Faeser inszeniert sich als Grenzschützerin – trägt aber nichts zur Lösung bei

An Faesers Ersatzkontrollen plus Dublin-Zentren zeigt sich, wie verhärtet die EU ist. Wer glaubt, zu verlieren, protestiert. Daneben gibt es Stimmen, die feststellen, dass hier etwas in die richtige Richtung geht – im Schneckentempo. Wirkliche Antworten werden dennoch anderswo gegeben.

IMAGO / Future Image

Es sind unterschiedliche Signale, die in diesen Tagen gesetzt werden und durch die Nachrichten zum Publikum gelangen. In Nordafrika wurden dutzende Migranten – dank dem gemeinsamen Vorgehen marokkanischer und spanischer Ordnungskräfte – am Grenzübertritt in die Exklave Ceuta gehindert. In Südfrankreich hat sich die Zahl der aus Italien ankommenden Migranten verringert. Derweil reiste der britische Premier Keir Starmer nach Rom, um sich bei Giorgia Meloni Tipps in Sachen Migration zu holen. Die niederländische Regierung hat einschneidende Änderungen am Asyl- und Migrationsrecht angekündigt, inzwischen auch offiziell durch den König in seiner Thronrede.

Und in Deutschland hat die Ampel an diesem Montag die Kontrollen auf die Grenzen zu allen neun Nachbarländern ausgeweitet. Nun folgt aus dieser Maßnahme erst einmal nicht viel. Es bleibt bei einer gebremsten Bundespolizei-Tätigkeit, von der man nicht weiß, ob sie überhaupt eine durchschlagende Wirkung auf die Asylstatistik hat. Denn so viele Zurückweisungen es auch gibt, wenn es keine „konsequenten“ sind, dann ist zu befürchten, dass der Abgewiesene es einfach nach ein paar Tagen nochmal probiert und dann eben doch „Asyl“ sagt oder seine Identität besser verschleiert, um eine Wiedereinreisesperre zu umgehen.

Faeser hätte dann nur die Zahlen „ihrer“ Bundespolizei erhöht und geschönt, aber an den Asylzahlen gar nichts geändert, so ähnlich, wie auch die deutsche CO2-Einsparung nichts am Weltklima ändert. Die Änderung der Migrationsströme wäre – als menschliches Phänomen – immerhin von der Politik zu leisten. Nur bedürfte es dazu stärkerer Signale aus Berlin, und die müsste man auch erstmal senden wollen. Am Willen aber fehlt es.

Eine Verschärfung der Migrationspolitik von unerwarteter Seite

Aus deutscher Sicht hat sich also an diesem 16. September nicht viel geändert. Im Ausland hat die deutsche Positionsänderung einiges an Staub aufgewirbelt. Aber auch der Grund für die Überraschung des Auslandes lag eher in der Entscheidungsfindung selbst, in dem politischen und demokratischen Druck, auf den Scholz und Faeser reagierten. Es sei die „bislang radikalste Entscheidung“ der Ampel in Sachen Migration, schreibt der konservative Figaro.

„Zu beobachten, wie die deutschen Sozialdemokraten ihre Grenzen wiederherstellen, kommt der Feststellung gleich, dass Maastricht, Schengen und die grenzenlose Vision einer entwurzelten Europäischen Union gescheitert sind“, meint ein erfahrener Kommentator aus Frankreich, Ivan Rioufol, im Debattenmagazin Causeur.

Das bretonische Blatt Ouest-France wirft versachlichend ein:. „Der Schengen-Raum, in dem sich die Europäer frei bewegen können, erlaubt punktuelle Kontrollen über einen bestimmten Zeitraum. Frankreich hat schon oft davon Gebrauch gemacht, auch für Berlin ist es nicht das erste Mal.“ Aber „ein Verstoß gegen die Schengen-Freizügigkeit“ sei das Ganze dennoch – und eine „Verschärfung“ der Migrationspolitik von unerwarteter Seite.

Für das italienische rechtskonservative Giornale ergibt sich „ein komplexes, ineffizientes Verfahren, das Erstankunftsländer wie Italien belastet und die Europäische Union bereits gespalten hat“ – vor allem durch Faesers geplante Dublin-Express-Rücküberstellungen. Ähnlich kritisch sieht man die Sache in Griechenland. In der ebenfalls rechtskonservativen griechischen Tageszeitung Estia findet sich daneben die Einschätzung, dass es auch mit der ökonomischen Lage Deutschlands zu tun haben könnte, dass Berlin plötzlich nicht noch mehr Zuwanderer haben will. Die Zertrümmerung der deutschen Wirtschaft nicht zuletzt durch absurde Energiepreise hat man wohl bemerkt. Im Übrigen werde diese deutsche Krise, die schon kein einfacher „Husten“ mehr sei, noch katastrophal für den Rest der EU sein.

Keiner will die „deutschen Flüchtlinge“ haben

Manch einer sieht eine Fortsetzung des deutschen Sonderwegs am Werk, so Renaud Girard, Autor von Büchern über den Nahen Osten, Pakistan und Afghanistan, im französischen Figaro. Erneut erscheint das deutsche Vorgehen unabgestimmt, wie schon 2015. Polen soll aus der Presse von den Kontrollen erfahren haben. Ebenso war Österreich über die Unionsforderung nach durchgängigen Zurückweisungen entsetzt und Griechenland über den dadurch zu erwartenden Rückstau auf der Balkanroute.

An der deutsch-polnischen Grenze gab es die jetzt verlängerten Kontrollen auch bisher schon. Die Polen haben offenbar grundsätzlich ein Problem mit der von Deutschland kontrollierten Westgrenze, weil so etwas natürlich das eigene Asylsystem belastet, und das steht durch Ankünfte vom Balkan und aus Weißrussland unter Druck. Polen zittert vor jeder Verschärfung, weil es stark auf den Abfluss nach Deutschland baut. Man kann es aber auch anders sagen: Die Polen sehen die Migranten aus Nahost und Afghanistan als „deutsche Flüchtlinge“ an, denen man selbst kein Asyl gewähren will.

Dublin-Rücküberstellungen passen da nicht ins Bild. Als Deutschland eine fünfköpfige Afghanenfamilie mit polnischer Registrierung wieder zurückschob, schlug Donald Tusk vor kurzem Krach – und bekam, was er wollte: Die Migranten wurden in den deutschen Südwesten, nach Karlsruhe gebrachte, wie TE exklusiv aus Bundespolizeikreisen berichten konnte. Das zeigt, woher der Wind bei Tusks Kritik bläst.

Dagegen traf der deutsche Vorstoß in den Niederlanden, Ungarn, Italien und Frankreich in wichtigen Teilen von Politik und Öffentlichkeit auf Zustimmung. Das könnte daran liegen, dass man sich dort, in diesen Ländern und Milieus, schon einmal eingehender über Migrationspolitik Gedanken gemacht hat und darüber, was man von ihr verlangt. Die „Entscheidungen der deutschen Regierung“ seien „Ausdruck des wachsenden Bewusstseins in ganz Europa, dass es notwendig ist, gegen Schleppernetze vorzugehen“, meinte etwas harmlos die Fratelli-EU-Abgeordnete Wanda Ferro. Dagegen will Ferro „eine legale und sichere Einreise für diejenigen … gewährleisten, die arbeiten können und die tatsächlich Anspruch auf internationalen Schutz haben“. Mit Arbeitsmigration hat der Aussiebeprozess an der Grenze aber immer noch nichts zu tun, insofern war das eine recht überflüssige Ergänzung.

Nehammer und Mitsotakis mit Balkanrouten-Logik

Am Ende, nach Klarwerden der wirklichen Ampel-Maßnahme scheint auch Österreich kein Problem mehr mit dem deutschen Vorgehen zu haben. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) war plötzlich sehr erfreut, dass „ein so großes und einflussreiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland jetzt auch in der Migrationsfrage umdenkt“ (wobei sich die Frage stellt, wie weit das geschieht). Dabei hatte sein Innenminister Gerald Karner ein paar Tage eher genau davor gewarnt. Da ging es noch ums „konsequente“ Zurückweisen und folglich auch Zurücknehmen von Migranten.

Der grüne Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich laut Standard sogar noch immer „überrascht“ ob der „improvisierten Art“ der Verkündung dieser Maßnahme, von der unklar sei, was sie für Österreich bedeutet. Kurze Antwort: offenbar gar nichts. Die ohnehin spärlichen deutschen Zurückweisungen seit einigen Jahren hat man in Österreich schon länger akzeptiert. Es geht dabei um wenige Fälle, nicht um durchgängige Zurückweisungen, also auch nicht um geschlossene Grenzen. Sonst wäre die bayrisch-österreichische Grenze seit 2016 geschlossen gewesen, was handgreiflich nicht so war.

Beim Besuch des griechischen Premiers Kyriakos Mitsotakis sprach Nehammer daneben von „der wichtigen Frage der Stärkung des Außengrenzschutzes“. Mitsotakis forderte auch prompt mehr EU-Mittel für den Schutz der Außengrenzen, und Nehammer will sich dafür einsetzen. Das liegt in der Balkanrouten-Logik, denn dadurch würde ja auch die österreichische Grenze geschützt. In Deutschland überlässt man dieses Politikfeld gerne den Österreichern. Niemand wollte sich damit in der bundesdeutschen Debatte bisher die Finger schmutzig machen.

Ist die CDU für den EU-Außengrenzschutz? Das war bisher nicht klar

Die (positiven) Reaktionen aus dem europäischen Ausland auf die deutsche Entscheidung zur Einführung temporärer Grenzkontrollen an allen neun Grenzen haben – wie häufig bei Reaktionen auf politische Entscheidungen in Nachbarländern – etwas Ungefähres, bei dem der Sinn und Antrieb der Handelnden nicht genau erfasst wird. Eher geht es um das allgemeine Klima und die politische Gefechtslage, die zu einer Entscheidung geführt haben. Wenn also Geert Wilders, Viktor Orbán und zuletzt der Franzose Éric Zemmour die Grenz-Maßnahme gelobt haben, dann ist das kein Lob der Ampelregierung, von Kanzler Scholz oder der Innenministerin, sondern die Begrüßung eines Schrittes auf die Opposition zu – zunächst auf die Union, die sich aber ihrerseits an den Positionen der AfD orientiert.

Man begrüßt also aus niederländischer, ungarischer oder französischer Sicht, dass eine neue politische Tendenz in Deutschland Raum greifen könnte. Auch der Parteigründer Éric Zemmour hat nun in einer Fernsehrunde hervorgehoben, der Grund für die wiedereingeführten Binnengrenzkontrollen sei der nicht funktionierende Außengrenzschutz der EU. Das ist inzwischen auch die Argumentation der Union und als solche neu. Man hatte bisher nicht gewusst, dass sich CDU und CSU einen strikten Grenzschutz an den EU-Außengrenzen wünschen. Offizielles Parteiprogramm war das jedenfalls nicht.

Allerdings hat die aktuelle Regierung die Unions-Argumentation nicht direkt akzeptiert, sondern sich nur dem medialen Druck gefügt und versucht, vor den Wahlen in Brandenburg ihrerseits ein mediales Signal zu setzen. Auch die Ampelkoalition will nun (vielleicht mit Ausnahme der Grünen) für mehr Zurückweisungen und eine schärfere Dublin-Praxis stehen.

Nancy, die Getriebene

Nancy Faeser gab als Grund für ihre Grenzkontrollen nicht etwa die fehlenden Grenzkontrollen an den Rändern der EU an. Eine Kritik am bisherigen Außengrenzschutz ist damit nicht verbunden, eher der (vorgebliche und vergebliche) Versuch, die Migranten in der EU umzuverteilen, so dass Deutschland (vorerst) etwas weniger abbekommt. Von der Freizügigkeit im Schengen-Raum profitieren am Ende aber auch die „anerkannten Flüchtlinge“ aus anderen EU-Ländern, wie die Deutschland-Einreisen afghanischer Asylanten aus Griechenland zeigen.

Für Zemmour ist all das einerlei. Denn er weiß gewissermaßen, dass Faeser keine eigene Agenda verfolgt, sondern von anderen in Deutschland vor sich hergetrieben wird. Für ihn haben „die Deutschen“ diese Entscheidung getroffen, nicht Nancy Faeser. Die hilflose Innenministerin Faeser ist sozusagen ein Instrument der Vorsehung geworden. Allerdings könnten jene Deutschen, die hinter der Entscheidung standen, etwa die Wähler in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, letztlich enttäuscht werden durch die ausbleibenden Ergebnisse dieser Grenzkontrollen. Das ist fast wie eine Wiederholung von 1989: Die Ostdeutschen wagen eine friedliche, demokratische Revolution und alles endet doch nur in Wessi-Machtspielen.

Faeser hat „konsequenten Zurückweisungen“ à la CDU/CSU (und letztlich à la AfD) eine Absage erteilt. Wer das Wort „Asyl“ sagt, wird nicht abgewiesen, sondern aufgenommen, egal wie schlecht sein Antrag begründet ist. Es geht gewissermaßen darum, den auf dieser Karte abgebildeten Zustand der Überlastung Deutschlands durch die syrische (sicher auch afghanische) Zuwanderung fortzusetzen und noch zu verschärfen. Gewisse Erfolge können die Kontrollen trotzdem zeitigen. Bei der Bundespolizei sind durchaus Könner im Hinblick auf Verbrecherjagd und Zurückweisung. Aber endlos können sie das erteilte Kontrollmandat dann doch nicht in Richtung Zurückweisung überdehnen.

Mitsotakis: Deutschland zieht Migranten durch Sozialleistungen an

Das deutsche Asylsystem hat Mitsotakis in Wien indirekt angegriffen und auf eine Absenkung der deutschen Sozialleistungen gepocht: „Es gibt heute in Europa Länder, die sehr attraktiv für Migration sind und Einwanderer und Flüchtlinge anziehen, die das Recht haben, sich legal zu bewegen. Das sollte Deutschland für sich selbst reflektieren.“ Aber: „Wir werden den Deutschen nicht vorschreiben, wie ihr Wohlfahrtsstaat organisiert wird.“ Genauso wenig möchte man Lektionen für den eigenen Staat von deutscher Seite erhalten. Robert Habeck soll in Thessaloniki eine Anhebung der Sätze auf deutsches Niveau gefordert haben.

Deutschland hat zum EU-Außengrenzschutz – jenseits grün-moralischer Gemeinplätze – keine erkennbare Position. Was in der Ägäis oder Ostpolen passiert, das bleibt heute in der Ägäis und Ostpolen, jedenfalls solange keine Delegation des EU-Parlaments zu Gast ist und die Verteidigung der EU gegen das illegale Schleuserwesen beklagt. In Italien darf Giorgia Meloni zwar frei walten, aber die deutsche „Zivilgesellschaft“ unterstützt weiterhin die NGO-Schiffe im zentralen Mittelmeer. Die italienische Kunst ist nun, ihnen so wenig kleine Boote zukommen zu lassen wie möglich, indem man den Zufluss in Nordafrika verstopft.

Die neuen Bilder aus der spanischen Exklave Ceuta in Nordafrika waren eben nur ein Hinweis auf eine viel breitere Realität. Am Sonntag hat sich erneut ein kleiner Ansturm ereignet, wohl nach Aufrufen in den sozialen Netzwerken, die dutzende Migranten – meist aus Subsahara-Afrika – Richtung Ceuta lockten. Die marokkanischen Behörden geben an, schon im Vorfeld dutzende Migranten festgenommen zu haben, vielleicht wäre eher von hunderten zu sprechen. Marokko musste laut Berichten „schätzungsweise 7000 Beamte“ einsetzen, um der Lage Herr zu werden. Die Migranten übten Gewalt aus und attackierten die Polizisten teils sogar mit Steinen. Am Ende konnten sämtliche Migranten vor der Exklave zurückgeschlagen werden. Es gab angeblich keine Grenzübertritte.

— Birgit Kelle (@Birgit_Kelle) September 16, 2024

Erste Erfolge in Nordafrika – nun kommt die Maghreb-Kommissarin

Das wäre ein Erfolg, für den die EU allerdings auch „bezahlt“, denn die EU-Länder waren Marokko in letzter Zeit finanziell zu Willen, daneben aber auch diplomatisch, wo es um die nach Unabhängigkeit strebende Westsahara ging. 2023 soll Marokko dafür 87.000 Migranten von der Weiterreise Richtung Ceuta oder übers Mittelmeer nach Festland-Spanien abgehalten haben. Dieses Jahr waren es auch schon über 45.000, wie das Innenministerium in Rabat erklärte. Von Marokko weichen die illegalen Migranten aber nun auf Mauretanien und den Senegal aus, von wo aus sie in Fischerbooten auf die Kanaren fahren.

Man sieht: Vereinbarungen mit Nachbarländern können effektiv sein. Das EU-Tunesien-Abkommen hat in der Tat zu einem Rückgang der italienischen Ankünfte um zwei Drittel geführt. Die Effekte spürt man bis nach Südfrankreich, wo im Grenzort Menton der Hauptübergang der illegalen Migranten aus dem italienischen ins französische Hoheitsgebiet liegt. Im privaten Nachrichtensender CNews berichten die Anwohner einhellig von zurückgegangenen Strömen.

Und auch Ursula von der Leyen hat den Braten gerochen und will durch eine eigene Mittelmeer-Kommissarin, die Kroatin Dubravka Šuica, zuständig vor allem „für die südliche Nachbarschaft“, die Lorbeeren für die sich bald intensivierende Zusammenarbeit ernten. Eigentlich ist es eine Kommissarin für den Maghreb und die Levante. Daneben besitzt sie – ganz offiziell – die Zuständigkeit für das Ressort „Demographie“.

Italien – Tunesien – Großbritannien – Albanien?

Nun ließ sich auch der britische Premier Keir Starmer von Giorgia Meloni beraten, was die Abwehr von „kleinen Booten“ angeht. Italien war dieses Jahr erfolgreich in der Disziplin „Drosselung des Zustroms“, was vor allem durch eine Vereinbarung mit Tunesien glückte, das sich nun – ähnlich wie Marokko – stärker bei der Unterbindung der illegalen Migration betätigt. Man stelle sich nur vor, was passieren würde, wenn Starmer mit Macron genauso umgehen würde wie Meloni und die EU mit den Nordafrikanern.

In linken Kreisen seiner Partei erntete Starmer durch die Italien-Reise natürlich Kritik. Wollte er am Ende etwas über das Albanien-Modell erfahren, kurz nachdem er das britische Ruanda-Modell gestoppt hatte?

Aber Starmers Rom-Reise ist nur eine weitere Facette desselben Europas, in dem auch Olaf Scholz bei der „neuen CDU“ und letztlich bei anderen in die Lehre ging, ohne allerdings alles gleich zu 100 Prozent umzusetzen. Man kann sagen: Grenzkontrollen in Deutschland können ein notwendiger erster Schritt sein, um das Feld der Asylbewerber auszudünnen und – vor allem – eine Botschaft in die Welt zu senden, dass es nicht so einfach ist. Aber im Grunde müsste viel mehr geschehen, um die illegale Zuwanderung in die EU zum Versiegen zu bringen und nur noch legale Zugangswege einzuräumen.

Schengen ist tot – und Faeser hat es umgebracht?

Ähnlich wie den Ein-Mann-Thinktank Zemmour muss es auch Wilders und Orbán nicht kümmern, wie Faeser ihre Handlungsweise begründet, ja, ob sie es überhaupt ernst meint, ob sie wirklich strikte Kontrollen an deutschen Grenzen wünscht. Für das Ausland zählt, dass sich in Deutschland etwas bewegt. Daraus lassen sich dann sogar Lehren für das eigene Land ziehen. So kann es offenbar nicht gegen das EU-Recht verstoßen, die eigenen Grenzen zu bewachen, auch wenn der EuGH das den französischen Grenzkontrollen immer wieder einmal vorgehalten hatte, wie Zemmour anmerkte.

Da Deutschland sich nun zu zeitweiligen Grenzkontrollen verstanden hat – Zemmour glaubt, dass sie dauerhaft sein werden –, sei Schengen offenbar tot. Zemmour ist hier ohne Erbarmen, er gibt dem Schengen-Raum keine Gelegenheit zur Erholung, keine Möglichkeit zur Reform. Es ist vorbei. Die geschlossenen Grenzen – erst Deutschlands, dann anderer Länder – läuten ein neues Zeitalter des Grenzschutzes ein, das nicht mit dem Schengener Grenzkodex vereinbar sein wird. Oder man wird diesen Kodex in jener Form, in der er dann angewandt wird, nicht mehr wiedererkennen. Das sind die explosiven Worte Zemmours, die den Brand an ein Bauwerk legen, das den Erwartungen nicht gerecht wurde.

Auch das Schengen-Visum ist ja keineswegs eine unproblematische Angelegenheit, wie Zemmour gleichfalls in diesem Zusammenhang festhielt. Es spaltet nämlich die europäischen Länder und macht sie anfällig für Missbrauch. Bekommt ein Algerier kein Visum in Frankreich, kann er es in Spanien oder Deutschland versuchen. Und wenn Annalena Baerbock die Visa-Druckpresse ankurbelt, schadet das auch anderen EU-Staaten, zu denen mögliche Gefährder aus Nahost und Zentral- bis Südasien Zugang erhalten.

Nebenbei sang Zemmour das Loblied Japans, das ohne wesentliche Immigration aus anderen Kulturkreisen – den koreanischen ausgenommen – weiterhin eine exportfähige Wirtschaft und erheblichen Wohlstand erhalte, dazu saubere Straßen und leere Gefängnisse.

Anzeige

Unterstützung
oder