„We’re back“ – wir sind zurück. So tönt es dieser Tage aus der Gefolgschaft von Trump. Doch die Kabinettsbesetzungen Trumps zeigen, dass es weniger die Revoluzzer der MAGA-Bewegung als vielmehr die berüchtigten Neocons sind, die sich an der Macht zurückmelden.
Im Tagesrhythmus dringen neue Nominierungen des designierten US-Präsidenten Donald Trump für dessen neu zu formendes Kabinett an die Öffentlichkeit. Doch zwischen dem erwartbaren Gezeter linker Medien und dem obligaten Applaus von rechts, lohnt ein gründlicherer Blick auf die sich herausbildende Trump-Administration, denn sie gewährt Einblicke, was die kommenden Jahre von dieser Regierung zu erwarten sein wird.
Die außerhalb der USA meist rezipierte Nominierung war sicherlich jene von Elon Musk, der gemeinsam mit dem Unternehmer Vivek Ramaswamy die Abteilung für Regierungseffizienz (Department of Government Efficicency, kurz: D.O.G.E. in Anlehnung an das gleichnamige Meme) leiten soll. Darüber hinaus machte vor allem der designierte Verteidigungsminister Pete Hegseth mit seinen Tätowierungen – unter anderem einem Jerusalemkreuz und dem Kreuzzugsmotto „Deus vult“ („Gott will es!“) – Schlagzeilen.
— 𝐓𝐡𝐞 𝐀𝐫𝐭 𝐨𝐟 𝐏𝐮𝐫𝐩𝐨𝐬𝐞 🇺🇸 (@creation247) November 13, 2024
Während selbst in Deutschland der Spiegel darüber spottete, dass Trump Hegseth „im Frühstücksfernsehen“ gefunden habe, kann der ehemalige Moderator von Fox News auch auf eine lange Laufbahn in der US Armee zurückblicken, im Zuge derer er sowohl im Irak als auch in Afghanistan stationiert war. Dass just im Land, in dem Kinderbuchautoren Ministerialposten einnehmen können, der Vorwurf mangelhafter Eignung der Kabinettsmitglieder Donald Trumps laut wird, entbehrt nicht einer unfreiwilligen Komik.
Auch der Kandidat für den Posten des Justizministers, Matt Gaetz, ruft unterschiedlichste Reaktionen hervor. Während viele Trump-Anhänger den scharfzüngigen Republikaner als effektives Mittel zur angekündigten Bekämpfung des tiefen Staates sehen, betonen linke Medien, dass noch ein Verfahren gegen Gaetz wegen sexuellem Fehlverhalten laufe.
Weitaus weniger umstritten sind da schon andere Vertreter des Kabinetts, wie zum Beispiel Tulsi Gabbard, die künftig als Director of National Intelligence das Zepter über alle Geheimdienste der USA schwingen soll. Die ehemalige Demokratin und nunmehr Parteilose ist ebenfalls Irak-Veteranin und schloss sich der Trump-Kampagne im Laufe des Wahlkampfes an. Auch der nächste Außenminister ist mit Marco Rubio ein alter Bekannter in der US Politik. Der bisherige Senator aus Florida galt lange Zeit selbst als mögliches nächstes Aushängeschild der Republikaner und war in dieser Rolle ein aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, bevor schlussendlich die Wahl auf J.D. Vance fiel.
Die Angst vor dem Verlust von „America First“
Doch abseits medienwirksamer Tätowierungen, die einerseits die liberal-progressive Presse erschaudern lassen, während sie andererseits im Angesicht der transportierten Kreuzzugsromantik sogar Traditionalisten ihre skeptische Grundhaltung zu Tätowierungen vergessen lässt, zeigen die Nominierungen deutlich, welche Richtung das Kabinett von Trump inhaltlich einschlagen könnte.
Denn während politische Quereinsteiger wie Musk mit ihrem Bekenntnis zu freier Rede und Effizienz glaubwürdig den Kampf gegen die Washingtoner Bürokratie verkörpern sollen, sind viele der Kabinettsmitglieder alles andere als die von der Presse kolportierten Quereinsteiger ohne relevante Politerfahrung. Im Gegenteil, viele von ihnen sind seit Jahren Teil des Politzirkus und vertreten teils sehr eindeutige Positionen, in denen sie sich auch ähneln.
Zunächst einmal befinden sich unter den Kabinettsmitgliedern – wenig überraschend – einige der lautstärksten Unterstützer Israels in den USA. Da Trump aus seiner diesbezüglichen Position auch während seiner ersten Amtszeit keinen Hehl machte, darf das nicht überraschen. Immerhin hatte Trump, dem viele zu Gute halten, dass er in seiner ersten Amtszeit keinen Krieg begonnen hatte (eine Seltenheit für US-Präsidenten), bislang nur einmal den Befehl zu einem Raketenangriff erteilt – und zwar zur Verteidigung Israels.
Während es Trumps erklärtes Ziel ist, den Krieg in der Ukraine schnellstmöglich zu beenden, deutet das Kabinett Trumps aber darauf hin, dass eine Beilegung des Konflikts in Israel womöglich länger dauern könnte und die USA dabei weitaus kompromissloser agieren würden. Ob nun Mike Huckabee, der ehemalige Gouverneur von Arkansas, den Trump als Botschafter nach Israel entsenden möchte, Elise Stefanik, die die USA bei der UNO vertreten soll, der bereits erwähnte Pete Hegseth, aber auch Mike Waltz, der als nationaler Sicherheitsberater für eine harte China-Politik stehen soll, und sogar Vivek Ramaswamy sind mit expliziten Forderungen nach einer bedingungslosen Unterstützung Israels – bis hin zu Forderungen nach einem Groß-Israel – in der Vergangenheit in Erscheinung getreten.
Diese Position betrifft aber nicht nur Israel, sondern im Umkehrschluss auch den Iran, dem gegenüber man sich im neuen Kabinett konfliktbereit zeigt. All das mag, gerade aus deutscher Sicht, die sich dem Schutz jüdischen Lebens besonders verpflichtet zeigt, nachvollziehbar sein, weckt in den USA unter Anhängern Trumps aber Zweifel, ob die ursprünglich protektionistische MAGA-Bewegung unter dem Motto „America First“ („Zuerst Amerika“), die nicht länger den Weltpolizist spielen wollte, nun von der Rückkehr neokonservativer Kräfte – der sogenannten „Hawks“ – gekapert wurde und nun „Israel First“ das heimliche Motto der zweiten Amtszeit Trumps werden könnte.
Ein bisschen Wohlstand und Frieden macht vieles möglich
Denn so viel erscheint deutlich: Die kommende Amtszeit wird unter anderen Vorzeichen stehen als die Ära Trump I. Während Trump I primär protektionistisch bis isolationistisch agierte, standen die Vorzeichen auch schon bei der diesjährigen Wahl wieder vermehrt auf Expansion. Im besten Falle sogar auf den Mars, wie Elon Musk es immer wieder bewirbt. Doch auch auf der Erde dürfte die Stimme der USA zukünftig wieder lauter erklingen, mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen.
Auch wenn es Trumps erklärtes Ziel ist, den tiefen Staat trockenzulegen, zeigt sein Kabinett deutlich, dass er es sich nicht leisten kann, es sich mit allen Washingtoner Kräften zu verscherzen. Die patriotisch-expansiven Neokonservativen und die sogenannte Israel-Lobby dürften die naheliegendsten Alliierten Trumps zur Regierbarkeit der USA sein. Realpolitik vom Feinsten. Allerdings ist auch die Enttäuschung jener Anhänger nachvollziehbar, die auf eine tatsächliche Trockenlegung des Sumpfes gehofft hatten und nicht bloß auf einen modischen Neuanstrich des selbigen. Aber wie auch den Deutschen in einigen Monaten wieder schmerzhaft bewusst wird: Wahlen sind mittlerweile im besten Fall eine Wahl des geringsten Übels.
So gilt auch für die Stimmung in den USA, dass selbst vehemente Kritiker des Parteiensystems mit dem Trump’schen Kompromiss zu leben bereit sind, da mit der zu erwartenden Regulierung der Immigration, der Energie- und Wirtschaftspolitik, sowie mit der Hoffnung auf ein zeitnahes Ende der Schlachterei in der Ukraine die grundlegendsten Wünsche der Wählerschaft erfüllt würden, sodass diese selbst eine Rückkehr von Neocon-Hawks zu tolerieren bereit wären.
So wie eben auch die Deutschen wohl dazu bereit wären, Blackrock-Merz zum Kanzler auf Lebenszeit zu ernennen, wenn er die Migration stoppt und Energie bezahlbar macht. Eigentlich ist also alles angerichtet: Wieder einmal liegt die Macht auf der Straße und es sind die neokonservativen Revolutionäre, die sie nun aufheben können. In Amerika haben sie sich schon gebückt, doch in welche Richtung wird sich die CDU bücken?
Und dann noch ein Gesundheitsminister Kennedy
Nicht zu den Neocons zählt Robert F. Kennedy Jr., den Trump nun auf seiner Plattform „Truth Social“ als Gesundheitsminister nominiert hat. Doch die US-Lobbys, mit denen sich Kennedy anlegen wird, sind nicht weniger als bei den Neocons. Trump unter anderem: „Viel zu lange wurden die Amerikaner vom industriellen Lebensmittelkomplex und den Arzneimittelherstellern unterdrückt, die Täuschung, Fehlinformation und Desinformation betrieben haben, wenn es um die öffentliche Gesundheit ging … Die Sicherheit und Gesundheit aller Amerikaner ist die wichtigste Aufgabe jeder Verwaltung, und das Gesundheitsministerium wird eine große Rolle dabei spielen, sicherzustellen, dass jeder vor schädlichen Chemikalien, Schadstoffen, Pestiziden, pharmazeutischen Produkten und Lebensmittelzusätzen geschützt wird, die zu der überwältigenden Gesundheitskrise in diesem Land beigetragen haben.“
Kennedy – Neffe von Präsident John F. Kennedy und Sohn von Robert F. Kennedy – hatte im Wahlkampf 2024 als unabhängiger Kandidat kandidiert, bevor er später Trump unterstützte. Er ist Corona-Impfskeptiker und hat dies im Wahlkampf auch wiederholt untermauert.
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Wobei sich Tulsi Gabbard ausdrücklich gegen Neocons und den militärisch-industriellen Komplex profiliert. Eine merkwürdige Melange aus Pro-Netanjahu-Falken und Anti-Militaristen.