Grenze zwischen Gaza und Sinai: Für Ägypten geht der Schutz vor Extremisten eindeutig vor

Präsident al-Sisi hat die Grenze zum Gazastreifen geöffnet, aber wirklich nur einen Spalt. Eine unkontrollierte Einreise von Gaza-Flüchtlingen wäre für den Nilstaat kaum verträglich: Einheimische Dschihadisten würden gestärkt, Wirtschaft und Staatshaushalt extrem belastet, eine Verwicklung in den Konflikt würde drohen.

IMAGO / Kyodo News
Grenzübergang zwischen Ägypten und Gaza, Rafah, 31.10.2023

Ägypten hat seine Grenze zum Gazastreifen geöffnet, allerdings nur für einige wenige Verwundete und vor allem für 500 Ausländer, teils mit doppelten Staatsangehörigkeiten, die auf einer Liste der ägyptischen Behörden standen. Was die internationale Presse von BBC bis Aljazeera teilweise mit triumphierendem Gestus berichtet, ist in Wahrheit nur ein Tropfen – und keineswegs der Beginn einer Lösung des angeblichen Hauptproblems: Wohin sollen die arabischen Einwohner des Gazastreifens angesichts der israelischen Aufforderung, das Gebiet (zumindest seinen Norden) zu verlassen?

In griechischen Zeitungen wird schon darüber spekuliert, dass Israel unter anderem das Ägäis-Land als Aufnahmezentrum für die Gaza-Palästinenser auserkoren habe. Diese Gerüchte sind schon einige Tage alt und stammen von der israelischen Nachrichtenwebsite Calcalist. Geheimdienstministerin Gila Gamliel hätte demnach in einem internen Regierungsdokument die Umsiedlung der Bewohner des Gazastreifens empfohlen. Die erste Wahl wäre hier naheliegenderweise der Sinai.

Dazu sollen laut dem theoretischen Papier Zeltstädte auf der ägyptischen Halbinsel errichtet werden. Zugleich müsse eine neutrale Zone an der neuen Grenze zwischen Israel und Ägypten eingerichtet werden, die eine Rückkehr der Araber nach Gaza verhindert. Andere Optionen aus dem internen Papier für die Aufnahme von Gaza-Arabern sind Kanada, verschiedene nordafrikanische Länder oder europäische Länder wie Griechenland oder Spanien. Aber der berichtende Calcalist weist selbst auf den geringen Einfluss des Geheimdienstministeriums hin. Es handelt sich demnach nur um ein „winziges Büro“, dem kein Geheimdienst und keine Sicherheitsbehörde unterstellt seien. Von diesem Ministerium sind demnach nur Empfehlungen zu erwarten.

Al-Sisi hat Betonblöcke an die Grenze gestellt

Migrationskrise
Sperrt palästinensische Migranten aus Sicherheitsgründen aus! ARD und ZDF verstehen das. In Ägypten
Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat eine Umsiedlung von Bewohnern des Gazastreifens auf den Sinai Mitte Oktober abgelehnt, da ein solches Vorgehen die Sinai-Halbinsel zum Ziel von israelischen Angriffen machen würde. Gamliels Dokument, das am 24. Oktober bekannt wurde, hält dagegen, dass Ägypten durch internationales Recht dazu verpflichtet sei, flüchtende Araber aus dem Gazastreifen ein- oder durchreisen zu lassen. Das rekurriert offenbar auf das Gebot zur Nichtzurückweisung. Der ägyptische Präsident hat trotzdem Betonblöcke am einzigen offiziellen Grenzübergang von Rafah aufgestellt. Lange blieb dieser Übergang auch für Ausländer geschlossen, weil ein Massenansturm befürchtet wurde – und so kamen die jetzigen Sensationsmeldungen nach der Ausreise von 500 Ausländern und einigen verletzten Arabern zustande.

Zweifel an der Festigkeit der ägyptischen Entscheidung gegen eine umfängliche Aufnahme von Gaza-Flüchtlingen gibt es dabei nicht. Als Hauptgrund für die ägyptische Ablehnung einer geplanten Umsiedlung oder auch einer fluchtartigen Einreise von Arabern aus Gaza gilt vor allem die Sorge um die innere Stabilität – daneben, wie schon anklang, die Sorge um eine Verwicklung in den Krieg. Und natürlich spielen auch wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle: Kurz gesagt, Ägypten hätte kaum die Möglichkeit, mehr als zwei Millionen Palästinenser durchzufüttern, ohne dass sich das durch ein Loch im Staatshaushalt bemerkbar machen würde. Schon jetzt belasten angeblich mehr als 300.000 Flüchtlinge aus dem Sudan die Finanzen des Landes.

Nach außen behaupten ägyptische Vertreter freilich auch gerne, die Ansiedlung auf dem Sinai würde die Palästinenserfrage „begraben“ – also den Konflikt mit Israel endgültig beenden, was schon eher wie ein national-arabisches Argument klingt.

Immer wieder zeigt sich die politische Macht der Flüchtlinge, zuletzt in Sidon

Hamas-Hochburg Dschabalija
Das „Flüchtlingslager“ ist ein 1948 erbautes Gebäudeviertel
Allerdings lohnt ein Blick auf die jüngere ägyptische Geschichte, um die wahren Motive zu erkennen. Die derzeitige Regierung von Präsident al-Sisi kam bekanntlich durch einen Putsch an die Macht, und der richtete sich gegen eine zuvor demokratisch gewählte Regierung von Muslimbrüdern unter dem Präsidenten Mohammed Mursi. Ein Blick auf andere Länder, in denen heute „palästinensische Flüchtlinge“ leben, zeigt außerdem, dass dieselben dort durchaus als politische Kraft wirken. Das belegen etwa die Erfahrungen in Jordanien, dem Libanon oder auch Syrien. So kam es 1970 und 1971 zum offenen Bürgerkrieg in Jordanien (kulminierend im sogenannten „Schwarzen September“), als der militärische Arm der PLO sich mit syrischer Unterstützung gegen König Hussein erhob und von diesem vernichtend geschlagen wurde.

Erst vor kurzem kam es im libanesischen „Flüchtlingslager“ Ain al-Hilweh bei Sidon zu schweren Gewaltausbrüchen mit dutzenden Toten und Verletzten. Hintergrund hier waren Kämpfe zwischen „extremistischen“ Kräften (Dschihadisten und Hamas) und der Fatah. Im nördlichen Teil der Sinai-Halbinsel sind zudem bereits einheimische Extremisten vertreten, mit denen die ägyptische Armee sich auch schon Kämpfe geliefert hat. Wenn nun Hamas-Anhänger mit eigenen Waffen dazukämen, dann ist klar, dass dies nicht zum Besten der ägyptischen Grenzregion wie auch Gesamt-Ägyptens wäre.

Die zögerliche Grenzöffnung vom 1. November ist ein Zugeständnis an den sich aufbauenden internationalen Druck, der ebenso aus dem „Wertewesten“ zu kommen scheint wie von der aktuellen Konfliktlinie her. Eine weitergehende Grenzöffnung dürfte aus den genannten politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Gründen nicht zu einer Option für Ägypten werden.

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Kommentare ( 27 )

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27 Comments
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BK
1 Jahr her

Niemand hat etwas zu verschenken und die Leute sind unter ihresgleichen unbeliebt. Es ist deren hausgemachtes Schicksal, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht möglich ist, mit Israel zu kooperieren. Man könnte schließlich auch Gaza wie Monaco oder Dubai zu entwickeln. Dazu müssen die Leute aber erstmal etwas anderes im Kopf haben, als sich nur mit gruftigen Mullahs und anderen Extremisten zu verbrüdern. Aber wem sage ich das? Meine Empfehlungen werden schließlich nicht im eigenen Land gehört. Ich werde hier auch nur von Klimamullahs und Asylverrückten bevormundet und täglich von deren Politik gedemütigt. Nun ist bereits die arabische… Mehr

Urbanus
1 Jahr her

Russland ist unterbevölkert. Da ist eigentlich sehr viel Platz. Ich glaube aber, Putin will sie auch nicht haben. Es bringt nur Ärger.

Thorben-Friedrich Dohms
1 Jahr her

Sollte man gehört haben:
https://www.deutschlandfunk.de/interview-mit-prof-wolff-heintschel-von-heinegg-voelkerrechtler-viadrina-dlf-55d68f91-100.html

Da lädt der Deutschlandfunk einen Völkerrechtler ein und zwar mit dem klar erkennbaren Wunsch, er möge Israel verurteilen.
Fazit: Israel handelt nicht völkerrechtswidrig, wohl aber die Hamas. Das Verschanzen in einem Krankenhaus bewertet der Völkerrechtler als Kriegsverbrechen.

Haeretiker
1 Jahr her

In der Tat sehr hörenswert. Es zeigt vor allem, wie beim ÖRR mit Begriffen herumgeworfen wird, deren Bedeutung man gar nicht kennt. Der Herr Meurer hat Wissen durch Haltung ersetzt.

Berlindiesel
1 Jahr her

Irgendwohin werden sie müssen. Mit den Angriffe vom 7. Oktober ist die „Zweistaatenlösung“ vom Tisch, das war auch ein wesentliches Ziel dieses Angriffes. Was die Palästinenser in ihrem Kalkül offenbar unterschätzt haben, ist, wie unbeliebt sie bei den übrigen Arabern sind. An sich wäre es kein Problem, in den weiten Ländern zwischen Casablanca und Dubai 6 Millionen arabische Migranten unterzubringen. Es gibt bald zehn arabische Städte, die mehr Einwohner haben, Kairo hat fast so viele Einwohner wie ganz Syrien. Durch Zersplitterung könnte man auch erreichen, dass sich keine neuen Zentren mit sezessionalen Absichten bilden könnten. Doch den Palästinensern fehlt es… Mehr

Moses
1 Jahr her
Antworten an  Berlindiesel

Das Unmenge vom Geld, das da fließt, muss man verschiedenen Staaten anbieten. So kann man das Gewünschte erreichen. Sie werden dann in relativ kleinen Gruppen für diese Staaten nicht gefährlich.

nachgefragt
1 Jahr her

Wären die arabischen Nachbarn gut beraten, würden sie schlicht und einfach die Fakten über die Hamas beim Namen nennen und sagen: So etwas wollen wir hier nicht haben. Wir nehmen ja auch keine IS-Terroristen auf. Die Hamas und der IS haben viele Gemeinsamkeiten, was die abartige Art und Weise betrifft, mit der sie agieren. Das Ergebnis könnte und sollte vielleicht auch identisch sein. IS-Terroristen hausen beispielsweise in Lagern im Irak, weil niemand den Abschaum auf den Rest der Menschheit loslassen kann und auch niemand sie haben will. Ein Gefängnis für IS-Terroristen und Unterstützer ist nach IS-Maßstäben dabei auch noch eine… Mehr

bkkopp
1 Jahr her

Es ist zu vermuten, dass palästinensiche Flüchtlinge in Ägypten den ägyptischen Staatshaushalts sehr wenig bis nichts kosten könnten. Wenn die UNHCR/WFP von den Öl-Arabern, aus Europa und den USA ausreichend finanziert würde, dann können die das ganz gut. Über eine kurzfristige Nothilfe hinaus gibt es dann aber wirtschaftliche, politische und ideologische Probleme. Ideologisch meint, dass man seit 1948 palästinsische Araber nur sehr restriktiv aufnimmt, um das “ Palästineserproblem “ für Israel und den Westen so groß wie möglich zu halten. Diese ideologische Linie haben fast alle arabischen Länder seit 70 Jahren mit großer Konsequenz verfolgt. Wie am Beispiel Jordanien erwähnt,… Mehr

Haeretiker
1 Jahr her

“ … Ansiedlung auf dem Sinai würde die Palästinenserfrage „begraben“  Wäre eine gute Lösung. Funktionierte so ähnlich auch bei ca. 12 Mio Deutschen. Und schon nach wenigen Jahrzehnten wollte das auch keiner mehr rückgängig machen. Der „Schwarze September“ zeigte aber auch, dass die sogen. Palästinenser immer Verfügungsmasse der Terroristen bleiben werden. Von daher ist die vollständige Vernichtung der Hamas und Hisbollah die einzige Lösung, die einen Abbau von Spannungen bewirken könnte. Und das ist auch der heimliche Wunsch vieler arabischer Staaten, den sie aus Furcht vor Terror jedoch weder äußern noch unterstützen würden. Die muslimischen Verwandten der „Palästinenser“ weigern sich… Mehr

Montesquieu
1 Jahr her
Antworten an  Haeretiker

Die Trennung zwischen der bösen Hamas und den von ihnen mißbrauchten guten Palästinensern ist genauso sinnfrei wie die Trennung zwischen den bösen Islamisten und den durch sie mißbrauchten guten Muslimen. Die Hamas wurde „demokratisch“ gewählt im Gazastreifen. Ebenso wie u.a. die Hisbollah im Libanon und die islamistische Regierung damals in Ägypten. Auch Erdogan hat sich nicht an die Macht putschen müssen. Lässt man in muslimischen Ländern frei wählen, kommen todsicher radikal islamische Regierungen an die Macht. Ganz demokratisch und repräsentativ. Die Weigerung der Gutmenschen, die Verfasstheit einer durch eine totalitäre Politreligion wie den Islam indoktrinierten Kulturgemeinschaft zur Kenntnis zu nehmen,… Mehr

Teide
1 Jahr her

100000 Deutsche sollen sich in der Region befinden.(Baerbock)
Da bringt jeder noch 20 Kumpel mit und das Problem ist gelöst.
So ähnlich wird es kommen.

Marie
1 Jahr her

Nächster gigantischer Fake? Ein Flüchtlingslager Dschabaliya gibt es nicht in GazaScheinbar ist die Weltöffentlichkeit dem nächsten Betrug durch die notorisch lügende Hamas aufgesessen. Seit Tagen wird erbost über einen Angriff der israelischen Armee auf ein Flüchtlingslager diskutiert, der ORF will wissen, dass es sich um ein mutmaßliches Kriegsverbrechen handelt. Tatsächlich gibt es dort aktuell kein Flüchtlingslager im Sinne des Wortes. Der Begriff ist ein Eigenname, man nennt die Ortschaft wohl bereits seit 1948 so. Google Maps beweist, es ist eine normale Wohngegend mit einzelnen Häusern und sogar Villenvierteln. Der Name des “Flüchtlingslager” Dschabaliya ist als Flurname zu betrachten. So wie Gegenden in… Mehr

fatherted
1 Jahr her

hm…..die Ägypter lassen ihre Arabischen Brüder nicht rein….die Pakistani schmeißen derzeit ihre Afghanischen Brüder alle raus….irgendwie keine Solidarität unter den Glaubensbrüdern….da müsste doch Frau Baerbock einspringen….für ein paar Millionen Afghanen und Palästinenser haben wir doch sicherlich noch Platz.

nachgefragt
1 Jahr her
Antworten an  fatherted

Sag ich ja auch immer wieder. Die wissen genau, warum, was das für hoffnungslose Früchtchen sind. Erdogan hat auch noch keine aufgenommen. Ich finde ja, wer wie Erdogan vorprescht, der sollte auch aufnehmen. – Ja, neee. In Syrien führt er ja auch Krieg, nicht nur gegen Assad, sondern vor allem gegen die Kurden. Von daher sind die syrischen Flüchtlinge auch Ergebnis seiner Politik. Im Gegenteil zu den Palästinensern sind die Kurden aber wenigstens eine Volksgruppe mit angestammtem Verbreitungsgebiet. Jedenfalls können sich Ägytpen und die Türkei schonmal auf harte Jahre für ihre Tourismusbranche einstellen, wenn demnächst wieder Anschläge auf Touristen gemacht… Mehr

Last edited 1 Jahr her by nachgefragt