Trump in Rede nach Attentat sichtlich bewegt und trotzdem kämpferisch

In seiner mit Spannung erwarteten Rede vor den US-Republicans präsentiert sich ein veränderter Donald Trump – nicht in den Inhalten, aber im Auftritt. Insgesamt vermittelt der viertägige Parteitag eine unübersehbare Botschaft: Wenn der 78-Jährige gewinnt, sollte sich Europa sehr warm anziehen.

picture alliance / Kyodo

An keinem Menschen geht eine Nahtoderfahrung einfach spurlos vorüber. Vor nicht einmal einer Woche hat Donald Trump buchstäblich nur um Haaresbreite einen Mordanschlag überlebt. Es wäre geradezu beängstigend, wenn man dem Milliardär davon nichts anmerken könnte bei seiner sogenannten „Acceptance Speech“ – also der Rede, mit der er Donnerstagnacht entsprechend der politischen Tradition die Nominierung als Präsidentschaftskandidat seiner Partei annimmt.

Vor dem Auftritt hatte sich Trumps Wahlkampfmannschaft hinter den Kulissen alle Mühe gegeben, die Erwartungen der Öffentlichkeit in eine bestimmte Richtung zu lenken. Der Ex-Präsident werde versöhnlicher sein, weniger aggressiv, rhetorisch nicht so scharf. Die überwiegend linken Journalisten der US-Medien durchforsten nach der Rede in Windeseile den Wortlaut und kommen zu dem Schluss: Inhaltlich und sprachlich hat sich fast nichts geändert.

Diese leider nur sehr oberflächliche Betrachtungsweise kopieren dann auch die meisten – mitunter wirklich erbärmlich betriebsblinden – Medien in Deutschland. Übereinstimmender Tenor: Er ist doch ganz der Alte.

Ist er nicht.

Dieser Parteitag der Republicans (oder kurz Reps) ist der erste, auf dem Trump unumstritten ist. Bei seiner ersten Kandidatur 2016, das wird gerne vergessen, hatte er noch einige durchaus prominente innerparteiliche Gegner. Keineswegs war er da bei den Reps schon der unangefochtene Herrscher. Seine zweite Kandidatur 2020 fiel voll in die Corona-Zeit. Da gab es gar keinen regulären, sondern nur einen virtuellen Parteitag – kein Vergleich zum jetzigen Kongress mit mehreren tausend Delegierten vor Ort in Milwaukee und einer typisch amerikanisch inszenierten Show.

Man hätte also einen angriffslustigen, kraftstrotzenden Kandidaten erwarten können. Doch Donald Trump zeigt tatsächlich eine „menschlichere“, eine ungewohnt weiche Seite – nicht im Text seiner Rede, nicht in den angeschnittenen Themen, aber im Vortrag. Der hochgewachsene und von der Statur her imposante Mann ist definitiv nicht „ganz der Alte“. Er ist sichtlich gezeichnet, körperlich und mental.

Die Anhänger im Saal und viele Millionen vor den TV-Geräten werden Zeugen einer Rede mit wenig Struktur und einem für Trumps Verhältnisse geradezu flachen Spannungsbogen – kraftlos, ja beinahe pflichtschuldig vorgetragen mit einer ungewohnt heiseren und dünnen Stimme.

Aus seiner Umgebung war zu hören, dass Trump mächtig genervt davon sei, wie die nicht abreißenden Spekulationen um einen Rücktritt von Joe Biden viel Aufmerksamkeit und Scheinwerferlicht vom Parteitag der Reps wegnahmen. Tatsächlich beschäftigen sich die meisten US-Medien in ihren Live-Übertragungen vom Parteitag der Reps selbst unmittelbar vor der Trump-Rede fast mehr mit dem Zustand von Bidens Democrats (kurz Dems).

Nun ist der Zustand des erkennbar greisen und grenzwertig senilen amtierenden US-Präsidenten natürlich wirklich beklagenswert. Und das Gezerre darum, ob es der Parteiführung der Dems gelingt, den 81-Jährigen zum Aufgeben zu bewegen, weil er nach allen Umfragen einfach keine Chance gegen Trump hat, ist entwürdigend (wenngleich für den neutralen Zuschauer durchaus unterhaltend).

Dabei wird aber übersehen, dass auch Trump eben schon 78 Jahre alt ist. Der Kampf jetzt um das Weiße Haus ist also absehbar auch für ihn das letzte große politische Gefecht. Bei seinem ersten, dann ja erfolgreichen Anlauf 2016 war er eben acht Jahre jünger. Das merkt man jetzt schon – und nach dem fehlgeschlagenen Attentat erst recht.

Während des Parteitags verzichtet der Ex-Präsident, der wieder Präsident werden will, auf sonst für ihn typische wirkmächtige Auftritte. Stattdessen verfolgt er das Programm im Saal tagelang von einer Sondertribüne aus, ähnlich der „Royal Box“ beim Tennisturnier von Wimbledon. Seine Ehefrau Melania hält entgegen der Tradition übrigens keine Rede – ausdrücklich auf eigenen Wunsch, heißt es bei den Reps.

Von seinem zurecht legendären sicheren Instinkt für Medieninszenierungen hat Donald Trump nichts eingebüßt. Er hat sich die Uniform des Feuerwehrmannes schicken lassen, der beim Attentat vor sechs Tagen erschossen worden war und mit dessen Witwe sich Trump seitdem im direkten Austausch befunden hat. Die Jacke umarmt er während seiner Rede, küsst den Feuerwehrhelm wie den eines gefallenen Soldaten. Nicht nur das amerikanische Publikum ist für solche Gesten der Ehrerbietung sehr empfänglich.

Doch ansonsten ist es ein ungewohnt uninspirierter Auftritt, mit über anderthalb Stunden auch für die überzeugtesten Fans eindeutig zu lang und unerwartet ermüdend. Völlig anders, als man es von Trump gewohnt ist, ist der Text der Rede interessanter als der Vortrag.

Der Ex-Präsident ruft einerseits erfolgreiche Themen früherer Wahlkämpfe in Erinnerung: Corona als das „chinesische Virus“, der angebliche Betrug bei der Präsidentschaftswahl 2020, die Mauer zu Mexiko. In einem kleinen Nebensatz erinnert er an eine große Sache: Er ist der einzige US-Präsident der neueren amerikanischen Geschichte, der in seiner Amtszeit keinen neuen Krieg begonnen hat. (Das wurde übrigens auch bei uns nie auch nur halbwegs angemessen gewürdigt.)

Dann lobt er Viktor Orbán – und sagt einige Sätze, an die man sich erinnern wird:

  • „Wir werden keine Länder zu uns lassen, die uns die Arbeitsplätze wegnehmen und unsere Nation ausplündern“ (zum internationalen Handel).
  • „Keine Steuern auf Trinkgelder“ (zur Entlastung der Mittelklasse).
  • „Wir wollen unsere Geiseln zurück. Und sie sollten besser zurück sein, bevor ich mein Amt antrete. Sonst werden sie einen sehr hohen Preis zahlen.“ (zur Hamas)
  • „Stoppt die Invasion, schließt unsere Grenzen“ (zur Einwanderung).
  • „Bohre, Baby, bohre“ (zur heimischen Ölindustrie).
  • „Wir werden keine Männer mehr im Frauensport zulassen“ (zur Transgender-Politik der Biden-Administration).

Es sind starke Sätze – vorgetragen von einem Mann, dem man allmählich sein Alter auch anmerkt und der sichtlich noch daran arbeitet, mit dem Attentat auf sein Leben fertig zu werden.

Insgesamt ergibt sich aus den vier Tagen ein Gesamtbild dessen, was in einer zweiten Amtszeit von Donald Trump zu erwarten ist. Sein designierter Vizepräsident J.D. Vance hat völlig klar gemacht, dass Europa für seine Sicherheit künftig gefälligst selbst zahlen soll. China wird zwar als der Hauptfeind dieses Jahrhunderts ausgerufen – aber insgesamt meinen die Trump-Reps, dass der freie Welthandel nur so lange sinnvoll ist, wie er US-Interessen nutzt. Diese Doktrin haben sie auf den griffigen Slogan „Build it in America“ gebracht. Heißt: Wer seine Waren nicht in den USA produziert, sondern nur einführt, soll gigantische Strafzölle zahlen.

Für die politischen Eliten hier auf unserem alten Kontinent sind das alles keine guten Nachrichten.

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Kommentare ( 35 )

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tobilinooo
1 Monat her

Und auch hier wieder die Leier mit Trumps Alter. Der Mann ist fit, das ist, was zählt.
Und das Trump nicht so aggressiv redetet, kann man getrost als gut gewählte PR und Strategie betrachten, geht es doch jetzt vor allem um das Ansprechen der Nichtwähler und Unentschlossenen.
Und für DIE gibt er jetzt den sensiblen Kämpfer. Die eigenen Leute hat er eh in der Tasche!

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  tobilinooo

Lieber einen alten Trump als ein junges Baerbock. Und lieber als alle hier welche, die zu meinem Wohle agierten. Was sie nicht tun.
Das sind ganz andere Menschen, die dort in Amerika antreten, als die, die uns hier in Deutschland ganz offen ein x für ein u vormachen.
Einer schrieb woanders: „Die Gehässigkeit, Niedertracht und Anmaßung der Lügenmedien und der Politgrößen sind auch ganz offen.“

lkempf
1 Monat her

Frage der Erwartungshaltung. 2016 sollte mit 2024 nicht verglichen werden. Damals wollte der Unternehmer Trump zeigen, das er sein Land in unternehmerischer Weise verändern kann. Und er tat es. Illegale und verfassungswidrige Maßnahmen während und nach seiner Präsidentschaft haben ihn klüger und auch politischer gemacht. Seine Rede war genau richtig für das gespaltene amerikanische Volk – vereinend, zukunftsweisend, patriotisch, emotional und überzeugend.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  lkempf

„Illegale und verfassungswidrige Maßnahmen während und nach seiner Präsidentschaft haben ihn klüger und auch politischer gemacht.“
Es gibt Klagen, das ja. Aber gibt es auch solche Sachverhalte tatsächlich?

johnsmith
1 Monat her

Trump macht tatsächlich Politik für die amerikanische Bevölkerung. Keineswegs nur für die Reichen – die profitieren natürlich von niedrigeren Steuern. Aber durch die Zölle holt er auch gutbezahlte Industriearbeitsplätze zurück. Und dadurch, dass er illegale Migration aus Mexiko und Südamerika stoppt, erhöht er auch das Lohnniveau für die amerikanischen Arbeitet, die in Konkurrenz zu den Migranten stehen. Denn die Migration senkt durch ein Überangebot von Migranten, die bereit sind für niedrige Gehälter zu arbeiten, das Lohnniveau. Die deutsche SPD als ehemalige Arbeiterpartei hat immer noch nicht verstanden, dass für ihre ehemalige Kernklientel, den deutschen Arbeiter, die Migration sowie die EU-Osterweiterungen… Mehr

Martin Mueller
1 Monat her

Trump weiß natürlich heute, wie das ganze linksgrüne Lager funktioniert und agiert, auch medial… Das wusste er 2016 nicht…

giesemann
1 Monat her

Also schon mal ein paar ausgesuchte amerikanische Industrieaktien kaufen?

Kraichgau
1 Monat her

ich kann es nicht mehr hören…
„Europa soll für seine Sicherheit selbst zahlen“…kaum eine Lüge ist grösser als diese!
Erstens zahlen wir für die Anwesenheit der US-Soldaten auf deutschem Boden gleich MEHRFACH: erstens tragen wir die Standortkosten,zweitens zahlen wir in die Nato ein und drittens sind die Liegenschaften exterritoriales Gebiet,von denen aus Drohnenanschläge durchgeführt werden,wir sind also auch darin verwickelt!

Galen
1 Monat her
Antworten an  Kraichgau

Dann könnten die USA ihre Truppen ja ohne Verlust unserer Sicherheit nach Hause holen. Wir müssen den USA sehr dankbar sein, wenn sie das verrückt gewordene Europa weiter verteidigen.

Johann Thiel
1 Monat her

Soviel schlechte Nachrichten wie die politischen Eliten hier auf unserem alten Kontinent verdient hätten, gibt es nicht einmal in diesen, unseren Zeiten.

ratio substituo habitus
1 Monat her

Ach woher? Schon seine letzte Amtszeit hat gezeigt, ein (dirty white old) Mann kann die Entwicklung nicht aufhalten. Da einige Länder mehr aufwachen, wird er vielleicht mehr bewegen als vorher, aber der mehr auch nicht. Oder in deutsche Verhältnisse übersetzt: Selbst wenn D über Nacht eine vernünftige, kluge, vorausschauende, tatsächlich nachhaltige handelnde Regierung bekommen würde, so müsste die gesamte Infrastruktur erneuert werden. Alleine die Reparatur der auf Verschleiß gefahrenen DB und der vernachlässigten Straßen/Brücken sowie die Erneuerung der abgerissen Kraftwerke würde ein Jahrzehnt dauern. Alle (!) Politiker denken in maximal 4 Jahresplänen, weil …?

Michael Palusch
1 Monat her

Vielleicht doch. Trump hatte nach seiner ersten Amtszeit, die sicherlich für ihn äußerst lehrreich war, vier Jahre Zeit sich auf diesen Tag vorzubereiten. Er kennt die Strukturen, er wird genau beobachtet haben und er weiß um seine Fehler und die falschen Freunde. Und, vielleicht das Entscheidende, er muß nicht auf eine weitere Amtszeit schielen. Ich neige dazu zu meinen, diese Amtszeit könnte eine bessere werden als die, die sich direkt angeschlossen hätte. Er wird es seinen Gegnern gewiss nicht noch einmal so einfach machen, mit freundlichen Gesicht im Hintergrund ihre Intrigen zu spinnen. Und ich glaube, diese Gegner wissen das… Mehr

Last edited 1 Monat her by Michael Palusch
Aliena
1 Monat her

der Vernichtungsfeldzug hat gewirkt – nun üben sich die Dems in vorgetäuschter Anteilnahme. Seit Beginn der Kandidatur von TRUMP in 2016 haben sie ihn mit Dreck beworfen, nichts unversucht gelassen, um ihn verbal zu vernichten. Mit den Gerichtsverhandlungen haben sie ihn wie einen dummen Laufburschen vorgeführt. Selbst vor seiner körperlichen Vernichtung schreckten sie offensichtlich nicht zurück. Und sie werden ihren Feldzug gegen ihn nicht aufgeben – das spürt TRUMP. Er weiß, dass die Macht des deep state erschreckend groß, in den letzten Jahren noch größer geworden ist. Er war noch naiv, als er diese Macht bei seiner ersten Rede nach… Mehr

Der Klartexter
1 Monat her

Es wird ohnehin Zeit, dass Europa endlich für sich selbst sorgt. In erster Linie für seine Verteidigungsfähigkeit, danach, nicht weniger wichtig, für klare Beschlüsse mit sofortiger Umsetzung, wer nach Europa einwandern und wer erst gar keine Außengrenze überschreiten darf. Und danach muss der EU-Laden endlich strukturell so in Ordnung gebracht werden, dass ALLE – und damit sind ausdrücklich auch die Osteuropäer und westeuropäischen Schuldenstaaten gemeint – davon profitieren und miteinander klar kommen. Vielleicht hilft ja ein Trump dabei, unseren fehlgeleiteten bis inkompetenten Politikern die Augen zu öffnen. Auch wenn dafür derzeit der Glaube fehlt.