Der Zusammenbruch der britischen Regierung wurde durch eine Finanzkrise ausgelöst. Deutschland und die EU stehen vor dem gleichen Problem.
Nach nur sechs Wochen im Amt als britische Premierministerin hat sich Liz Truss am Donnerstag gezwungen gesehen, ihr Amt inmitten einer Regierungskrise aufzugeben. Der Rücktritt war unausweichlich, nachdem sie mit dem Scheitern ihrer finanzpolitischen Initiative zur Stärkung des Wirtschaftswachstums ein Chaos an den Finanzmärkten verursacht hatte. Weder gelang es ihr, sich durch die zwischenzeitliche Entlassung ihres engen Vertrauten, Finanzminister Kwasi Kwarteng, zu retten, der für die Krise verantwortlich gemacht wurde, obwohl das krisenauslösende Mini-Budget auch Truss Handschrift trug. Noch konnte die sofortige Rückgängigmachung praktisch aller finanzpolitsicher Maßnahmen durch Kwartengs Amtsnachfolger, dem früheren Außenminister Jeremy Hunt, den Zusammenbruch ihrer Regierung verhindern.
In ihrer Rücktrittserklärung sagte sie, sie sei mit der „Vision“ angetreten, durch niedrige Steuern hohes Wachstum zu ermöglichen. Doch sie habe das Mandat nicht erfüllen können, für das sie von ihrer Partei gewählt worden sei. Gegenüber der BBC hatte sie bereits zuvor öffentlich Fehler eingeräumt: „Ich wollte etwas tun … Menschen bei ihren Energierechnungen helfen und das Thema der hohen Steuerlast angehen. Aber wir sind zu weit gegangen.“
Mini-Crash verhindert
Die neue Regierung von Liz Truss hatte ein paar richtige Töne angeschlagen. Kwarteng hatte verkündet, dass die neue Regierung bei der Förderung des Wachstums „mutig“ sein würde. Er versprach, dass sie den „gleichen alten wirtschaftlichen Managerialismus, der uns eine stagnierende Wirtschaft beschert hat“, beiseiteschieben würde. Stattdessen werde man sich darauf konzentrieren, „wie wir Investitionen und Wachstum freisetzen können, und nicht, wie wir besteuern und ausgeben. Es geht darum, die Größe der britischen Wirtschaft zu vergrößern“, so Kwarteng.
Die Regierung hatte die Erwartung geweckt, dass dieser Haushalt einen substanziellen Politikwechsel und sogar ein neues Denken ermöglichen würde. Die Reaktion der eigenen Tory-Partei aber auch bei vielen Bürgern und in der Finanzwirtschaft war eine Mischung aus Verwirrung und Alarmismus, denn die Regierung ließ weitgehend offen, wie das gewaltige Budget finanziert werden würde.
Der Haushalt löste in Windeseile Chaos an den Finanzmärkten aus, das die Bank of England zu Interventionen zwang. Nachdem das Pfund gegenüber dem US-Dollar, aber auch gegenüber dem Euro deutlich an Wert verlor, hob sie die Leitzinsen um 0,5 Prozent auf 2,25 Prozent an, den höchsten Wert seit 14 Jahren. Dennoch fiel das Pfund vorerst weiter und erreichte am 26. September ein Rekordtief gegenüber dem US-Dollar. Um die Krise weiter einzudämmen, durch die ganze Pensionsfonds von der Insolvenz bedroht wurden, stellte die Zentralbank 65 Milliarden Pfund für ein Notkaufprogramm für Anleihen bereit. Bis zum 14. Oktober, als das Programm auslaufen sollte, hatte die Bank 19,3 Milliarden Pfund ausgegeben.
Schockwellen in der EU
Als die Bundesregierung am 29. September ihren 200-Milliarden-Euro-Abwehrschirm verkündete, war es daher kein Zufall, dass der Bundesfinanzminister klarstellte: „Wir wollen ein klares Signal an die Kapitalmärkte senden. Auch wenn wir jetzt den Abwehrschirm nutzen, hält Deutschland an seiner stabilitätsorientierten und an Nachhaltigkeit interessierten Finanzpolitik fest. Die deutschen Staatsanleihen bleiben der Goldstandard in der Welt.“ Seine Ansage war klar: Deutschland sei sich trotz ebenfalls ausufernder Staatsausgaben mit bislang drei Entlastungspaketen von insgesamt etwa 100 Milliarden Euro und dem 200 Milliarden Abwehrschirm, die wie Kwartengs abgeblasenes Mini-Budget ebenfalls schuldenfinanziert werden, seiner Funktion als Stabilitätsanker der EU bewusst und werde seine Fiskalpolitik entsprechend ausrichten.
Diese Episode zeigt, dass die Zeiten vorbei sind, in denen europäische Regierungen relativ sorglos die Staatsschulden ausweiten konnten und dies ohne Reaktion an den Finanzmärkten möglich war. Denn trotz der Billionen Euro Zinseinsparungen durch die Niedrigzinspolitik des letzten Jahrzehnts haben die Staaten gigantische Staatsschulden aufgehäuft. Im Jahr 2007 lagen die Staatsschulden der EU-Staaten bei 6,7 Billionen Euro. Bis 2021 hatten sie sich, ohne Berücksichtigung der neuerdings von der EU aufgenommenen Schulden, auf 12,7 Billionen praktisch verdoppelt. Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt stieg die Staatsverschuldung der EU im 1. Quartal 2022 auf 95,6 Prozent. In Großbritannien sind die Staatsschulden im gleichen Zeitraum von 0,65 auf 2,2 Billionen Pfund zwar noch schneller nach oben geschnellt, aber die Staatsschuldenquote lag Ende 2021 nur wenig höher als in der EU bei 102,6 Prozent.
Während die Schulden steigen und nun in der Energiekrise der Versuch gemacht wird, Wohlstandsverluste durch weitere Staatsausgaben zu verschleiern, ist das Wirtschaftswachstum gelähmt. Wegen der auch in Deutschland voranschreitenden europaweiten Erosion der industriellen Wertschöpfung und schwindsüchtiger Unternehmensinvestitionen, hängt das wirtschaftliche Wachstum immer stärker vom privaten Konsum ab und der Fähigkeit der Staaten, diesen zu stabilisieren.
Europa lebt schon lange und sogar mit jedem Jahr immer umfassender über seine Verhältnisse. Die Staaten kaschieren die realen Wohlstandsverluste, die die Menschen nun erstmals durch massive Reallohnverluste spüren, mit Hilfe einer Wirtschafts- und Geldpolitik, die es erlaubt hat, die strukturellen wirtschaftlichen Probleme der Wirtschaft ignorieren zu können. Das Scheitern der britischen Regierung ist ein ernster Warnschuss. Er hat die enger werdenden Grenzen dieser Wirtschafts- und Geldpolitik aufgezeigt, die in den letzten Jahrzehnten zu einer schleichenden Zerstörung der Realwirtschaft geführt hat. Es bleibt zu hoffen, dass der Knall im Bundestag und von den Wählern gehört und verstanden wurde und die Fortsetzung dieser wohlstandsvernichtenden Wirtschaftspolitik endlich in Frage gestellt wird.
Mehr von Alexander Horn lesen Sie in seinem aktuellen Buch „Die Zombiewirtschaft – Warum die Politik Innovation behindert und die Unternehmen in Deutschland zu Wohlstandsbremsen geworden sind“ mit Beiträgen von Michael von Prollius und Phil Mullan.
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Ich sags spät aber ich glaube der Westen hat sich 1989/90 zu früh gefreut. Denn nicht nur der Ostblock blutete letztendlich an den enormen Ausgaben für Militärisches aus, sondern auch der Westen hat keineswegs die Speckschwarte gehabt wie behauptet. Letztendlich sind Militärausgaben immer ein Negativposten der Wertschöpfung. Genau dies dürfte jetzt nach jahrelanger Verschleierung auch der westlichen Schulden, die dafür gemacht werden mussten, offenbar werden. Nur heute wird mit allen Mitteln vertuscht, dass genau diese Frage überhaupt zu einem Überlegungsgrund zugelassen wird. Der Niedergang der wirtschaftlichen Potenz wurde auch durch Lehmannbrothers dokumentiert. Allein die Notwendigkeiten im Finanzsektor um die Folgen… Mehr
Laut Nigel Farage soll es sich um einen Coup bzw. Putsch der Globalisten handeln. Herr Jeremy Hunt sei jetzt der de facto PM:
What Really Just Happened In The UK… | ZeroHedge
Herr Hunt ist ein Zero-Covid Globalist, der sich früher auch gegen den Brexit ausgesprochen hat.
Hintergrund:
Liz Truss resigns, regime change success – The Duran
Ihr einziger und grosser Fehler war es, die Ausgabenkuerzungen nicht zu konkretisieren und gleichzeitig mit den Steuersenkumgen und dem Wahlgeschenk Energiekosten-Cap zu verkuenden.
UK und £ sind leider aufgrund seiner Abhaengigkeit von Kapitalimporten anfaelliger fuer solche Attacken als D&co.
Das Gros dieser Attacke war eh lobalistisch-politisch, nicht finanzgetrieben.
Fundamental gibt es ja ansonsten keine grossen Unterschiede. Im Gegenteil, nicht nur dass D’s Handelsbilanz negativ wird und es immer teurer wird den Suede zu finanzierten, auch hat UK kein unfinanziertes Pensionssystem.
Spaetestens das wird naemlich D und dem € mal das Genick komplett brechen.
Die wohlstandsvernichtende Finanz- und Wirtschaftspolitik nimmt nun richtig Fahrt auf. Das Grundproblem ist die extreme Verschuldung der meisten Volkswirtschaften: sie läßt die zur effektiven Inflationsbekämpfung eigentlich notwendigen Zinserhöhungen schlicht nicht zu, weil ansonsten viele Unternehmen und ganze Staaten bankrott gehen. Ansteigende Leit- bzw. Kapitalmarktzinsen gehen mit fallenden Anleihekursen einher. In England hat schon ein relativ geringer Zinsanstieg große Pensionsfonds in die Bredouille gebracht, weil ihre Anlagen so stark entwertet wurden, daß sie ohne weitere Kapitalaufwendungen (margin calls) ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr hätten nachkommen können. Um ein (internationales) Finanzbeben abzuwenden, griff die BoE ein, kaufte in größerem Umfang Staatsanleihen und sorgte… Mehr
Privater Konsum geht von der Wertschöpfung hauptsächlich nach China. Super Geschäftsmodell für EU.
Begonnen hat es damit, seine ausgedienten und erfolglosen Politiker in die EU und europ. Währungsunion abzuschieben. Jeder weitere Politiker dieser Coleur, der dazu kam, hat dafür gesorgt, dass die EU teilweise ein Sammelbecken für Erfolglosigkeit und Ideenarmut geworden ist. Im Gegenzug wurden Regeln und Verträge entweder grobfahrlässig mißachtet oder völlig neue Regeln zur Vorschrift gemacht, die absolut wirtschaftsfeindlich sind. Es ist immer problematisch, nur Theoretiker zu Wort kommen und bestimmen zu lassen, die schon vorher im wirklichen Leben immer gescheitert sind oder noch nie überhaupt praktisch etwas auf die Beine gestellt haben. Hinzu kommt gnadenloser Bürokratismus, der auch dem letzten… Mehr
Richtig !!! „Der Zusammenbruch der britischen Regierung wurde durch eine Finanzkrise ausgelöst. Deutschland und die EU stehen vor dem gleichen Problem.“ Diese EU liegt schon seit dem Brexit in der Agonie des Todes und wird sterben. Noch sehen wir die letzten spasmischen Zuckungen und Verrenkungen, des EU Körpers, der aber schon längst seinen Geist des Lebens ausgehaucht hat. Es geht in der EU nur noch um ein politisch organisiertes modernes Raubrittertum am Vermögen der EU Bevölkerung, zum Ruin künftiger Generationen. Was Italiener und Franzosen schon seit Jahrzehnten systematisch können, das Ausrauben ihrer eigenen Bevölkerung durch Staatsschulden, das haben dann die… Mehr
Und der Brexit.
Und Bolsonaro.
Und transphobe Genderkritiker*innen.
Und SUV-Fahrer.
Und „Wohlhabende“.
Und die Reichsbürger mitsamt der militanten 75-Jährigen aus Sachsen.
Und das rechte Lager, das Zivilgesellschaft und Demokratie zerstören will.
Und die böse, böse Atomkraft.
Und die „Klimaerhitzung“.
Und meine Katze.
Und ich.
Nur die Klebekinder auf den Autobahnen und in den Museen könnten uns noch retten, aber sie erfahren zu wenig Unterstützung.
Vielleicht war das Ganze auch – wie Nigel Farage behauptet – ein „globalist coup“, um ein ausscheren aus deren Reihen und Agenda zu unterbinden…
Natürlich wäre die Senkung der gigantischen Steuern ein gutes Ziel gewesen aber sie setzten da einen Premier vom Intellekt der Bärbock ein, die zudem noch zweimal innerhalb von 44 Tagen mit einem Atomkrieg drohte. Sie war ja vor ihrer Präsidentschaft schon bei Lawrow und wusste nicht, welche Gebiete zu Russland gehören. Lawrow kommentierte das Gespräch in etwa: Es ist, als ob ein Stummer mit einem Tauben spräche.