Was der iranische Angriff auf Israel offenbart

Auch die Beteiligung von Jordanien und Saudi-Arabien bei der Abwehr des jüngsten massiven Angriffs von Iran auf Israel zeigt, dass die Konfliktlinien in Nahost anders verlaufen, als viele Experten oft suggerieren.

In der Nacht vom vergangenen Samstag auf den Sonntag ließ der Iran nach mehrfacher Vorankündigung ein Feuerwerk von Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen auf Israel abregnen. Dank der Abwehrsysteme kam es laut Angaben Israels nur zu geringen Schäden an einem Luftwaffenstandort. Mit diesem Gegenschlag für den jüngsten israelischen Drohnenangriff auf die iranische Botschaft in Damaskus, sieht der Iran die Angelegenheit als abgeschlossen an. Israel behält sich jedoch weitere Schritte vor.

Iran zwischen Show of Force und kriegerischer Eskalation

Seit Jahrzehnten gibt es zwischen Iran und Israel gegenseitige Gewalthandlungen unterhalb der Schwelle zur kriegerischen Auseinandersetzung. Bei Israels Drohnenangriff auf die iranische Botschaft im Syrischen Damaskus wurden am 1. April sieben Menschen getötet, darunter auch zwei Generäle der Iranischen Revolutionsgarde (IRGC). Der Botschafter selbst und seine Familie hingegen blieben unverletzt. Die Begründung Israels lautete, man wolle dadurch verhindern, dass der Iran gemeinsam mit der libanesischen Hisbollah weiter in der Region an Einfluss gewinnt.

Der Iran hatte daraufhin einen massiven Gegenschlag angekündigt, aber selbst nach dem Start der militärischen Offensive öffentlich im Fernsehen davor gewarnt. Die Flugkörper waren Stunden in der Luft unterwegs und wurden durch Bündnispartner wie den USA und durch Israel selbst abgewehrt. Offiziell heißt es, es sei kein wesentlicher Schaden entstanden, lediglich an der Air Base Nevatim, die jedoch weiterhin voll funktionsfähig ist. Arabische Medien berichten hingegen, dass nicht alle Raketen abgefangen wurden und es einige wenige Verletzte gab. Doch insgesamt ähnelt der Angriff eher einer Show of Force, einem Muskelspiel der militärischen Möglichkeiten, um den Gegner von weiteren Schlägen abzubringen.

Die USA schwanken von Erwägungen eines Waffenlieferungsstopps bis hin zu unverbrüchlicher Solidarität und wichtigstem Partner sowie Garant – Frankreich diskutiert Sanktionen gegen Israels Politik. Deutschland sagt das eine, macht aber das andere. Israels Regierung unter der Führung von Benjamin Netanjahu steht immer wieder unter Druck. Stellt dies die Gunst der Stunde für den Iran dar, in eine kriegerische Eskalation zu gehen? Mitnichten, wie auch das Eingreifen von Jordanien und Saudi-Arabien zeigte, die sich ihrerseits an der Abwehr von iranischen Drohnen beteiligten. Es wird gemutmaßt, auch das sei ein Aspekt für die iranische Führung gewesen, die „Operation“ gegen Israel noch am gleichen Abend als abgeschlossen zu erklären.

Militärisches Muskelspiel einer angehenden Atommacht

Nach Zahlen des Global Firepower Index liegt das Iranische Militär im Ranking der schlagkräftigsten konventionellen Militärmächte drei Plätze vor Israel, und damit weltweit auf Platz 14. Es hat 610.000 Soldaten unter Waffen und kann über weitere 350.000 Reservisten verfügen. Das Militär verfügt über 2.000 Panzer, 700 Raketenwerfer und 600 Haubitzen. Faktisch unabhängig vom Militär agieren dabei die Revolutionsgarden. 1979 gegründet, um das klerikale System zu schützen, verfügen die 125.000 Revolutionswächter mittlerweile über ein eigenes Heer, eigene Luftstreitkräfte, Marine und einen eigenständigen Geheimdienst.

Das iranische Atomprogramm wurde lange Zeit durch ein internationales Atomabkommen geregelt, das jedoch beendet wurde. Laut der internationalen Atomenergieagentur hat der Iran in den letzten Jahren die Produktion von 60-prozentigem Uran beschleunigt. Zwar sind für den Einsatz von Kernwaffen 90 Prozent erforderlich, aber die Bemühungen zeigen eindeutig in eine Richtung, die die Vormachtstellung der Atommacht Israel in dieser Region in Frage stellt.

Nach dem Gegenschlag auf den Botschaftsangriff teilte die Iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York mit, wenn das israelische Regime einen „weiteren Fehler“ beginge, werde die Reaktion Irans härter ausfallen. Auch der Kommandant der Revolutionsgarde, Hossein Salami, warnte, dass der Iran auf jeden weiteren Angriff auf „die Interessen, die Vertreter und die iranischen Bürger“ reagieren würde.

Nur noch einen Funken entfernt von einem Flächenbrand?

Knapp ein Drittel der iranischen Drohnen, Marschflugkörper und ballistischen Raketen haben die USA abgewehrt, doch was in die Nähe Israels gelangte, kam auch aus anderen Richtungen. Hisbollah-Raketen zielten auf den nördlichen von Israel besetzten Teil Palästinas und die Golan-Höhen. Von den gleichzeitig ausgeführten Cyber-Attacken gegen das Stromnetz waren weite Teile Israels betroffen, so auch die Hauptstadt Tel Aviv, die teilweise im Dunkeln blieb. Und es wurde deutlich, dass sich irakische und libanesische Gruppen ebenso wie die Ansarullah-Bewegung sowie die Huthi-Milizen im Jemen einem konzertierten Angriff unter Iranischer Führung angeschlossen haben.

Wohl weniger wegen der ausgesprochenen iranischen Warnung, bei einem direkten US-amerikanischen Engagement auch deren Militärbasen zu attackieren, drückt der amerikanische Präsident Joe Biden derzeit erkennbar auf die Bremse. Die USA haben offiziell mitgeteilt, dass sie einen militärischen Gegenschlag Israels nicht unterstützen werden. Zusätzlich zum Krieg in der Ukraine, den Reibereien mit China um Taiwan und dem wiedererstarkten Islamistischen Terror, will sich die USA derzeit kein weiteres Engagement leisten, das sich zu einem unkalkulierbaren Flächenbrand ausweiten kann. Das allerdings weiß auch der Iran.

Noch ist nicht zweifelsfrei geklärt, woher im Einzelnen all die Raketen und Drohnen stammten, die der wirtschaftlich ansonsten angeschlagene Iran so zahlreich auf die Abwehrsysteme Israels lenkte. Vermutungen zielen in Richtung der Parteien des Ukraine-Konflikts. Israel hatte Montagfrüh angekündigt, nicht unmittelbar reagieren zu wollen, sondern gemeinsam mit regionalen Partnern geeignete Maßnahme als Antwort zu finden.

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Kommentare ( 4 )

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L.Ulbrich
8 Monate her

Israel weniger allein als oft suggeriert!
Für Christen hat Israel nicht nur weltliche Mächte an seiner Seite, sondern Gott den Schöpfer des Himmels und der Erde. Im alten Testament der Bibel stehen die unzähligen Verheißungen Gottes, für SEIN VOLK, geschrieben.

Kuno.2
8 Monate her

Wenn Israel frühere UNO Beschlüsse durchführen würde, wäre dem jahrzehntelangen Kampf der Boden entzogen.

Alleswasrechtist
8 Monate her

„Das iranische Atomprogramm wurde lange Zeit durch ein internationales Atomabkommen geregelt, das jedoch beendet wurde…“  Hier wird suggeriert, wegen der Beendigung des Atomabkommens (übrigens durch Trump) sei das Atomprogramm wieder in Fahrt gekommen. Das ist so nicht richtig. Umgekehrt hinderte das Atomabkommen den Iran mitnichten, sein Atomprogramm fortzusetzen. Die Kontrollen mussten bspw. rechtzeitig vorher angekündigt werden, bezogen sich ohnehin nicht auf alle Anlagen, wenn eine „ausgesuchte“ Anlage plötzlich nicht besichtigt werden konnte, blieb dies ohne Konsequenzen etc. Das Abkommen war insofern wirkungslos und diente den USA und z.B. auch FR eher als Alibi, um sich nicht weiter die Finger schmutzig… Mehr

Schwabenwilli
8 Monate her

Der Iran ist wirtschaftlich so sehr in der Bredouille wie der Libanon. Vor allem junge Menschen möchten das Land verlassen. Man ist militärisch zwar stark aufgestellt aber wie lange würde das Militär einen Krieg durchhalten können?