In einer Rede in Istanbul bestätigte Erdogan seine erträumte Stellung als Anführer der Muslime. Doch bleibt es bei der Phantasie? Seine Anhänger forderten Truppen in Gaza. Die Türkei ist dort längst auf andere Weise engagiert. Israel hat alle Diplomaten aus dem Land am Bosporus abgezogen.
Eigentlich müsste ein Auftritt wie der von Recep Tayyip Erdogan am Sonnabend alle Alarmglocken schrillen lassen, vor allem in der Nato als dem Bündnis, das dem türkischen Präsidenten noch immer ein gewisses Prestige in der westlichen Welt gibt. Tatsächlich hatte Erdogan vieles schon gesagt, was er nun in Istanbul vor einem wahren Meer an Zuhörern wiederholte. Doch die aktuelle Zuspitzung der Lage und seiner Worte ändert vieles. Damit wird eine Frontstellung zur Gewissheit, mit der Erdogan seit langem spielt, die aber von seinen westlichen Partnern kaum je thematisiert wird.
Erdogan trug einen eleganten Seidenschal, dessen Muster allerdings an ein Palästinensertuch erinnerte. Den gleichen Schal trug seine gesamte versammelte Entourage. An beiden Ende des Schals, die auf Erdogans linker und rechter Brust lagen, waren die türkische und palästinensische Flagge zu sehen. Das war aber nur das äußerliche Zeichen einer Verbundenheit, die für Erdogan offenbar nichts anderes als eng sein kann. Das kam in jedem Satz seiner Rede zum Ausdruck, die er laut türkischen Angaben vor 1,5 Millionen Menschen hielt. Ein großartiger Erfolg für den bekennenden Muslimbruder Erdogan, der die Rede angeblich mit den Worten schloss: „Nun wisst ihr, wen ihr wählen müsst.“
Zuvor hatte der jüngst nur mit knapper Mehrheit wiedergewählte Präsident seine Solidarität und Freundschaft mit der Hamas in den lebendigsten Farben ausgemalt. Für Erdogan ist freilich nicht Hamas die Terrororganisation, sondern der Staat Israel eine mörderische Besatzungsmacht. Einziges Zugeständnis Erdogans an die Wunden Israels: Erdogan sagte, er sei traurig über jeden Tod eines Zivilisten, auch über den Tod der israelischen Zivilisten, doch für Israel gelte diese Sorge eben nicht, wo es um palästinensische Zivilisten gehe. Außerdem bezweifelte Erdogan die Zahl der israelischen Opfer des Terrorangriffs der Hamas von 7. Oktober.
Gaza war für uns dasselbe wie Adana – die Hymne seiner Anhänger
Der wichtigste Zug seiner Rede war dann der Panislamismus, obwohl derselbe immer im Gewand des einstigen „Erhabenen Staates“, des Osmanischen Reichs, auftrat. Gaza-Stadt sei einst dasselbe „für diese Nation und dieses Land“ gewesen wie heute die noch immer türkische Stadt Adana. Genauso seien einst Skopje (im heutigen Nordmazedonien) oder das griechische Thessaloniki dasselbe gewesen wie heute Edirne und Kirklareli, Mossul im Irak sei vergleichbar gewesen mit Mardin in der Türkei und das syrische Aleppo ähnlich dem türkischen Gaziantep. Grenzen existieren der Hauptsache nach nicht in Erdogans Denken, sie sind zum Überwinden da, um niedergerissen zu werden im Namen der islamischen Weltanschauung.
Erdogan versucht so, die größere Region – egal ob in Asien oder Europa – als alten und legitimen Interessenbereich seines Landes, der modernen, vor hundert Jahren geformten Türkei, zu proklamieren. Was das für die europäischen Nachbarn, für Griechenland und den Balkan heißt, mag man ein anderes Mal erwägen. Aktuell geht der Blick des Neo-Osmanen Erdogan hin zum Nahen Osten, mit dem er sich sympathetisch verbinden will. Und das nicht zufällig gewählte Schmiermittel heißt hier Islam. Erdogan beklagt, offenbar mit Groll gegen die maßgeblichen Akteure jener Zeit oder gegen die Zeitläufe allgemein, man sei von diesen Landstrichen getrennt worden, und doch seien sie so sehr Teil des eigenen Selbst wie das eigene Blut, das eigene Leben und die eigene Liebe.
Man sieht, die Verstrickung Erdogans in die Finanzierung und die Geschäftsinteressen der Hamas ist alles andere als ein auf opportunistische Weise entstandener Zufall. Sie ist konsequent, wenn man die gesamte aus Islam und Osmanentum zusammengesetzte Ideologie des türkischen Präsidenten und seiner Partei in Betracht zieht. Zuletzt sind ja auch die AKP und die Hamas als Muslimbrüder-Filialen direkte Schwesterorganisationen. Als Erdogan seine Solidarität mit Gaza bekräftigt, wird eine Kampfeshymne aus dem 1,5-Millionen-Auditorium angestimmt – dezent, aber immer lauter anschwellend.
So wie die Stadt Gaza einst unter der Oberhoheit der osmanischen Sultan-Kalifen stand und folglich bis heute zu „unserer Nation“ gehöre, so hätten auch „Märtyrer“ aus Gaza in der Schlacht von Gallipoli (Erster Weltkrieg) gekämpft, sagte Erdogan weiter. Die Unabhängigkeit der einst osmanischen Gebiete will Erdogan hier wieder einmal nicht wahrhaben. Vor allem aber geht es um eine aktuelle Aktivierung der Glaubensgemeinschaft der Muslime, wie ein neues Statement des Diyanet-Chefs Ali Erbas zeigt: Gaza gehöre wie Jerusalem den Muslimen, der Glaube der Juden sei „schmutzig und pervers“. Das ist der Glaubenskrieg, den auch Erdogan meint und den seine Religionsbehörde Diyanet auch in Gestalt der „deutschen“ Ditib an den Mann bringen dürfte.
„Wir können plötzlich in der Nacht kommen“ gilt ab sofort auch für Gaza
Es ist ein diffuses „sie“, das diese Aufteilungen der großen „muslimischen Nation“ vornahm, der Erdogan heute vorsteht. Der letzte Sultan Abdülhamid II. habe hart um Palästina gekämpft. Das heutige Israel sei dagegen auf ungeklärten Wegen in den Besitz dieses Landes gekommen. Erdogan stellt eine provokative Frage, die er umgehend beantwortet: „Israel, wie bist du zu diesen Ländereien gekommen? Du bist ein Eindringling.“ Der Westen unterstütze Israel nur, als ob er es um Vergebung bäte. Dieses Problem habe die Türkei nicht: Sie schulde Israel nichts. Das ist vermutlich ein Verweis auf die postkoloniale Denkschule und die vermeintliche europäische Schuld an der Entstehung Israels. Erdogan stellt sich hier auf der „korrekten“, antikolonialen Seite der Geschichte, obwohl man das von ihm verherrlichte Osmanische Reich durchaus als Kolonialmacht ansprechen kann, das neben Teilen Europas auch weite Gebiete Asiens und Afrikas für sich beanspruchte, in denen Türken nie heimisch waren.
Erdogan vergleicht Gaza mit der Ukraine, die vom Westen mit Krokodilstränen bedacht worden sei. Doch Gaza werde gar nicht geholfen. Und da beginnt Erdogan den Teil seiner Rede, der am pathetischsten ist, am meisten geeignet, Türken und Muslime zu erheben und Westler und Christen zu entsetzen: „O Länder des Westens! Wollt ihr den Krieg zwischen Halbmond und Kreuz von neuem beginnen? Aber wenn ihr etwas ähnliches vorhabt, dann solltet ihr wissen, dass diese Nation nicht tot ist. Diese Nation steht aufrecht. Was immer wir in Libyen und in Berg-Karabach waren, das werden wir auch im Nahen Osten sein.“ Das war ein Verweis auf militärische Erfolge der Türkei. Und so kam hier auch Erdogans Kampfmotto zum Tragen: „Wir können plötzlich in der Nacht kommen.“ Es soll nun auch für Palästina gelten. Die Menschenmenge forderte türkische Truppen im Gazastreifen, stimmte schon zuvor in Rufe ein: „Hier ist die Armee! Hier ist der Befehlshaber!“
— Abdullah Bozkurt (@abdbozkurt) October 28, 2023
Der Westen sei am meisten verantwortlich für die Blutbäder in Gaza, jener Westen, den Erdogan allerdings mit den Worten eines toten Dichters als „Ungeheuer mit einem Zahn“ beschreibt. Israel sei nichts weiter als ein Bauer, den der Westen, wann immer er das wolle, opfern werde. Israel sei abhängig von der Unterstützung des Westens, keine drei Tage könne das Land ohne diese Hilfe auskommen. Irgendwann werde es sich allein in der Region finden, zusammen mit seinen Feinden. Doch Erdogan scheint Israel auch seine Hilfe für diesen Fall anzubieten: „Seien Sie sicher“, sagt er an die Israelis gewandt, „Sie werden die Hilfe der Türkei brauchen.“
Israels Botschafter: „Schlange bleibt Schlange“
So gestaltet Erdogan das türkisch-israelische Verhältnis zwischen Drohen und Schmeicheln. Der Botschafter Israels bei den Vereinten Nationen, Gilad Erdan, sprach davon, dass „die Schlange immer eine Schlange bleibt“. Erdogan lasse keine Gelegenheit aus, um seinen antisemitischen Hass zu verbreiten. Inzwischen haben sich Erdan und sein Team bei den UN dazu entschieden, einen gelben Davidstern an der Brust zu tragen, mit der Aufschrift „Never again“ (Nie wieder). Damit protestieren sie gegen das Schweigen der UN angesichts der grausame Ermordung und Verschleppung hunderter Israelis.
Der israelische Außenminister Eli Cohen rief sämtliche Diplomaten seines Landes aus der Türkei zurück, um die Beziehungen zur Türkei neu einzuschätzen. Damit ist nun fürs erste jede engere Beziehung der beiden Staaten unmöglich geworden. Der israelische Energieminister sagte, Erdogan habe sein wahres Gesicht als Vertreter der Muslimbruderschaft gezeigt, der den IS und die Hamas unterstütze.
Was Erdogan und seine versammelten Anhänger hier aber tatsächlich bekundet haben, ist die Tatsache, dass der Islam sich in 1400 Jahren nicht gewandelt hat und noch immer die alte Kriegerreligion geblieben ist, als die er gegründet wurde. Am Sonntag, einen Tag nach dem hardcore-islamistischen Großereignis, feierte die Türkei von heute ihr hundertjähriges Bestehen, das sie dem Laizisten Mustafa Kemal (genannt „Atatürk“) verdankt. Diese Erinnerung wird auch durch die nun versammelten Menschenmassen immer weiter in die Vergangenheit verdrängt.
In Erdogans Sinn war, und er erwähnte das triumphierend, auch das Abstimmungsergebnis bei der UNO, wo 120 Länder für einen Waffenstillstand stimmten, während nur zwölf oder dreizehn dagegen stimmten. Auch die Enthaltung vieler europäischer Länder spielt so den radikalen Muslimen in die Hände. Auch der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis beschränkte sich darauf, zu sagen, dass Erdogan auf der falschen Seite der Geschichte stehe und die Hamas besiegt werden müsse. Zu den neuerlichen Seitenblicken Erdogans auf den Balkan und die Millionenstadt Thessaloniki sagte der Premier nichts. Es könnte noch einige Zeit dauern, bis das gebildete Europa zu diesen Buschtrommeln des radikalen Islam aufwacht, die auch in seinen eigenen Reihen gehört werden.
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Erdogan redet schon immer großspurig! Er steck in einer Zwickmühle. Erdogan gehört der Muslimbruderschaft an. Man erkennt dies an seiner „Rabia“. Er darf die Hamas, die ebenfalls Muslimbrüder sind, nicht im Stich lassen. Er weiß aber auch, daß die USA Israel verteidigen werden. Macht er seine Drohungen wahr, käme es zu einer Konfrontation zwischen Beiden. Die EU-Staaten sollten endlich ehrlich sein und der Türkei mitteilen, daß sie keinen Platz in der EU finden wird. Eine Mitgliedschaft würde eine offene Tür für den Zuzug von Türken nach Europa und speziell nach Deutschland sein. Wenn Scholz seine Aussage: „Israel ist deutsche Staatsraison“… Mehr
Ich lese hier nur über Negatives und Versäumnisse. Habt ihr ganz aus den Augen verloren, dass wir das 49 Euro Ticket haben? Ist das nichts? Und die Zeitenwende? Und den Doppelwumms? Und das Sondervermögen? Und Uschi mit der verlorenen Speicherkarte? Das sind wahre Werte, die es zu betonen und zu verteidigen gilt. Menno!
Und nicht zu vergessen: Demnächst die LÄND-Maut für Handwerker in BaWü-Tata.
Wie sagte Erdogan 1997, bevor er wegen religiöser Volksverhetzung zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt wurde:
“Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.”
Kölle Alaaf, daher hofiert Köln die DITIP.
Ich denke, es ist nun alles angerichtet für den ganz großen Knall. Alle lassen nach und nach ihre Maske fallen. Wie immer werden die Deutschen in diesem Weltkrieg die Rolle des unendlich sendungsbewussten, ideologisch Verbohrten spielen, der von allen Seiten herumgeschubst und am Ende besiegt und gedemütigt wird. Die Chance, in Friedenszeiten eine funktionierende Demokratie und ein neutrales & friedliches, aber wehrhaftes Land aufzubauen, wurde erneut vertan. Schade.
Die DITIB baut in Karlsruhe derzeit eine Moschee, mit dem Segen der Stadt. Nice, oder? Wer meckerte, bekam Muslimfeindlichkeit vorgeworfen. Googelt mal die 3 Begriffe im 1. Halbsatz und guckt euch an, was z.B. DITIB selbst oder der SWR dazu meint.
80 Jahre nach Auschwitz baut in Deutschlnd eine offen judenhassende Organisation ihre Infrastruktur. Wie konnte das alles nur passieren, fragte man nach 1945. Tja. Schön aber, dass der VS sich bei der AfD engagiert, der guckt sich bestimmt auch gerade meinen post hier an. Man muss ja wissen wer die Feinde der Demokratie und unseres Staates sind.
Erdogan war immer ein faules Islamisten Ei. Jeder der es wissen wollte, konnte es wissen. Er wollte auch nie in die EU, um der tollen Europäischen Werte wegen, sondern -wie alle- wegen der von Deutschland devot gefüllten Geldtöpfe und des Einflusses. Und natürlich haben unsere „Eliten“ weggeschaut (wie immer), als seine Rhetorik und seine Politik immer islamischer und damit radikaler wurden, war er doch „ein wichtiger Partner“ in der NATO und für den „Flüchtlingsdeal“. Seine regionaltypisch aggressiven Reden, die zwischen Größenwahn und Opfergeschwätz oszillieren, sind ja auch nichts Neues mehr. Nennen wir doch die Sache beim Namen: Ein Großteil der… Mehr
Die Neuordnung „der Welt“ nach 1918 war derart mangelhaft, dass sie den Keim für der 2. Weltkrieg setzte und nach diesem, für stetigen Unfrieden im nahen und mittleren Osten. Dass Erdogan von einem neuen osmanischen Reich träumt ist so verständlich, wie ähnliche Träume Irans. Trotz aller Unterschiede zwischen Sunniten und Scheiten und dem traditionellen Tribalismus rund ums Mittelmeer ist der Islam stets die verbindende Brücke, wie bei uns das Christentum, egal ob katholisch oder reformiert. Nach 1648 wollten auch die Christen eher keine großen Glaubenskriege mehr, um herauszufinden, wer denn nun das wahre Christentum darstellt. Die EU konnte eine politische… Mehr
Ist das der Werte-Westen der doch angeblich durch NATO verkörpert wird? Wie all die Klusch… Krakeler aus EU und Berlin uns erzählen. Erdogan droht mit Einmischung in Gaza und Deutschland hat es finanziert. Er verweigerte den USA die Nutzung des Luftwaffenstützpunktes Incirlik gegen den IS. Zuverlässiger NATO Partner sieht anders aus. Ein größenwahnsinier NATO Partner, der islamischen Terrorismus fördert und nun auch noch mit seinem „Tschihad“ droht, denn seine Motivation ist eine rein islamistische. Eine Ideologie die nur Mord, Terror und Krieg zum Ziel hat. „So finanzieren wir Erdogans Größenwahn„, FOCUS, 2017 Man weiß ja das Erdogan auch den IS… Mehr
Das nennt man Deeskalation auf türkisch ! Wo sind jetzt all die Friedens-Krakeler und Feuerpause-Krakeler ? Nach dieser Kriegsdrohung müsste nun Deutschland, gleich wie Israel, seine diplomatischen Beziehung zur Türkei abbrechen, wenn die „wir stehen an der Seite Israels“, keine reinen Lügenworte wären, fabuliert aus einer phantasierten „geschichtliche Verantwortung“. So eine „geschichtliche Verantwortung“ gibt es nicht. Sie ist eine Erfindung jener die andere Menschen blöd anmachen wollen um sich als Gutmensch wichtig zu fühlen. Verantwortung und Schuld sind immer nur Personen Bezogen, da die Taten immer nur von Personen verübt werden. Es gilt das Verursacherprinzip. Eine Kollektivschuld gibt es daher… Mehr
Es führt ein direkter Weg von der Hamas zum IS zur Türkei. Es ist deshalb auch hohe Zeit, die Türkei aus der NATO auszuschließen und die Beitrittsgespräche zur EU abzubrechen.
Geopolitisch erscheint den USA eine Türkei in der Nato nützlich. Völlig unabhängig davon, wie bündnistreu sie sich verhält.