Bidens Auftritt, flankiert von Marines, löst breite Kritik aus

In der Autorin Nachbarschaft ist man sich einig: Trump vergreift sich sicherlich oft im Ton, aber er hat dabei die Mächtigen und Einflussreichen im Visier. Biden dagegen droht dem einfachen Wähler. Das sei nicht nur eine neue Qualität der Spaltung, das sei gefährlich.

IMAGO / NurPhoto

Als Joe Biden seine Antrittsrede als „President elect“ hielt, hatten manche das Gefühl, es könne ein Ruck durch Amerika gehen. Rot und blau, Republikaner und Demokraten könnten sich wieder die Hände reichen. Ähnlich wie nach der ersten Regierungserklärung von Olaf Scholz flammte kurzfristig so etwas wie Hoffnung auf. Ein Rohrkrepierer, weiß man heute – auf beiden Seiten des Atlantiks.

„To make progress, we have to stop treating our opponents as our enemies. They are not our enemies, they are Americans.“ 
Joe Biden am 7. November 2020

Keine zwei Jahre später tönte Biden in seiner jüngsten 25-minütigen „Soul of the Nation“-Rede vor 300 ausgesuchten Zuhörern anders. Stil und Aufmachung der Rede erinnerten eher an einen dämonischen Diktator als an einen großen Versöhner. Und das ausgerechnet in der Independence Hall in Philadelphia, dort, wo einst die amerikanische Verfassung geschrieben wurde.

In dramatischer Aufmachung, der dunkle Hintergrund wie mit Flammen rot beleuchtet, flankiert von Marines in Uniform hatten seine Worte nichts Verbindendes, nichts Aussöhnendes mehr. Ein regelrechter Abscheu gegenüber Andersdenkenden kam zum Vorschein.

Biden warf Anhängern von MAGA (Make America Great Again), also allen, die Trump gewählt haben und auch wieder wählen würden, quasi der republikanischen Hälfte Amerikas, vor, die Demokratie unterwandern zu wollen und die Verfassung nicht zu respektieren. Laut Biden glauben sie nicht an die Rechtsstaatlichkeit, wollen Chaos schüren, Lügen verbreiten und würden den Willen des Volkes nicht anerkennen.

„MAGA Republicans have made their choice. They embrace anger. They thrive on chaos. They live, not in the light of truth but in the shadow of lies.“ 
Joe Biden am 1. September 2022

Empörte Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. „Niemand, der 50% der Wähler in diesem Land als Halbfaschisten, Extremisten und Bedrohung der Demokratie dämonisiert, verdient es, 100% der Bevölkerung dieses Landes zu vertreten. Selbst Trumps Kritiker können nicht behaupten, dass er die demokratischen Wähler auf diese Weise dämonisiert hat“, ordnete die RNHA (Republican National Hispanic Association) die Rede Bidens ein.

Nicht wenige Amerikaner fühlen sich von ihrem Präsidenten beleidigt, verhöhnt und verschmäht. Meine komplette Nachbarschaft war ernsthaft entsetzt. Zum Verständnis: Ich lebe in den USA, genauer gesagt in Florida, in einem Wahlbezirk, der zu 88 Prozent Trump gewählt hat. Nicht nur 2016, sondern auch 2020. Davor wählten etliche von ihnen übrigens Obama. Nur so am Rande.

Keiner meiner Nachbarn ist gewalttätig. Sie arbeiten als Polizisten, Feuerwehrleute, Gärtner, Reisebürokauffrau oder sind bereits in Rente. Sie sind in der Kirche aktiv, engagieren sich ehrenamtlich und helfen einander, wann immer sie können. Von ihnen zu behaupten, sie würden im Chaos gedeihen oder Wut schüren, ist geradezu grotesk. In unserer WhatsApp-Gruppe schrieb jemand: „Ich fange an Angst zu haben vor dem, was hier noch passiert“. Alle stimmten zu.

Der kalifornische Kongressabgeordnete Darrell Issa war zudem entsetzt, dass Biden Marinesoldaten für seine Inszenierung missbrauchte, und twitterte: „The only thing worse than Biden’s speech trashing his fellow citizens is wrapping himself in our flag and using Marines to do it.“

Sein Amtskollege Jim Jordan aus Ohio twitterte ein angsteinflößendes Bild Bidens und schrieb dazu nur sarkastisch: „Versprochen wurde uns Einheit. Bekommen haben wir das hier:“

Unbehagen erzeugten die im Hintergrund aufgestellten Marines auch, da Biden in seiner Rede drohte, man wäre nicht machtlos und man würde sich diese [MAGA-] Attacken auf die Demokratie nicht gefallen lassen.

„But while the threat to American democracy is real, I want to say as clearly as we can, we are not powerless in the face of these threats. We are not bystanders in this ongoing attack on democracy.“ 
Joe Biden am 1. September 2022

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, meinte dazu nur lapidar: „Die Anwesenheit der Marines sollte den tiefen Respekt signalisieren, den der Präsident für sie hat. Er schätzt ihre Ideale und die einzigartige Rolle, die unser unabhängiges Militär hat, um unsere Demokratie zu verteidigen.“

So, so. Aber wird die Taktik Bidens aufgehen? Werden sich die Wähler von seiner Drohung, gegen MAGA-Amerikaner vorzugehen, einschüchtern lassen? Immerhin, sogar CNN-Journalisten, tendenziell eher Demokraten-freundlich, äußerten sich kritisch.

CNN Anchor Brianna Keilar meinte, es sei ein Unding gewesen, das Militär für die Rede zu missbrauchen. Das amerikanische Militär sollte unpolitisch bleiben. „Whatever you think of this speech the military is supposed to be apolitical. Positioning Marines in uniform behind President Biden for a political speech flies in the face of that. It’s wrong when Democrats do it. It’s wrong when Republicans do it.“

CNN Chief National Affairs Correspondent Jeff Zeleny fand, es sei keineswegs ungewöhnlich oder falsch, dass ein Präsident eine politische Rede hielte. Das sei Teil seines Jobs. Aber diese Rede vor zwei Marine-Soldaten zu halten, die in Uniform und Habachtstellung hinter ihm stünden, bräche mit allen Traditionen des Weißen Hauses. „There’s nothing unusual or wrong with a President delivering a political speech — it’s inherent in the job description — but doing it against a backdrop of two Marines standing at attention and the Marine Band is a break with White House traditions.“

In meiner Nachbarschaft ist man sich jedenfalls einig. Trump, so heißt es dort, vergreife sich sicherlich oft im Ton. Aber er hat dabei die Mächtigen und Einflussreichen im Visier. Biden dagegen drohe dem einfachen Wähler. Das sei nicht nur eine neue Qualität der Spaltung, das sei gefährlich.

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Kommentare ( 65 )

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mediainfo
2 Jahre her

Die Demokraten wissen, dass sie keine Bevölkerungsmehrheit hinter sich haben. Aus diesem Grund eskalieren sie die Auseinandersetzung und erklären den politischen Gegner zum Feind.

teanopos
2 Jahre her

Selbsternannte Eliten, vollends in die Internationalität geflüchtet. Weil sie mit ihrem Zuhause nichts anfangen können und auch nie konnten. Im kleinen sind diese *** die größten Versager:innen. Und im großen glauben diese egozentrischen *** dazu berufen zu sein in planetaren Maßstäben zu denken. Diese charakterliche Widerwertigkeit macht vor keiner Parteigrenze halt. Und für Sorros & Co. waren und sind diese skrupellosen, prinzipienlosen geistigen Nieten schon in jungen Jahren willkommene Depp:innen. Schon in jungen Jahren streben diese *** auf die ganz große Bühne, oder werden von ihren Eltern da hochgeschoben. Dilettanten:innen, und wenn sie dann auch noch fleißig und ihrer Doktrin… Mehr

Last edited 2 Jahre her by teanopos
teanopos
2 Jahre her

Die nächste Handlungsphase des internationalen Großkapitals, von Schwab, Sorros und Co. ist eingeleitet und ihre Marionetten, „Demokraten“, Linke Deppen, nützliche Idioten tun das wofür sie herangezüchtet wurden. Sie bringen sich gegen die einfachen Leute inklusive Mittelschicht in Position. Welche glauben gar sie stünden an der Spitze dieser pseudodemokratischen Mafia. Ein seniler Biden, dem mittlerweile eingeflüstert wird, der diese Strukturen/Verhältnisse aber auch mitgeschaffen hat. Auf dieser Seite des Ozeans, ein Habeck, eine Baerbock, Faeser, Merkel,… Ihr letzter Kampf hat längst begonnen, nein, nicht gegen Externalitäten, nein gegen die eigenen Bürger, die einfachen Leute. In den USA ganz unverholen, in Deutschland ganz… Mehr

Last edited 2 Jahre her by teanopos
tsundoku
2 Jahre her

Ich befürchte, dass die faschistisch anmutende Bildsprache mit wirklich ein Unfall war. Ich weiß, dass vor der Inauguration Bildmaterial zirkulierte, das das Volk auf die bevorstehende Zeremonie einstimmen sollte. Die Wahl von Biden wurde ja seinerzeit gefeiert wie die Wiedergeburt Christi. U. a. wurde das langgezogene Wasserbecken vor dem Capitol gezeigt, um das sich in mathematisch exakten Abständen Lichtkegel gruppierten, die lotrecht gen Himmel wiesen. Meine allererste Assoziation war damals „Nazi-Reichsparteitag“ – und wollte meinen Augen nicht trauen. Dieses Bild ist dann allerdings sehr schnell wieder aus der Berichterstattung verschwunden. Kann sich hier vielleicht jemand noch daran erinnern? Wie dem… Mehr

fatherted
2 Jahre her

Wenn sogar CNN kritisch gegen Biden schießt….das will schon was heißen. Ansonsten kommt von denen doch nur kritikloser Rückenwind a la ARD und ZDF. Na…immerhin stehen die ÖR-Sender in Deutschland noch mit Nibelungentreue zu Biden und Co. Von dem Skandal rund um Söhnchen Hunter wurde in den ÖR noch nie was berichtet. Kommt wohl erst, wenn es zum großen Knall in den USA kommt. Mal sehen was die Zwischenwahlen machen…laut ÖR…holen die Demokraten auf….könnte…nach der neuesten Kritik auch anders laufen.

Peter Silie
2 Jahre her

Ob die vom Establishment verachteten und gehassten 50% Amerikaner den Mut aufbringen werden in den Bürgerkrieg zu steigen, wenn das Fass zum Überlaufen gebracht wurde? Wenn sie das nächste Mal zum Capitol kommen, werden sie dies dann wohl mit Waffen tun.

Autour
2 Jahre her

„Als Joe Biden seine Antrittsrede als „President elect“ hielt, hatten manche das Gefühl, es könne ein Ruck durch Amerika gehen“
Tut mir leid, aber wer dies wirklich geglaubt hatte kann nicht bei klarem Verstand gewesen sein! Es war von Anfang an klar das dieser senile Opa nur die Marionette der Linksfaschisten werden würde!
Das eine Atommacht von einer Person geführt wird die nicht mehr Herr ihres eigenen Geistes ist, macht einen nur noch Fassungslos!

Teiresias
2 Jahre her

Was denken die sich?

Ganz ironiefrei, was geht in Personen vor, die sich so eine Inszenierung ausdenken? Sehen die nicht, was sie da treiben, oder verstehen sie es nicht?

Wie oft müssen die falsch abgebogen sein, um an diesem Punkt anzukommen, den greisen Joe so auftreten zu lassen?

Last edited 2 Jahre her by Teiresias
Ralf Poehling
2 Jahre her

Schaut man sich Bidens Rede an, lässt es einen nicht nur wegen der Wortwahl und der flankierenden Soldaten irritiert zurück. Die Hintergrundbeleuchtung mittels der Farben der US Nationalflagge ist im gewählten Bildausschnitt auf ein dunkles Rot reduziert und lässt Biden geradezu dämonisch wirken.
Man könnte fast meinen, Damien Thorne hätte es doch noch ins Weiße Haus geschafft. Das alles will überhaupt nicht mehr zum „Land of the Free“ passen.

LadyGrilka55
2 Jahre her

„Laut Biden glauben sie nicht an die Rechtsstaatlichkeit, wollen Chaos schüren, Lügen verbreiten und würden den Willen des Volkes nicht anerkennen.“ – „Unbehagen erzeugten die im Hintergrund aufgestellten Marines auch, da Biden in seiner Rede drohte, man wäre nicht machtlos und man würde sich diese … Attacken auf die Demokratie nicht gefallen lassen.“ Warum um alles in der Welt kommt mir dieses Gerede nur so unangenehm bekannt vor? Könnte es sein, dass ich Vergleichbares aktuell in Deutschland höre bzw. lese? Da will einer vor den Midterms den starken Mann herauskehren und bedient sich einer Inszenierung, die – bei einer leichten… Mehr

Last edited 2 Jahre her by LadyGrilka55