Britin zu Diversity-Kurs verurteilt: Sie wusste nicht, warum sie verhaftet wurde

Leeds im Juli: Eine Frau wird wegen eines hingeworfenen Kommentars zu Unruhen festgenommen und in eine Zelle gesperrt. Sie versteht nicht, warum. Der Fall wirft auch ein Licht auf die aktuelle Auseinandersetzung um ein schärferes Vorgehen der britischen Polizei gegen ethnischen oder religiös begründeten „Hass“.

Symbolbild

Inzwischen trenden Botschaften wie diese hier auf Online-Plattformen. „Wenn Sie dies hier retweeten, können Sie im Vereinigten Königreich festgenommen werden. Bitte retweeten Sie das nicht“, schreibt ein Nutzer anscheinend aus den sicheren USA. Zu sehen ist eine Menschenansammlung, die einen Slogan wiederholt. Eine Demonstration also, und es soll illegal sein, das online zu verbreiten? Tatsächlich handelt es sich um eine Demonstration gegen den jüngsten Protest, aber das ist wohl nur eine ironische Spitze des Tweeters, der von der Einäugigkeit der Polizei bereits ausgeht.

Der malaysische Journalist und X-Nutzer Ian Miles Cheong, der meist über US-Politik tweetet, weist darauf hin, dass schon das Zeigen von muslimischen Schlägertrupps auf britischen Straßen ein Vergehen gemäß der derzeitigen Anwendung britischer Gesetze sein könne. Zu dieser Gesetzgebung zählen inzwischen verschiedene Gesetze zu rassisch oder religiös begründetem „Hass“ offline und online, einige – wie das davon sind noch nicht einmal letztgültig vom Parlament verabschiedet.

Der Online Safety Act gehört in diese letztgenannte Kategorie. Auf Anregung des Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan will Premierminister Keir Starmer die darin enthaltenen Regelungen, die zunächst die Online-Plattformen selbst betreffen, noch einmal anschauen und bei Bedarf verschärfen. Khan hatte gesagt, das Gesetz reiche nicht aus, um Nutzer vor „Verletzungen online zu schützen“. Starmer scheint entschlossen zum Durchgreifen auch im britischen Online-Raum.

Gesetze gegen Hass – ein altes Thema in Britannien

Im Grunde kann man aber bis zum Jahr 1986 zurückgehen, als der Public Order Act, das Gesetz zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung, vorsah, dass „Rassenhass“ sowie Hass aus religiösen Gründen oder aufgrund der sexuellen Orientierung einer Person zu Verstößen gegen die öffentliche Ordnung führen bzw. diese schon alleine darstellen können. 2006 wurde noch ein Spezialgesetz, der Racial and Religious Hatred Act, beschlossen, der das Schüren von „Hass“ aufgrund des ethnischen oder religiösen Hintergrunds von Personen definitiv zum Verbrechen machte. Das hat ohne Zweifel mit der Kolonialgeschichte des Landes zu tun. Übrigens musste die herrschende Klasse schon Rücksicht auf die Muslime Pakistans nehmen, als das größere Indien noch zum Empire gehörte.

Aufstand in Großbritannien
Der Westen treibt die Zuwanderung voran, im Osten kann man weiter friedlich leben
Knapp war man an der Kriminalisierung von „beleidigender Sprache“ schlechthin vorbeigeschrammt. Satiriker und Comedians fürchteten schon, dass ihnen keine Scherze mehr über ethnische Gruppen möglich sein sollten. Bürgerrechtsaktivisten blieben jedoch dabei, das neue Gesetz sei eine gefährliche Angelegenheit, denn einmal aus der juristischen Besenkammer geholt, könne es zu einem effektiven neuen Blasphemie-Gesetz im Vereinigten Königreich werden. Das sagte die Menschenrechtsanwältin und Labour-Peeress Shami Chakrabarti, früher Leiterin der Bürgerrechtsgruppe Liberty.

Nun scheint der Zeitpunkt gekommen. Eine Britin aus Leeds berichtet Abenteuerliches von den Unruhen im dortigen Stadtteil Harehills, in den vor allem ortsansässige Roma und Muslime verwickelt waren. Die Frau wurde im Umfeld der Unruhen festgenommen, während das Zerstörungswerk selbst von den Ordnungskräften hingenommen wurde. Die Polizei hatte sich zurückgezogen, ließ den Unruhen ihren Lauf. Aber nicht den Kommentaren über die Unruhen.

Der illegale Kommentar der Frau

Die Frau verstand nach eigenem Bekunden über Stunden nicht, warum sie eine ganze Nacht in einer spartanischen Zelle verbringen musste. Sie befand sich in einem Schockzustand, sprach 13 Stunden lang kein Wort. Erst am nächsten Tag wandte sich ein gutwilliger Beamter an sie und sagte ihr, dass man sie aus dieser schwierigen Lage herausholen wolle. Man müsse sie aber wegen irgendetwas anklagen, da man sie ja nun einmal festgenommen hatte.

Die Frau verstand noch immer nicht: Anklagen weshalb? Was hatte sie überhaupt getan? Eine Straftat sei begangen worden, hieß es nun. Noch immer dämmerte nichts bei der Frau: „Ich weiß nicht, was mir vorgeworfen wird. Es hat offenbar irgendwas mit ‚Rasse‘ zu tun.“ Das weiß die Frau aber auch nur, weil man ihr zwei Stunden eines „Rassen-Bewusstseins-Kurses“ („racial awareness course“) auferlegte. Mit anderen Worten: Die englische Justiz hält es für angezeigt, verärgerte bis wütende weiße Briten, die am Rande von gewaltsamen Ausschreitungen vielleicht etwas herumkrakeelen, zu verhaften und danach in Diversity-Kurse zu stecken.

Die Frau kommt zu keinem weiteren Schluss, aber sie muss wohl etwas darüber gesagt haben, wie sehr „16 Jahre Einwanderung“ das Gebiet von Harehills „ruiniert hätten“. Zuvor hatte sie den Polizisten Tee und Süßigkeiten angeboten. Und dann kam sie an den falschen Polizeibeamten.

In den Kommentaren zu diesem Video findet man immer wieder die Überzeugung, dass die Zwei-Klassen-Polizei und -Justiz im Königreich schon lange besteht, mit einem ersten Höhepunkt bei den wöchentlichen Aufmärschen radikaler Hamas-naher Muslime in London, die durch keine Hass-Gesetze und damit zusammenhängende Festnahmen aufgehalten wurden.

Nun gibt es noch mehr Fälle, in denen häufig schon etwas bejahrten Briten vorgeworfen wird, gegen die Anti-Hass-Gesetze ihres Landes verstoßen zu haben, indem sie gewisse Dinge online teilten. Wo das Nachdenken aufhört und der „Hass“ beginnt, das ist manchmal sicher schwer zu bestimmen, wie der Fall der Frau aus Leeds zeigt.

Aus einem weiteren Video könnte man schlussfolgern, dass die Frau verhaftet wurde, weil sie sich nicht mit dem Polizisten einigen konnte. Aber das würde die Sache verharmlosen. Eine ernsthafte Querulantin sähe sicher anders aus. Laut weiteren Berichten wurde ein Mann in Leeds verhaftet, weil er gesagt hatte: „Geht nach Hause, wir Briten haben genug davon gesehen.“

Die Polizei und die Minderheiten

Im Gegensatz zu vielen Straftätern ohne Englischkenntnisse, die nicht einmal ihre Sozialstunden ableisten müssen. werden die Protestler gegen die Kindermorde von Southport mit mehr als zweijährigen Haftstrafen belegt. Kritiker weisen schon jetzt darauf hin, dass dies aufgrund der Belegung der britischen Gefängnisse zum Spießrutenlauf werden kann. Man denke an den Film „Flucht aus Alcatraz“.

Neuerdings kommen die quasi offiziellen Eingeständnisse leitender Polizeibeamter hinzu, die sich gleichsam unter den Schutz der muslimischen Gemeinschaften begeben haben und nur dank der Mitarbeit von deren Anführern noch so etwas wie die Fassade einer funktionierenden Polizeiarbeit aufrechterhalten können. Laut Kabinettsminister Nick Thomas-Symonds gibt es einen Unterschied zwischen „friedlichen Protesten“ und „Personen, die mit Waffen auf der Straße auftauchen“. Allerdings wurden nicht alle „Personen“, die in den letzten Tagen „mit Waffen auf der Straße“ auftauchten, mit der gleichen Härte des Gesetzes konfrontiert.

 

Interessant am Rande: Die offizielle Seite der Polizei war am Freitag vom Ausland her nicht erreichbar. Entwickelt sich das UK gerade zur Blackbox, was die Polizeiarbeit angeht? Sollen ausländische Journalisten vom Recherchieren abgehalten werden?

Der Protest der Väter und Mütter

Gelegentlich lohnt es, sich an den Ursprung der gesamten Protestwelle zu erinnern. Der Ruf „Rettet unsere Kinder“ hat Väter und Mütter über viele hergebrachte Grenzen hinweg vereint, seien das nun die Konfessionen in Irland oder auch Rassenschranken im gesamten Land.


 

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