Frankreichs Systemkrise, die innerkirchliche Überwindung der 1968er, der neue, katholisch geprägte Konservatismus – überall scheint eine neue Zeit anzubrechen, wie die Neueröffnung von Notre-Dame augenfällig demonstriert.
Ein waidwunder Emmanuel Macron, eine aussterbende Konzils-Kirche, ein zunehmend tradi-katholisch eingerahmter Donald Trump. Manche Ereignisse der Geschichte sind wie ein Kaleidoskop, in dem sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mehr oder weniger harmonisch brechen. Die Wiedereröffnung Notre-Dames nach der immer noch mysteriösen Brandkatastrophe ist so ein Moment.
Macrons Frankreich-Desaster
Da wäre zuerst, auf den ersten Blick ziemlich banal, in Wahrheit aber doch für ganz Europa schicksalsschwer, die französische Politik. Präsident Macron ist der unbeliebteste Präsident der Fünften Republik und eigentlich seit seiner ersten Amtsperiode nur deshalb im Elysée, weil eine (rasch schwindende) Mehrheit der Franzosen mehr Angst nur vor Marine Le Pen empfindet. Doch der von Macron verkörperte „Cordon Sanitaire“ bricht, da mittlerweile nicht nur der „Rassemblement National“, sondern auch die linksextremen „France Insoumise“ ihre jeweiligen „moderaten“ Schwesterparteien, also die Sozialisten und die Republikaner, so sehr in die Ecke gedrängt haben, daß der Staat unregierbar geworden ist. Macrons Kalkül, durch die Parlamentsauflösung im Nachklang der desaströsen Europawahlen ein solches Chaos auszulösen, daß er selber als eine Art Retter in der Not empfunden werden könnte, scheint gegenwärtig über das Ziel hinauszuschießen.
Nach dem Mißtrauensvotum gegen die kurzlebige Regierung Barnier werden nicht nur rechts, sondern auch links die Rufe fast ohrenbetäubend, auch Macron selbst möge endlich seinen Sessel räumen, um neben dem Parlament auch das Präsidialamt nächstes Jahr neu besetzen zu können. Frankreich steht an der Kippe, denn ob es nun zu einer Regierung kommt, die sich auf Links- oder auf Rechtsaußen stützt: Der innenpolitische Gegner wird so stark sein und den (jeweiligen) „Volkswillen“ so überzeugend für sich reklamieren können, daß das Land rasch in veritablen Unruhen versinken könnte. Frankreich würde damit nicht nur den Ausgangspunkt für ein europäisches Schulden-Domino bilden, das den ganzen Euro mit sich reißen könnte, sondern auch den Auftakt zu ungeahnten gewalttätigen ethno-kulturellen Konflikten setzen, die rasch die Landesgrenzen überschreiten könnten.
Macrons Versuch, die rasche, wenn auch stilistisch überaus umstrittene Renovierung Notre-Dames für sich zu reklamieren und die katholische Metropolkirche zu einer Art Emblem des Nationalstolzes einer säkular-laizistischen Republik zu machen, die nicht nur symbolisch auf den Köpfen der enthaupteten Kirche errichtet wurde, wirkt wie ein verzweifelter Strohhalm. Denn bis auf die atemberaubend rasch schrumpfende Mitte der sogenannten „bienpensants“, also der „Gutmenschen“, die meistens dem Milieu der gebildeten Rentner und Oberstudienräte aus den Westprovinzen des Landes stammen, hat die neo-absolutistisch anmutende Selbstinszenierung nur Hohn geweckt: von links, weil man die angebliche Selbstunterwerfung des Präsidenten unter den römischen „Obskurantismus“ als Bruch religiöser Neutralitätsverpflichtung kritisiert, von rechts, weil Macrons physische Gegenwart in Notre-Dame als veritables Sakrileg betrachtet wurde, hat der Staatschef doch bisher nicht ein einziges mal Stellung bezogen zu der fast wöchentlichen Vandalisierung oder Brandstiftung christlicher Kirchen in Frankreich.
In dieser Hinsicht dürfte Macrons Versuch, seinen angeschlagenen innenpolitischen Kredit ebenso durch die Wiedereröffnung der Kirche wie durch die Photosessions mit allerlei europäischer und sonstiger Prominenz aufzufrischen, wohl kaum die erwünschten Früchte tragen, und man darf wohl erwarten, daß es bald weiter rapide bergab gehen dürfte mit dem einstigen Shooting-Star der Linksliberalen.
Katholische Kirche im Umbruch
Doch wichtiger noch als die französische Innenpolitik dürfte die Entwicklung der katholischen Kirche sein, wie sie sich in der Wiedereröffnung von Notre-Dame spiegelt. Denn auch hier ist der erste Akt der Götterdämmerung längst angebrochen und die Bedeutung dieser tektonischen Verschiebung dürfte kaum abzusehende, auch politische Dimensionen haben. Bis auf einige verbissene alternde Kirchenfürsten und eine Handvoll willfähriger Journalisten ist nämlich zumindest in Frankreich der Plan, die Kirche durch Anbiederung an das, was vor ca. 50 Jahren vielleicht einmal als irgendwie „modern“ gelten konnte, krachend gescheitert.
Selbst die sündhaft teure „Erneuerung“ der Innenausstattung von Notre-Dame durch brutalistisches Mobiliar und die lächerlichen, für ein Vermögen vom Star-Designer Castelbajac entworfenen Gewänder sehen letztlich altmodischer aus als die einfache Weiternutzung von vorkonziliarem liturgischen Material, wie es überall in Frankreich in Hülle und Fülle vorhanden ist, aber als angeblich „zu prunkvoll“ vor sich hingammelt. Kein Wunder, daß bis auf einige Hofberichterstatter niemand, aber wirklich niemand diesen eklatanten Stilbruch mehr ernst nimmt – selbst die französische „Lidl“-Kette hat sich über die peinliche Geschmacksverirrung mokiert.
Auch hier wird der Festakt im Rückblick als ein letztes Aufbäumen erscheinen, denn gerade in Frankreich ist die neue Generation von Priestern und Gläubigen traditionalistisch und patriotisch eingestellt und wartet nur auf den sich mit raschen Schritten nähernden Augenblick, wo das Wegsterben der Boomer-Generation und mit ihr der tragenden Schicht der Vaticanums-Befürworter die große innerkirchliche Machtübergabe einleitet. Von der einstmaligen gesellschaftlichen wie politischen Macht der katholischen Kirche wird dann zwar nur noch eine Ruine übriggeblieben sein, da die Akteure dieses Niedergangs (wie in so vielen anderen Bereichen der Gesellschaft) ihr Spielzeug lieber zerbrechen als weiterzugeben. Was aber diesen Übergang überlebt, wird ohne Zweifel lieber noch an die mittelalterliche Kirche als an die 1968er anknüpfen wollen – und damit Erfolg haben.
Trump und Musk in Notre Dame
Denn daß eine solchermaßen gesundgeschrumpfte wie innerlich gefestigte Kirche damit nicht ganz allein stehen wird, sondern zumindest teilweise auch politische Unterstützung bei ihrem Projekt eines „Last Stand“ gegen den überwältigenden Druck der Atheisten und Muslime erhalten dürfte, ist die dritte Lehre aus dem Festakt. Gerade aus den USA war hohe Prominenz angereist: Nicht nur Donald Trump, der designierte Präsident, sondern auch Elon Musk zeigten Präsenz und wurden von eben jenen, die sie seit fünf Jahren offen verhöhnten, unterwürfig hofiert – allen voran Präsident Macron. Und bedenkt man, daß Trump und Musk die Architekten einer Regierungsmannschaft sind, der mit sechs Ministern so viele katholische Traditionalisten angehören wie noch nie zuvor in der Geschichte der Vereinigten Staaten, wird deutlich, daß sich hier, fernab von der Aufmerksamkeit der Massenmedien, in den letzten 10 Jahren eine massive Kehrtwende von den bisherigen Prognosen vollzogen hat, deren Bedeutung noch kaum zu ermessen ist.
Dem traditionalen Katholizismus, einst als kleiner Haufen von „Ewiggestrigen“ verschrien und belächelt, ist es nicht nur gelungen, kirchenintern die Jugend auf seine Seite zu ziehen und sich als dynamische Alternative zu den alternden, gitarrenklimpernden und klima- wie migrationsbewegten Spät-68ern zu profilieren, die – noch – die Bischofsstäbe in ihren greisen Händen halten: Auch politisch hat sich das traditionalistische Christentum zum Kern einer Ideologie gemausert, die den krachend gescheiterten Materialismus sowohl der Linken als auch der Liberalen zu überwinden vermag und es somit dem westlichen Menschen ermöglicht, der eigenen Geschichte endlich wieder einen neuen Sinn zu verleihen – oder besser gesagt, ihr den alten, eigentlichen Sinn zurückzugeben.
Denn dieser Sinn erschöpft sich eben nicht in der vulgären Teleologie des Progressismus, sondern muß die gesamte Vergangenheit als bewahrenswertes und bewunderungswürdiges Erbe faßbar machen; gerade in Zeiten des kaum zu leugnenden materiellen Niedergangs des Abendlands wie auch des wachsenden Kulturkampfs nicht nur mit dem Islam, sondern auch mit China eine dringende Notwendigkeit. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis sich auch in Europa ähnliche Bewegungen ihre Bahn brechen, und man darf hoffen, daß eine solche christliche Erneuerung eines echten abendländischen Patriotismus sich sowohl von ihrer kindlichen Romantik gegenüber Vladimir Putins chimärischem „Heiligen Rußland“ zu lösen vermag wie von einer allzu wohlfeilen Aufgabe der Verantwortung für die eigenen Interessen zugunsten ihrer Auslagerung an den großen Bruder jenseits des Atlantiks.
Nur durch eine beherzte Verteidigung unserer eigenen kontinentalen Interessen, die eben weder mit denen des nordamerikanischen Kontinents, noch mit denjenigen der eurasischen Landmasse Rußlands identisch sind, wird es uns möglich sein, innerhalb der neuen multipolaren Welt nicht nur unsere strategischen Bedürfnisse zu verteidigen und Europa „great again“ zu machen, sondern auch unseren eigenen Zugang zur Transzendenz zu wahren.
Frankreichs Systemkrise, die innerkirchliche Überwindung der 1968er, der neue, katholisch geprägte Konservatismus – überall scheint eine neue Zeit anzubrechen, wie die Neueröffnung von Notre-Dame augenfällig demonstriert. Und eines ist klar: Der Übergang wird, wie so oft in der Weltgeschichte, von mannigfachen Geburtswehen begleitet sein.
Sie müssenangemeldet sein um einen Kommentar oder eine Antwort schreiben zu können
Bitte loggen Sie sich ein
Danke, Herr Engels 🙏
Das Ganze ist leider wirklich ein Zeichen für die Bedeutungslosigkeit West-Europas und auch das Scheitern das karolingischen Europas. Deutschland ist gar nicht mehr dabei – Macron aber agiert nur noch als geistige Marionette von den Trump und Selenskyj, bzw. den USA und“new europe“ und hat nichts im Kopf als sein Land möglichst noch Bodentruppen in den Ukraine-Krieg zu ziehen. Real steht aber die Notre Dame und der gleichzeitige (!) Umsturz in Syrien im Grunde für die eigentliche Schicksalsfrage West-Europas. Denn dieser Umsturz in Syrien hat ja wirklich das Potential sich zur islamischen Revolution mit weltweitem Potential auszuweiten – auch nach… Mehr
Wünschte Davis Engels hätte recht, nur sehe ich derzeit wenig Anzeichen für seine Einschätzungen. Aber möglicherweise haben seine Ausführungen doch mehr Hintergrund als man zunächst meinen mag. Er wäre eine überaus erfreuliche und Hoffnung gebende Entwicklung.
Ich kann die Thesen des Autors nicht nachvollziehen. Gut, ich kenne die Situation der Kirche in Frankreich nicht, weiß auch nicht, inwiefern dort eine neue Generation von Priestern und Gläubigen an die Tradition des Mittelalters anknüpfen wollen. Die USA waren seit jeher protestantisch geprägt, auch wenn jetzt einige Kabinettsmitglieder katholisch sein mögen. In Deutschland sind beide Kirchen, insbesondere die protestantische, zu Vorfeldorganisationen der Grünen verkommen; neue Impulse sind in den Kirchen ebensowenig zu erkennen wie in der Politik. Eigentlich erinnert die Situation in manchen europäischen Ländern an die Zeit der Religionskriege im 16./17. Jahrhundert. Was einst die katholische Kirche war,… Mehr
Die ethno-kulturellen Konflikte sind eben das zweifelhafte Vermächtnis der großen Kolonialstaaten wie F und GB! Dass diese Konflikte auch unser Land inzwischen im Würgegriff haben, verdanken wir leider auch dieser EU und der fatalen Merkel! Diese sog. Lichtblicke des Katholizismus, vlt. besser Christentum, lieber David Engels, kann ich nicht erkennen. Vlt ist dies ihrer frz. Sichtweise geschuldet; nicht nur in Deutschland ist das Christentum in arger Bedrängnis durch falsche Götzen, wie Klima, Liberalität, Atheismus, innerkirchliche Obrigkeits-Diener und ganz bes. durch den aggressiven und archaischen Islam, der sich wie Unkraut in Deutschland ausbreitet! Einig gehe ich mit Ihnen in der Frage… Mehr
Damit das Christentum zu einem Teil echter europäischer Spiritualität wird, wie sie Giordano Bruno einst forderte, müsste es sich erst der Geschichte und der Schuld seiner Kirchen stellen. Denn die sahen ihre vornehmste Aufgabe darin, alle eigene europäische Spiritualität von den antiken Mysterienkulten und deren Wiederaufflammen in der Renaissance bis zu den vorchristlichen germanischen, keltischen und nordischen Überlieferungen alles zu eliminieren und zu zerstören.
Klären Sie mich auf, denn ich weiß nur, dass er als Ketzer verbrannt wurde, weil er lehrte, die Welt habe keinen Anfang (statt: Gott erschuf die Welt in 6 Tagen) und auch kein Ende (statt: Jüngstem Gerichtstag). Die moderne Theoretische Physik behauptet in beiden Fällen das Gegenteil.Er ( Mönch und Namensgeber für eine Grünen-Stiftung) ließ sich verbrennen für Behauptungen, für die er keine Beweise hatte. Wichtigtuer ?
Giordano Bruno wurde verbrannt, weil die Kirche seine Lehre als Konkurrenz zu ihrem lukrativen Monopol auf Spiritualität sah, genauso wie die Heilkunst der Hexen und der freien Mystiker. Deshalb ließ sie Galileo am Leben, denn das Rationale und die Aufklärung betrachtete sie als Ventil, nicht als Konkurrenz. Sein kosmisches Weltbild der Unendlichkeit waren die Schlussfolgerung aus seiner Lehre, nicht seine Lehre selbst. Sie basierte auf den antiken Mysterien, vor allem des Pythagoras, und der Hermetik. In seinem Buch „Die heroische Leidenschaft“ hat er das dargestellt. Die Grünen-Stiftung steht für das exakte Gegenteil von dem, was Giordano Bruno lehrte. Der Name… Mehr
Die eigene Geschichte, gesellschaftlich und religiös, Eltern, Vaterland als Herkunft und Wurzel zu verinnerlichen. Ein Politiker, der das auch jungen Menschen erfolgreich nahebringt, ist Maximilian Krah.
Der größte Feind und destruktivste Gegner unserer christlichen Religionen ist sicher nicht der Islam sondern der hedonistische Materialismus mit seiner hoch destruktiven Wirkung auf das tragende Gewebe aller Gesellschaften und den damit verbundenen Ersatzreligionen wie der Klimasekte und dem Genderismus. Die Islam scheint zumindest in seinen fortschrittlicheren und aufgeklärteren Strömungen zu verstehen, dass wir in diesem tektonischen Konflikt einen gemeinsamen Gegner haben.
Und man sollte auch aufhören, die orthodoxen Kirchen des Ostens aus der Erneuerung auszugrenzen. Dort ist auch Leib Jesu. Was not tut, ist christliche Einigkeit des ganzen Christenvolks unabhängig von der jeweiligen Konfession auf den Grundfesten des Wortes Gottes und der historischen Erfahrung seiner Gegenwart und seiner Heiligkeit. Es hilft, sich anhand der vielen Niedergänge der Kirchen seit ihrem Bestehen klar zu werden, dass es nie gelungen ist, dem Glauben den Garaus zu machen und auch nie gelingen wird. Auch jetzt nicht.
Sie sagen es. „Dem“ Glauben den Garaus zu machen ist natürlich unmöglich. Allerdings nicht wegen – sondern trotz – Kirche(n).
Herr Engels, den ich im übrigen schätze, ich habe erst kürzlich sein Buch „Renovatio Europe“, das er als Herausgeber veröffentlichte, gelesen, steht offensichtlich in der Tradition der Ultramontanen und vergiß, dass auch die Orthodoxie zu Europa zählt, Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Russland und die Ukraine mit ihren verschiedenen Orthodoxien, von denen nur eine mit Rom liiert ist. Die Orthodoxie gehört genau so zum europäischen Erbe, wie die Überlieferungen der vorchristlichen griechischen und römischen Antike, der vorchristlichen keltischen, germanischen und slawischen Religionen, der europäischen Aufklärung, der Protestantismus,(als er noch echt war) u.s.w. Der römische Katholizismus ist leider heute z.T. genau so… Mehr
Ja, die Gewänder waren lächerlich. Und die Orgel tönte wie ein falsch eingestelltes Mittelwellenradio, von Trump nur mit zusammen gekniffenen Augen ertragen. Dem Augenschein nach wirkten die französischen Bischöfe etwas kraftlos. Aber sie sind in Frankreich ja nicht mal die Hausherren ihrer Kathedralen, die gehören dem Staat.
Aber gleich hinter das zweite Vaticanum zurückzugehen, scheint mir doch übertrieben. Immerhin haben zwei prominente Vertreter des VII (JP II, Gaudium et Spes; BXVI, Lumen Gentium) entscheidend an der Überwindung des Kommunismus und der theologischen Ausrichtung der Kirche mitgewirkt.
Will Herr Engels das alles gleich mit über Bord werfen?