Macht um jeden Preis: Markus Söder heute so, morgen so

Der Sargnagel des Konservatismus sind die Konservativen selbst. Der tiefe Graben quer durch die Gesellschaft hat seine Baumeister in der Union, der Kanzlerschaft Merkel und in Politikern ohne erkennbare Werte und politische Konzepte, wie Markus Söder einer (geworden) ist.

imago images / Sven Simon

Notwendig ist, dass sich Parteien Programme geben, so wie Politiker ihren Standpunkt nachvollziehbar vertreten sollten. Einfach deshalb, damit der Bürger Wahlentscheidungen fällen kann. Anders geht es nicht. Darüber hinaus muss der politische Vortrag auch auf Glaubwürdigkeit überprüfbar sein. Viele Bürger scannen Glaubwürdigkeit aus dem Bauch heraus und lassen sich von Sympathie und Überzeugungskraft leiten.

Nun könnten man nostalgisch sagen, ein Merkmal der CSU-Politik seien diverse Brandmauern nach links und rechts gewesen: Der CSU-Politiker ist kantig, aber berechenbar, weil felsenfest in seinen Überzeugungen. Ist der Ministerpräsident Markus Söder so ein bayrisches Schild der Wahrhaftigkeit?

„Politische Nahtoderfahrung“
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Kritiker von Angela Merkel greifen in den sozialen Medien gerne auf Videos zurück, wo die Bundeskanzlerin Multikulti für gescheitert erklärt. Tatsächlich ja ein eklatanter Widerspruch zur Politik heute. Aber diese Videos sind über ein Jahrzehnt alt. Die Rakete zündet deshalb nicht bei allen, weil vielen klar ist, dass sich Haltungen ändern können. Sogar sollten, will man kein Betonschädel sein. Freilich abhängig davon, wie nachvollziehbar eine Wende ist.

Wie kontinuierlich muss also sein, was Politiker als Haltung präsentieren? Eine Legislatur lang? Mehr oder weniger? Einigkeit sollte darüber bestehen, dass jeder Gesinnungswandel verständlich werden muss. Nachvollziehbar auch in seiner Entstehungsgeschichte. Dieses dem Bürger transparent zu machen, schafft Glaubwürdigkeit, mitunter sogar mehr, als das sture Festhalten an starren Haltungen, die nur noch schwer zu vermitteln sind.

Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder hat seine Haltung geändert. Aber ist dieser Wandel auch nachvollziehbar? Ja, denn die Erklärung für seinen Gesinnungswandel ist so banal, wie leider unbefriedigend: Söder kämpft um den Machterhalt der Union auf Bundesebene (2021) und um den Machterhalt in Bayern (2023), sollte er es nicht ins Kanzleramt schaffen. Nein, mit der CSU will er in Bayern nicht in die Opposition gehen. Söder will auf keinen Fall der erste Parteichef der CSU sein, der seit 1957 nicht mehr den Ministerpräsident stellt. Notfalls dann eben Machterhalt auch in Bayern mit den Grünen.

Der Bayrische Rundfunk schreibt gerade: „Fleiß, öffentliche Inszenierung und Netzwerke“ hätten Markus Söder 2018 an sein Ziel gebracht. So richtig schmeichelhaft klingt das allerdings nicht. Und der Sender hat recht damit:

Fangen wir mit den aktuellen Verlautbarungen des Ministerpräsidenten an. Gerade sprach sich Markus Söder für eine schwarz-grüne Koalition aus. Der CSU-Ministerpräsident hält eine Regierung mit den Grünen für das „interessanteste politische Angebot“. Die Zeit zitiert dazu Robert Habeck, der Söder im Gegenzug für immer liberaler hält. Was für ein Klüngel würde man in Köln dazu sagen. Der Spiegel bittet die beiden Partner und potenziellen Kanzlerkandidaten zum Stuhlkreis, die Altmedien zitieren anschließend fleißig, die Wahlkampfmaschine läuft also wie geschmiert. Der Oppositionsführer im deutschen Bundestag ist Nazi, die anderen können aber alle miteinander, weil sie doch so gute Demokraten sind.

Das es sich dabei am Ende um ein pervertiertes Demokratieverständnis handelt, wird gleich klar, denn wenn es nur Tage oder Wochen braucht, eine Haltung zu wechseln, weil Meinungsumfragen dieser oder jener Koalitionskonstruktion mehr Chancen zubilligen, dann ist das das Ende jedweder Glaubwürdkeit. Und allemal das Ende der Vielfalt im demokratischen Sinne von Austausch und Streit um Haltungen.

„Ich glaube, dass Schwarz-Grün einen großen Reiz hätte, weil beide politischen Kräfte die ganz großen Fragen unserer Zeit im Blick haben, wie die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie.“

Vor 30 Jahren und heute
Markus Söder und andere politische Wendehälse
Das sind so Markus-Söder-Sätze, die man sich mehrfach aufsagen muss. Viel schlechter kann man seine Machtgier ja kaum tarnen. Es ist so würdelos wie hochnotpeinlich. Aber nicht nur das, es ist natürlich auch für die CSU der Gau. Denn eine „Versöhnung von Ökologie und Ökonomie“ ist reinsten grünes Parteichinesisch, noch dazu gewürzt mit einer Prise Sozialethik der Evangelischen Kirchen Deutschlands. Diese „Versöhnung” ist im Kern nichts anderes als die Abwicklung der einmal weltweit Neid weckenden deutschen Industrie vom Automobilbau bis hin zum Maschinenbau.

Noch Anfang des Jahres sagte Markus Söder gegenüber der Zeit: „Für die Union muss das Thema Innovation und Wirtschaft an erster Stelle stehen. Im internationalen Vergleich beginnt Deutschland gegenüber den USA und China zurückzufallen. Da müssen wir deutlich zulegen und auf Augenhöhe mit der Welt bleiben.“ Mal davon ab, dass das im Kern leeres Geschwätz ist, es klingt nicht einmal im Ansatz nach besagter „Versöhnung von Ökologie und Ökonomie“, denn die ist nun wahrlich nicht Wirtschaftsaufbauprogramm in China und den USA.

Für Söder ist dieses Heranwanzen an die Grünen „wenn man die aktuellen Zahlen zugrunde legt, eine große Koalition, die den Namen auch wieder verdient.“ Söder findet also nicht einmal etwas dabei, dem Bürger eine große Koalition als das Nonplusultra zu verkaufen, die ja ihrem Wesen nach antidemokratisch ist, also nichts anders sein sollte als Notlösung. Für die Profiteure allerdings ist sie vor allem eines: Machtgarant und steter Pöstchenlieferdienst.

Ankündigungen, Ankündigungen ...
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Bevor wir uns dem Versagen der Konservativen als maßgebliche Ursache für die Verheerungen unserer Zeit zuwenden, hier ein weiteres Söder-Glaubwürdigkeitsfinale: Der selbe Markus Söder, der die Grünen gerade umarmt, die sich gerne mit weggedrehtem Kopf umarmen lassen, den gleichen Markus Söder zitierte der Spiegel noch Ende 2019, also vor gerade einmal einem Jahr mit der Aussage, die Grünen seien „nicht koalitionsfähig“. Nun sind sie Ende 2020 und mit Beginn des Bundfeswahlkampfs die beste Wahl? Aber weil sich was geändert hätte?

Nein, bei den Grünen wie bei der Linken und selbst bei der AfD hat sich grundsätzlich nichts geändert. Alle drei Parteien sind, was nachvollziehbare mindestens in sich strigente Standpunkte angeht, wahrhaftiger, als diese offensichtlich verstörten deutschen Konservativen, die sich an die Macht klammern wie Ertrinkende, die nicht bereit sind, in die Opposition zu gehen, weil sie sich zu sehr an ihre Macht und die vielen Pöstchen gewöhnt haben und instinktiv wissen, dass, wenn sie einmal draußen sind, ein Zurück an die Honigtöpfe dauern kann.

Der Sargnagel des deutschen Konservatismus sind die Konservativen selbst. Der tiefe Graben quer durch die Gesellschaft hat seine Baumeister in der Union und der Kanzlerschaft Merkel und in Menschen ohne erkennbare Werte und politische Konzepte, wie Markus Söder einer (geworden) ist.

Markus Söder, die Volksverpetzer und der Wert der Aufklärung
Die Söders dieser Republik machen das Land kaputt. Zur größten Gefahr für dieses Land sind die „Konservativen“ geworden. Unter keiner Kanzlerschaft zuvor beispielsweise wurden so viele Milliarden investiert als unter Merkel, um linke und grüne Nichtregierungsorganisationen dauerhaft zu etablieren und zu so etwas wie staatstragenden Organisationen aufzubauen. Hätte es eine rot-rot-grüne Regierung gegenüber einer unionsgeführten Opposition gewagt, ihre Klientel so gnadenlos in den Machtapparat zu integrieren, sich also eine durchfinanzierte außerparlamentarische Kraft aufzubauen, die alles andere da draußen an Oppositon unterdrückt? Die Konservativen erledigen es stellvertretend.

Merkel und Söder haben es getan. Sie haben sich auf ein Stillhalteabkommen geeinigt, indem sie die rotgrünen Kräfte im Land massiv mit der Euro-Puderdose und mit einer ganzen Armee von Posten sediert haben. Wofür? Noch für ein paar Jahre des Machterhalts. Und da greift dann ironischerweise die Fundamentalkritik der Linken und Grünen am Konservativen: Wo Konservatismus traditionell auch marktwirtschaftlich orientiert ist, hatten Konservative wie Söder und Merkel nichts anderes im Sinn, als noch ein paar Jahre auf Teufel komm raus ihre Machtinhaberschaft zu halten. Bezahlt mit dem Verlust ihrer Glaubwürdigkeit.

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Kommentare ( 44 )

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Danny Sofer
3 Jahre her

Das Tolle heutzutage ist: er muss sich gar nicht umwandeln lassen, es reicht wenn er sagt, dass er glaubt, dass er es sei.

Heimatland
3 Jahre her

Markus politischer Stiefvater(Drehhofer) hat es ihm ja immer wieder vorgelebt, heute so, morgen so, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Übrigens, in Felix Austria wird er bereits der König von Bayern genannt.

thea
3 Jahre her

Vielen Dank für den Artikel und auch dafür, dass Sie schließlich die „Konservativen“ schreiben, mit Anführungszeichen. Zu Ihren Kritikpunkten möchte ich ergänzen: Politiker und Wähler haben vergessen, dass sich die Politik der verschiedenen Parteien unterscheiden sollte. Klingt wie eine Binsenweisheit, ist es aber leider nicht. Denn der Verlust der Unterschiede hat nicht nur Glaubwürdigkeitsverlust für die Politiker zur Folge, sondern Verlust einer Demokratie, in der man als Wähler die Auswahl hat zwischen Parteien/Regierungen mit verschiedene Programmen. Margaret Thatcher hat am 05. Februar 1976 in einem TV Interview mit Thames TV This Week noch von den großen Unterschieden zwischen den verschiedenen… Mehr

steadyrollingman
3 Jahre her

Eine äußerst gelungene Abrechnung, Herr Wallasch.

MG42
3 Jahre her

„Markus Söder zitierte der Spiegel noch Ende 2019, also vor gerade einmal einem Jahr mit der Aussage, die Grünen seien „nicht koalitionsfähig“. Nun sind sie Ende 2020 und mit Beginn des Bundfeswahlkampfs die beste Wahl? Aber weil sich was geändert hätte?“

Dann gibt es ja noch Hoffnung – offensichtlich ist dem Chiemseeprinzen egal mit wem er regiert, dh. wenn es nicht anders geht macht er auch Kanzler mit Linken oder/und AfD – wetten?

Alfonso
3 Jahre her

Söder,
was er macht, das ist einfach nur eine Charaktersache.
Menschen mit einem solchen Charakter, die können nicht anders.

MG42
3 Jahre her

Danke Herr Wallach für diese klaren, ehrlichen und zutreffenden Worte: „…. und in Politikern ohne erkennbare Werte und politische Konzepte, wie Markus Söder einer (geworden) ist.“

Arndt Schuster
3 Jahre her

Wer so handelt wie Söder und Merkel, der hat das Merkmal, konservativ zu sein, verwirkt. Söder und Merkel sind Opportunisten reinen Wassers. Für sie zählt allein der Machterhalt. Die Union hat den Konservatismus verraten, auf allen Politikfeldern, von EU und Euro, Energie, Wirtschaft, Bundeswehr, Bildung, Familie, Migration, Islam usw. Ich bin aber sicher, der Zahltag für die Union wird kommen, und das kann nur der Totalabsturz sein, den die SPD schon geschafft hat!

Peter Gramm
3 Jahre her

vor der AfD in Bayern hat der Söder höllisch Angst. Aus dem Grund macht er sie auch schlecht wo er nur kann. Die AfD könnte der Sargnagel an Söders Kistchen sein. Die Leute merken immer mehr dass die CSU kein Problem in Bayern löst. Die kochen auch nur mit Wasser. Für die Naturschönheiten in Bayern kann die CSU ja nichts. Für die Energiewendenkatastrophe im Flächenland Bayern hat die CSU bis jetzt nichts Nachvollziehbares vorgelegt. Aus dem Grund wnzt sich der Söder ja auch so an die Grünen ran, damit er hinterher sagen hab ich immer schon gesagt dass dies nicht… Mehr

Lars Baecker
3 Jahre her

Söder umarmt die Grünen auch heute keineswegs. Vielmehr wird er selbst von diesen umarmt. Und zwar so, wie die Würgeschlange ihr Opfer. Dieses verliert schnell das Bewußtsein und bekommt von seinem Tod nicht mehr viel mit. In diesem Zustand befindet sich Söder. Er merkt einfach nicht, dass die Grünen ihm auf kurz oder lang das Wasser abgraben werden. Wenn die CSU nämlich erstmal grün ist, wird man das Original wählen und nicht mehr die Provinzpartei, die sukzessive zusammen mit der CDU an Wählerstimmen verlieren wird. Denn die jungen, halbgebildeten (mit oder ohne Abitur) sind den Grünen durch schulische und mediale… Mehr