Scharenweise gehen junge Menschen aus den Wohlstandszonen nach dem Schulabschluss nach Afrika. Bestenfalls richten sie dort wenig Schaden an. Jedenfalls dienen sie damit kaum den Menschen, denen sie doch helfen wollen.
Gemäß dem Zeitgeist wollen viele junge Leute nach dem Abitur mit Hilfsprojekten möglichst nach Afrika gehen. Das dient vor allem ihrem Amüsement und kaum der Entwicklung der Menschen dort. Eine Meldung der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) aus der Funke Medien Gruppe vom 2.11. 2019: „Wittener Studentin hat schon Hütten in Afrika gebaut“ wirkt lächerlich. Offenbar fragt sich niemand mehr, ob Afrikaner Nachilfe für das Bauen einer Hütte brauchen.
Der ehemalige Peace-Corps-Landesdirektor in Kamerun, Robert L. Strauss, schrieb 2008 in der „New York Times“: „Das Spiel heißt: Schickt Freiwillige ins Feld, ob sie qualifiziert sind oder nicht.“ („The name of the game has been getting volunteers into the field, qualified or not.“) Daran hat sich bis heute nichts geändert. In diesem Punkt ähneln sich das Peace Corps der USA, in dem Freiwillige helfen sollen, das Verständnis zwischen Amerikanern und Angehörigen anderer Völker zu fördern, und „Weltwärts“, der deutsche „entwicklungspolitische Freiwilligendienst“. Tausende unerfahrene junge Leute werden in Entwicklungsländer geschickt. Wem nutzt dieses Engagement, in dem ausdrücklich kein Fachwissen vorausgesetzt wird, wirklich?
In dem Blog torben-in-ghana.blogspot.de ist zum Beispiel zu lesen: „Als Weißer wird man hier ganz anders wahrgenommen und behandelt. Auf den Märkten wird man von fast jedem (und das können in zehn Sekunden auch mal schnell zehn Leute sein) angesprochen, von den Kindern oft mit Obroni (‚Weißer‘). Das Bild vieler GhanaerInnen ist: Er ist weiß, er hat Geld. Und das stimmt sogar, denn alleine mit meinem Taschengeld steht mir doppelt so viel Geld wie einem einfachen Angestellten zur Verfügung.“ Und: „Gegen Ende bin ich an meine psychische Belastungsgrenze gestoßen, weil ich mir die Frage gestellt habe: Wieso braucht man Weltwärts-Freiwillige, um Missstände aufzuzeigen, die Entwicklungshelfer seit Jahrzehnten nicht in der Lage waren zu lösen?“
Die Armen haben keine Möglichkeiten, sich zu wehren. Da werden junge Leute um die Welt geschickt, um Jobs zu erledigen, für die in den betreffenden Ländern genügend Personal zur Verfügung stünde. Man müsste die Menschen in diesen Ländern nur anleiten und angemessen bezahlen. Man stelle sich den Aufschrei an einer hiesigen Schule oder in einem Kindergarten vor, wenn, um beim Beispiel zu bleiben, ein ghanaischer Schulabgänger hierher käme, um deutsche Kinder in Englisch zu unterrichten oder Kindergartenkinder zu erziehen. Es würde wohl erst einmal nach seiner Qualifikation gefragt.
Ohne nennenswerte Lebens- und Berufserfahrung kann man keine Entwicklungshilfe leisten. Auch braucht man die unabdingbare Sensibilität für Menschen und Situationen in einem völlig fremden Umfeld. Das Bemühen, als Hobby-Helfer etwas Gutes für die Völkerverständigung tun zu wollen, reicht nicht. „Hilfsbedürftige mit Helferwillen“ hat ein EU-Delegierter in Benin einmal die bleichen jungen deutschen Mädchen und Burschen genannt, die dort „helfen“ wollen. Sie tragen gerne Hosen in Java-Batik-Muster, den importierten „typisch afrikanischen“ Stoffen, oder haben das dünne Haar zu Rasta-Zöpfen gedreht, um ihre Solidarität zu zeigen. Mit Verlaub, viele Afrikanerinnen und Afrikaner finden solche Erscheinungsbilder lächerlich.
In Afrika zählen persönliche Beziehungen und Vertrauen. „Man muss den Afrikanern nicht helfen, weil sie ja ach so arm sind. Es würde schon reichen, wenn man sie in Ruhe lässt. Entwicklungshilfeorganisationen haben in vielen Fällen das freie Unternehmertum zerstört und Afrikaner zu Bettlern gemacht. Wer braucht schon 20-jährige Freiwillige, die beim Brunnengraben helfen? Haben die schon jemals einen Brunnen in ihrer Heimat gegraben? Die wissen nicht einmal, wie ein Brunnen ausschaut“, sagt Jean-Marie Téno, Filmemacher aus Kamerun.
Jugendlichen mit dem deutschen „Weltwärts“-Programm mit Steuergeldern, derzeit sind es ca. jährlich 40 Millionen Euro, einen Abenteuerurlaub zu finanzieren, mag innenpolitisch gewünscht sein, mit Entwicklungshilfe hat es aber nichts zu tun. Zumal die meisten Entwicklungsländer – so habe ich es erlebt – nicht gefragt wurden, ob sie diese Art „Hilfe“ überhaupt wünschen. Kürzlich erzählte mir ein junger Mann, er sei für ein „Aufforstungsprojekt“ ein halbes Jahr in Benin gewesen – und habe keinen einzigen Baum gepflanzt. Es habe Koordinierungsprobleme mit den Stellen vor Ort gegeben.
Manche Politiker wünschen sich, dass Jugendliche durch das Programm eine berufliche Orientierung bekommen. Sollten wir uns dagegen nicht endlich fragen, ob Entwicklungshelfer überhaupt ein Beruf sein sollte? Entwicklungshilfe kann keine lebenslange Aufgabe sein, denn der Sinn der Hilfe soll ja sein, dass sie sich in wenigen Jahren selbst überflüssig macht. Das sagen wir aber schon seit über 50 Jahren. Also machen wir etwas falsch.
Es ist schön, wenn sich junge Menschen für positive Veränderungen einsetzen, aber sie müssen sich dann auch kritische Fragen stellen. Qualifiziert das Aufwachsen in Deutschland automatisch, um in Afrika „helfen“ zu können? Wo kann er oder sie als Abiturient und ohne Ausbildung und Erfahrung tätig werden? Was könnte ein ungelernter Einheimischer nicht auch leisten – und dabei etwas verdienen, um seine Familie zu ernähren?
Mehr zum Thema:
Volker Seitz, Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann. Mit einem Vorwort von Asfa-Wossen Asserate. Erweiterte und aktualisierte Neuausgabe. dtv, 288 Seiten, 12,90 €.
Empfohlen von Tichys Einblick. Erhältlich im Tichys Einblick Shop >>>
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Sehr schöner Artikel. Da gehen permanent irgendwelche verwöhnten Blagen aus Europa nach Afrika in Abenteuerurlaub und wollen den Afrikanern dabeiberzählen, wie Afrka es besser machen soll. Der Kolonialismus hat offenbar nie aufgehört. Nur ist es im Moment nicht das Militär, was sich dort breit macht, sondern unsere verwöhnten Schneeflocken. Wer Afrika helfen will, sollte Afrika zunächst einmal in Ruhe lassen, sich nicht aufdrängen und wirklich nut dann helfen, wenn die Afrikaner darum bitten. Afrika ist nicht Europa und europäische Denke ist dort deshalb nicht zielführend. Afrika kann sich nur dann entwickeln, wenn es nicht permanent von weltfremden Europäern auf den… Mehr
Beste Voraussetzungen um „was mit Medien“ zu machen oder „was mit Menschen“ – das sind doch die Studienwünsche. Nur nichts sinnvolles….
Es hat sich nichts geändert: Waren es vor 150 Jahren Missionare, die den „Wilden“ den christlichen Glauben und das Tragen von Schuhen beibringen wollten, so sind es heute diese jungen „Hüttenbauer“, die den „armen“ (im Geiste und auch so) Afrikanern zeigen, was echter Kolonialismus ist. Die Menschen dort aus einer besserwisserischen Position heraus unmündig halten. Und so wie die Missionare damals werden diese heutigen „Aktivisten“ diesen Vorwurf vehement von sich weisen. Die hinter ihnen stehenden Profiteure sowieso.
Der überwiegende Teil der Entwicklungshilfe in Afrika zementiert nur die Hilflosigkeit der Empfänger. Wer etwas erreichen will, braucht keine solche Hilfe. Und wer faul ist – bleibt faul. Darum: Stopp aller Entwicklungshilfe! Wäre auch im Sinne der Afrikaner!
„Der hilft zwar nicht den „edlen Fremden“, macht sich aber gut beim später anstehenden Bewerbungsgespräch.“
Daß das überhaupt beim Bewerbungsgespräch hilft. Da sollte doch so mancher Personaler/Arbeitgeber, etc., intensiver nachfragen.
Ich habe gehört, dass manche afrikanische Länder Projekte erfinden, zu denen die jungen „Helfer“ zum Spielen geschickt werden, damit sie sonst keinen Schaden anrichten. Ich weiß nicht, ob es stimmt. Vielleicht weiß jemand mehr.
Sogenannte „Entwicklungshilfe“ ist Rassismus pur.
Ich denke, dass die eine Hälfte der Jugendlichen insgeheim weiß wie wirkungslos Entwicklungshilfe perse ist (Mit 14 kam ich schon zu solche Rückschlüsse) jedoch es sich gut in dem Lebenslauf macht. Aus eigener leidvoller Erfahrung weiß ich wie sehr Unternehmen auf „schönen Schein“ achten und bei exotisch klingenden Formulierungen wie „war für 6 Monate im Ogadululu für Entwicklungshilfe da“ ganz doll wuschig werden.
Die andere Hälfte, die aus ideologischer Idealblindheit das machen, werden spätestens, wenn die afrikanische „Dankbarkeit“ kommt noch früh genug die Realität dämmern 😉
Zig Daumen hoch! Genau darum geht es doch. Wie es sich im Lebenslauf macht. Und da die Kids das nach dem Abi machen, sind sie da so 18 bis 20 und da ist das dann relevant. Bewerbe mich momentan in meinem studierten Bereich und es kommen nur Copy&Paste-Absagen. Da fehlt wohl das Besondere im Lebenslauf… Ich habe eben lieber verschiedene Jobs gemacht, und da für Mindestlohn wohl oft mehr geschafft und mehr Verantwortung gehabt als Kids beim Abenteuerurlaub… und vom Hungerlohn sogar schon Abgaben gezahlt… leider zählt das bei den Firmen nix. Ein Auslandsstudium da, auch wenn die Noten nur… Mehr
Nach eigener Erfahrung in Afrika ist die Naivität, gepaart mit gnadenloser Einbildung, das Destruktive im Verhältnis Weiß/Schwarz. Im Ackerbau z. B. brauchen die bez. der Methoden nicht unbedingt „Entwicklungshilfe“, die wissen besser, wo was – auch wie – angebaut werden kann. Was fehlt, sind Strukturen, z. B. um die Landwirtschaft herum, Verkauf, Produktionsmittel, auch um z. B. die Bewässerung und – je nach Gegebenheit (z. B. Klima, Aridität etc.) – Entwässerung durchzuführen, um u. a. die Versalzung (von unten) zu verhindern. Das war nur ein winziger Ausschnitt, ein kleines Beispiel, aber dies zeigt, dass junge Freiwillige prinzipiell gar nicht helfen… Mehr
Zitat:
>>“Wieso braucht man Weltwärts-Freiwillige, um Missstände aufzuzeigen, die Entwicklungshelfer seit Jahrzehnten nicht in der Lage waren zu lösen?“
Antwort: Sie werden nicht gebraucht, letztere auch nicht.
It’s that simple.