Großbritannien setzt auf Kernkraft

UK will den Anteil der Kernenergie bis 2050 von 16 auf 25 Prozent erhöhen. Ein teures Unterfangen – doch das Königreich setzt auf Planbarkeit. Premierminister Sunak nannte die Kernenergie „perfekt“ für die energetischen Herausforderungen, der Trend geht zu kleinen Reaktoren. Von Wolfgang Kempkens

shutterstock/Yurchanka Siarhei

Großbritannien setzt auf einen gewaltigen Ausbau der Kernenergie, um die Klimaauflagen zu erfüllen. Bis 2050 sollen nahezu alle Kernkraftwerke, die heute in Betrieb sind und eine installierte Leistung von rund fünf Gigawatt haben, stillgelegt sein. Parallel dazu sollen 24 Gigawatt zugebaut werden, das entspräche acht Anlagen vom Kaliber des Kernkraftwerks Hinkley Point C im Südwesten von England, das derzeit im Bau ist und das Inselreich durch eine gewaltige Kostensteigerung nervt. Schon zum Start wird die Anlage mit einer Leistung von 3200 Megawatt, die sich auf zwei Blöcke verteilen, Strom deutlich teurer produzieren als Windkraftwerke. Sie wird vom französischen Unternehmen Framatome errichtet.

Trotz der Kostensteigerung will Großbritannien auf Kernenergie nicht verzichten, weil diese, anders als Erneuerbare, Strom weitgehend planbar produziert. Verfügbarkeiten von mehr als 90 Prozent sind bei diesen Anlagen keine Seltenheit, während Windkraftwerke auf 30 bis 50 Prozent kommen. Diese produzieren übrigen fast 30 Prozent des britischen Stroms.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Ungeachtet der Kostensteigerung ist das Ziel der„Civil Nuclear Roadmap“, die den Bau von neuen Kernkraftwerken orchestriert, „die Stromrechnungen zu senken, Tausende von Arbeitsplätzen zu unterstützen und die Energiesicherheit im Vereinigten Königreich zu verbessern“. Der Anteil der Kernenergie an der Energieversorgung im Vereinigten Königreich beträgt derzeit etwa 16 Prozent, 2050 sollen es 25 Prozent sein.

Die Roadmap „wird der Industrie Sicherheit über die zukünftige Ausrichtung des ehrgeizigen britischen Nuklearprogramms geben, zusätzlich zum historischen Engagement der Regierung zur Entwicklung der Technologie kleiner modularer Reaktoren (small modukar reactor/SMR)“, sagt die Regierung. Wichtigster Entwickler dieser kleinen Reaktoren mit einer Leistung von 470 Megawatt ist Rolls-Royce (Video dazu).

Statt der riesigen Anlagen, die bisher bei Neubauten vorherrschen, auch in Großbritannien, sollen dort künftig kleinere Kernkraftwerke gebaut werden, die dort Strom erzeugen, wo er gebraucht wird. Das soll die Kosten für den Transport des Stroms senken, der heute über teilweise hunderte Kilometer fließen muss, um seine Verbraucher zu erreichen. Am Standort Sizewell im Südosten Englands könnte allerdings noch ein Großreaktor gebaut werden, der eine Blaupause von Hinkley Point C wäre.

Der SMR ist nicht das Ende der Fahnenstange. Die Briten wollen für Kernkraftwerke der Zukunft, die einen Brennstoff mit einem höheren Anteil spaltbaren Urans (Uran 235) benötigen, eine entsprechende Anreicherungsanlage bauen, um auch hier für die Zukunft gerüstet zu sein. Bisher verfügen nur Russland und China über derartige Anlagen, die Brennstoff für die zivile Nutzung produzieren. Sie schaffen eine Anreicherung auf fünf bis 20 Prozent. In dieses Projekt will die britische Regierung umgerechnet rund 350 Millionen Euro stecken.

GOP28
Auf Klimakonferenz beschlossen: Mehr Kernkraftwerke, damit die Welt gerettet werden kann
„Kernkraft ist die perfekte Antwort auf die energetischen Herausforderungen, vor denen Großbritannien steht“, so Premierminister Rishi Sunak. „Sie ist umweltfreundlich, auf lange Sicht billiger und wird die Energiesicherheit des Vereinigten Königreichs langfristig gewährleisten. Sie wird uns helfen, bis 2050 maßvoll und nachhaltig Netto-Null bei den CO2-Emissionen zu erreichen.“

Das ist keineswegs eine Utopie. Laut Öko-Institut in Freiburg liegen die CO2-Emissionen von Kernkraftwerken, betrachtet man die gesamte Kette vom Bau über die Urangewinnung und die Entsorgung, bei 32 Gramm pro Kilowattstunde, Wasserkraft liegt bei 40, Windenergie zwischen 23 und 24 und Solarenergie kommt auf 101 Gramm. Kohle liegt zwischen 1153 und 949 Gramm.
Von 2030 bis 2044 sollen in Großbritannien laut Roadmap alle fünf Jahre Investitionsentscheidungen für neue Kernkraftwerke mit einer Leistung von drei bis sieben Gigawatt getroffen werden.

Angesichts der Kostensteigerung vor allem aufgrund von Verzögerungen des Baus scheint es illusorisch zu sein, dass Atomstrom „auf lange Sicht billiger“ wird, wie Sunak es ausdrückt. Doch bei kleineren Reaktoren könnte es tatsächlich klappen. Anders als bei Großanlagen, die weitgehend vor Ort gebaut und montiert werden müssen, werden SMR in großen Baugruppen in Fabriken industriell hergestellt und dann zur Baustelle transportiert, wo sie lediglich zusammengesetzt werden müssen. Diese Serienfertigung könnte die Kosten tatsächlich reduzieren, weil zusätzlich Risiken auf den Baustellen reduziert werden. Diese Hoffnung haben auch die Niederlande, die ebenfalls mit SMR liebäugeln.


Unterstützung
oder

Kommentare ( 19 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

19 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Stefan Ries
9 Monate her

Leider stehen in dem Artikel eine Menge ungenauer Informationen. Zwar ist es richtig, dass Hinckley Point C sehr viel teurer wird, als ursprünglich erwartet wurde, aber dieses Projekt ist nicht die Benchmark, weil in Großbritannien, genauso wie im Rest Europas, das KnowHow zum Bau so komplexer Projekte verloren gegangen ist. Das war in der Vergangenheit schon anders, weil in den Achtziger Jahren, vor allem in Frankreich, KKWs quasi in Serie gebaut wurden, und ebenfalls im Falle Frankreichs innerhalb von 15 Jahren über 50 KKW zu sehr günstigen Preisen gebaut worden sind. Und heute kann man bei den Koreanern KKW der… Mehr

Michael Theren
9 Monate her

einerseits ist Britannien Atommacht und benötigt bombenfähiges Material, andererseits scheint die Klimareligion hier Pate zu sehen….da wundert es dann wohl kaum wenn im Gegensatz zu den vernunftorientierten Staaten die KKW teurer werden als Windstrom….

Ob viele kleine Anlagen dann im Hinblick auf die „Terrorgefahr“ so eine gute Idee sind, kommt dann noch dazu….

Proffi
9 Monate her

England hat genug Kohle, deren Verbrennung dabei hilft, die Atmosphäre mit dem segensreichen CO2 zu versorgen. Alle Anstrengungen, CO2 einzusparen sind teurer Unsinn.

beccon
9 Monate her

Das Problem mit dem EPR Projekten in Finnland und UK ist weniger die Konstruktion oder gar die Kernkraft an sich sondern daß auch in Frankreich Know How und Humankapital in der Kerntechnik verloren gegangen ist. Zumindestens das kann nur besser werden, je mehr gebaut wird.

Stefan Ries
9 Monate her

Leider stehen in dem Artikel eine Menge ungenauer Informationen. Zwar ist es richtig, dass Hinckley Point C sehr viel teurer wird als ursprünglich erwartet wurde, aber dieses Projekt ist nicht die Benchmark, weil in Großbritannien, genauso wie im Rest Europas, das KnowHow zum Bau so komplexer Projekte verloren gegangen ist. Das war in der Vergangenheit schon anders, weil in den Achtziger Jahren, vor allem in Frankreich, KKWs quasi in Serie gebaut wurden, und ebenfalls im Falle Frankreichs innerhalb von 15 Jahren über 50 KKW zu sehr günstigen Preisen gebaut worden sind. Und heute kann man bei den Koreanern KKW der… Mehr

Albert Pflueger
9 Monate her

Bei den Entsorgungskosten der Windenergie ist mit einiger Sicherheit weder die restlose Entfernung der Fundamente und die Verfüllung mit geeignetem Boden, noch die Entfernung der Zufahrtsstraßen und die Aufforstung der ehemaligen Trassen einkalkuliert. Möglicherweise ist auch die Menge des erzeugten Stroms zu hoch, nämlich nach der installierten Leistung, bemessen, was das Bild mächtig verzerrt. Es wäre auch zu überlegen, ob dem Windrad nicht auch das zugehörige Gaskraftwerk zuzurechnen wäre, das man braucht, um ein Backup für die Leistungsausfälle der Windräder zu haben. Richtig wäre es darüberhinaus, zur Unzeit, als ohne Nutzen, erzeugten Strom rauszurechnen. Dann dürften die Gesamtkosten völlig anders… Mehr

murphy
9 Monate her

Warum zahle ich in Texas ünter 10 US-cent/kWh und in D über 30 €cent ? Es sind die Steuern auf Grundbedürfnisse wie Energie und Mobilität. Und in den USA sind Steuern auf menschliche Grundbedürfnisse verpönt Weil bei Grundbedürfnissen des Lebens die Politiker in D am schnellsten und berechenbarsten das Geld der Bürger abgreifen können. Ganz nebenbei: das CO2-Argument ist Unsinn. CO2 ist ein Nutzgas was die Ernährung sichert. Jedes Gewächshaus weiß es, Politiker wollen es nicht wissen. Der wesentliche Anteil von CO2 kommt aus Vulkanen und (in Laufe von ca 700. Jahren) aus den Ozeanen wenn sie durch die Sonnenstrahlung… Mehr

RMPetersen
9 Monate her

Das hört sich sehr logisch an, die Praxis zeigt jedoch bisher, daß auch GB nicht ind er Lage ist, Anlagen innerhalb vertretbarer Kosten- und Zeitrahmen zu installieren.

Stefan Ries
9 Monate her
Antworten an  RMPetersen

Hinckley Point C ist der erste KKW-Neubau seit Jahrzehnten. Ob Großbritannien tatsächlich nicht in der Lage ist, in Zukunft wieder (!) KKW zu vertretbaren Kosten zu bauen, wird sich innerhalb der nächsten Dekade herausstellen. Ich bin optimistisch, denn ein großer Teil der Kostensteigerungen ist den politisch gewollten Verzögerungen und einer daraus resultierenden Erhöhung der Kapitalkosten (!) zuzuschreiben. Bei einer politischen Unterstützung wird das nicht mehr im selben Maße der Fall sein wie bisher.

Kleinstaater
9 Monate her

Wenn ich mir so die Demoskopie in GB und Frankreich anschaue, dann stimmt mich das dortige Vorhandensein von hochradioaktivem Material nicht unbedingt glücklich. Und die Demoskopie ist auch der einzige Grund, weshalb ich letztlich froh bin, dass wenigstens dieses Problem in Deutschland nicht noch vergrößert wird.

Kernenergie ist etwas für stabile Gesellschaften mit Zukunft, in apokalyptischen und später dann postapokalyptisch-kriegerischen Zeiten ist sie viel zu gefährlich.

Diese ganze CO2-Argumentation ist politischer Nonsens. Die hemmungslose Bevölkerungsexplosion der Nicht-Europäer und die damit einhergehende Abholzung von Wäldern und Zerstörung der Meere sind die eigentlichen Umweltprobleme.

murphy
9 Monate her
Antworten an  Kleinstaater

Das relativ hochradioaktive Abfallmaterial der Brennstäbe kann durch Flüssigsalz-Reaktoren fast (90%?) nutzbringend „aufgeraucht“ werden. Dabei entsteht aus einer großen Menge Menge mit sehr langer Halbwertzeit eine viel kleinere Menge mit bemerkenswert kurzer Halbwertzeit. Dual-Fluid-Reaktoren ist das Wort dazu. Wieviel Lehrstühle hat D für diese Technologie ? (3) und wieviel mit Genderelevanz ? ( fast 200) die Anti-Atomkraft-Lobby war sehr erfolgreich. Jeder Röngtenarzt weiß die Gefahren von radioaktiver Strahlung und viele machen sich mehr Gedanken was die (quasi Zwangs-) Kranenkasse zahlt als was sie Strahlung anrichtet.

beccon
9 Monate her
Antworten an  Kleinstaater

Die ganzen Atombomben in den Händen von machtgeilen Politikern sind aber kein Problem?

Stefan Ries
9 Monate her
Antworten an  beccon

Was haben Atombomben mit Kernenergie zu tun? Genau gar nichts. Oder haben Finnland, Belgien, die Schweiz, Bulgarien, Tschechien, die Slowakei, etc Atomwaffen?

Derrick
9 Monate her

Kernkraft teurer als Windkraft? Selten so gelacht ??? – der Flatterstrom kann nur gestohlen bleiben und wenn diese ganzen CO2 Abgaben und Zertifikatehandel berücksichtigt wird – was ist dann unbezahlbar? Die Energiewende zerstört unseren Wohlstand!