Mitsotakis: Grenzzaun schützt Griechenland und die EU vor illegaler Einwanderung

Im griechischen Wahlkampf geht es auch um das nötige Maß an Grenzschutz. Der Stahlzaun am Evros, den einige nicht wollen, ist populär und scheint zu wirken. Nun wird er nochmals erweitert. Daneben warb Mitsotakis in Interviews für eine entschiedene Grenzpolitik auch in der Ägäis.

IMAGO / NurPhoto
Griechischer Premierminister Kyriakos Mitsotakis, 24. März 2023

In Griechenland steht Premierminister Kyriakos Mitsotakis am 21. Mai vor turnusmäßigen Wahlen. Kurz vor der Festlegung des Wahltermins hatte das schwere Zugunglück im thessalischen Tempetal mehr als 50 Menschen, meist Studenten auf dem Weg von Athen nach Nordgriechenland, das Leben gekostet. In der Folge sah das Land große, teils heftige Demonstrationen, in denen sich in üblicher Weise die Wut und Empörung mit politischen Absichten mischten. Mitsotakis hatte folglich eine „rauhe Ecke“ in seiner ersten Amtszeit zu überwinden.

Es war eine Katastrophe mit Ansage gewesen, vor der Fachgewerkschaften seit langem gewarnt hatten. Demonstranten in ganz Griechenland warfen freilich vor allem der aktuellen Regierung vor, nicht genügend für die Sicherheit der Strecke getan zu haben. Der zuständige Minister trat umgehend, noch am Ort des Geschehens zurück.

Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Regierung Mitsotakis es ernst mit dem Kampf gegen Korruption und andere Nachlässigkeiten meint, auch wenn dieselben nicht überall und umgehend abgestellt werden können. Man könnte von einer Art dezentralem „tiefem Staat“ sprechen, der solches verhindert oder zumindest aufhält. Mitsotakis greift in dieser Lage auf sein Reformer-Image zurück und verspricht im Wahlkampf erneut das verstärkte Angehen gegen verkrustete und korrupte Strukturen. So beklagt auch Premier Mitsotakis, dass junge Leute große Probleme haben, ein eigenes Dach über dem Kopf zu finden.

Ein Zaun, der vor illegaler Einwanderung schützt

In die öffentliche Aufmerksamkeit ist daneben die Migrationspolitik zurückgekehrt, bei der die Konservativen einige Erfolge vorweisen können. Die Zuströme nach Griechenland sind um vieles niedriger, als sie es in den Jahren zuvor waren. Ein Anstieg im vergangenen Jahr wurde inzwischen wieder umgebogen, wie das Migrationsministerium berichtet. Im Februar gab es demnach nur 841 illegale Einreisen am Evros und in der Ägäis. Im November 2022 – kurz nach dem Drama um die Schlepperin Baidaa S. – hatte es eine Spitze von 2.315 Einreisen gegeben.

Hart, aber gerecht – gerecht, aber effektiv. So nannten der griechische Migrationsminister und Premier Kyriakos Mitsotakis die Grenzpolitik ihrer Regierung wahlweise, als sie nun am Evros eine Erweiterung des Grenzzauns ankündigten. Durch den Schutz der nationalen Grenzen würden die Leben tausender Unschuldiger gerettet, vor allem in der Ägäis, in der noch immer gewissenlose Schlepperbanden agierten, sagte Premierminister Mitsotakis am 31. März zu den geladenen Gästen, im Rücken das Stahlgebilde, das sich lindwurmartig, mit einer asphaltierten Straße davor, durch die Landschaft zieht. Direkt dahinter zieht der Evros seine Kurven.

Kurz vor seiner Reise hatte der Premierminister zum Applaus seiner Zuhörer erklärt, dass der Grenzzaun ebenso „den Evros und das Vaterland vor den illegalen Invasionen der Migranten schützt“. Im März 2020 hatte sich das Land einem gewaltigen und gewaltsamen Ansturm an seiner Ostgrenze gegenübergesehen, der erkennbar von türkischen Kräften befeuert wurde. Das weckte die Widerstandskräfte auch der einfachen Griechen, die am Evros nie ganz gefehlt hatten. Die konservative Regierung beschloss, den Grenzfluss nach und nach vollständig mit einem massiven Zaun zu befestigen.

Fast doppelt so viele Anträge wie im Vorjahr
Armutsmigranten drängen nach Deutschland – die Tore sollen andere schließen
Der Ausbau des Zauns um weitere 35 Kilometer soll laut Mitsotakis 100 Millionen Euro kosten. Noch einige hunderte Millionen seien nötig, bis der Zaun die angestrebte Länge von 140 Kilometern erreiche. Es wird sowohl eine autonome Überwachung geben als auch weitere Grenzposten. Daneben sollen noch einmal 250 zusätzliche Grenzpolizisten eingestellt werden. Diese Zusatzstrukturen können schon heute von EU-Finanztöpfen profitieren, so lautet der neueste Brüsseler Kompromiss. Doch Mitsotakis versichert allen politischen Gegnern, auch der Zaun werde „mit oder ohne europäische Gelder“ fertiggestellt. Diese Entscheidung ist offenbar populär, auch wenn sie Geld kostet. Auch der Premier weiß darüber mit leichtem Pathos: „Der Evros eint und stärkt uns, damit wir unsere Zukunft allein bestimmen können.“

„Mauer ist ein notwendiges Instrument“ beim Grenzschutz

Im Interview mit Bild hat Mitsotakis seine Grenzpolitik auch einem deutschen Publikum zu erklären versucht. Seine Botschaft dürfte sich dabei zudem an die EU-Partner richten, von denen einige die griechische Grenzschutzpolitik kritisiert haben – etwa eine Annalena Baerbock, die in Athen etwa von „Pushbacks“ in der Ägäis sprach, die es zu vermeiden gelte. Dagegen wehrte sich Mitsotakis gleich zu Beginn des Gesprächs: Es sei unfair, einerseits von Griechenland den Schutz der EU-Außengrenzen zu fordern – wie es Macron, vielleicht sogar Scholz getan hat –, und dann mit dem Finger auf das Land zu zeigen, wenn es diese Aufgabe „im Namen anderer“ übernimmt.

Deutsche Einwände gegen neue „Mauern in Europa“ pariert Mitsotakis mit dem Hinweis, es sei ja eine Barriere an der Außengrenze der EU, die man notwendig schützen müsse, wenn man im Innern auf Grenzkontrollen verzichten will. Mitsotakis vermag nicht einzusehen, welchen Sinn Grenzen haben, wenn man sie nicht schützt. Das gilt natürlich umso mehr, wo es um EU-Außengrenzen geht, die auch laut EU-Recht zu schützen und zu kontrollieren sind. „Meiner Meinung nach ist eine Mauer ein notwendiges Instrument bei Landgrenzen. Sie stellt ein unersetzliches Teilelement einer ganzheitlichen Migrationspolitik dar.“ Eigentlich sieht der Premier das Gebilde nicht als Mauer, sondern als „künstliche Barriere“.

Aufgrund der Evros-Barriere und dank der griechischen Migrationspolitik insgesamt kämen heute weniger Migranten in die EU und damit letzten Endes auch nach Deutschland. In der Tat war Griechenland 2015 das große Einfallstor für die Masseninvasion nach Deutschland. Heute machen die Grenzübertritte zwischen der Türkei und Griechenland noch zehn Prozent der gesamten illegalen Migration in die EU aus. Auch der Zaun, so kann man aus einem Werbevideo der Nea Dimokratia zitieren, zeige, dass das Land sich zu einer höheren Effizienzstufe aufraffen kann.

In seinen Zaun will Mitsotakis eine Tür bauen: legale Wirtschaftsmigration

Im ersten Quartal 2023 sind die Ströme im östlichen Mittelmeer laut Frontex nochmals um acht Prozent gesunken (zusammen mit Zypern: 6.011 Einreisen), auf der Balkanroute um 22 Prozent, wo es fast 15.000 illegal Eingereiste in drei Monaten gab. An der zentralen Mittelmeerküste, wo es ein Plus von 305 Prozent gab, waren es – laut der italienischen Regierung – über 30.000 Landungen. Allerdings ist die Frage noch nicht beantwortet, woher die 15.000 Migranten auf dem Westbalkan stammen: Könnten sie doch durch den noch nicht eingemauerten Teil des Evros geschwommen sein? Möglich ist das nach wie vor, wie das Dramolett um die Syrerin Baidaa und den erlogenen Skorpionbiss zeigte.

Aber man kann sagen, dass die griechische Regierung aus diesen Erfahrungen Schlüsse gezogen hat. Die geballte Zuwanderung illegaler Migranten vom März 2020 habe auf „europäischen Boden“ gezielt, so Mitsotakis. Die Türkei sei das erste Transitland gewesen, das die „Migration“ damals als geopolitische Waffe einsetzte. Mitsotakis erinnert auch daran, dass damals die gesamte EU-Führung mit Charles Michel, Ursula von der Leyen und dem kroatischen Premier und Ratspräsidenten an die griechisch-türkische Grenze gekommen sei und dem griechischen Grenzschutz applaudiert habe.

Erneut machte sich Mitsotakis daneben das Zitat aus einem Artikel von Thomas L. Friedman in der New York Times zu eigen: Für eine gute Migrationspolitik brauche man „eine große Mauer mit einer großen Tür“, heißt es da. Mitsotakis öffnet so eine Tür (klein oder groß) für eine Zuwanderung, die er als sinnvoll ansieht: „Die große Mauer muss sicherstellen, dass wie unsere Grenzen verteidigen können. Die große Tür soll eine großzügige, legale Politik für die Aufnahme von Flüchtlingen oder auch ökonomischer Migranten in die europäische Familie darstellen.“ Man brauche schließlich „menschliche Ressourcen“, um das eigene Wirtschaftswachstum zu stützen. Hier darf man ein Fragezeichen setzen, zumal wenn Griechenland hofft, diese Ressourcen etwa durch ein Abkommen aus Pakistan zu bekommen.

Gleiche Asylregeln in EU werden „Asyl-Shopping“ beenden

Daneben geht es laut Mitsotakis bei einer umfassenden EU-Migrationspolitik auch darum, wie man sekundäre Migrationsströme steuert, die meist über Griechenland oder andere Länder nach Deutschland führen. Und auch die Frage, was mit abgelehnten Flüchtlingen passiert, spiele eine wichtige Rolle. Natürlich heiße man Menschen, die in Griechenland Asyl erhalten haben, im Lande willkommen. Das deutsche Niveau an Sozialleistungen könne sein Land allerdings nicht bereitstellen: „Können wir dieselben Beihilfen wie Deutschland zahlen? Nein, wir sind nicht so reich wie Deutschland. Ich kann den Flüchtlingen nicht höhere Sozialleistungen zahlen, als griechische Bürger sie erhalten. Ich denke, das ist für jeden verständlich.“

Der Premier gab allerdings einen Hinweis darauf, wie dieses Problem gelöst werden könnte: „Irgendwann werden wir dieselben Regeln für die Asylvergabe in der ganzen EU haben, so dass das sogenannte ‚Asyl-Shopping‘ an Popularität verliert.“

Auf die angeblichen „Pushbacks“, also Zurückweisungen an den Seegrenzen in der Ägäis angesprochen, sagte Mitsotakis mit zunächst ungewohnt ernster Miene: „Wir machen keine Pushbacks, aber wir fangen Menschen auf See ab. Wir sind der festen Überzeugung, dass dies im Rahmen der EU-Richtlinien geschieht.“ Gleichzeitig habe man tausende Menschen gerettet, die zu ertrinken drohten. Den Bild-Lesern, die das vielleicht gar nicht nötig hatten, möchte Mitsotakis erklären: „Je weniger Menschen auf dem Meer sind, desto geringer ist die Gefahr, dass Menschen ertrinken.“

Land- wie Seegrenzen sind zu schützen

Dass die Kommission derzeit zwar die Ausrüstung von Grenzern und auch Anlagen rund um Zäune finanziert, nicht aber die Zäune selbst, sieht der Premier als „große Verwirrung“ an. Immerhin habe aber unter anderem seine Regierung erreicht, dass der Konsens nun dahin gehe, dass Außengrenzen geschützt werden müssen. „Das verstand sich nicht von selbst“, sagte Mitsotakis im Fernsehsender Skai.

Mit einiger Bedeutung fügte er zudem hinzu: Es gebe Land-, aber auch Seegrenzen, die zu schützen seien. Diejenigen, die in Brüssel ihren Espresso trinken und ihre Croissants essen, sollten einmal an den Evros kommen und mit den Einheimischen dort reden, um zu verstehen, was Grenzschutz bedeutet, was aber auch die Instrumentalisierung der illegalen Migration durch einen aggressiven Nachbarn bedeutet. Das bezog sich vor allem auf griechische Abgeordnete der linksradikalen Syriza-Partei, die eine EU-Finanzierung von Zäunen grundsätzlich verhindern wollen.

Nachdem mindestens 15 Mitgliedsstaaten eine EU-Finanzierung von Zäunen und Grenzbarrieren gefordert hatten, beschloss der Rat, dass zumindest die technische Überwachung und andere Maßnahmen rund um einen solchen Grenzzaun aus EU-Geldern finanziert werden dürfen, was nun auch in Griechenland geschieht. 100 Millionen Euro seien dafür jetzt von der Kommission bereitgestellt worden, so Migrationsminister Notis Mitarakis. Im Radiosender Athina 9.84 sagte Mitarakis außerdem: „Das Thema Migration wird uns für Jahre beschäftigen. Griechenland wird weiterhin seine Land- und Seegrenzen schützen, entschieden und mit absolutem Respekt vor dem internationalen Recht.“

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Kommentare ( 9 )

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JuergenR
1 Jahr her

Douglas Murray hat darüber schon 2017 ein Buch geschrieben mit dem Titel „The Strange Death of Europe“.

ketzerlehrling
1 Jahr her

Entsprechend hoch und entsprechend gesichert muss dieser Grenzzaun sein. Aber das ist nicht genug. Die Grenzen im Osten sind offen und neben Ukrainern machen sich nun die Belarussen auf den Weg nach Dummland.

Jens Frisch
1 Jahr her

Bravo: Erst die Grenzen dicht machen, dann mehrere Millionen „Flüchtlinge“ deportieren, dann klappt es auch wieder mit der inneren Sicherheit!

Paul Brusselmans
1 Jahr her

Schauen wir einmal, was der Bundeskanzler beim Europäischen Rat mitunterschrieben hat. Damit ist er eigentlich für die Koalition untragbar. Jeden Tag daran erinnern…. „Die Europäische Union ist nach wie vor entschlossen, für eine wirksame Kontrolle ihrer Land- und Seeaußengrenzen zu sorgen. Der Europäische Rat begrüßt die diesbezüglichen Bemühungen der Mitgliedstaaten und a) bekräftigt seine uneingeschränkte Unterstützung für die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) bei der Erfüllung ihrer Kernaufgabe, die darin besteht, die Mitgliedstaaten beim Schutz der Außengrenzen, der Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität und verstärkten Rückführungen zu unterstützen; b) weist erneut darauf hin, wie wichtig es ist, dass das Einreise-/Ausreisesystem… Mehr

bkkopp
1 Jahr her

Es gehörte zum ursprünglichen Konzept von Frontex, der Agentur, Grenzschutzanlagen aller Art – Zäune, Überwachungssysteme, Drohnen uvam. – aus der EU-Gemeinschaftskasse zu finanzieren. Man hat diese urpsrüngliche Absicht aber weitgehend entgleisen lassen, weil Brüssel sich immer nur in nationale Angelegenheiten der Grenzländer einmischen wollte. Dies hat vor vielen Jahren mit Italien angefangen. Die Italiener haben dann Mare Nostrum selber gemacht. Deshalb ist aus Frontex eine Mißgeburt geworden. Grenzschutz ist Polizeiarbeit, die immer rechtlich, organisatorisch und personell in die jeweilige Polizei integriert sein muß. Frontex sollte nie eine EU-Bundespolizei unter dem Kommando von Brüssel werden. Die EU ist kein Bundesstaat, weshalb… Mehr

November Man
1 Jahr her

Deutschland schützt niemand vor Massenmigration. Außer die Deutschen tun das endlich selbst.

Ananda
1 Jahr her

1 Billion (inklusive „Wiederaufbau“) für den Ukraine Krieg. Mikrige 100 Millionen für eine Grenzzaun, der illegale Migration verhindern soll. Verstehe.

BK
1 Jahr her

Es sind nicht die Fachärzte und Ingenieure, die durch den Zaun an der Einwanderung gehindert werden. Und diese Armutseinwanderung wird niemals versiegen.

Marie
1 Jahr her

BORIS PALMER („GRÜNE“):
„Dieses Land ist wirklich an der Kante zu einem Absturz!“
https://www.youtube.com/watch?v=T-3ByN63C38