Die USA drosseln ihren Gas-Export – was zeigt, wie sehr sich Deutschland ausgeliefert hat

Die USA werden ihren LNG-Export nicht mehr ausweiten. Der Klimaschutz ist angesichts der US-Wahl nur vorgeschobener Grund. Für Deutschland ist es ein Signal, dass der Handel mit flüssigem Gas nicht so einfach ist, wie so oft behauptet. Doch der Selbstbetrug hält an.

IMAGO

Eine kleine Meldung, die in Wirklichkeit ein Erdbeben ist: Die USA überprüfen ihre Flüssiggasexporte. US-Präsident Joe Biden hat weitere Genehmigungsverfahren für LNG-Terminals, die für den Export bestimmt sind, auf Eis gelegt. Ihre Produktion drosseln werden die USA jedoch nicht. Wörtlich sagte Biden: „Während der Unterbrechung werfen wir einen genauen Blick auf die Auswirkungen des Exports auf Kosten, Energiesicherheit und den Klimawandel – die existenzielle Bedrohung unserer Zeit.“

Diese Nachricht besitzt mehrere Ebenen. Zuerst die ideologische. Wenn der Präsident tatsächlich aus Klimaschutzgründen agierte, wie er behauptet, dann würde er nicht davon absehen, in Zukunft neue Exportlizenzen zu verteilen, sondern den Rückbau der LNG-Strategie und der damit verbundenen Industrie erwägen. Das tut Biden jedoch nicht.

LNG-Terminal in Wilhelmshaven
6,6 Milliarden statt einer – Olaf Scholz feiert sein LNG-Versagen
Die „existenzielle Bedrohung“ erscheint damit eher als vorgeschoben, um die eigenen Wähler bei der Stange zu halten. In Wirklichkeit dürften die Kosten und die Energiesicherheit der eigentliche Grund sein. Mit Fracking haben es die USA geschafft, nach Jahrzehnten des Energieimportes wieder zu einem Energieexporteur zu werden, wie es in den Glanzzeiten des amerikanischen Ölrauschs war. In den letzten Jahren hat aber die Energieautonomie wieder deutlich nachgelassen – und mit dem erweiterten Export seit dem Ukraine-Krieg sind die Preise daheim gestiegen.

Häufig taucht das Argument auf, die USA hätten den Ukraine-Krieg dazu genutzt, die europäischen Staaten von LNG abhängig zu machen und dabei gut zu verdienen. Doch die Angelegenheit ist ein zweischneidiges Schwert. Der Gasmarkt hat auch in den USA reagiert – der US-Konsument muss also ebenfalls einen höheren Preis zahlen, wenn das kostbare Gut über den Atlantik transportiert wird.

In dem Zusammenhang dürfte die Ankündigung, den Gasexport nicht weiter auszubauen, nicht zuletzt ein Wahlmanöver oder zumindest eine Abmilderung der Preisentwicklung sein. Der Ukraine-Krieg ist bereits jetzt in den Vereinigten Staaten unpopulär, und Donald Trump könnte den LNG-Export als Verrat am amerikanischen Verbraucher geißeln. „American LNG First“ hätte Zugkraft. Die US-Regierung darf nicht den Eindruck erwecken, dass die Versorgung Europas mit LNG auf Kosten der eigenen Bürger geht.

Die nächste Ebene betrifft Europa selbst. Dort hatte man sich in der Zukunft darauf verlassen, dass bei Knappheit auf dem Markt der US-Verbündete aushelfen würde. Exakt das hat Washington bereits im Falle Deutschlands getan, das bei seiner Suche nach einem Gaslieferanten, der zügig einspringen könnte, vorerst erfolglos blieb. Um dies zu verdeutlichen, gibt es eine Grafik von Statista, die das für den August 2023 ausweist:

 

Anders als Deutschland setzen andere Länder schon länger auf US-Gas. Sie haben auch für die Zukunft dafür gerechnet, dass dieses Gas nicht nur jetzt fließt, sondern ein Ausbau der Lieferungen problemlos erfolgen würde. Nun versiegt der Strom – und da das Gasgeschäft eine langwierige Angelegenheit ist, die Jahre an Vorplanung benötigt, werden die Abhängigen bereits jetzt umdisponieren müssen. Es wird also nicht nur in Europa, sondern außerhalb der USA unruhiger in Sachen Gaspreis. Zudem steht die Gewissheit zur Disposition, ob der westliche Hegemon seine Verbündeten im Ernstfall unterstützt, sollte es zu Engpässen kommen. Sie erodiert in Minutenschnelle.

Und nun zur letzten Ebene: Deutschland. Zwar tasten die USA nicht die jetzigen Exporte an. Doch Berlin kann sich nicht mehr so einfach darauf verlassen, dass die USA einspringen, wenn die Ampel ihre ganze Unfähigkeit ausspielt. Und es gibt deutlich unangenehmere Gasexporteure als die USA. Das Beispiel Aserbeidschan und die Tatenlosigkeit während der ethnischen Säuberung in Bergkarabach spricht Bände: Man begibt sich in die Hand jener Diktaturen, von denen man eigentlich Abstand gewinnen will.

Nächste Pleite für Robert Habeck
Gericht stoppt Bau des LNG-Terminals vor Rügen
Neuerlich zeigt sich, dass der Ausstieg der Atomkraft zum Fanal der deutschen Energiepolitik wird. Wenn die Grünen von Unabhängigkeit in Energiefragen sprechen, meinen sie Windräder. Doch um die Flauten zu umgehen, braucht es Energieimporte von außen – ob nun LNG aus den USA oder Atomstrom aus Frankreich. Gas, so erklären Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine Helfer immer wieder, sei nur eine Brückentechnologie für den späteren Umstieg auf Wasserstoff. Irgendwann. Aber nach der Brücke im Baltikum droht nun auch die Brücke im Atlantik zu brechen.

Damit brechen an diesem Wochenende gleich zwei Kartenhäuser für die Grünen zusammen: einmal die UNRWA-Politik von Außenministerin Annalena Baerbock sowie Habecks Energiestrategie. Die Frage nach der Abhängigkeit vom Ausland stellt sich erneut; und man könnte erneut fragen, wer eigentlich für die Sabotage der lebenswichtigen Gasader namens Nord Stream verantwortlich war. Aber Fragen stellt die Bundesregierung nur wenige, da sie glaubt, die Antworten bereits zu kennen: der Atomausstieg ist beschlossene Sache, erneuerbare Energien die Zukunft und der Kohleausstieg so bald wie möglich durchzusetzen.

Dabei ist es vielmehr so, dass die Realität Habeck und die Ampel erneut umzingelt hat. Der Traum, sich von der „schmutzigen Kohle“ zu trennen, indem man US-Gas importiert, wird bald in den Schloten von Kohlekraftwerken verpuffen. Im Ministerium dürfte der bange Blick dem Kalender gelten. Denn ob im nächsten Jahr noch ein Demokrat im Präsidentensessel sitzt, ist nicht sicher. Und dann könnten auch der Ampel die Antworten ausgehen.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 105 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

105 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Woldemar
9 Monate her

Naja, eine Abhängigkeit von den USA ist tausend mal besser als eine Abhängigkeit von Russland. Der „lebenswichtigen Gasader“ Nordstream, die uns in eine fatale Abhängigkeit von Putin gebracht hat, trauert der Autor offensichtlich hinterher. Realitäten sollte man anerkennen, Nordstream-Träumereien helfen hier nicht weiter

Kassandra
9 Monate her
Antworten an  Woldemar

06.10.2023: Putin hat gestern Interessantes über Nordstream verraten: „Eine Röhre von Nord Stream-2 ist intakt. Sie ist nicht beschädigt und 27,5 Milliarden Kubikmeter Gas können über sie nach Europa geliefert werden. Dies ist lediglich die Entscheidung der deutschen Regierung. Mehr ist nicht nötig. Heute ist die Entscheidung – morgen drehen wir das Ventil auf, und das war’s – das Gas fließt. Aber sie tun es nicht. Weil die Entscheider in Washington es nicht zulassen. Zum Nachteil der deutschen Interessen.“ https://twitter.com/MrJonasDanner/status/1710175552064090232

egal1965
9 Monate her
Antworten an  Woldemar

Nun ja, diese Aussage wage ich doch zu bezweifeln, da Abhängigkeiten, egal von wem, grundlegend schlecht sind. Weshalb nun eine Abhängigkeit von den USA nun „tausend Mal besser“ ist, diese Aussage lassen sie auch unbeantwortet, obwohl Russland jahrzehntelang zuverlässig Gas und Öl geliefert hat, während schon jetzt die Probleme mit Deutschlands „Freund“ Nr.1 erst anfangen.
Man muß schon sehr „hörig“ sein, wenn man solche Aussagen trifft, die einen selber in Geldbeutel dauerhaft belasten und dazu noch diesen ganzen Unsinn von „Klimaschutz“ als Farce darstellt.

Haba Orwell
9 Monate her

Es wäre schön, wenn es ein Land in Europa gäbe, wo wir Erdgas kaufen könnten. Mit Glück läge dafür ein Rohr auf dem Ostsee-Grund parat.

fatherted
9 Monate her

naja…das wird hier meiner Meinung nach zu hoch gehängt….man hat nur den Bau von neuen Terminals gestoppt….der Grund dafür könnte auch sein, dass diese sich in Texas befinden….und Texas sich gerade gegen Washington in Sachen Grenzschließung „erhebt“….sollte wieder Frieden einkehren…..würde das Ganze wohl wieder „überdacht“ werden…..

Sonja
9 Monate her

Wir haben die autoritärste u. für die Wirtschaft schädlichste Regierung seit 1949. Haben Grüne Jahrzehnte LNG bekämpft mit Hinweisen wie, dass es zu 98% aus Methan besteht u.schon über nur einen Zeitraum von 20 Jahren schädlicher ist als CO2,es auch ein hoher Luftschadstoff mit gesundheitlichen Folgen ist – auch in den USA kämpfen Grüne dagegen – hofierten es Grüne als sie in die Regierung kamen.Diese unfassbare Verlogenheit sollte unseren Menschen klar sein. Biden agiert innenpolitisch u. hat etteicht, das die Lebensader unserer Wirtschaft gesprengt wurde – zugunsten neuer Abhängigkeit von den USA u.auch Diktaturen wie den Saudis. Umweltschutz ist grünes… Mehr

Enrico Stiller
9 Monate her

Es sind tolle News für Deutschland! Je schneller die Ampel – jetzt mit gnädiger Hilfe der USA – Deutschland in den Abgrund fährt, desto schneller sind wir diese Horror-Truppe aus dem Wachsfigurenkabinett wieder los.
„Denn sie werden weiter ruinieren, bis alles in Scherben fällt, – denn heute ruinieren sie Deutschland, aber gottseidank nicht die Welt“.
Nach diesem Erlebnis werden in einigen Jahren unsere Nachbarn auf lange Zeit nicht wieder in Versuchung kommen, linksgrünem Irrsinn zu verfallen. In diesem Sinne sind die Ampelaner gute Europäer: sie opfern Deutschland aus pädagogischen Gründen – freilich unbewusst. Es lebe das abschreckende Beispiel!

GEZ zahlende Ratte
9 Monate her

Das sind doch tolle News für Superlinksgrün! Weniger LNG bedeutet weniger CO2 und damit mehr Weltklimarettung!! Es läuft alles supi!!!

H. Priess
9 Monate her

Dazu kommt, und das sollte nicht unerwähnt bleiben, daß die Ukraine ab Juli kein Gas von Russland mehr importiert und auch nichts mehr durchläßt. Über Umwege im weit verzweigten Pipelinenetz haben wir noch Gas aus Russland bezogen was wohl wegfällt. Russland ist bemüht trotzdem seine Lieferverpflichtungen an Ungarn, Slowakei, Österreich und andere zu erfüllen und will die Pipeline über die Türkei mehr nutzen was aber Probleme bringt, weil die schon durch die Lieferverträge an andere Staaten ausgelastet ist. Übrigens will die Ukraine dann Gas aus dem europäischen Verbundnetz beziehen. Wie weit die EU das schon zugesagt haben konnte ich nicht… Mehr

egal1965
9 Monate her
Antworten an  H. Priess

Entschuldigung, aber die Ukraine kauft doch schon seit längeren kein russisches Gas mehr, theoretisch gesehen, sondern Gas aus der EU. Dieses ist zwar trotzdem russisches Gas, aber eben „umetikiert“ und wird direkt aus der Pipeline in der Ukraine entnommen. Nur auf dem Papier ist es „EU-Gas“, hat aber die EU nie gesehen. Lesen sie mal die ganze Geschichte auf “ antispiegel.ru“ von Herrn Röper und wie Biden damit Milliarden gescheffelt hat. Ich wundere mich immer wieder, wie „blauäugig“ und uninformiert selbst Leser von TE sein können, obwohl diese ganze Geschichte in der amerikanischen und russischen Presse schon lange bekannt ist,… Mehr

Britsch
3 Monate her
Antworten an  H. Priess

Man wird sehen.
Man sollte auch Bedenken, daß die Menge durchzuleitendes Gas die in die Leitung vor der Ukraine eingespeist wurde am Ende der Leitung duch die Ukraine nicht heraus kam / kommt. Von /in der Ukraine anscheinend eine Menge des Gases Gestohlen wird. Gas für dessen Durchleitung die Ukraine Gebühren Kassiert.
Dies war ja auch ein Grund wieso die Ostseeleitung gebaut wurde

Bambu
9 Monate her

Der LNG Anteil ist glücklicherweise noch sehr klein am Gesamtimport an Gas.
https://de.statista.com/infografik/30706/taegliche-gasimporte-nach-deutschland-nach-herkunft/

Mehr Sorge bereitet mir da die Niederlande, welche das große Gasfeld bei Groningen, wegen der Gefahr für die Gebäude, schließen will oder sogar schon geschlossen hat. Das was heute nach Deutschland ist auch nicht unbedingt immer das was drauf steht. Nach wie vor fließt russisches Gas nach Deutschland. Wirklich gewonnen haben wir mit den ganzen Sanktionen nichts. Vielmehr ist die Versorgung heute noch sehr viel schwieriger, unsicherer und vor allen Dingen auch teurer.

klaudia
9 Monate her
Antworten an  Bambu

Nach neuem EU Recht ist die Umgehung der Sanktionen gegen Russland übrigens strafbar. Das dürfe auch für den Bezug von russischen Gas über Drittlaender gelten. Deutschland hat den EU Regeln übrigens im Rat der EU zugestimmt. Klicken demnächst die Handschellen ?

egal1965
9 Monate her
Antworten an  klaudia

Wie „naiv“ sind sie eigentlich?
Recht und Gesetz ist ziemlich „dehnbar“, gerade bei der EU.
Ansonsten würde z.B die Ukraine schon seit Jahren, wo man ja kein russisches Gas mehr kaufen wollte, ziemlich ohne Gas da stehen.
Denn deren „europäisches Gas“ kam und kommt direkt aus Russland, wird direkt aus der Pipeline in der Ukraine entnommen und hat die EU nie gesehen.
Ein einfacher Stempel und Hintermänner in Ungarn, die dieses theoretisch einfach umetikieren, und schwupps wird aus russisches europäisches Gas…

Dr. Friedrich Walter
9 Monate her

Was ist mit dem Direktimport von LNG-Gas aus Russland in die EU und nach Deutschland? Es gab vereinzelt Pressemeldungen, daß dieser Import im Jahr 2023 um ca. 40% gestiegen sei, aber von der Bundesregierung verschwiegen werde. Er wird von „Statista“ auch gar nicht aufgeführt. Auch die USA sollen massenhaft Öl und LNG-Gas direkt in Russland kaufen und uns das Gas als „US-Gas“ mit Gewinn weiterverkaufen. Weiß TE etwas darüber, oder können Sie recherchieren, ob diese Informationen stimmen?

Last edited 9 Monate her by Dr. Friedrich Walter