Großbritannien: Reform UK ist der heimliche Gewinner

Mehr als ihr eigener Sieg sie entzücken kann, entsetzte die Anhänger von Labour und Lib Dems der Aufstieg von Reform UK. Keine Stimme hatte die konservative Partei über lange Strecken des Abends.

picture alliance / empics | Joe Giddens
Nigel Farage, Vorsitzender der Reform UK, hält eine Siegesrede im Clacton Leisure Centre in Clacton, Essex, 5. Juli 2024

Analog zum Pyrrhus-Sieg könnte man den Starmer-Sieg als einen Triumph definieren, bei dem sich dennoch ein zehrendes schlechtes Gewissen einstellt, weil die Dinge im Untergrund doch gar nicht so klar sind, wie der oberflächliche Blick nahelegt. Am britischen Wahlabend herrschte eine merkwürdige Stimmung im Fernsehstudio der BBC. Man hätte eine Jubelstimmung erwartet, nicht nur bei den vermutlich links tendierenden Moderatoren, sondern auch bei einem Gast wie Peter Mandelson, einem legendären Spindoctor der Labour-Partei.

Doch die Versammelten waren ganz im Gegenteil betreten, weil zugleich mit dem Erdrutschsieg von Keir Starmer die Konservativen sehr nachgegeben hatten, wie man es erwartet hatte. Doch sie hatten nicht nur an Labour zu ihrer Linken abgegeben, sondern auch an einen Konkurrenten auf der Rechten: Reform UK könnte – laut Exit-Polls, Wählerbefragungen an den Wahllokalen – 13 Sitze gewonnen haben, was aus deutscher Sicht wenig scheint.

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Doch der Wähler-Swing von Labour zu Reform ist mancherorts enorm, genauso wie der Swing von den Konservativen zu Reform UK. Sogar im alten Wahlkreis von Peter Mandelson war eine Übernahme durch Reform denkbar. Und das macht einen solchen Vertreter der alten Eliten betreten, fast kriegsmüde. Und das ist doch eigentlich erstaunlich an einem solchen Tag des Triumphs für seine Partei.

Aber natürlich hat das Zusammenklappen des alten Gegners, der Konservativen auf etwas über 100 Sitze, einen Effekt auf Labour. Es verunsichert, so wie das Zusammenklappen der SPD nach Schröders Abgang auch einen Konservativen beunruhigen konnte. Es war das Signal dafür, dass etwas Neues kommen würde. Und das war an diesem Wahlabend ja auch schon der Fall.

Reform UK wird zum großen Gewinner

Aber war vielleicht alles nur eine Luftspiegelung? Im Schaubild der BBC stand Nigel Farages Partei anfangs direkt neben Starmers Labour, schlicht aus dem Grund, dass zufällig in den bereits ausgezählten Wahlkreisen „Reform UK“ insgesamt mehr Stimmen hatte als die Konservativen. Definitiv gewonnen hatte Reform da noch keinen Sitz im Unterhaus, aber die Tories hatten schon einen verloren.

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Es war mehr als ein Wahlkreis, den Labour zwar gewann, in dem aber Reform UK vor den Konservativen landete, mit Gewinnen von bis zu 22 Prozentpunkten. Das ist ein erneuter Adelsschlag für Nigel Farage und seine Kampagne. Und es bedeutet, dass Reform schon bei den nächsten Wahlen die Tories – die älteste Partei des Königreichs – ersetzen könnte. Aber die Konservativen werden wohl nicht so schnell aufgeben. Klar ist, dass beide Parteien durch Absprachen deutlich mehr Sitze hätten gewinnen können. Aber solch ein Kompromiss lag in Großbritannien noch nicht nahe.

Doch am Tag nach der Wahl stellt sich unvermeidlich die Frage nach der Zukunft Rishi Sunaks. Vielleicht bleibt sie das Thema auf den geleerten Bänken seiner Partei, aber die Chancen stehen gut, dass diese Frage bald schon zum öffentlichen Thema wird. Lee Anderson, der wohl bekannteste Übertreter von den Konservativen zu Reform UK gewann seinen Wahlkreis mit 17.000 Stimmen. Ganz früher war der Red-Wall-Kandidat auch bei Labour. Um 2.30 Uhr Ortszeit wurde Keir Starmer – feiernd und stumm – gesehen. Seinen jüngst in einer Nachwahl gewonnenen Sitz verlor George Galloway von der „Workers Party of Britain“, was Neil Kinnock (vor Urzeiten ewiger Labour-Führer in der Opposition) im Studio kräftig feierte: Galloway, der vor allem auf die Stimmen von Muslimen, Gaza- und Palästina-Freunden setzte, sei einfach „abstoßend, Abscheu erregend, widerwärtig“. Die Wahlbeteiligung war allgemein sehr niedrig, etwa bei 54 Prozent in Keir Starmers Wahlkreis, den er gegen ein halbes Dutzend Gegenkandidaten gewann.

Um diese Uhrzeit erwartete man auch den Sieg von Nigel Farage in seinem Wahlkreis.

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Kommentare ( 22 )

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EinBuerger
5 Monate her

Ich sehe das alles nur als Vorspiel an. Ich glaube, den eigentliche Siegeszug der nächsten Jahre/Jahrzehnte in ganz Europa werden islamische Parteien bestreiten. Wenn sich CDU und SPD, Labour und Tories, … noch so verbiegen können, wie sie wollen, aber entsprechende Wählerschichten das Original wählen.

Ahnungslos
5 Monate her
Antworten an  EinBuerger

Ihre Prognose könnte eintreten, aber ich vermute, dass Migranten, wenn sie auch nur halbwegs 1 und 1 zusammenzählen können, selbst irgenwann anfangen rechtspopulistisch zu wählen. Sie werden ihre wirtschaftlichen Verbesserungen kaum wieder hergeben wollen und die sinkende Produktivität Europas führt zu einem immer kleiner werdenden Kuchen, der durch Masseneinwanderung auf immer mehr Menschen verteilt werden muss. Da ahnen vielleicht einige, dass sie auf genau die Verhältnisse wieder zusteuern, wovor sie ürsprünglich mal geflohen sind.

Haba Orwell
5 Monate her
Antworten an  Ahnungslos

Noch wichtiger wäre die Ablehnung des Great Reset mit Dekarbonisierung und den anderen Abzocke-Projekten, die besonders schnell Verarmung bringen. Da ist etwa die AfD dagegen – nur die AfD in Buntschland. Reform UK Farages will gegen WEF und WHO kämpfen.

Boris G
5 Monate her

Am Ende werden es wohl doch nur vier Sitze für Reform UK werden – aber immerhin. Die Tories wird das massiv unter Druck setzen. Sie müssen sich nach Rechts bewegen. Keir Stamer wird es sehr schwer haben, seine Wähler bei der Stange zu halten. Wie will er die Wohnungsnot im Land lindern, wenn seine Partei selbstverständlich nichts gegen die Masseneinwanderung unternehmen will? Irgendwo müssen all die Zuwanderer aus der Dritten Welt ja hausen. Den NHS reformieren? Viel Spaß mit dieser sozialistischen Monster-Behörde.

Wilhelm Roepke
5 Monate her

Die Wähler werden ziemlich schnell erkennen, dass die Rezepte der Labour-Party auch nichts taugen. Es hilft alles nichts: die Fehler der Vergangenheit vom Kindermangel über die fehldende Sparneigung und der Bildungsmisere bis zu seltsamen Berufswünschen und unnötigem Konsumverhalten ziehen ihre Kreise. Die Lösung für die nächsten 30 Jahre ist relativ klar: die Briten müssen wieder mehr Kinder bekommen, auch wenn das Stockbetten statt Einzelzimmer für das Einzelkind heißt diese Kinder müssen besser ausgebildet werden. Und das bedeutet Physikunterricht statt Banklehre . Kurzurlaub in UK statt langer Urlaub im Ausland LKW-Führerschein machen statt so viel im Pub zu sitzen Premier-League-Spieler zu… Mehr

Haba Orwell
5 Monate her
Antworten an  Wilhelm Roepke

> Kurzurlaub in UK statt langer Urlaub im Ausland

Nichtwestliche Länder entdecken gerade die Freude am Reisen und kommen gleichzeitig wirtschaftlich voran. Farage erkennt die eigentlichen Probleme um Stichworte wie WEF – zwei Artikel dazu durfte ich weiter unten verlinken.

Schrumpfende Bevölkerung gibt es in etlichen Ländern der Welt – mit Ausnahmen vor allem in Zentralafrika und Zentralasien. Sollen das die neuen Vorbilder sein?

Boris G
5 Monate her
Antworten an  Wilhelm Roepke

Gute Vorschläge, mit denen sich allerdings in UK (und wohl auch in Deutschland) nur wenige Wähler locken lassen. Solange noch genug Geld fürs Fernsehen, Softdrinks, Chips und Bier vom Iceland da ist, wird sich an der Agonie wenig ändern.

Soistes
5 Monate her
Antworten an  Wilhelm Roepke

Ist alles richtig. Aber einiges fehlt in ihrer Liste. Nämlich totaler Stopp der Einwanderung mit Ausnahme weniger guter Spezialisten. Ausbildung eigener Facharbeiter statt Billigimporte. Stopp der Familienzusammenführung. Einwanderung nach dem Vorbild Japans steuern. Auflösung des Commonwealth. Schluss mit woker Propaganda in Medien und Universitäten die vom Staat ganz oder teilweise finanziert werden. Wiederherstellung eines positiven Selbstbildes der Nation.

Haba Orwell
5 Monate her
Antworten an  Soistes

> Wiederherstellung eines positiven Selbstbildes der Nation.

Einer Nation, welche immer noch Woker Konzernokratie mit Klimawahn zujubelt, welche immerhin zu 85% gewählt wurde und mit Waffengewalt in etliche Ecken des Planeten getragen werden sollte. Derartige Nation sollte endlich mal realisieren, was sie anrichtet – und darüber mindestens einige Generationen lang nachdenken.

Es ist übrigens nicht falsch, wenn man in Buntschland Reue für den Zweiten Weltkrieg empfindet – doch die Lehre daraus müsste zurückhaltende Normalität sein (was in der BRD sogar einige Jahrzehnte gelang) und nicht wie aktuell noch mehr Spinnereien.

Soistes
5 Monate her
Antworten an  Haba Orwell

Reue für etwas was weder ich noch meine Eltern gemacht haben, kann ich nicht empfinden.

Haba Orwell
5 Monate her
Antworten an  Wilhelm Roepke

> die Briten müssen wieder mehr Kinder bekommen, auch wenn das Stockbetten statt Einzelzimmer für das Einzelkind heißt

Wozu, wenn auch auf der Insel die Industrie schrumpft? Sollen die vielen Kinder später zu Soldaten für Kolonialkriege werden? Einen Bevölkerungsrückgang kann man in etlichen entwickelten Ländern des Planeten beobachten.

Soistes
5 Monate her
Antworten an  Haba Orwell

Stimmt, aber wenn die Intelligenten und Friedlichen keine Kinder bekommen und die Angehörigen kriegerischer Stammesgesellschaften jede Menge, und zusätzlich die Grenzen sperrangelweit offen sind, so führt das in den Abgrund. Und mit Verlaub, die Welt ist mir Schnuppe. Meine Kinder sind es mir nicht.

Last edited 5 Monate her by Soistes
schwarzseher
5 Monate her

Der Niedergang Europas einschließlich Endlands ist wohl nicht mehr aufzuhalten und wird sich aufgrund der in der Uktaine verplemperten Billionen beschleunigen. Daran wird auch eine Labour Regierung nichts ändern können. Was mich aber interessiert ist, wie die prozentuele Verteilung der Stimmen ist. Die Verteilung der Sitze sagt ja nichts darüber aus. Nach dem englischen ( und französischen ) Wahlrecht würde eine Partei alle Sitze erhalten wenn sie in jedem Wahlkreis auch nur eine einzige Stimme mehr als der Zweitplazierte erhält. Alle anderen Stimmen zählen nicht. Damit kann theoretisch eine Partei die Regierung stellen, die prozentual weniger Stimmen erhalten hat als… Mehr

Haba Orwell
5 Monate her
Antworten an  schwarzseher

> Der Niedergang Europas einschließlich Endlands ist wohl nicht mehr aufzuhalten und wird sich aufgrund der in der Uktaine verplemperten Billionen beschleunigen.

Wenn man bedenkt, dass die Welt gerade an der Kante eines Nuklearkrieges für Globale Woke Dysotopien von 1984-Qualität steht und westliche Gesellschaften mit minimalem Framing begeistert schlafwandelnd in diese Ungeheuerlichkeit rennen, ist der Niedergang verdient und hoffentlich endgültig – in dem Sinn, dass der Westen nie wieder der übrigen Welt irgendwelche Spinnereien aufzwingen kann. Milliarden „unnützer Esser“ meucheln – es wird so oft zitiert, wo gibt es im Westen Proteste dagegen?

hoho
5 Monate her

Egal welche Methode man nimmt – ob es wie in GB erste nimmt den Wahlkreis oder der wie in D. überall Überhangmandate – die echte Stimme des Volkes ist durch“Vertreter“ nie vertreten, weil es einfach nicht geht und es auch nicht gewollt ist. Einzige was hier halten kann ist direkte Demokratie nach dem Schweizerischen Model. Kein Wunder dass es selbst in der Schweiz Kräfte gibt, die das abbauen wollen – ohne Volk das mitreden kann, regiert sich einfacher. Das ist natürlich nicht so, dass direkte Demokratie nie Fehler zulässt. Das ist ein Traum, der nie wahr wird. Was direkte Demokratie… Mehr

MalNachgefragt
5 Monate her

„Reform UK wird zum großen Gewinner“ – da war wohl Wunsch Vater des Gedankens. Nach aktuellem Stand der Auszählung gewinnt Nigel Farages Reform UK gerade mal vier Sitze, genau so viel wie die Greens, und keine 13. Labour gewinnt 208 hinzu, hat ihre Sitze damit mehr als verdoppelt. Ganz zu schweigen von den Liberals, die 63 Sitze hinzugewannen – nach vormals 11. Da gibt nicht nur wenig schönzureden sondern gar nichts.Der entscheidende Punkt ist, dass Labour ihren Erdrutschsieg nicht einem charismatischen Keir Starmer oder gar einer starken politischen Programmatik zu verdanken haben sondern schlicht der maßlosen Enttäuschung der Tories und… Mehr

Boris G
5 Monate her
Antworten an  MalNachgefragt

So desaströs war die Entwicklung der Wirtschaft nach dem Brexit gar nicht. Das BIP-pro-Kopf ist eben nicht abgestürzt, sondern sogar gestiegen. Auch beim Wirtschaftswachstum steht UK nicht schlechter da als Deutschland.

Juergen P. Schneider
5 Monate her

Es sind vielerorts ähnliche Phänomene ungeachtet der verschiedenartigen Ausgangssituationen und der unterschiedlichen Wahlsysteme zu beobachten. Es haben sich in einigen Demokratien links-grün-woke Einheitsparteien bestehend aus einem früher sehr stark differenzierten Parteienspektrum gebildet. Unterschiedliche Parteien verfolgen nun eine links-grün-woke Einheitspolitik, die den Wählern zunächst nur die Wahl lässt, innerhalb dieses Parteienkartells von einer Seite des Kartells auf eine andere zu wechseln, ohne eine andere Politik zu erhalten. Seit einiger Zeit tauchen nun wirkliche Alternativen auf, die eine veränderte Politik versprechen, aber von den Kartellparteien gemeinsam bekämpft werden. Der Auflösungsprozess der Kartellparteien wird sich deswegen auf Jahre hinziehen und die ungelösten Probleme… Mehr

Haba Orwell
5 Monate her
Antworten an  Juergen P. Schneider

> Dann erst schlägt die Stunde der neuen Parteien, dann erst wird sich etwas zum Besseren wenden. Sofern die Kartellparteien nicht davor die echte Opposition verbieten, damit die richtigen Regierenden weiter kassieren können. Dagmar Henn hat in ihrem neuesten Artikel viel über Korruption geschrieben und zum Ende erwähnt, dass notfalls die Vogelgrippe-Plandemie bereits in der Mache sei. Die Korruption begann, als westliche Oligarchen realisiert haben: A) In einer unipolaren Welt nach einem „Ende der Geschichte“ (Fukuyama) gibt es keinen Wettbewerb der Systeme, daher braucht man dem Fußvolk („unnütze Esser“ laut WEF-Harari) keinen Wohlstand mehr zu bieten B) Wozu etwas für… Mehr

Yani
5 Monate her

Wer sich das Interview von Jordan Peterson mit Nigel Farage angesehen hat, kommt eigentlich nicht umhin den Farage als einen etwas eitlen und halbgebildeten Berufsnörgler zu sehen, der auch nicht die umsetzbaren, rettenden Ideen hat und es auch nicht besser könnte. Quasi das englische und rechte Pendent zu Sahra Wagenknecht.

Haba Orwell
5 Monate her
Antworten an  Yani

Etwa gegen WEF und WHO zu kämpfen finde ich absolut richtig:

https://uncutnews.ch/den-einfluss-des-wef-bekaempfen-und-aus-der-who-austreten-so-steht-es-im-manifest-der-uk-partei-von-nigel-farage/

Hier wird aus einem Interview Farages für die BBC zitiert – auch das klingt plausibel:

https://uncutnews.ch/nigel-farage-im-fernsehen-der-westen-hat-den-krieg-in-der-ukraine-provoziert/

Schade, dass Reform UK nicht weit mehr Sitze gewinnen konnte.

andreas donath
5 Monate her
Antworten an  Yani

Was Sie über Farage sagen, geht völlig an der Realität vorbei. Ein hoch gebildeter Mann, der sehr treffsicher erkennt, war im Argen liegt, nicht nur in GB, sondern in der gesamten fauligen, korrupten und megalomanen EU. Da Sie auch Frau Wagenknecht erwähnen: Das Bündnis Sarah Wagenknecht erweist sich immer mehr als Mogelpackung, um das Weiter-So zu ermöglichen und die Altparteienherrschaft zu stabilisieren. Den wirklich alternativen Kräften, sozusagen den deutschen Farages, will man damit Stimmen „klauen“. Von Frau Wagenknecht bin ich mächtig enttäuscht.

Last edited 5 Monate her by andreas donath