Giorgia Meloni hat gewonnen – jetzt muss sie liefern

Meloni feiert ihren Sieg, aber ohne triumphalen Gestus. Stattdessen zitiert sie den Heiligen Franziskus. Die Wähler haben ihrer Partei ein starkes Mandat erteilt – das die gnadenlosen Italiener ihr auch wieder rasch entziehen können, sollte sie nicht liefern. Meloni ist damit zum Erfolg verurteilt.

IMAGO / Independent Photo Agency Int.

Italien hat keine vermeintliche „Heilsbringerin“ gewählt. Es haben sich auch nicht die „Unzufriedenen, die Frustrierten und Politikmüden“ hinter Giorgia Meloni versammelt. Und vor allem hat das Mitte-Rechts-Bündnis auch nicht wegen eines angeblich die „Rechten“ begünstigenden Wahlrechtes gewonnen – das ironischerweise einst vom linken Partito Democratico unterstützt und den rechten Fratelli d’italia von Meloni kritisiert wurde. Die Narrativwelle findet auch nach dem Ende der Wahl kein Ende. Die Fakten sehen freilich anders aus.

Das Narrativ „Demokratie“ gegen „Faschismus“ war wirkungslos

Es ist bezeichnend, dass die linke Tageszeitung Repubblica in ihrer Berichterstattung einen nüchternen Ton an den Tag legte als so manches vermeintlich liberale oder gar konservative Blatt. Freilich: die weiter linksstehenden Zeitungen sprachen heute Morgen von einer „Schande“. Es ist aber vielsagend, wenn die Repubblica neutraler blieb als etwa die Welt, die Werte wie Gott, Familie und Vaterland als „faschistisch“ deklarierte. Demnach war auch Charles de Gaulle Faschist – so wie so ziemlich alle europäischen Politiker seit dem Trojanischen Krieg.

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Eine Niederlage ist eine Niederlage. Die Linke versuchte zuerst die Schlappe von Matteo Salvini als „Zusammenbruch“ einzuordnen, um damit von den viel größeren Enttäuschungen des Abends abzulenken. Da wurde etwa dem Movimento 5 stelle zugeschrieben, besser als gedacht abgeschnitten zu haben. Dass die bisher größte Partei des italienischen Parlaments rund 17 Prozentpunkte eingebüßt hat, kann man da leicht vergessen.

Doch auch der linke Partito Democratico geht geschwächt aus der gestrigen Nacht hervor. Sein Ergebnis von 2018 (18,8 Prozent) hat er nach jetzigem Stand nur um 0,1 Prozent verbessert – bei einer massiv gesunkenen Wahlbeteiligung. Während Salvini vor allem darunter litt, dass seine Partei der letzten Draghi-Regierung angehört hatte, und die Pro-Meloni-Stimmung sogar manchen treuen Lega-Wähler dazu führte, lieber die Römerin statt den Mailänder zu wählen, hatte Enrico Letta keinen vergleichbaren Konkurrenten im linken Lager. Er verlor damit vor allem gegen sich selbst. Er war das in Italien und im Ausland aufgebaute Gesicht des „Widerstands“ gegen einen vermeintlich neuerlich auf Rom marschierenden Faschismus. Doch das Narrativ hat sich als wirkungslos erwiesen. Vielleicht war es sogar kontraproduktiv.

Das Ausland formte aus einer abgeklärten Wahl eine Schlammschlacht

Um einige der prägnantesten Beispiele zu nennen: nahezu in ganz Italien sind die Fratelli d’Italia auf Provinzebene stärkste Kraft geworden. Die einstige Teilung in Hochburgen existiert nur noch bedingt. In der Lombardei und in Venetien schafft die Lega keine Mehrheit mehr. Und vom einst stolzen roten Zentralitalien, das mal vom Po bis zum Tiber reichte, ist nur noch ein widerständiges toskanisches Dorf namens Florenz samt Umland übrig. Letzteres wird übrigens ein Grund sein, warum Lettas Tage als linker Anführer gezählt sein werden, sobald etwas Ruhe eingekehrt ist.

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Die Lage vor Ort prägte Nüchternheit und Abgeklärtheit. Anders als das Ausland haben viele Italiener die Wahl nicht als historisch wahrgenommen. Zur Schlammschlacht hat sie das Ausland mitgeformt – ob nun durch die amerikanische Suggestion, Meloni und Salvini hätten Geld von Putin erhalten, dem Treffen Lettas mit dem deutschen Bundeskanzler oder auch die selten arrogante Floskel Ursula von der Leyens, man habe die passenden Werkzeuge auf der EU-Ebene bereit, wenn Italien nicht so springt wie es soll. Die Medien setzen diesen verloren Wahlkampf immer noch fort, obwohl sie zusammen mit den Linken jeden Fehler begangen haben, den sie begehen konnten. Sie waren Melonis beste Wahlhelfer.

Auch Melonis Auftritt in der gestrigen Nacht war fast auffällig zurückhaltend. Ja, man sei „stolz“ auf die gestrige Nacht. Aber da war auch viel Dankbarkeit: für die eigenen Unterstützer wie auch für Berlusconi und Salvini. Meloni sah es als einen Sieg des gesamten „Centrodestra“ an. Statt Superlative zu bedienen, zitierte sie lieber den Heiligen Franziskus. Das war kein populistischer Auftritt, sondern das freundliche Auftreten der römischen Frau von nebenan, die jetzt als Premierministerin in spe gehandelt wird. Da war Freude, aber kein Triumph. Meloni ist eben keine Populistin, sondern eine klassische Konservative mit teils abendländisch-europäischem statt bloß nationalistischem Einschlag – was im Übrigen nur bedingt für ihre Partei gilt.

Die Stärke der Fratelli d’Italia ist eine Hypothek für die neue Regierung

Jedem ist klar, in welcher Situation Italien steckt. Nicht Übermut, sondern Pragmatismus liegt derzeit in der Luft. Das Parlament muss zügig zusammentreten und einen Haushalt verabschieden. Inflation und Energiekrise bedrohen die Wirtschaft nach den Corona-Jahren. Die Ansprüche der Italiener sind nicht sonderlich hoch. Die Wähler wollen Stabilität, Ordnung und Berechenbarkeit. Mit der überwältigenden Mehrheit, den das Mitte-Rechts-Lager eingefahren hat, haben die Italiener ihren Teil der Abmachung erfüllt.

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Jetzt muss Meloni liefern. Der italienische Wähler hat erst gestern seine Gnadenlosigkeit gezeigt – die auch auf die Fratelli d’Italia zurückfallen kann. Der Absturz Salvinis, die Katastrophe der Sterne und die Watsche für Letta sind deutliche Signale. Deswegen steht Meloni unter Druck, vor allem in den Themen Migration, Corona-Maßnahmen und Preissteigerungen, wo sie Besserung versprochen hat. Sie ist weniger Hoffnungsträgerin denn Auftragserfüllerin.

Dabei könnten die Fratelli d’Italia auch über ihre eigene Stärke stolpern. Denn die Marginalisierung von Forza Italia und Lega und das Übergewicht der Nationalkonservativen sind eine Hypothek für das Lager. Meloni kann ihren Willen deutlicher akzentuieren, die Partner müssen sich bescheiden. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass Lega und Forza Italia über das bessere und erfahrenere Personal verfügen. Bei den Fratelli sind dagegen eine ganze Reihe neuer Leute eingezogen, die weder Erfahrung noch Kompetenz besitzen. Es gibt Veteranen wie den Ex-Verteidigungsminister La Russa, der auch überparteiliche Anerkennung besitzt. Es gibt aber auch Neulinge, die bisher noch niemand kennt.

Meloni muss sich im Kabinett zwischen Kompetenz und Loyalität entscheiden

Melonis Aufgabe wird daher auch sein, die eigene Partei zu mäßigen und dafür zu sorgen, dass der phänomenale Wahlerfolg ihren Parteikameraden nicht zu Kopf steigt. Davon hängt ein Großteil des Gelingens der neuen Regierung ab: Meloni wird sich entscheiden müssen, ob sie im Kabinett eigene Leute bevorzugt oder kompetentes Personal.

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Mitte-Rechts Wahlsieg in Italien: TE Wecker am 26. September 2022
Sollte die FdI-Chefin sich für Parität entscheiden und auch fähige FI-Urgesteine wie den ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Antonio Tajani oder Lega-Wirtschaftsfachleute vom Schlage eines Claudio Borghi befördern, steht Italien eine gut aufgestellte und stabile Regierung bevor. Sollte sie vor allem auf FdI-Loyalität setzen, konterkarierte sie ihren eigenen Anspruch, eine Nation anzuführen, die „auf Leistung“ beruht – und brächte nicht nur Unruhe in die Koalition, sondern verspielte auch das Vertrauen der Wähler, bestätigte sie doch damit den Vorwurf des Parteifilzes.

Am Tag nach der Wahl hat Meloni mit ihrer freundlichen, aber nicht triumphalen Erscheinung einen ersten Schritt gemacht. Die linken Parteien sind zwar besiegt. Doch die Medien werden unbarmherzig jeden Schritt Melonis prüfen, ob ihr die Schuhe des italienischen Regierungschefs nicht zu groß sind. Und die europäische Politik hat klargemacht, dass sie diese neue Ministerpräsidentin mit demselben Argwohn beobachtet wie die Rebellen in Warschau und Budapest.

Es ist keine Freude, italienischer Premierminister zu sein

Den Spielraum, den Meloni in ihrer zukünftigen Europa-Politik hat, schafft sie sich dabei selbst: ist sie fähig, strategische Allianzen zu schließen, Brüssel zu schmeicheln, wenn es nötig ist, und anzugreifen, wenn sich die Möglichkeit ergibt? Kann sie einerseits mit Brüssel kooperieren, ohne die Wähler daheim zu frustrieren und anderseits die Allianzen mit anderen Konservativen so stabilisieren, dass sie ein langfristiges Gegengewicht gegen die europäistischen Kräfte aufbaut? Italien mag hochverschuldet sein, ist aber immer noch die drittgrößte Volkswirtschaft der EU und die zweitgrößte güterproduzierende Wirtschaft der Union. Too big to fail. Das weiß Meloni, das weiß Brüssel.

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+++ Liveticker zur Parlamentswahl in Italien: Mitte-Rechts mit deutlichem Vorsprung +++
Es ist keine Freude, italienischer Premierminister zu sein. 67 Vorgängerregierungen bestätigen das. Für die erste Frau in diesem Amt gilt das ebenso. Doch Meloni hat einen Trumpf: die satte Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments. Sie hat – anders als viele brüchige Regierungen seit 1946 – Zeit. Sie kann sich kleinere Rückschläge erlauben. Und sie wäre der erste demokratisch legitimierte Regierungschef Italiens seit der Wahl Silvio Berlusconis seit dessen Wahl 2008.

Doch am Ende ihrer Bilanz muss sie zeigen, dass Italien besser dasteht als heute. Dann wird erneut abgerechnet. Die konservativen Wähler in Italien haben im Gegensatz zu den deutschen keine Ängste, der nächsten Alternative die Stimme zu geben, sollte Meloni scheitern. Sie ist daher zum Erfolg verurteilt. Caesar aut nihil („Alles oder gar nichts“) war schon immer der bewährteste Spruch in der italienischen Politik. Seit Jahrhunderten.

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Kommentare ( 44 )

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Marie M
2 Jahre her

Vielleicht revanchiert sich Giorgia Meloni für die Hetze aus Berlin und Brüssel, indem sie eine Luftbrücke Lampedusa – Frankfurt (Main) einrichtet. Faeser und Baerbock würden dafür wahrscheinlich sogar noch Steuermittel locker machen.

Dieter Rose
2 Jahre her

Der Südkurier titelt heute:
>Ein Trio zum Fürchten<
ich sage dazu:
Journalismus auf seinem Tiefpunkt.
Klar, bei 90% linker Gesinnung
der Presseleute kann man keine
Information erwarten, sondern
Indoktrination. Der Leser schluckt's.

bkkopp
2 Jahre her

Alles was viel Geld kostet kann Meloni nur liefern wenn ihr die Solidargemeinschaft von Euroland, über die EZB und über Eurobonds, zusätzliche Verschuldungskapazität zur Verfügung stellt, weil Bella Italia seit Maastricht, und seit der Euro-Einführung – insgesamt seit 30 Jahren – nicht daran gedacht hat, seine “ Demokratie “ so zu organisieren, dass sie ihren hypertrophen Staat, und die weit über die eigene Leistungsfähigkeit hinausgehenden Sozialleistungen wesentlich aus eigener Leistung und Wirtschaftswachstum, und nicht nur über immer mehr Staatsschulden zu finanzieren. Eine Verschiebung von links nach rechts, bei ideologisch-sozialpolitischen Themen, wird die fundamentalen Finanzierungsprobleme Italiens, und damit von Euroland, nicht… Mehr

Kuno.2
2 Jahre her
Antworten an  bkkopp

Auch Italien besitzt noch eine eigene funktionsfähige Notenbank und diese ist genau wie die Deutsche Bundesbank berechtigt Euro zu drucken, weil die EZB dazu nicht das alleinige Recht besitzt!

Horst Johnson
2 Jahre her

Von Meloni kann die AfD viel lernen.
Keine verfrühten Koalitionen mit diesen verwesenden Altparteien. Die Fratelli ließ sich nicht kontaminieren, im Gegensatz zu Salvini, der über wenig strategisches Geschick verfügt.
Fratelli machte mit niemandem der Altparteien Kompromisse, keine Koalition. Sie blieben ihrer Oppositionsrolle treu und ernten heute den Erfolg. Stark werden aus eigener Kraft, davon kann man viel lernen von den Brüdern Italiens.

Thomas
2 Jahre her

Schöne Worte von ihr. Aber ich bin skeptisch. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.

NochNicht2022
2 Jahre her

„Es gibt aber auch Neulinge, die bisher noch niemand kennt.“ vs. „Meloni wird sich entscheiden müssen, ob sie im Kabinett eigene Leute bevorzugt oder kompetentes Personal.“ Es kann nur einer der beiden Aussagen stimmen: Wenn man die Neulinge nicht kennt, kann man auch nicht wissen ob sie kompetent sind, oder? – Scherz beiseite: Meloni hat tatsächlich etwas Zeit. Und sie wird diese brauchen. Und: Salvini hat schon einmal einen Fehler gemacht. Er ist als eher unsicherer Kantonist gesetzt.

Don
2 Jahre her

Wo sind die italienischen Grünen geblieben? Die gab es doch, oder lese ich immer die falschen Zeitungen ?

Last edited 2 Jahre her by Don
Astrid
2 Jahre her

Die Italiener haben von dem EU-Laden die Schnauze gestrichen voll. Die italienischen Mütter und Töchter können in manchen Regionen nicht mehr allein auf die Straße gehen, weil die jungen Männer aus allen möglichen Ländern über sie herfallen. Das ist die Wahrheit. In manchen Regionen ist seit der dauerhaften Massenmigration, ebenso wie in Frankreich, Schweden, Dänemark und auch bei uns in Deutschland von Lebensqualität nicht mehr die Rede. Es ist dreckig und verwahrlost und Männer lungern in Horden den ganzen Tag rum. Es ist kein Ende in Sicht und so langsam begreifen die Leute, dass es mit dem friedlichen Zusammenleben speziell… Mehr

LadyGrilka55
2 Jahre her
Antworten an  Astrid

„Jetzt stellt das Volk die Regeln auf.“ Ihr Wort in Gottes Ohr! Und hoffentlich wird es immer mehr! Schon öfter schrieb ich, was ich momentan erst recht denke: Wenn eine Entwicklung an ihrem Kipppunkt angekommen ist (und einen solchen dürfte die von Ihnen angesprochene „Überdehnung des Bandes“ durch die Linksgrünen darstellen), dann beginnt das Pendel in die Gegenrichtung auszuschlagen, und das ist auch gut so. Immens wichtig ist jetzt allerdings, dass bei den Bürgern die Erkenntnis durchdringt, dass der Gegenpol von Linksgrün NICHT der Faschismus ist (denn der ist auch sozialistisch, auch wenn die linksgrünen Hass-Propagandisten das nicht gerne hören),… Mehr

Last edited 2 Jahre her by LadyGrilka55
Gaartz
2 Jahre her

Wenn es stimmen sollte, wie im Artikel behauptet, dass Meloni weder eine Populistin noch eine Nationalistin ist, wäre das tragisch und ihr Absturz nur eine Frage von Wochen, allerdings kann ich mir schwerlich vorstellen, dass sie tatsächlich gewählt wurde, um Brüssel „zu schmeicheln“, und zwar egal wann. Im Gegenteil hoffe ich, dass sie gewählt wurde, um den italienischen Nationalstaat, die italienische Souveränität und damit die Idee des Nationalstaats an sich zu stärken. Und wie Brüssel, die globalistisch regierten EU-„Nachbarn“ und die Globalisten im eigenen Land auf so etwas reagieren, sollte hinlänglich bekannt sein: mit absurden Nazi-Vorwürfen, EU-Strafverfahren, politischer Hexenjagd und… Mehr

Heinrich Wolter
2 Jahre her

Da hat ja die demokratische Presse Europas wieder eine Aufgabe: Hass und Hetze gegen Faschisten in Stellung zu bringen, Verleumdungen und Verdächtigungen zu verbreiten. Hat doch bei Trump und Boris Johnson ja schon so gut funktioniert.