in seinem Bericht die brennenden Mülltonnen, Fahrzeuge und Strassen, die fliegenden Steine und die Zerstörungen durch die friedlichen Demonstranten vergessen zu erwähnen. Auch scheint er noch nichts von dem angezündeten und an den Folgen verstorbenen Polizisten gehört zu haben. Nun ja, kann gut sein, dass das ja von ‚Iran International‘, eines in London ansässigen und von den Saudis finanzierten Senders, wegen Irrelevanz auch gar nicht erst berichtet wird.

Manfred_Hbg
2 Jahre her

Wenn man auch wieder diesen Artikel gelesen und die aus dem Iran konmenden Bilder gesehen hat – und wenn man dann zum Beispiel auch noch an eine Claudia Roth (Grüne) denkt die im Iran gar nicht schnell genug das Kopftuch angelegt bekam UND sich dabei scheinbar auch noch besonders klug vorkam oder wenn man bei uns in Dummland an die vielen „zwangstuchierten“ „Freiheitskämpferinnen“ denkt die uns ernsthaft erzählen wollen dass das tragen des Kopftuchs ein Symbol der Freiheit wäre, dann wird mir nur noch äußerst über so das ich ? möchte. Unsere „Politeliten“ wie z.Bsp. eine Claudia Roth und die… Mehr

MaximilianMueller
2 Jahre her

Ich kann meine Meinung nur wiederholen: Feminismus ist etwas Schlechtes, Feminismus ist das Grundübel unserer Zeit. Ob niedrige Geburtenzahlen, Diversitätsbewegung, Multikulti, Gendern oder was auch immer, es entspringt doch alles demselben kindlichen Denkmuster. Ich tue mir wirklich schwer, die Entwicklung zu beschreiben, die ich sehe, denn dazu gehören gewissen Grunderfahrungen. Zum Beispiel muss man einmal mit einer Frau diskutiert haben, die meint, ein Mann, der ihr etwas erklärt, würde „Mansplaining“ betreiben. Wenn man das also einmal erlebt hat, dann findet man es auch im Großen wieder. Zum Beispiel bei einer Annalena Baerbock, die es während der größten Katastrophe der Nachkriegszeit… Mehr

Schwabenwilli
2 Jahre her

Die Frauen im Iran wollen keinen Kopftuchzwang (und andere „Maßnahmen“) mehr hinnehmen und werden dafür abgeknallt, wenn sie Glück haben im Kerker vergammeln.

Was ein Glück das anders Denkende in Deutschland bloß geknüppelt und schikaniert werden.

So oder anders, das Imperium schlägt zurück.

Last edited 2 Jahre her by Schwabenwilli
HRR
2 Jahre her

Es wäre dem jungen und intellektuelleren Teil der Menschen im Iran zu wünschen, dass er sich von der Geißel des brutalen Mullah-Regimes befreit und nicht nur den Weg zur persönlichen Freiheit findet, sondern auch als freiheitlicher Staat seinen Platz in der Völkerfamilie einnimmt. Zu befürchten ist allerdings das Gegenteil. 

bonesix
2 Jahre her

Ich habe Zweifel dass das gut ausgeht.
Jemand wie Gandhi konnte das Regime in Britisch-Indien zu Fall bringen weil man dort noch halbwegs Interesse an Gesichtswahrung hatte und einem die Menschen nicht komplett egal.
Im Iran wäre Gandhi samt Anhänger kurzerhand getötet worden wenn er zu lästig wird.

N. Niklas
2 Jahre her

Die Mullahs, die jede Möglichkeit hätten, mit ihren „Revolutionswächtern“ wie in den Jahrzehnten vorher, diese Demonstrationen augenblicklich zu unterdrücken, werden sicherlich nicht die Flucht ausgerechnet vor Frauen ergreifen und abdanken. Wir sehen hier eine weitere Inszenierung, an deren Ende, Tote, Flüchtlingswellen und weiteres Chaos in Europa stehen werden. Von unserer korrupten Landesverwaltung („Regierung“) haben die Aufständischen im Iran, solange sie sich nicht als geflüchtete Bittsteller instrumentalisieren lassen, jedenfalls nichts zu erwarten.

imapact
2 Jahre her
Antworten an  N. Niklas

Absolut richtig. Ein weiterer Quell der Massenmigration wird sich auftun. Dabei ist es, wie in anderen Fällen, aktuell bei den russischen Deserteuren, völlig egal, ob es sich um wirklich Betroffene (Regimegegner) oder Trittbrettfahrer handelt, die einfach den üblicherweise von Brüssel und Berlin ausgestellten Blankoscheck nutzen, um sich im deutschen Sozialnetz niederzulassen.

Michael Palusch
2 Jahre her

Mir ist, als hätten wir ähnliches 2021 auch hier erlebt. Statt mit dem Finger auf den Iran zu zeigen, sollte man sich mehr damit beschäftigen und darauf insistieren, dass wir solche Bilder nicht in Bälde aus deutschen Landen sehen müssen.
Warum die Demonstration von einigen 10.000 jungen Iraner gefeiert, aber das hüpfen einiger 10.000 verirrter junger Deutscher als Instrumentalisierung gesehen wird, bleibt des Autors Geheimnis.
Fakt ist, im Iran steht die Mehrheit der Bevölkerung hinter ihrer Religion (inkl. Kopftuch) und hinter ihren Führern. Das mögen wir hier gruselig finden, ändert aber nichts an den Tatsachen.

Last edited 2 Jahre her by Michael Palusch
imapact
2 Jahre her
Antworten an  Michael Palusch

Ihr Vergleich liegt leider völlig daneben. Die „einigen Zehntausend“ junger Deutscher, die damals hüpften (heute dürften es bereits weit weniger sein), entsprach gänzlich dem Interesse derer, die hierzulande das Sagen haben. Da war nichts spontan, sondern alles wohlorganisiert, mit freundlicher Unterstützung von Politikern, Lehrern, Eltern und den Medien.
Vergleichbar wäre es, wenn nun Zehntausende junger Iraner plötzlich für die Verschleierung und das islamische Sittenregime auf die Straße gingen… und da käme es dann auch kaum zu gewaltsamen Zwischenfällen, weil diese Forderungen ja völlig regimekonform wären.

Michael Palusch
2 Jahre her
Antworten an  imapact

„Vergleichbar wäre es, wenn nun Zehntausende junger Iraner plötzlich für die Verschleierung und das islamische Sittenregime auf die Straße gingen“ Gehen sie doch, dass steht selbst in diesem Beitrag. Aber natürlich sind diese unbedeutend. Was Sie als Sittenregime bezeichnen ist genau das, was die übergroße Mehrheit im Iran will, ob es uns hier nun passt oder nicht. Es ist auch nicht an uns das zu bewerten, wir hätten in Deutschland wahrlich mehr als genug vor der eigenen Haustür zu kehren. Wir echauffieren uns über die Zustände im Iran und sympathisieren mit den Demonstranten, während hier die Demokratie vor den Augen… Mehr

Last edited 2 Jahre her by Michael Palusch
hoho
2 Jahre her

Welche Rolle dabei Wirtschaftsprobleme haben ist bei dieser Gelegenheit auch nicht gesagt. Proteste in den großen Städten haben wir auch schon vorher gehabt. Ist also nicht das erste Mal. Jedes Mal ist das gescheitert, weil die Mehrheit (genauso wie bei uns übrigens) das alte Regime unterstützt hatte. Ich wünsche den Iranern alles gute. Nur sie sollten sich nicht allzu viel Hoffnung auf unsere Hilfe machen – wie gehen in die andere Richtung als man in dem Artikel vermuten lässt und unsere „Hilfe“ führt meist zu mehr Zerstörung. Besonders lustig finde ich aber, dass die Frauen im Westen, besonders diese die… Mehr

imapact
2 Jahre her
Antworten an  hoho

In woken/grünen Kreisen hierzulande wird das Kopftuch ja als Zeichen weiblicher Selbstbestimmung gefeiert und Proteste (durch die einheimische Bevölkerung) als xenophob, islam- und frauenfeindlich diffamiert. Letztlich werden solche Machtkämpfe immer innerhalb eines Landes entschieden, wenn der Druck der Bevölkerung einfach zu groß wird für die Machthaber. Leider gibt es eine große Wahrscheinlichkeit, daß das iranische Regime sich nicht so schnell aus den Angeln heben läßt und das Beben dort die nächste Migrantenwelle auslösen wird. Wird nur noch eine Frage der Zeit sein, bis unsere Politikdarsteller auf allen Kanälen verkünden: „Kommen Sie, Sie sind hier willkommen“. So, wie sie es vor… Mehr