Spanien war Jahrzehnte lang Nettoempfänger. Erst seit kurzem zahlt das Land mehr ein, als es bekommt. „Damit werden aber auch hier bald mehr Euro-Kritiker auf der Bildfläche erscheinen“, meint ein Analytiker.
Die Wahlbeteiligung der Spanier bei den EU-Wahlen war an diesem Sonntag um 15 Prozentpunkte höher als 2014. Was auch daran liegt, dass der 26.Mai in Spanien ein Super-Wahltag mit Kommunal-, Regional- und EU-Wahlen am selben Tag war. Die Sozialisten führen nach der ersten Hochrechnungen auf allen Ebenen, auch der EU, wo sie auf 32,8 Prozent der Stimmen kommen.
Demnach würde die PSOE 20 der für Spanien vorgesehenen 54 Sitze im Parlament der EU besetzen. Damit würden die Spanier die deutsche SPD als stärkste Partei in der Fraktion der Sozialdemokraten überholen. Zweite Partei bei den EU-Wahlen in Spanien ist die konservative PP mit 20 % der Stimmen, gefolgt von den liberalen Ciudadanos mit 12 %. Auf dem 4. Platz landete Unidos Podemos (zu vergleichen mit den Grünen) mit 10 %. Die aufstrebende rechte Vox kommt auf 6,2 % und wird damit zum ersten Mal ins Parlament der EU einziehen.
Sánchez zeigt politisches Gespür auf allen Ebenen
Zum klaren Sieg der PSOE hat auch beigetragen, dass Premier Pedro Sánchez geschickt einfädelte, die vorgezogenen Parlamentswahlen einen Monat vor den Super-Wahltag zu legen, wohlwissend, dass er gemäß der Umfragen klar vorne lag. „Auf dieser Erfolgswelle konnte er weiter reiten. Die Ergebnisse sind auf allen Ebenen ähnlich wie am 28.April“, sagt der politische Analyst des Think Tanks Real Instituto Elcano in Madrid, Ignacio Molina.
Klar ist, dass Vox ab heute auch zur politischen Landschaft bei Kommunen und Regionen sowie in Brüssel gehört, als klarer Verlierer steht dagegen erneut die konservative Volkspartei PP da. „Die Ergebnisse sind für alle drei Wahlgänge heute ähnlich, da wir in Spanien keine Anti-Europa-Partei haben“, sagt der spanische politische Analyst Miguel Laborda. Selbst Vox oder Unidos Podemos sprechen immer nur von grundsätzlichen Reformen in Brüssel. Die beiden Extreme der politischen Landschaft in Spanien können damit nicht mit Zugewinnen von EU-Kritikern rechnen. Davon gibt es auch wenige im Land.
Auch wenn bei allen Umfragen zum Vertrauen der Spanier in die EU-Institutionen immer wieder herauskommt, dass die Menschen zwar nicht besonders an die Effizienz der EU glauben und ihr nicht besonders vertrauen, erkennt die Mehrheit der Spanier an, dass der Eintritt des Landes in die Gemeinschaft 1986 ein voller Erfolg war, vor allem wirtschaftlich. Spanien war Jahrzehnte lang Nettoempfänger aus Brüssel, baute Brücken, Autobahnen und Flughäfen mit dem Geld aus den EU-Fonds. Erst seit kurzem zahlt das Land mehr ein in Brüssel, als es aus den verschiedenen Töpfen bekommt. „Damit werden aber auch hier bald mehr Euro-Kritiker auf der Bildfläche erscheinen“, glaubt Laborda.
Spanien wählt unter eigenartigen Gepflogenheiten
Abgesehen von den Ergebnissen sind immer noch einige Gepflogenheiten der Spanier beim Wählen im europäischen Vergleich als eigenartig zu bezeichnen. Spaniens Demokratie ist noch nicht so alt, daran mag es liegen, dass politische Abstimmungen auch 41 Jahren nach der Verabschiedung der Verfassung nicht wirklich geheim ablaufen. In den meisten Wahllokalen geht niemand in die Kabine zum wählen.
Auch in Pozuelo, im Nobel-Vorort von Madrid, wo viele der spanischen Politiker leben, wird es nicht so genau genommen mit der „geheimen Wahl“. Jeder nimmt sich „seinen“ Wahlzettel von den Tischen, die um die Kabine aufgestellt sind. In die geht niemand rein und selbst wenn, könnten alle ihn beobachten. Ich kann an diesem Tag auch wählen und es macht mir nichts, dass andere sehen, was ich wähle. Aber anderen könnte es etwas ausmachen. Wie dem jungen Mann neben mir, der Vox wählt. Er zögert erst, steckt aber dann den Wahlzettel der aufstrebenden Rechtspartei in alle drei Umschläge: die für EU-Wahl, die Kommunalwahl und für die Wahl in der Region Madrid.
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