Populistischer Mummenschanz zum Tag der Einheit

In Dresden feiert sich die Obrigkeit selbst, beschimpft das Volk und im Schwarzwald wird das Grundgesetz in der Dose im Bunker archiviert - symbolischer geht's wohl kaum noch.

Screenshot ARD

Was für ein bigotter 3. Oktober. Da kommen am Tag der deutschen Einheit  ausgerechnet noch in Dresden jene zusammen, die das wohlhabende Deutschland in seine schlimmste Krise nach der Wiedervereinigung manövriert haben. Merkel und Genossen feiern sich abgeschirmt vom empörten Volk selbst und pöbeln sich von der Bühne der Semperoper aus gegenseitig auf Welcome-Betriebstemperatur.

Geschlossene Gesellschaft in der Oper

Der populistisch gestimmte Ministerpräsident Sachsens warnt ausgerechnet vor Populismus und man wird dabei den Gedanken nicht los, als warne er die da draußen lediglich davor, die unpopulären Entscheidungen der Berliner Regierung zu kritisieren. Hier und heute eine Einheit zu feiern jedenfalls gibt es für die geladenen Maßanzügler überhaupt keinen Grund. Schlimmer: Die Nachrichtensender der Öffentlich-Rechtlichen Fernsehanstalten überschlagen sich noch einmal in einer von Anbiederung, Verdrehung und Dummheit – nein: Frechheit! –  kaum zu übertreffenden Berichterstattung. Da werden regierungskritische Demonstranten unisono als „aggressiv“ oder „gewaltbereit“ denunziert, gerade so, als würde man sich über deren Wut noch wundern und als wären Demonstrationen nur noch dann gerechtfertigt, wenn sie irgendeine Regierungsentscheidung positiv flankierten. Ein Witz. Eine erzwungene, eine herbeigeschwafelte TV-Einheit, wie sie ältere Zaungäste wohl nur noch aus DDR-Zeiten kennen.

Zum 3. Oktober
Deutschland: Blühende Landschaften und strahlende Städte
Lang ist es her, als die DDR-Bürger ihr sozialistisches Joch abwarfen und „Wir sind das Volk“ riefen. Und auf der Bühne der Semper vergisst man dann gerne, dass man sich damals – wie ekelhaft! –  tatsächlich als genuin Deutsch verstand. Ein gespaltenes Volk, das nach über 40 Jahren endlich wieder zusammenfinden sollte und wollte. Welchen anderen Sinn sollte diese Wiedervereinigung auch gehabt haben, als vom eisernen Vorhang getrennte Deutsche endlich wieder in Freiheit zusammenzuführen? Ein Sehnsuchtsgedanke auf beiden Seiten. Und nicht zwischen zwei irgendwie zufällig benachbarten Bevölkerungen. Heute ist den Vertretern des Staates dieses anhaltende Zusammengehörigkeitsgefühl augenscheinlich nur noch peinlich. Man ist peinlich berührt von den angeblich dumpfen Deutschen.

Auch schon vergessen: Als die DDR-Bürger ihre D-Mark erhielten, ahnten die wenigsten, dass deren Abschaffung schon besiegelt war, als man die Hände nach den zahlungskräftigen Lappen ausstreckte. Kohls blühende Landschaften waren, als er sie verkündete, schon zukünftige Euro-Landschaften. Auch das ist heute Stachel im Fleisch unter der Haut dieses sich so entsetzlich falsch anfühlenden Tages. Erst der Euro, an den man sich gewöhnte, dann die millionenfache Einladungseinwanderung Made by Kanzlerin im Alleingang, die dieses Europa zu einem einzigen Scherbenhaufen machte. Mitglied England ausgetreten, Ungarn böse, Polen böse, Dänemark eingeigelt, Schweden auf Kurswechsel, Griechenland zu Tode beschenkt mit der Euro-Puderdose usw. usf. … Merkels multiple Zerstörungskraft aus ein und der selben Sprengdose.

Schwarzwaldbeerdigung

Der Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet an diesem Tag das deutsche Grundgesetz in der Blechdose den Weg findet dorthin, wo die Erinnerungen des deutschen Volkes irgendwann einmal von nachfolgenden, hier lebenden Menschen ausgegraben werden könnten als Erinnerung an Gewesenes, an diese komischen deutschen Menschen, die so große Schwierigkeiten hatten mit ihrem Deutschsein. Eine feierliche Schwarzwaldbeerdigung für mindestens 500 Jahre in den unterirdischen Archivbunkern für bessere Zeiten. Das Grundgesetz lagert jetzt 400 Meter tief unter dem Schwarzwald. „Getroffen war’s und sterbend lag es da, das man noch eben lustig springen sah. Da trat der Jäger aus des Waldessaum. Und sprach: Das Leben ist ja nur ein Traum.“

Ministerpräsident Tillich war nicht zum Singen zumute, als er erklärte: „Beschämt erleben wir, dass Worte die Lunte legen können: für Hass und Gewalt“. Welche Worte er gemeint haben könnte? Möglicherweise Merkels „Wir schaffen das!“? Oder doch eher die geballte Empörung derer, die sich noch trauen, diesem populistischen Einheitsmummenschanz aus Politik und Medien die Stirn zu bieten?

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